Volltext Seite (XML)
Viol, b«t»Mgt«v, -rotze Heiter leit. Julianen» Hand zitterte merklich, al» sie die Locke abschnitt. Emil hätte dem Spötter für deffen Ltnfall, der ihm da» geliebte Mädchen in seine unmittelbare Nähr brachte, vor Ent zücken danken mögen, sah er doch, wie Juliane mit viel sagendem Blicke, indem st« hold lächelnd zu ihm sprach: „Al» souvenir an den heutigen AbendI" die Locke in ihr Brusttuch steckte. Viol wollte aber vor Nerger darüber bersten. Er war aber auch, da» sagte er sich selbst, zu ungeschickt gewesen. Wa» nun mit dem Dukaten an- fangen? Di« Meinungen gingen sehr aukeinander. Zuletzt sollte e» Juliane sagen. Da stand Emil vom Stuhle aus, wechselte schnell einen Blick de» Einvrrständ. niste» mit Juliane, der dem Viol nicht entging und sprach frei von Befangenheit wie zuvor: .Gestatten Sie, Madmoisell« Juliane, daß ich für Sie da» Wort »grelle. Ich schlage vor, wir lasten den Dukaten einer armen, würdigen Familie in hiesiger Stadt zukommen, dann hat der Scherz de» Herrn Viol auch etwa» Gute» gebracht." Juliane nickte beMmmend mit dem Kopfe, und e» war Emil, al» ob ihre herrlichen blauen Augen ihm noch etwa» sagen wollten. Da niemand gegen den Vorschlag Emils war, wurde Friedericke beauftragt, den Dukaten einer Familie, die ul» würdig befunden worden war, zu überbringen, und bald darauf verließ in bester Stim mung die Gesellschaft da» GeburtSLasShaus. Emil schrieb noch zu Haus« in s«in Tagebuch: .Ich Glücklicher! Si« hat eine Lock« von mir und will sie zum Andenken an — mich, es klingt so hübscher, aufhrben. Juliane, wann werde ich von dir ein Andenken bewahren dürfen?" IV. Liebeslebe«. Emil» Frohsinn war schon am nächsten Tage einer Liefen Niedergeschlagenheit gewichen. Vater Mitschke war dagewesen und hatte ihm mitgeteilt, daß die Mutter schwer krank geworden sei. Eie möchte den Ewil vor ihrem Tode noch recht glücklich wissen, darselbe wünsch« auch er, der Vater. Emil solle sich nur bald nach einer postenden Lebenrgefährtin umsehen. Er solle aber dabei an da» Gespräch in der Laube denken, sicher würde er unter den Bürger»töchtern eine finden, mit deren Wahl sich auch die Eltern et.iverstandek erklären könnte». Nun saß er, nachdem der Vater sortgegangen war, im Laden- stübchen und starrt« trüben Sinne» nach der Wand, an welcher ein« von ihm mit einigem Geschick geschnittene Silhouette Julianen» hing. Er mußt« dabet an dis erkrankte, liebe Mutter denken, an ihren Wunsch, der auch der de» Vater» war, und doch ließ sich dadurch da» Bild Julianen» au» seinem Innern nicht verdrängen. Er wußte unbedingt die kranke Mutter sobald als mög- lich besuchen und doch mußte er auch sehen, auf welche Weis« «r zur rosafarbenen vtla»schleise Julianen» kam, die zur Verzierung de» Schattenriste» unbedingt nötig war. Wie sollte er st« erhalten- Aber der Eltern Worte! Durfte er denn noch an Iulian« denk«n - Bitter beklagte «r «», daß ihm sein« Eltern, die er auf keinen Fall be trüben wollt», ihm seine Lt«be»träum« mit ihrem ver meintlichen Eigensinn zu zerstören drohten, und dabei schrieb er «in ,J" neben da» andtr« auf da» schon ziem lich mit diesem Buchstaben bedeckte Löschblatt seines Hauptbuches. (Fortsetzung folgt) o— Kleine Bilder aus der Zeit. —° Berliner Brief. Tagelang war Berlin vom Gespenst de« Hunger» b«droht. Mit unheimlicher Schnelligkeit lierten sich Schau- fenster und Lüden von Waren. Im selben Maß« wuchsen di« .Schlangen" vor den Geschäften an — müder, ab gehetzter, vergrämter wurden täglich die Gesichter der Frauen. .... Di« Märkte verödet«« und um einen Kartoffelwagen kam «» zu Schlägereien. All da» war«n schlimme und traurige Bilder. Ergreifender fast noch in der Lautlosigkeit ihre« Elend» ist da» Schicksal der Kreise, denen kein« robuste Wehrkraft, keine Möglichkeit gegeben ist, in lauten Klagen sich zu entlasten, um Mitleid und Beachtung zu bitten. Da kommt «ine Arbeiterfrau mit einem kartoffrl- gefüllten Korb am Arm. Lang hat st« darum anstehen wüsten, teuer find sie bezahlt. Aber — fi« hat doch wenigsten» Nahrung. Ein älterer Herr tritt aus si- zu: „Verzeihung, gibt e» noch Kartoffeln auf dem Mrd:?" — .Ja, wenn Sie sich eilen, sind sicher noch welche da." — ,Wa» kosten sie denn?" — .Fünsundzwanzigtausend da» Pfund! . . ." Der alte Herr erschrickt, wird blaß. Dis mageren Hände beben leise, al» er dankend an den Hut faßt und leise sagt: .Dann wüsten wir eben verzichten, da kann ich meiner Frau keine mttbringen . . . ." Er wendet sich und müde beugt sich der Kopf zur Erde. Man sieht e» der Frau an, sie möchte dem alten Herrn am liebsten einen Tül ihrer Kartoffeln schenken, aber sie fühlt, sir darf e» nicht. Größer noch al» Not und Hunger ist der Stolz in ihm. Er gehört zu jenen stillen Opfern der Zeit, die schweigend sich abseits schleichen und sterben. * * * E n andere» Bild, Nicht minder zeiicharakteristisH. Die Straße dunkel. Kaum, daß der Himmel ein wenig durch dis Baumkronen der Alle« lugt und blasser Sternen- schein flimmert. E» ist wieder «inmal Streik. Man stolpert, lichtverwöhnt wie man nun einmal ist, ziemlich hilflos durch das Dunkel. Rennt beinah ein dicht aneinander- grschmiegte» Pärchen an. Man hat sogar etwa» wie Sorg«, ein zarte» Liebrkwort rauh gestört zu haken. Da — was ist da» ? — da vernimmt man statt zärtlichen S-flüster» di« kühlen Wort«: „Ja, siehst du, da hab« ich eben Bergbau genommen — ein guter Tip." Man schüttelt ein wenig den Kopf — Da geht, geborgen in der un erhellten Nacht, wieder ein Liebespaar, HSndeosrschlungm, träumerisch schlendernd, in stilles Glück schweigend ver sunken. Endlich «in Hauch Romantik in unromantischer Zeit. Aber, kur- nur dauert der Trug. Denn von des Mägdlein» Lippen kommt r» laut und deutlich: „Meine Firma hat sich so gut mit Devisen und Papirrmark ein- gedeckt, daß . . . .' Ich enteile mit Grausen. — Aber nicht nur aller guten, auch aller schlechten Dinge sind drei und so scheint «» mein Verhängnis zu wollen, daß ich ein dritte» Pärchen unfreiwillig belausche. Nun er- staunt «» wich schon nicht mehr, von ihnen, die fest Arm in Arm gehängt langsam daherschlendern, di« Wort« zu hör«»: .LuSsuhr — Agio — Abschreibung —Sie hat lauschend das liebliche Köpfchen gesenkt — so wär« doch wohl di« Terminologie unser«! Großväter in diesem Fall? — «r redet «tfrig aus fi« ein . . . . Nur noch die Gebärd« der Liebe scheint den Pärchen von heute eigen zu sein. Herz und Gedanken aber find Kurse, Paptermark, Aktien, Probleme der Volkswirtschaft. Klein« LuSschnitt« aus dem Bilderbogen der Zeit. Traurig und grotesk. o—o—o Der Paddenpfuhl. ° Don Paul Dahms. Den Alten Fritz führte «ine seiner Reisen durch die Neumark, der «r sein« besondere Aufmerksamkeit und Anteilnahme widmete. -2- Gr fatz in seiner Hoslursche mk zerschNsieuern Rock U und mit dem Dreimaster aus dem Kopse, an dem di« Federn herunterhingen. Der König befand sich aus d«r Fahrt durch den östlichen Zipfel de» Ländchen», al» er an einer Wegetreuzung mit der Krücke seine» Stocke» gegen den Wagenschlag schlug, den Kopf zum Fenster hinaussteckte und an seinen Leibkutscher Pfund di« Frage stellte: „Hör er, Pfund, wo wollen wir übernachten?" Der König hatte die Angewohnheit, wenn er mit seinem Kutscher allein fuhr, diesen über die Nachtaufent- halte bestimmen zu lassen. Der alt« Pfund kannte alle Herrschaften, die im Lande wohnte». ES hatte sich schon herumgesprochen, daß der ergebene Kutscher in derlei Angelegenheiten keim König großen Einfluß besaß. Man erzählte sich, daß Höchstdero L-ibkutscher durch diesen Einfluß beträchtliche Nebeneinnahmen hatte, denn mancher herrschaftliche Untertan legte Wert darauf, daß auch iv seinem Haus« «inmal der groß« König übernachte. Auf die Frage de» Alten Fritz entschied der Hof, kutscher dann auch: „Majestät, ich m«in« beim Kammer herrn Soundso". „Gut, Pfund, fahr er zu", war de» König- zu- stimmende Antwort. Der Kammerherr b«wohnt« im nächsten Dorf« ein Herrenhaus und schaltete und waltete dort auf seinem Besitztum. Hierzu gehörte auch ein großer See, von dem aber ein beträchtlicher Zipfel zum königlichen FiSkuS ge hörte. Aus diesem See gingen regelmäßig die schönsten und besten Fische in dir Hofküche nach Sansouci. Um diesen Teil beneidete der Kammerherr schon längst den König, und sei» Sehnen und Trachten ging dahin, die Alleinherrschaft über den ganzen Tee zu erhalten. Der König war in guter Laune. Er unternahm mit dem Kammerherrn einen Rund- gang durch das Dorf, fragte bst den Bauern nach dem Stand der Ernte und machte derbe Witze mit ihnen. Für sarkastische W'tzr halt« der König eine besondere Vorliebe. In seiner Rocktasche trug er auch immer einige lose Taler, die er hier und da verteilte, wo er eine treffende Antwort erhielt oder Wohlgefallen an dem Fleiß seiner Untertanen sand. So erzählt man auch vom Alten Fritz, daß er sich einmal «ine Bauernfrau kommen ließ, in deren Garten er auf grünem Rasen weißgewaschene» Ltnnenzeug liegen sah, Ltnnenzeug, auf dem aber keine Stelle ungeflickt war. „Hör sie, ist da» ihrs Arbeit?" fragte der König. Al» die Frau bejahte, holt« er ein Geldstück an der Lasch« heraus. „Hirr hat st« einen Taler, weil sie so schön — flicken kann." Und ließ die erstaunt dreinbltckend« Frau stehen. Die Aufnahme d«» König» im Herrenhaus« war über alle Maßen gut. Ehr er sich am anderen Tage von dem Kammer. Herrn verabschiedete, sagt« er zu ihm: „Hör «r, ich bin zufriedengestellt. Im Hau» und Dorf herrscht Ordnung. Er darf sich eine Gnade auSbitten". „Halten zu Snadrn," entgegnet« d«r Kammerherr- der den günstigen Augenblick zum Vorbringen seine» Wunsches für gekommen hielt, „ich hätte wohl eine Bitte. An weinen See grenzt ein Pfuhl, man sagt Paddenpfuhl, der Euere Majestät gehört. Den möchte ich gern zu «ige» haben". „Ein Pfuhl? Und obendrein ein Paddenpfuhl," und der König lachte, den mag er behalten. Und hat er sonst noch einen Wunsch?" „Wenn WM Gus'« bitten dürft«.' „Ich glaub, daß ihm Seine» König» Wort genügt. Aber hier hat er auch meine Hand." Und de» König« Richte ruhte auf «inen Augenblick in der Hand de» Kammerherrn. Dann fuhr der hohe Gast von dannen. —- — — Monate waren in» Land gegangen, al» sich eine» Tag«» der König in Pot»dam den Hosküchenmetster komme» ließ und ihm Vorhaltungen machte, daß seit langer Zeit sich nicht mehr unter den Gerichten auf der Hoftafel jene wundervollen Fische befunden hätten, die immer au» der östlichen Neumark kamen. Al» der Groß« Friedrich aber aus dem Munde seine» Hofküchenmetster» vernahm, daß da- königlich« Hau- auf dies« Fisch« kein Anrecht mehr habe, weil der König gelegentlich seiner letzten großen Reis« durch die Neumark einem Kammerherrn diesen großen, schön«» See, der Paddenpfuhl mit Namen heiß«, durch Handschlag übereignet habe, da schlug er mit dem Krückstock auf den Tisch, daß sein Windspiel winselnd in di« Ecke flüchtete. „Ei, dieser Filou!" wrttert« der König und gab »«fehl, den Kammerherrn, der ihn überlistet hatte, sofort nach San»sou«t kommen zu lassen. Dem König stand da- Gesetz über alle», aber in diesem Falle war ihm da» Prozessieren verpönt, und er nichtachteis da» Kammergericht samt seinen Akten. Denn eine» König- Wort würde auch dort al» bindend gelten. So wollte er selber Justiz an seinem Kammerherrn übe». Der König war eine- Nachmittag» eben im Begriff, die Terrassen von Sansouei htnabzusteigen, um ein«» Gang durch den Park zu machen, al» er den Kammer- Herrn kommen sah. Ec drehte mit einem Ruck den Kopf zur Seite, daß die Federn und Fransen an seinem Drei master wehten. De» König» Augen blitzten. „Hör er," sagte er scharf und höhnisch zum An- kömmling, „dieser Pfuhl, dieser Paddenpfuhl ist sein eigen, da hab' ich da» Recht verLoren, aber, und nun hob er seinen Stock und ließ ihn in aller Heimlichkeit mit der Rückseite de» Kammerherrn Bekanntschaft machen und meinte zum Schluß seelenruhig, als wäre nicht» geschehen, „ein Recht habe ich auch noch. Ich werd' ihn lehren, seinen König zu betrügen!' Und damit war der königliche Prozeß zu Ende. o Mein Kindlein, o— Mein Ktndlein ist wie ein Frühlingstag Boll Lerchentriller und Amsrlschlag, Voll strahlender Sonn« und Mairnluft, Boll blühender Veilchen süßem Duft. Erklingt s«in zwitschernde» Stimmchrn im Hau», Fliehen die grauen Sorgen hinau». Wie tiefblauer Himmel, so rein und so klar, Lacht mir entgrg«n sein Augenpaar. »pfelblüt« die Wängelein find, Die Händchen kos«n wie Frühlingkwind, Und in seiner Härchen goldblondem Schein Fing di« strahlende Sonne sich «in. Brausen auch Stürme, kommt Ei» und Schne«, Nimmermehr tut mir mein Herze weh — Bringt mir doch immer mein Kindeletn Lenz«»wonn« und Sonnenschein! H e l m u t W o l s. -3-