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Nr 111. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 18 September 1923 Sette 2 Löscht. Inzwischen sind die Tarife höher, sodaß der Gang aufs Amtsgericht noch auf mehr als eine Mil. lion kommt. Drr einzige verantwortliche Minister wird Dr Rivera sein, dessen Verordnungen Gesetzeskraft Haden. Der frühere Außenminister Albs, der geflüchtet ist, ist in Biaritz eingetroffm und hat erklärt, daß er nie wieder nach Spanien zurückkrhren wolle. Elstra. (Eine traurige Kunde) durcheilte am Sonnabend vormittag unsere Stadt. Der Klempner meister Heinrich H., eine alldeliebte und geachtete Persönlichkeit, ist freiwillig aus dem Leben geschieden. Was den Lebensmüden in den Tod getrieben hat, ist völlig unbekannt Zittau. (Die „Zittauer Morgenzei tung",) die erst einen halbmonatlichen Bezugspreis von 7 Millionen festgesetzt hatte, siebt sich unter dem Druck der täglichen Verteuerung der Herstellung^ kosten genötigt, ihren Bezugspreis auf 14 Millionen halbmonatlich zu erhöhen. Wilthen. (Feueralarm) ertönt« Mittwoch abend gegen 8 Uhr in unserem Ort«. In der Mischers d«r Firma C. G. Thomas waren, wahrscheinlich durch Selbstentzündung; Abfälle in Brand geraten, die eine gewaltige Rauchentwicklung verursachten. Den sofort herbeigeeiltrn Feuerwehren gelang er in kurzer Zeit, den Brand zu unterdrücken. Dresden, 17. September. (AmrrikareisedeS Circus Stosch-Sarrasani.) Hans Stosch Sarrasani,der volkstümlichste CirculmannDeutschlandS, hat sich unter dem Drucke der Verhältnisse, di« drr klassischen TireaSkunst in Deutschland zur Zeit keine LebenSmöglichrit mehr geben, entschloflen, einer Ein- ladung nach den südamertkanischen Staaten zu folgen. Er wird mit seiner gesamten Gesellschaft und seinem Tierpark in der zweiten Hälfte der Oktobers von Hamburg nach Busneß Aires fahren. Dresden. (Zur Linderung der Lern- Mittelnot) Das Ministerium für Volksbildung erwartet, daß in allen Schulen des Landes, soweit es noch nicht geschehen sein sollte, die geeigneten Matz, nahmen zur Linderung der Lernmitielnot — jr nach den örtlichen Verhältnissen — ergriffen und durchge führt werden. Schulverwaltung, Lehrer- und Eltern schäft müssen hierbei Hand in Hand gehen und alles tun, um die schweren Schädigungen der Jugend mög lichst abzuschwächen. Insbesondere ist von der Ein führung neuer Lehrbücher nach Möglichkeit Abstand zu nehmen, auf jeden Fall ist aber vorher die Ge nehmigung des Ministeriums dazu einzuholen. — Die Bezirksschulräte werden ermächtigt, in Ueberein- stimmung mit den Bezirkslehrräten die in den Lehr- plänen für Rechtschreibung und Aussatz vorgeschrie bene Zahl der schriftlichen Arbeiten bis zur Hälfte zu verringern. Die schriftlichen Hausarbeiten sind auf das unbedingt erforderliche Matz einzuschränken. Dresden. (Der gesetzliche Steuerab. zug) Vom Landesfinanzamt wird amtlich mitge- teilt, daß die seit 1. September 1928 gültigen Er mäßigungen beim Steuerabzug nach Z 4S, Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes vom 16. September 1923 ab, allgemein verdoppelt werden. Sie betragen hier nach vom 16 September ds. Hs. ab für den Steuer pflichtigen und seine Ehefrau je 720000 M, für jedes Kind 4182 000 M bszw. 1440000 M. Die gleiche Erhöhung gilt auch für die Bewertungssätze der Natural- und Sachbezüge. Der Bewertungssatz für die Wohnung für verheiratete Deputatempfänger auf dem Lande ist unverändert geblieben. Besondere Bekanntmachungen der Finanzämter ergehen noch. Stollberg. (Protest gegen die Bier. Verteuerung.) Die im Bezirke Stollbeig ansässi. gen organisierten und Nichtorganisierten Gastwirte hatten für Montag eine Bezirksversammlung einbe- rufen mit der Tagesordnung: Einstellung des Vier, bezuges. Chemnitz. (EineStratzenbahnfahrt eine Million.) Der Fahrpreis für eine Straßenbahn- fahrt, der seit dem 9. September 500000 M betrug, ist vom 16 September ab auf eine Million Mark er höht worden. Seit der letzten Preiserhöhung hat sich eins starke Abwanderung von der Straßenbahn bemerkbar gemacht und es steht zu befürchten, daß die Zahl der Abwanderer nun noch größer wird. Rotzwein. (Zur Hypothekenrückzah. lung.) Dem „Roßweiner Tageblatt" wird von einem Leser folgendes erzählt: Ein Gewerbetreibender, sagen wir A, hatte von einem guten Bekannten vor langer Zeit auf Hypothek 12 000 M geliehen, damit er sich ein Haus kaufen konnte. Das Haus kostete dem B. nicht viel mehr, ist inzwischen auch voll bezahlt wor« den. Dieser Tage nun kam der B. zu A. und wollte ihm die Schuld, 12 000 M, dereinst als willkommene Hilfe in Goldmark geliehen, mit 12 000 M Papier mark zurückzahlen. Darauf stellte ihm der tzypothe. kengläudiger A. vor, wie wenig das sei, daß man dafür nicht einmal einen Wecker kuufen könne. Als der Schuldner, der jetzt in guten Verhältnissen ist, nicht einlenken wollte, sagte der Gläubiger: „Gut, dann schenke ich dir die 12 000 M." Aber der An dere war jetzt auf einmal stolz und meinte: „Ich will nichts geschenkt." Auch eine Schenkung der 12000 M an seine Kinder schlug er aus. So trenn ten sich A. und B. unverrichteter Sachs. Aber nach einer Weile kam der Schuldner zurück und sagte treu- herzig, wie denn sein ganzes Verhalten in dieser Sache treuherzig war: „Du mußt mir aber eine Löschbewiiligung geben." Darauf meinte A.: „Die gebe ich, wenn du mir den Gang auf das Amtsgericht bezahlst. Ich habe Anspruch auf Entschädigung für eine Stunde verlorene Arbeitszeit: macht eine Mtl< lion! Jeder hat heutzutage seinen Tarif." Eine Million und 12 000 M obendrein? Das war dem treuherzigen Hypothekenschuldner erst recht nicht recht — und so ist denn die Hypothek bis jetzt nicht ge- Politische Nundscha» Deutsches Reich. Berlin, 17. Sept. (Schwere Strafen für Steusrsaboteure.) Der Reichspräsident hat fol gend« Verordnung zur Wiederherstellung drr Stchrrh-it und Ordnung auf Grund de» Artikel» 48 der Reich»- orrfoflung für da» Reichsgebiet erlassen: Z 1: Wsr öffentlich oder in einer Versammlung, oder durch Der- breitung von Schriften oder anderer Darstellung dazu auffordert oder anrrizt, einer Steuerpfiicht oder einer öffentlichen Recht-verpflichtung zur Leistung von Geld oder Geldetwrrten an da« Reich, die Länder oder die Gemeinden (SrmeindevrrbLnde) nicht zu genügen, oder die Durchführung dieser Vorschriften über diese Pflichten aus andere Weise hindert, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat oder mit Geldstrafe bestraft. Da» Höchstmaß der Geldstrafe ist unbegrenzt. Z 2: Wer öffentlich oder in einer Versammlung oder durch Ver- breitung von Schriften oder anderer Darstellungen zur Zurückhaltung von Leben-Mitteln oder Futter mitteln, die zur Veräußerung oder zur Wettern er- üußeruug bestimmt sind, auffordert oder anreiz», wird, soweit nicht «ine schwerere Straf« verwirkt ist, mit Gefängni» nicht unter einem Manat und mit Geld- strafe bestraft. Da» Höchstmaß der Geldstrafe ist un- beschränkt. Al» Lebensmittel oder Futtermittel kom- m«n auch Erzeugnisse, au« denenLeben» oder Futtermittel hrrgestellt werden, in Betracht. In den Fällen der Z 1 und 8 kann außerdem auf Verlust der bürgerliche» Ehrenrechte erkannt werden. Ferner ist vnzuordnev, daß di« Verurteilung auf Kosten de» Schuldigen öffent lich bekannt zu machen ist. Die Bekanntmachung kann such durch öffentlichen Anschlag erfolgen. Die Vor schrift de» K 26 Abs. 3 und 4 der Preirtrribereioer- ordnund vom 13. Juli 1923 (R G. Bl. Teil 1 S. 7000) gilt entsprechend. Z 4 dieser Vrrordnung tritt mit ihrer Verkündigung in Kraft. Berlin, 15. September. Der Reich»prästdent gez Ebert. Freiburg, 17, Sept. (Da» badisch« Zen- trumfürDr Stresemann) Auf dem am Sonn» tag hier abgehaltenen Landelparteitag der badischen Zentrumkpartei betont« der Vorsitzende der Reich»tag» fraktion, der ReichrtagSabgeordnete Marx, daß do» Zentrum da» Kabinett Stresemann unterstützen werde und mehr al» birher an den großen Fragen der Reich« - Politik teilnrhmen werde und die große Koalition schützen werd«. Anschließend wurde eine Resolution angenommen, in der die Rhein- und Ruhrfrage wohl al» Grundlage für Verhandlungen mit Frankreich zu betrachten, aber gleichzeitig di« Staatshoheit an Rhein und Ruhr al» unantastbar bezeichnet wurde. Hof, 17. Sept. (Angriffe der Kommu nisten.) Al» am Sonntag abend gegen 8 Uhr die Teilnehmer am Deutschen Tage in Hof sich in ge- schloffenem Zuge unter Gesang vom Bahnhofe nach der Stadt begeben wollten, versperrten ihnen am Aut- gange der Bahnunterführung proletarische Hundert- schäften den Weg und verlangten, daß der Zug sich auflöse und die Teilnehmer einzeln nach Haus« gingen. Al» diese» verlangen abgelehnt wurde, kam e» zu Tätlichkeiten, di« zu einer allgemeinen Schlägerei au», arteten. Die Menge verstärkt« sich durch die vom Bahnhose zurückkehrenden Reisenden und Au»flügler immer mehr und schwoll bald zu vielen Tausenden an. Die Polizei drängte darauf die Menschenmassen in die Seitenstraßen. Gegen 10 Uhr abend» trat erst allmählich Ruhe «in. Sech» verwundete wurden in da» städtische Krankenhau» eingeliefert. Serbien. — (Die serbische Krise.) Der ,Temp»" be- zeichnet di« serbische Krise mit folgenden Feststellungen: Die jugoslawisch« Regierung ist davon unterrichtet word«n, daß bulgarische Banden einen Einfall auf serbisch-mazedonische» Gebiet planten. Diese Eingriff« waren für den 10. September geplant, find aber dann auf den «0. September verschoben worden. Um jeden Konflikt zu vermeiden, hat die serbische Regierung nach Sofia eine Note geschickt, in der der bulgarischen Re gierung mitgetetlt wird, daß die jugoslawische Arme« diese Landen nötigensall» bis auf bulgarische» Gebiet verfolgen werde. Die bulgarischen diplomatischen Ver treter haben gestern bei allen Ententrregierungen eine Demarche unternommen. — (Di« ersten serbisch.bulgarischen Zwischenfälle.) Au» Athen wird gemeldet: Ein Teil der aus serbischem Gebiete gut bewaffneten und dort operierenden Komitatschi» wird auf 8000 Mann geschätzt. Die serbischen Truppen find in Nisch gesam melt worden und bewegen sich an drr Eisenbahnlinie nach Zarikrod vorwärt». Ein serbische» über bulga rischem Gebiete weilende» Flugzeug wurde bei Athunhi» abgeschoffen. Spanien. Madrid, 17. Sept. (Die Diktatur D« Ri- vera».) General De Rivera hat vom König eine Verordnung unterzeichnen lasten, nach der sofort alle Gouverneure abgesetzt und durch Militär» ersetzt wer- dm. Man glaubt, daß di« neu« Regierung ihr« ganz« i «ufmtrksamkeit der Einführung ökonomischer Richtlinien ' für di« Ftnanzgebahren de» Staate» schenken wird. Barcelona, 17. Sept. (Eine Provokation De Rivera».) Der Grneralhauptmann Ds Rivera hat an sämtliche Platzkommandanten und Gouverneure folgendes Telegramm gerichtet: .Seine Majestät der König hat mich mit der Bildung einer neuen Regie rung Ssauftragt. Ich beabfichtigr daher sofort da» m meinem Manifest vom 12. September ausgestellte Pro gramm zu verwirklichen. Der Krisgrzustand ist ver kündet worden und er wird unverzüglich in ganz Spanien Anwendung finden. Ich Li r mir bewußt, daß ich ganz Spanien hinter mir habe und sein Ver treter zu sei». ES lebe Spanien, e» lebe der König!' Lie Gemindtwahlen «sm 18.NMMberM3. Dem Telunion-Sachsendienst wird geschrieben: Ai« Verhältnisse der sächsischen Gemeinden, die bisher durch die beiden Städteordnungen vom 24 April 1873 und durch die Landgemeindeordnung vom gleichen Tage geregelt waren, haben durch die neue Gemeindeordnung vom 1. August 1923 eine völlige Umgestaltung erfahren. Ai« Unterscheidung zwilchen Städten und Landgemein den ist gefallen, «» gibt im Sinne de» Gesetze» nur noch Gemrinden. Dies« sind nach § 21 Abs. 1 und 2 d«S Gesttzsk verpflichtet, zur Wahrnehmung ihrer eigenen GemeindeangelegenheUsa Gemeindeorrordneie zu wäh len, deren von der Gemeindeverfaffuny zu bestimmend« Zahl ungerade sein und -mindestens 7, aber höchst««» 75 betragen muß. Nur für Gemeinden mit höchsten» 100 Gemeindebürgern läßt Z 22 dr» neuen Gesetze» vie Auknahme zu, daß die vom Bürgermeister zu be rufende Versammlung aller Gemeindebürger die Ge- meindeverordnung bildet. Für diese Zwerggsmeinden ist also von der For derung einsr Wahl besovderer Gemrindeverordnster abgesehen, in allen übrigen Gemeinden find am 18. No- vembrr 1923 Gemeindeverordnrte nach den Vorschriften dr» neuen Gesetz«» in allgemeiner und geheimer W^hl nach den Grundsätzen drr Verhältniswahl mit gevun enen Listen zu wählen. Dir gegenwärtige Zahl der Stadtverordneten und Gemeindeoertrrter ist für die Zahl der erstmalig zu wählenden Gemeindsvertrrtrr maßgebend. Ist die gegenwärtige Zahl gerade, so gilt f-ie nächsthöhere ungerade Zahl, ist fir niedriger al» 7 oder höher al» 76, so erhöh: oder erniedrigt sie sich entsprechend. Di« Stadträt« und Gemrindsäitssten find am 18. November 1923 nicht neu zu wählen, sondern erst nach dem 1, April 1924, Die Bürgermeister und Äemeindevorstände bleiben auch nach de« 1. April 1924 im Amte, fallt sie nicht fietwillig autsLetden oder ab- berufen werden. Hierüber bestehen besondere vor- schristen. Die birherigen Stadtverordneten und Ge meindevertreter bleiben bi- zum Tage ds» Zusammen- treten» derneugewähItenGemeindev-iordnrten,längsten» aber bi» zum 31. Dezember 1923, im Amte und werden dann durch jene ersetzt. Di« neu gewählten Gem«tnd«ver1reter amtieren also bi» zum 1. April 1924 noch unter den Vorschriften d«» alten Rechter von 1873. Ihr« erste Aufgabe wird sein, di« Verfassungen und Orirgesetze der Gemeind«» mit dem neuen Gesetze in Einklang zu bringen und Äemeindevrrfaffungrn dort aufzustrllen, wo sie noch fehlen. Da» muß Li» zum 1. April 1924 gesch«h«N sein. Die hierzu nötigen ortSgefetzlichen Vorschriften find in Siädten mit revidiert«! Siädteordnung vom Stadlrat, im übrigen vom Bürgermeister oder Ge- meindkvorstand, nach Befinden unter Mitwirkung der bestehenden gemischten Autschüffe vorzubereiten und möglichst bald den neugewählten Gemetndeoerorvnete« vorzulegen, die allein darüber zu beschließen haben. Die Ort»g«setze und Satzungen bedürfen keiner Genehmigung der OSerbehörden mehr, find jedoch vor hrrr Bekanntmachung der Siaattbehörde vorzulegen. Dies« kann aber nur dann gegen rin OrtSgesstz Ein- Spruch erheben, wenn der Inhalt de» Orsgesktze» dem Reich»- oder dem Landrechte widerspricht oder eme schuldhaft« Vernachlässigung der Ausgaben der Ge meind« enthält oder wenn da» Ort-gesetz den an ein solche» zu stellenden Anforderungen nach Aufbau der Fassung nicht entspricht. Di«ser Einspruch ist spätesten» vier Wochen nach drr Vorlegung de» Ortsgesetze» dem Gemeinberat« gegenüber zu erklären und schriftlich »u begründen. Di« Gemeinde kann den Einspruch spä' testen» 14 Tage nach Eingang der Einspruch»begrün- düng bet der Grmeindekammer in Drerden anfechten. Di« Entscheidung der Gemeindekammer wird endgültig, wenn nicht ihr Vorsitzender innerhalb von fünf Tao«" dem Gemeinderate gegenüber erklärt, daß er di« A"' gtlrgenheit dem Ministerium de» Innern zur Ent schließung vorlegen wird. Diese» kann die Entschließung der Gemeindekammrr abändern oder ausheben. G«^ Entschließung ist endgültig Wirtschaftliche Wochenschau. Auch diese Woche ist wieder verflossen, ohne daß die Regierung dem deutschen Bölke die versprochene neue Währung gegeben hätte. Da der Dollar eine" Stand von 100 und darüber erreicht hat, so kann praktisch von «tnem Wert der Papiermark nicht ««B - gesprochen werden. Bei der Regierung besteht em