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ü »^, L> 7»^ o «» Ll « — ^e» 6»? s LV^A « « s Emil wußte, daß den schönen Augen zeitweilig Tränen in Bestalt natürlicher Wassertropsen entrannen, die dem Steinbild durch eine verborgene Wasserleitung zugrsührt wurden. Dann mußte der Eindruck ein überwältigender sein.*) Sinnend betrachtete Emil dar herrliche Kunst werk und wurde ernst gestimmt. Vergeblich mühte er sich, die unleserlich gewordene Inschrift zu entziffern, Lange Zeit stand er vor der Steinfrau und suchte dar Rätselhaf-s, da» au» diesem Kunstwerk« zu ihm sprach, zu lösen. Dabei verlor er sich so in tiefes Sinnen, daß er nicht merkte, wie jemand sich ihm näherte. Erst als er auSrirs: »bister äolorosa, schmerzensreiche Mutter, welches Geheimnis birgst du in deiner steinernen Brust!" schrak er auf; denn eine wohlbekannte Stimme sprach hinter ihm: .Möchte der Herr Mitschke dieses Geheimnis wirklich wissen wollen?" „Jul— Madmoiselle Juliane! Sie schon hier?" ries Emil srohverwundert. .Und nicht wahr, nun habe ich Tie in Ihrer Betrachtung gestört? Verzeihung!" ,O nicht doch, Madmoiftlle, ich schätze mich glücklich, Sie schon jetzt hier sehen zu dürfen", sprach Emil. „Meine Eltern wollten das herrliche Wetter, da» uns jetzt nur noch kurz zugemeffen ist, genießen, deshalb kamen wir früher, als eS ursprünglich beschlossen worden war", sagt« Julians. „Daher der Spaziergang", dachts Emil bei sich, laut sprach er: „Ach, da werden wir uns wenig sprechen können." „Leider, der schönen Wetter» wegen zwar nicht, aber meine Abwesenheit wird bald bemerkt werden," versetzt« Juliane. „Und doch möchte ich von Ihnen den Schleier de» Geheimnisse» so gern gelüftet sehen", bat Emil. „Ach, da» ist eine lange, tieftravrige Geschichte, die —„Die Sie, ich zweifle nicht daran, abgekürzt und dennoch wirkungsvoll erzählen können, sagte Emil, den vorigen Ton beibehaltend Er war ihm, al» müsse er Julian« darum bitten, als hinge etwa» besondere» davon ab, und Juliane schien e» ihm nachzusühlen. Sie sah ihn mit ihren wundervollen blauen Augen an, al» wolle sie zu ihm sagen: „Ich kann e» Jhn«n nicht abschlagen". Emil verstand den Blick. Er bat da» schöne Mädchen, sich auf die Bank zu fetzen. Er selbst stellte sich an die Säule, indem er seine Linke aus dieselbe legte. Julian« erzählte: „E» sind wohl über 50 Jahre her, da lebte in Löbau der reiche Kaus- und Handel-Herr Mühle, dessen Nachkommen noch j-tzt dar Reffourcenlokal nebst Garten besitzen. Er hatte außer einer Lügenhaften Gattin nur eine einzige Tochter, die der Mutter Ein und Alle» hier auf Erden war. Juliane, st« hieß demnach so wie ich," bemerkt« di« Erzählerin, lernt« einen jung«n preußischen Offizier kennen und lieben, der nach dem Ueberfall bei Hochkirch al» Schwerverwundert! in» Mühlesche Hau» zur Pflege gekommen war. Juliane unterzog sich derselben in liebevollster Weise. Der Offizier genaß nach längerer Zeit und schied al» Verlobter Julianen» au» dem Mühleschen Hause." „Wie mag wohl der Glückliche geheißen haben?" warf Emil fragend da zwischen und sah Jultane so eigen an, daß diese den Blick zu Boden senkt« und leise antwortete: „Da» weiß ich nicht." Sie fuhr aber schnell im Erzählen fort: „Er wollte, so war «» zwischen ihm und Juliane verabredet worden, zunächst wieder zum Heere stoßen, nach Beendigung de» Kriege» sofort aber zurückkehren. Dann sollt« die Hochzeit sein, und Juliane wollt« ihr«m Manne auf sein Schloß in Schlesien folgen. E» kam ander». Schon im nächsten Jahre erhielt die bsdauern»werte Braut di« Nachricht, daß ihr Verlobter in der Schlacht bet Kunner»dorf gefallen sei. Iulian« war und blieb untröstlich über den Verlust de» so innig Geliebten. Sie fing an zu kränkeln und im Lenz de» kommenden Jahres bettete man sie zur letzten Ruhe. Unbeschreiblich groß *) Dieses Kunstwerk war noch vor 1870, wenn auch äußerst vernachlässigt, erhalten. Der Versasser der Erzählung hat es gesehen. war nun der Schmerz der armen Mutter. Sie konnte den Verlust ihrer einigen heißgeliebten Tochter nicht er« trogen und folgt« ihr bald im^Tode nach, Zum blei benden Andenken an di« teuren Entschlafenen ließ der einsame Gatte diese» Steinbild errichten und weihte hier manch« Stunde den Manen seiner Lieben " Juliane schwieg. Tiefer Emst lagerte sich'avf ihrem Angesicht. Es war ihr, al»"ob «inr dunkle»^Ahnen durch ihre Seele zöge. O wie schön, wie; schön sah sie jetzt au», besonders war die» der Fall, als sie, während ihr« wundervollen Augen wie^bloue Blu wer. st er ne im Tränentou schimmer ten, sprach: „Nicht wahr.^da» klingt tieftraur^ und poßt nicht in die sonnige Welt, dis uns umgib;. Doch ich hab mich gar z vergessen. Meinen Eltern m >ß u<n langes Wegbleiben ausgefallen sein, ich —" Fortsetzung folgt. o—«MM Das Kirchenschläschen. ° Dak K>rch«nschläschen ist manchem die gleich« Nor- Wendigkeit wir ei» Schläfchen nach dem Mittagsmahl, und viel«, di« müdr und gebeugt zur Predigt kommen, kamen neu gestärkt au» der Kirch« zurück. Da war in einem kleinen Thüringer Städtchen ein alter, ehrwürdiger Mann, der seit Jahrzehnten keinen Sonntag in der Kirche gefehlt hatte und den die Gemeind« fast wie einen Hei ligen verehrte; doch «ine» Tage» nahm ein besondere» Ereignik den Heiligenschein vom Haupte de» Alten. Der Vikar hatte sich um eine Psarrstell« in der Nähe bewor ben und vom Konsistorium den Auftrag erhalten, st« so gleich anzutreten. In einer glänzenden Predigt nahm er Abschied von seiner Gemeinde. Nach dem Gottesdienste fühlte er da» Bedürfnis, von dem Treuesten unter den Schäfletn, dem alten Metz ler, eigen» Abschied zu nehmen. Er ging auf den Alten zu, schüttelte ihm herzhaft die Hand und wiederholte einen Teil der Predigt. Der alte Metzler riß die Augen aus. Er begriff nicht recht, warum ihn gerade heute der Vikar wegen seiner Frömmigkeit ein Vorbild für die ganz« Gemeinde nannt«. „Und nun, liiber Herr Metzler," so schloß der Vikar, „leben Sie wohl. Ich werde in meinem neuen Wirkungskreis« viel an^Sie denken und auch meiner neuen Gemeinde Sie al» glänzende» Bei spiel de» Bottoertrauen» und de» kirchlichen Sinne» hin. stellen." Der alt« Metzler war wi« au» den Wolken ge fallen. ,.Sie wollen fort von uns, Herr Vikar? Ja, warum denn, und weshalb denn, und wohin denn so plötzlich? Kein Sterbenswörtchen habe ich bisher davon gehört, kein Sterbenswörtchen. Und morgen schon wollen Sie fort? So ganz ohne Abschiedspredigt?' Der Herr Vitar hat bet seiner SntrittSpredigt in seiner neuen Gemeind« kein Work von dem kirchlichen Sinn de» alten Metzler erzählt, kein Sterbenswörtchen. Emil Herold. ° Erschaffung des ersten Westfalen. ° Einst zog der Herr mit holdem Sinn Mit Petru» nach Westfalen hin, Er wallte der vom goldnen Rom, vom Rheine bi» zum Weserstrom, Da» Tal der Ruhr hinauf zur Mark Durch Münsterlande» Etchenpark, Wo, eh' der Rab'^den Raben rief Die Kohle wuch» im Berge tief. Dann lenue aufwärts zog'» sein Herz, Wo er gesäet da» Eisenerz. Durch» F-lsenlor im Epheugrün Der Herr will in die Schlucht«« zieh«, Die Berg« neigen sich vor ihm, Dir Wälder rauschen ungestüm, Di« Hirsch« springen drinn umher Und brüllen Büffel, brummt der Bär, Vom Weiher flattert überrascht Der Reiher, der den Fisch erhascht, Und vor de» Habichts Griff versagt Di« Taube durch die Birken jagt. Durch Felsenlüfte ungezäumt Der wilde Bach zu Tale schäumt, In seiner Wellen wirrem Glanz Forellen spielen ihren Tanz, Au» sonnig leuchtendem Gebüsch Die Amsel flötet frei und frisch, Und jeder Lichtung vlütenflor Durchsummt ein wilder Bienenchor. So grüßt den Herrn da» Wunderland Rn Lenne, Ruhr» und Lippestrand. Der Schöpfung Krone fehlte nur, Der Mrnsch, von ihm war keine Spur. Da seufzt« Petru», sprach voll Leid: „Mich dauert diese Herrlichkeit; Ach, wären doch Westfalen hier Zu diese» Lande» Zucht und Zier!" Da stellt der Herr am Etchrnhag An Petru» lächelnd dies« Frag: „So ich den Menschen führe rin, Wa» wird sein erste» Wort wohl sein?" „Dem Schöpfer", sagt er singt er Preis, Ihm danken wird er fromm und heiß." Da stand am lichten Waldessaum Ein hartbeknorrter Lichenbaum, Der Herr schlägt mit dem Stab ihn an Und spricht: „Westfale sei ein Mann!" Da steht er schon, auf Gotte» Wort Erschaffen an demselben Ort, Wo hundert Jahr in schwerem Traum Im Sturm gerauscht der Etchenbaum. Er schaut den Schöpfer unwirsch an, Dann spricht der herb« Eichenmann: .Wa» tat ich dir? Wa» schlägst du mich?" Der Heiland aber wendet sich Und spricht zu Petru» mit Bedacht: „Den da, den hab ich recht gemacht; Denn fest und zäh wie Eichenholz Ist die» Geschlecht in edlem Stolz, Sein Herz wird bleiben treu wie Gold Dem Recht« und der Ehre hold". So ist'» geblieben bi» zur Stund, Wa» fühlt da» Herz, da» spricht der Mund. Wie Eichenrinde fest gebaut Ist hart nun de» Westfalen Haut, Und fesselt man mit Ketten ihn, Er beugt sich nicht mit Sklaven sinn; Wrr jemals den Westfalen stieß, Dem knirschend er die Zähne wie». Sein Kohlenschatz, sein Eisenerz, Si« stählen de» Westfalen Herz. Neue Fassung von Lieinius von Tlonerbrück in der „Allgemeinen Rundschau", München. °° Es wird wärmer am Nordpol. °° Wte norwegische Forscher und Kapitän« berichten, zeigt sich im Nordpolargrbiet seit einigen Jahren «ine Erwärmung, Sa lund der Ervlvge Dr. Boel im August 1422 infolge der geringen El»be- deckung an der Ostseite der AdvrntSbucht auf Spitzbergen große Kohlenlager. Er konnte mit seinem Schiff bis zu 81»/, Grad in eisfreiem Wasser vordringen und wie» den Golfstrom so hoch im Nord«n al» OberflSHenströmuna nach. Ein norwegischer Kapitän, der seit 34 Jahren da» östliche Polarmeer befährt,Meldete, daß di« Abnahme de» Eises 1S18 begonnen habe. Viele Gegenden habt« sich seitdem vollkommen verändert. Wo früher groß« Ei», massen waren, find jetzt Moränen von Erde und Steinen, an manchen Stellen find die Gletscher, dir bi» in» Meer reichten gänzlich verschwunden; Flora und Faura find durch die Zunahme der Wärme stark beeinflußt. So war der Robbenfang im Sommer 1922 gering, Mil «» diesen Tieren „zu warm" war, dagegen tratrn große Schwärme von Heringen, von der Brut bi» zum au»g«wachsen«n Fisch, an der Westküste von Spitzbergen auf.^"ebenso beobachtet« man Stintschwärme. Da» Wasser, da» sonst kaum 8 Grad Celsius hatte, war bi» zu 1S Grad er- wärmt. Prof. Kaßner, der darüber berichtet, betont, daß e» sich bet diesem milderen Klima im Nordpolargrbiet nicht um ein« Kltmaänderung, sondern nur um eine Klimaschwankung handelt. Solch« KUmaschwankungen, wie sie niemal» gleichzeitig aus der ganzen Erde, sondern nur für einzelne Gebiete austreten, hängen wahrscheinlich mit Vorgängen auf der Sonne zusammen. Diese Schwan kungen kehren gewöhnlich in 25 bi» 45, durchschnittlich in 35 Jahren wieder. Die verregneten Sommer, die wir in den letzten beidrn Jahren hatten, rühren wahrschetn. lich von der hohen Polarwärme her. ° Der wiederauftauchende Gänsekiel. ° Die Not der Zr.t hat au» der Stahlfeder einen Wertgegenstand gemacht, und deshalb versucht jetzt auf dem Landt mancher mit mehr oder weniger Geschick und Erfolg, au» der altbekannten Gänsefeder «in Schreibgerät zu gewinnen. Nicht all« Gänsefedern eignen sich dazu, und nötig ist vor allem ein scharfes Messer. „Feder- Messer" nannte man die kleinen scharfen Klingen in alten Tagen, und noch Henle wird der Ausdruck gebraucht, ohne daß man sich der Bedeutung bewußt wird. Die Gänsefeder hat al» Schreibgerät da» ganze Mittelalter beherrscht, aber an der Länge der Zeit gemessen, die da» Schreib«« kannte, war ihre Herrschaft doch kurz. Da» Altertum hatte die FZder noch nicht. Man drückte di« Schrift mit hartem Griffel in Wachs oder ließ di« schwarz« Farbe, da Atramentum, aus einem dünnen Rohr auf den Untergrund, auf da» Pergament oder da» ägyp tisch« Papyru» Papier, fließen. OS man auch schon die zugeschrägte und gespaltene Rohrfeder hatte, ist zweifrl- haft; dt.se ist vielleicht erst im Gefolge de» Gänsekiel» entstanden. Wir wissen nicht, wer di« erste Gänsefeder geschnitten und benutzt hat, auch nicht, wo die Erfindung gemacht wurde, vielleicht war es, wie Andeutungen in alten Schriftstellern vermuten lassen, in einem Kloster in Spanien, nachdem die Westgoten in der Völkerwanderung vom Lande Besitz ergriffen hatten. Man benutzte später auch Kiele von Raben, Krähen, Adlern und anderen Vö» geln. Da» Herstellen und verleih«« der Federn wurde dann an vielen Orten eine Einnahmequelle der Lrhrsr. Willibald NHxi» erzählt in seinen LtSenSerinnerungen recht ergötzlich, wi« einmal zu seiner Zett di« Franzosen in Berlin «inmarschierten und die Knaben au» den Schulklassen liefen, um sich da» Schauspiel anzufthen: da stellte sich der Lehrer ängstlich beflissen an drr Tür auf und nahm noch schnell jedem Schüler die Gänsefeder ab, die ein Objekt darstellte. Al» dann 1834 die Stahl-