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100 Puftnitzsr Wochenblatt. — Donnerstag, vsn 23. August 1823. Sette 2. Beitragseinheit — und zwar außerterminttch — er hoben werden. — (Fünf Milliarden zu gewinnen!) Die ganz ungewöhnliche Geldentwertung, dis seit Ende Juli eingetreten ist, zwingt die Lotterieverwab tung, die Gewinne und den Losprsis weiter zu er höhen Es wurde ein Preis von 180 000 Mark sür das Zehnteilos der 5. Klasse festgesetzt Der Höchst- gewinn beträgt im günstigsten Falle 8 Milliarden Mark, nämlich das große Los 3 Milliarden, die Hauptprämie 2 Milliarden Mark. Kamenz. (Das Kamenzer Forst fest.) Am Montag nahm das historische Forstfest seinen Ansang mit dem Kinderauszuge. Tausende von Zuschauern folgten den fesselnden Bildern des Fest zuges mit seinen Fahnengruppen und Musikchören, Kränzen und Blumengewinden. An dem Festzugs nahmen auch 173 Ruhrkindsr teil. Die Zeltstadt im Forste zeigte unter den Nöten der Zeit nicht die Fülle früherer Jahre, vor Allem fehlen die größeren Echankzelte und dis Würsteibuden. Am Dienstag er folgte der Auszug der Turnabteilungen. Kamenz. (S i t t!i ch ke i ts a t t e n t a t.) Das kürzlich gemeldete SitlUchkeitsattentat in der Nähe der Eselsburg hat seine Aufklärung gefunden. Der Täter ist in einem hiesigen, 18jährigen Burschen er- mittelt worden; er sieht seiner Bestrafung entgegen. Kamenz. (DiePreise fürMauerziegel) sind in der Amtshauptmannschaft Kamenz ab 3 August auf 24 Millionen Mark pro 1000 Stück erhöht worden Kamenz. (Lin kaum glaubliches Spitz bub e n st ü ck) ist dieser Tage beim Gutsbesitzer Kreische in Biehla verübt worden. Diebe haben auf einem seiner Felder, auf dem der Weizen in Puppen stand, 16 Stück der Puppen an Ort und Stelle ausge- droschen, die der Körner beraubten Garben dann zu- sammsngebunden und wieder als Puppen ausgestellt Diese Diebesfcechheit ist kaum noch zu überbieten. Bautzen. (Die landwirtschaftlichen Bezirksoerbände) Bautzen, Löbau und Zittau beschlossen, den Verwaltungsbehörden zusammen 2100 Zentner Roggen und zwar sofort 1200 Zentner un entgeltlich und innerhalb der nächsten Zeit weitere 1200 Zentner, diese letzteren zum Marktpreise zur Hebung des gegenwärtigen Notstandes zur Per fügung zu stellen. Ferner wird die Landwirtschaft beschleunigte Maßnahmen zur Versorgung der eigenen Bezirke mit Schlachtvieh und zu möglichst frühzeitiger Belieferung mit Frühkartoffeln treffen. Ebenso wird man dem auswärtigen Aufkäuferunwesrn entgegen treten. Als Voraussetzung wurde betont, daß Bs Hörden und Verbraucherkreise alle Anstrengungen machen, die Willkürzustände gewaltsamer Enteignung usw. zu beseitigen. Dresden. (Sächsischer Lebenshal- tungsinder) Nach den Preisfeststellungen vom 20. August 1923 sind vom Statistischen Standesamte folgende Indexziffern der Lebenshaltungskosten (1913/14 --- 1) berechnet worden: Gesamtinder (für Ernährung, Heizung, Beleuchtung, Wohnung und Bekleidung) -- 829707. GelamtindeX ohne Bekleidung --- 171001. Am 13 August beträgt der Gesamtinder mit Bekleidungskosten 361001 und ohne Vekleidungs- kosten 312166. Vom 13 August bis 20. August sind mithin die Preiss der bei der Teuerungsstatiftik de rücksichtigten Güter um 46,7 bezw. 61,0 v H. ge- stiegen. Die bisher vom Sächsischen Arbeitsminislerium veröffentlichte „Punktzahl" (Steigerungszahl gegen- über Januar 1922 --- 1,00) beträgt für den 13 August 1923 26 708,48. Dresden. (DresdnsrSoziaNsten gegen Kommunisten.) Die sozialistische „Dresdner Volkszeitung" befaßt sich mit dem eben wiederge gebenen Angriffen des kommuntstichen „Kämpfer" gegen das Kabinett Zeigner und schreibt u. a.:" den Kom munisten kommt es offenbar darauf an, um jeden Preis die Regierung Zeigner herunter zu reißen. Sie wollen sich als die einzigen, wahren und echten Vertreter proletarischer Interessen hinstellen. „Das Blatt erklärt dann, daß die Sozialdemokratie trotz dem nach wie vor gern bereit sei, hier in Sachsen gemeinsam mit den Kommunisten sachliche Arbeit zu leisten. Hätten es aber die Kommunisten durchaus daraus angelegt, die Regierung Zeigner zu stürzen, so würden sie die Verantwortung dafür zu tragen haben. „Wir sind überzeugt, daß den Kommunisten, einen Sturz der Regierung Zeigner nicht gut bekommen würde." Dresden. (Eröffnung der deutschen Leinen- und Wäscheausstellung.) Gestern sand im Beisein von Vertretern der Staats, und Kommunalbehörden, wirtschaftlichen Verbänden der Industrie, des Groß- und Einzelhandels sowie der Arbeitnehmer die Eröffnung der Deutschen Leinen- und Wäscheschau im Dresdner Residenzschlosse statt. Als Vertreter der sächsischen Regierung war Wirt schaftsminister Fellisch zur Eröffnungsfeier erschienen, die durch künstlerische Darbietungen der sächsischen Staatskapelle umrahmt war. Tausende von Ab nehmern aus allen Teilen des Reiches sind zugegen, um die außergewöhnlich vorteilhafte Eknkaufsmög lichkeit wahrzunehmen, da zahlreiche Fabrikanten be stimmte Kontingente ihrer Produktion zu festen Papiermarkpreisen abgeben. Die Ausstellung bleibt bis zum 24. August eröffnet. — (Eine Katastrophe aufdemArbeits. markt) hat infolge der gewaltigen Lohn und Steuer- srhöhungen begonnen In Dresden ist es, nach amt lichem Bericht, vielen kleineren Unternehmungen un möglich, den Betrieb fortzuführen Zahlreiche Mel düngen über Kurzarbeit und Aussehen lassen weitere erhebliche Zunahme der Arbeitslosigkeit erwarten. Dresden. (Volles Gewicht geben) Im Kleinhandel ist in letzter Zeit häufig die Unsitte be obachtet worden, daß die Verkäufer als Gewicht nur 120 Gramm auf dis Wage legen, wenn sie für Ware verkaufen. Die Grwerbekammern sind bereits ersucht worden, gegen diese Unsitte im Kleinhandel vorzugehen. Wirksam kann gegen diese Unsitte nur angegangen werden, wenn das Publikum sich gegen diese Benachteiligung selbst wehrt und Anzeige an die Polizeibehörde erstattet Die Polizeibehörde wird jeder einzelnen Anzeige nachgehen. Meißen. (Der Bau eines Kremato rium s) ist vom Verein für Feuerbestattung beschlossen worben. — (Die Mieten für möblierte Zim mer im August) sind in Zittau von der Unter mieterschutz-Organisation zusammen mit der Haus frauen Vereinigung Zittau wie folgt fesigesetzt worden: Grundmiete (Friedensmiete von 16 bis 35 Mark, je nach Größe und Ausstattung des Zimmers) mal dop pelten Tsuerungsfaktor der Nsichsmiete Bettwäsche weiß 30 000 M, bunt 24 000 M, tägliche Bedienung eins Stunde 3000 M, außerdem sind vier besondere Vedienungsstunden im Manat zu bezahlen. Der Stadtrot hat von diesen Sätzen Kenntnis. — In Kasse! beträgt die Miete für ein möbliertes Zimmer den Preis von L'/i markenfreien Broten, für sm des serss Zimmer 3'/, Broten, für Bedienung und Rei- nigung ist der Preis von 4 Liter Vollmilch zu zahlen. Dieses System soll sich recht eingeführt haben. Freiberg. (Bestrafte Milchplantschsr.) Das hiesige Schöffengericht nermteüts die Gutsbesitzers- witwe Ida Hänig geb Wolks wegen fortgesetzter Milchoerfäischung zu 1 Million Mark und wegen des gleichen Vergehens dis Gutsbesitzersehefrau Martha Selma Zeuner geb. Schneider zu 750000 Mark Geldstrafe. Beide Banscherinnen wohnen in Klein- waltersdorf. — (Ausfall der Herb st Märkte.) Wegen der schwierigen Wirtschaftslage fallen die Hervst- märkte zu Lorenzkirch und Altmügeln aus. Schönberg. (Ein tollwutkrankes Schwein.. Auf dem Rittergut Schönbrunn wurde Tollwut bei^ einem Schwein festgestellt. Da die Schweine sich stets auf der Weide befanden, ist anzunehmen, daß chas Tier von einem tollen Hund gebissen wurde. Politische NundschtM Deutsches Reich. Berlin, 22. August. (Die Notverordnung.) Die Beratungen des Reichskanzler» Dr. Stresemann mit den Führern der ReichStagkfraktionen haben gestern nicht stattgefunden. Einladungen, die bereits ergangen waren, wurden zurückgezogen. Die Besprechungen sollen nunmehr im Laufe de» heutigen Tages stattstaden. Der Hauptgrund für dir Verlegung dürfte darin zu suchen sein, daß eine Anzahl der führenden Persönlich keiten des Reichstage», deren Anwesenheit bet den Be sprechungen wünschenswert ist, gestern von Berlin abwesend waren. Die Verordnung, dir Gegenstand der Beratungen sein wird, soll, sofern sich nach den Besprechungen mit den Parteiführern nicht noch wesent liche Aenderungen al» notwendig Herausstellen, sogleich nach Abschluß der Besprechungen veröffentlicht und in Kraft gesetzt werden. Sie würbe nach der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" also vorltegen, wenn Dr. Strese mann am Donner»tag seine in Aussicht genommene Rede im HauShaltauSschuß der Reichstage» halten wird. Heute bereits sollen die vereinigten Aurschüffe de» Reichrrate» durch di« Reichsregierung über den Inhalt der Verordnung unterrichtet werde». Die Sitzung wird wahrscheinlich vertraulich stattfinden, wie dies bei Autschußsitzungen dr» ReichSrateS üblich ist. In der KabinettSfitzung ist auch die Frag« der Kohlen- Versorgung und der Kohlensteuer behandelt worden. Der völlige Fortfall der Kohlensteuer schien nicht da» geeignete Mittel zu fein, dagegen wurden Pläne er örtert, die Werke vor der Getdentwertung zwischen Lieferung und ZahlungSiage, heute meisten» 2 Wochen, zu schützen. Am Mittwoch vormittag jedenfalls werden Vertreter der Wirtschaft vom Reichskanzler gehört werden. Der Devisenfonds soll in erster Linie durch freiwillige Abgaben und erst dann durch Zwang», abgaben gebildet werden und zur Sicherung der not wendige« Einfuhr und zum Schutze der deutschen Mark dienen. Im Zusammenhangs damit werden Maßnahmen für eine vernünftige Preis- und Lohn politik erfolgen. — (Lohnsteuer und Geldentwertung.) Der Steuerausschuß des Reichstages erhöhte die Ab züge, um die sich der vom Gehalt und vom Lohn des Arbeitnehmers einzubehaltrne Steuerbetrag ermäßigt. Die Regierung hatte ursprünglich vorgeschlagen, di« Abzüge zu verachtsachen. Die Geldentwertung und die hiermit verbundene nominale Steigerung der Lohn- und Gehaltssätze hat jedoch «ine Verfünfzehnfachung der Abzüge als notwendig erscheinen lasten. Demnach darf vom Steuerbetrag ab 1. September abgezogen werden: Für den Steuerpflichtig«» und sein« Ehefrau monatlich 360000 M, wöchentlich 77 200 M, für j«de» Kind monatlich 2 400 000 M, wöchentlich 576 000 M, für WrrbungSkosten monatlich 3 000 000 M, wöchentlich 720 000 M. Die durchschnittlich« Belastung durch die Lohn-steuer wrd unter Berücksichtigung dieser Lr- mäßiguvgSsätze im September etwa 4—6«/o betragen. Ab 1 September bleiben von dem monatlichen Ein kommen einer Familie mit zwei Kindern somit steuer frei: Ex stenzminimum für Mann und Frau 7 200 000 M, Abtug für2 Kinder 48 000 000 M, Abzug für Werbung»- kosten 30 000 000 M, gleich zusammen 85 200 000 M. Zu dieser sehr starken Berücksichtigung der Zahlen- aufblähung infolge der Geldentwertung bei der Lohn steuer, steht das sonstige Struerprogramm der Reich»- regierung in einem krassen Gegensatz. Man merkt auch hier den sozialistischen „Einschlag". Berlin, 22. August. (Dir Aussprache de» Kan.zler» mit der Industrie) Unter dem Vorsitze de» Reichtkanzler» und im Beisein de» Reich»- stnanzministrrs, sowie des Reichrwirftchafttminister» fand heute nachmittag eine eingehend« Aurspracht mit den Vertretern der Industrie über di« bevorstehend« Notverordnung des Rrich-präsidenten statt. Der Reich»- kanzler legt« eingehend die Notwendigkeit dar, mit größter Beschleunigung «inen Devisenfonds zu schaffen zur Besserung der EwährungSverhältniffe und zur Stützung unserer Währung. Nach ausführlichen Dar legungen des Retchrfiaanzminister» über die finanziell« Lage, erkannten die anwesenden Vertreter der Industrie in vollem Maße die Notwendigkeit der beabsichtigten Maßnahmen und erklärten ihr« Zustimmung zu be schleunigtem gesetzgeberischen Vorgehen und schärfster Strasmaßnahmen gegen Zuwiderhandlungen und Um- gehen der Verordnung. Dte Aussprache ergab weiterhin die Notwendigkeit, beschleunigte Maßnahmen zu treffen, die zu einer Hebung der Ausfuhr dienen sollen. Berlin. (Neve Preise für Stickstoff- düngemittel) Eine Verordnung dr» Reich»- minister» für Ernährung und Landwirtschaft dringt mit Wirkung vom 20. August 1923 ab neue Suckpreise für Stiüstsffdüngrmtttel. Er beträgt der Aufschlag: für den 100 Kilo Jutesack 492 000 M, für den 7üK!lo- Jutesack 393 000 M. — (Die Zulassung Deutschland» zum Völkerbund.) Am 30. Äugvst tritt untrr dem Vorsitz von Jshil in Genf der Vö!k«rbund»rat zusam- men. Unter anderem steht auf der Tagesordnung auch dte Zulassung Deutschland» zum Völkerbunde, für die insbesondere Lord Robert Cecil und Smeets aus der Bewegung heraus eintreten werden, daß dann der Völkerbund eher in der Lage sein wrrde, ein« wirksame Lösung de» Reparation», und Ruhrpcoblem» und der gesamten wirtschaftlichen Lage Europas einzul«it«n. Berlin. 23. August. (Der Devisenfonds 20 0 bis 300 Millionen Goldmark.) Die Reichs-Re gierung hofft, durch dis neue Verordnung 200- 300 Millionen Goldmark an Devisen herausholen zu können, um damit den schon mehrfach erwähnten Fonds zu schaffen, mit dessen Hilse man die Mark stützen und die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicher stellen wird. Die Vertreter der Koali- tionsparteien stimmten beim gestrigen Empfano in der Reichs kanzlei, den in der Verordnung getroffenen Maßnahmen zu, ja, es wurden sogar Vorschläge laut, die Verordnung in Bezug aus die Strafen noch zu verschärfen. Frankreich. Paris, 21. August. (Dir französischeNote an England) ist heut« dem ehemaligen Botschafter in Paris übergeben worden. Paris, 22. August. (Der ,Temp»' über den Inhalt der französischen Antwort.) lieber den Inhalt der französischen Antwort macht der „TrmpS" in seiner gestrigen Abendausgabe verschiedene SemerkenKwerte Angaben. In dem französischen Schrift stück wird zweierlei unterschieden. Zunächst rechtfertigt Poincare di« Politik Frankreichs gegenüber dem Reiche. Weiter wird die Tedankengade der englischen Note Wort für Wort widerlegt. Zuletzt erinnert der fran- Lüsische Ministerpräsident daran, daß er bereits die Richtlinien zu einer Lösung de» Ruhrproblemk ent worfen habe. Wie sich Poincare die Zahlung der Reparationen vorstellt, geht au» dem Abschnitt 23 de» letzten GrlöbucheS hervor. Dir französische Regierung ist sich klar, daß das deutsche Kabinett, um regelmäßige und genügende Zahlungen zu leisten, sowie um den Kredit wieder herzustellen, den es sich freiwillig zerstört hat, verschiedener Hilfsmittel bedarf. Als Hilfsquellen werden angeführt: 1. Dte Eisenbahnen auf dem linken Rheinufer, dte bereit» von einer internationalen Regi« verwaltet werden, würden einer Gesellschaft zu über geben sein, an der Frankreich, England, Belgien und sogar die Rheinland« sich b«teiligen. — 2. Da die deutsche Großindustrie sich auf Kosten des übrigen Deutschland? und der Verbündeten bereichert, ist e» selbstverständlich, daß sie unverzüglich im bedeutenden Ausmaße an den Reparationen beteiligt wird. Ver schieden« Kohlenbergwerk« de» Ruhrgebiete» würden dabei von dem Reiche wieder übernommen und einer interalliierten Gesellschaft Übergeben. Die Eisenbahn- geftllschaften der Verbündeten würden auf dies« Weise wieder di« Kohlen erhalten, auf di« sie ein Anrecht haben und Deutschland würde dergestalt einen Teil sriner Schulden abzahlen. — 3. Die Naturallieferungen werden in einem noch ftstzusetz«nden Umfange wieder ausgenommen. — 4. Dte Zollabgaben werden in Gold oder Goldwerten erhoben und den Verbündeten auS- gchändigt. — 5. Schließlich würde ein gewisser Teil der Devisen den Verbündeten übergeben. Di« Erhebung