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Nr 98 Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, ven 18 August 1928 Ssits 2. Beratungsstelle für Buchführungs- und Steuerange legenheiten den Steuerpflichtigen hilfreich zur Seite stehen. Jeden Dienstag, vormittags von 10 bis 12 Uhr, ist diese Beratungsstelle in der Kanzlei der Ge werbelammer lZittav, Lessingltrahe 32) geöffnet. De rsn Leiter, vereidigter Bücherrevisor Edm. Herrlich, Oybin, ist aber auch bereit, außerhalb der Sprech- stunden den Steuerpflichtigen Rat und Auskunft zu erteilen. Es liegt im Interesse derer, die es angeht, daß sie sich, falls sie über die Bezahlung der jetzigen Steuern im unklaren sind, an die genannte Bera tungsstelle der Gewerbekammsr Zittau oder an deren Leiter, Herrn Herrlich (Oybin) wenden. Zu empfeh len wäre auch die sofortige Abhaltung von Aufklä rungsvorträgen im Kreise der einzelnen Wirtschafts- Vereinigungen, Innungen und sonstigen Verbände. Es kann nicht dringend genug empfohlen werden, von diesem Anerbieten Gebrauch zu machen. — (Militärische Uebungen.) Am Freitag und Sonnabend finden Fahrübungen der Kraftfahr abteilung 4 Zwischen Königsbrück und Spremberg statt; ihnen folgt am Montag und Dienstag sine Fahr- und Geländeübung der Kraftfahrabteilung 4 und des 2 Bataillons des Infanterie Regiments 10 zwischen Königsbrück, Bautzen und Schirgiswalde. — (Erhöhung de« Brotpreis««.) Wie die Amtrhauptmannschaft für den Komwunalverband im amtlichen Teile heutiger Nummer bekannt gibt, tritt vom 19. August ab eine bedeutend« Erhöhung de« Markenbrot Preise« ein. Für ein 1900 Gramm Brot, da« jetzt 10 400 Mk. kostet, sind dann 48 000 Mk. zu zahlen. Dagegen find die Preise für markenfreie« Brot, wie die Bäckerinnung ,u Kamenz dekanntgibt, ermäßigt worden: ein Brot 1. Sorte von 300 000 auf 250 000 Mk., 2. Sorte von «80 000 auf 200 000 Mk. — (Politische Parteien und Presse) In Ostsachsen werden in der nächsten Zeit zwei neue politische Tageszeitungen entstehen. Die sozialdemo kratische Partei wird in Löbau, wo zu diesem Zwecke eigen« ein Bau aufgeführt wird, eine neue Tagerzei tung für dir Lausitz herautgegeben. Die Kommunistische Partei, die für Ostsachs n bisher nur ein Kopfblatt de« Chemnitzer »Kämpfers* heraußgab, will sich nun auch ein eigene« Organ für Ostsachsen schaffen. Die Parteileitung legt zu diesem Zwecke «ine Anleihe mit dem 18. August al« ersten Zahlungstermin auf. So zeigen Sozialisten und Kommunisten, daß sie erkannt haben, wie notwendig gerade in Wirtschaft!.ch und po Misch schwersten Zeiten für sie eine gute Presse ist. Und wa« tut da« Bürgertum k E« zetert, wenn seine Zeitungen den Bezugspreis auch nur einigermaßen aulzugleichen versuchen, versagt seinen Presseorganen zumeist die dringend nötige Unterstützung und be. schwert sich dann, wenn sein Einfluß auf die Orffent- lichkiit sich immer mehr verringert. — Beschränkung der Tanzwut der Jugend.) Dis Verordnung über Tanzvergnügen vom 8 Juli 1922 wurde durch eine Verordnung des Ministeriums des Innern vom 24. Juli d. I, die in Nr. 27 des Sächs Gesetzblattes veröffentlicht ist, dahin geändert, daß der Zutritt zu öffentlichen Tanzver gnügungen Personen vor vollendetem 16 Lebens- jahre, sowie allen Personen, die noch fortbildungs schulpflichtig sind, verboten ist. Oberlichtenau. (Suggestion und Aber glaube.) Wenn ein halbwegs wissenschaftlich gebil deter Mensch über der Tür eines Bauernhauses ein Hufeisen angenagslt sieht, das dem Hause und seinen Bewohnern Glück bringen soll, so spöttelt er und lacht darüber. Aber jener Spötter bedenkt nicht, daß er selbst einem Aberglauben und einer Suggestion zum Opfer gefallen ist, nämlich dem Aberglauben von der Schutzpockenimpfung. Diese Tatsache läßt sich in wenig Zeilen nicht beweisen. Aber die Impfung ist tatsäch lich ein großer Aberglaube. Die Jmpftheorie stützt sich auf die Aussagen eines alten Weibes aus Thessalien, dem die Mutter Maria gezeigt haben soll, daß man gegen die Pocken geschützt sei, wenn man Eiter von Pockenkranken ins eigene Blut spritze Und weiter. Was ist der Gedanke der Geimpften: „Ich bin jetzt gegen die Pocken geschützt", nichts anderes als eine Suggestion. Gründliche Aufklärung über diesen Aber glauben und die große Gefahr des Impfens wird am 22. August in einem öffentlichen Vortrag geboten. Siehe Inserat! (Eingesandt.) Radeberg. (Besonnene Arbeiterde' monstration in Radeberg) Am Donnerstag sammelte sich die Arbeiterschaft der hiesigen großen Fabrikbetriebe, um gegen die Teuerung zu demon strieren. Die Demonstrationszüge bewegten sich durch die Straßen der Stadt in die umliegenden Dörfer, um die Bewohner zu warnen, ihre Eezeugnisse zu- rückzuhalten und zu gemahnen, schnellstens aus- reichend und preiswert die Stadt mit Nahrungs mitteln zu versorgen und eingedeckt zu sein, daß nur gegenseitiges Verstehen böse Folgen abwenden kann. Erfreulicherweise haben verschiedene Gutsbesitzer in Erkennung der schweren Notlage der städtischen Be völkerung die Arbeiterschaft eingeladen, die Getreide felder, ehe daß diese vorher abgerecht worden sind, abgelesen werden können. Dresden. (Massenkündigungenauchim sächsischen Zeitungsgewerbe.) Unabhängig von dem Vorgehen der Zeitungsverlage in Mittel- deutschland haben auch dis sächsischen Zeitungsverlegsr beschlossen, dem gesamten technischen Personal zu kündigen. — (Auf der sächsischer» Gastwirteta- gung) in Mittweida wurde natürlich auch die Bier- Preisfrage lebhaft debattiert. In einer schließlich ein« stimmig angenommenen Entschließung hierzu heiß! «S: Dis in Mittweida versammelten Vertreter des gesamten sächsischen GastwirtSgewerbe» erheben gegen die bisherig« Bi«rprei»politik der Brau«r«ien scharfen Protest. Sie oerurteilen mit der Gesamtheit de« Sier- Das Zeilungsgewerbe vor einer neuen Katastrophe! Wie bereit« mitgeleilt, stellt sich die ReichS- indexziffer für die Lebenshaltungskosten nach den Berechnungen de« Statistischen Rsichsamt« für den 18. August dsS. I«. auf da» 436935fache der Vorkriegszeit. Die Steigerung gegenüber der Vorwoche (149 531) beträgt somit 19 2,2 Prozent. Mit dieser Indexziffer, die jetzt also den neuen Lohnzahlungen zugrunde gelegt werden soll, wird, wie uns scheint, di« Frage dr« sogenannten wert« beständigen Lohner in entscheidender Weise durch die Praxi« selbst zur Diskussion gestellt und — gegen die Verteidiger entschieden. Im Berliner Zeitung«, streik der vorigen Wochr ha! dis Regierung und al« deren Beauftragter der ArbeitSminister Dr. Braun« den Arbeitnehmern den wertbeständigen Lohn zug-sichert, obwohl dis Lage des Zritungrgewerb«» nachdrücklich genug gegen diesen Weg des Ausgleichs sprach. Aber Herr Dr. Braun« lt«ß sich nur von dem Gedanken der raschen Beilegung und der „Beruhigung* leiten. Durch die obige Indexziffer wird jetzt der Lohn im Zeilungsgewerbe pro Kopf für die kommende Woche vom 18.—25. August automatisch und mit einem Schlage in der Spitze von s2 6 Millionen auf 36 5 Millionen (ohne alle hinjukommenden Zuschläge) gesteigert. Dies« Ziffern beleuchten di« Mehrbelastung, di« dem Zeitungsgewerbe damit ohne alle anderen Mehrausgaben ausgezwung«» wird, und zwar für die Zeit einer Woche. Angesicht« dieser Dinge fragt man sich vergebens, wie man es weiter verantworten will, einem bekannter maßen schwer notleidenden Gewerbe derartige in« Riesenhafte steigend« Ausgaben auszubürden, ohne auf schleunigstem Wege di« Frage zu beantworten, wie ihm di« entsprechenden Einnahmen zu sichern sind. Denn diese sind zurzeit bei keinem ZsitungSSetrteb« vorhandrn. Die Zahl der in Deutschland eingrgaugenen Zeitungen beträgt jetzt schon mehrere Tau sende. Nun werden noch viels weitere Blätter dem furchtbaren Sturm, den da« Zeitung-werbe durch die abnormen Verhältnisse zu ertragen hat, zum Opfer fallen. Denn selbst dem Lairn wird klar sein, daß solch riesenhafte Summen, wie sie nach der neuen Lohnstetgerung gezahlt werden müssen, auf- zubrtngen den Provinzzeitungen unmöglich ist. * * Berlin, 17. August. Maßgebende wissenschaftlich« Verleg«! haben sich gezwungen gesehen, jede wettere Herstellung von Büchern einzustellen, weil die Druck- preise durch di« letzten Tariferhöhungen bet einem Dollarstande von 2 700000 auf da» dreifache de» Friedensgoldpreises gestiegen find, und damit die neu herzustrllenden Werk« im Inland wie im Ausland unverkäuflich werden müssen. trinkenden Publikum« die in einem Atem erfolgte BterpretSerhöhung. Da« Bier wird au» Jnlandter- zeugnissen gewonnen und es gibt aus diesem Grund« kein« Brrrchttgung, derartig hohe Preise zu nehmen, wi« fie jetzt von den Brauereien gefordert werden Wenn die Höhe der Zoll-Tarif« den Brauereien zu diesen PreiSforderungen Liranlafluug gibt, dann hätten sie die Pflicht, in Gemeinschaft mit den Gast wirten und dem biertrinkenden Publikum bei der Regierung um Verbilligung vorsttllig zu werden. Di« Versammtlten fordern w«tt«r, daß zur Bftrprei»- regelung im Su»schank ein gleichmäßiger Mindestpreis nach dem Index festgrstellt wird und daß di« vrau«r«ien vrrpflichtet wtrden, denjenigen, die die festgesetzten Ausschankpreis« nicht «tnhalten, !«in Bt«r mehr zu liefern. Ferner soll der Versuch angestrebt werden, daß da» Flaschenbier nur an konzessioniert« Gastwirte »um Berkaus überlasst» wird. DI« nächstjährige Hauptversammlung wird in Zwickau stattfinden. Politische Rundschau Deutsches Reich. Berlin, 18. August. (Havenstein gegen die Inflation.) In d«r h«utigen Vollsitzung de» Retch»rate» wurden zunächst die vom Reichstag b«. schlossen«« G«setz«Svorlagtn zur Krnntni» genommen. Zur Beratung stand dann ein Entwurf über die Er- Höhung des Ausgaberecht» d«r Privatnotenbanken. Der Rrich»rat will eine 5 fache Erhöhung der Not«»« England. London, 17. August. (Englands P l S n ->> Die „Daily News" meldet zu den Meinungsoerschiede»' heiten der englischen und der französischen Regieru»ö' daß die Diebhardts jetzt entschlossen seien, im U»^' Hause eine Gruppe von Poincaristen zu bilden. politischen Kreisen wird erklärt, daß die Stimm»»» des Kabinetts durch diese Gruppe unterwühlt roerA könne. „Daily News" berichtet ferner, daß die enMA Regierung jetzt die Absicht habe, so weit als mög»^ mit den Verbündeten und den Neutralen notwendige» falls gegen den Wunsch Frankreichs und Belg"" sich wegen der Einsetzung eines international Schiedsgerichts zur Prüfung der deutschen Zahl»»A fähigkeit in Verbindung zu setzen. „Daily Chroms bestätigt diese Information und glaubt, datz im eines Vorgehens ohne Frankreich und Belgien Parlament einberufen würde. — (Dis angeblich« Stimmung i»L»", don.) Dem Londoner Berichterstatter de« „Te>E, zufolge zeigen di« englischen RegirrungSkrtis« i» Wartung der sranzöfischrn Erwiderung auf die brMl" Nat« oam 11. August groß« Zurückhaltung, doch man nichtsdestoweniger zu verstehen, daß «» zwecks auSgab« der in Bayern, in Baden, Sachs«» und Wärt- Lemberg bestehenden Pcivatnotenbanken zulassen, wäh rend di« Vertreter der Länder ein« 20 fache Erhöhung beantragt hatten. Rrtch«bankdir,ktor Havenstein äu ßert« schwer« Bedenken gegen «ine solche erheblich« Er höhung der Notenaurgabe. Di« Rkichsvan! gebe h«ut« bereit« täglich SO Billionen neue« Geld au«, sie werde in der nächste» Woche auf 46 Billionen täglich gi- kommen sein. Der gesamt« Notenumlauf beträgt heute 63 Billionen, in den nächsten Tagen würden zwei Drittel diese« gesamten Notenumlauf«» täglich herau«g«bracht sein. Durch eine Notenausgabe in der beantragten Höhe wird die ganze Kreditpolitik der ReiHSbank und de« Rüche« vereitrlt werden. Di« Brrtreter de» R-ichrwirtschaftk und Reiche fiaanzmint- stertumS schlossen sich den Ausführungen de« Reich«- bankpräsiventen an. Der Antrag wurde gegen di« Stimmen von Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden abgetthnt. Dann wurde di« sofortige Erhöhung de« MzüZe von der Lohnsteuer beschlossen. Infolge de» weiteren Sinkens de« Geldwertes wurde «in« Ver achtfachung der Abzüge beschlossen. Berlin, 18. August. (Die Führung der Deutschen Bolkspartei.) Di« Nattonalliberalt Korrespondenz teilt mit: Führer der gesamten Partei bleib« nach wi« vor Dr. Stresemann. Di« Reichstag«- fraktion der Deutschen VolkSparteihat an Stell« de« neuen Reichskanzler» Dr. Sirrsemann den Minister a. D. Dr. Scholz zu ihrem ersten Vorsitzenden gewählt. Die zunächst oorgeschlagenen Minister a. D Dr. Becker und Dr. Heinze hatten den Voisitz abgelehnt. Berlin, 18. August. (Beratungen mit D«. Zeigner.) Der sächsisch« Ministerpräsident Dr. Zeigner wurde, wie die .Zeit" meldet, Freitag nachmittag 1 Uhr vom Reichskanzler empfangen. Er hatte im Bstsein d«S Minister« de« Innern Sollmann und de» Staatssekretärs Rheinbaben eine län gere Debatte. Berlin, 18. August. (Die Unterredung Zeigner» mit Stresemann.) Der Reich«kaazl«r hatte gestern in Gegenwart de« Rrichstnnenminister« «ine ausführliche Aussprache mit dem sächsischen Mi- nisterpräfidenten. Gegenstand dieser Aussprache waren die Verhältnisse in Sachsen in wirtschaftlicher und po litischer Beziehung. Der sächsisch« Ministerpräsident wteS auf die groß« Erregung der sächsischen Arbeiter- brvölkrrung hin, dir mit Polizeimitteln nicht allein bekämpft werden könne. Vorwiegend Maßnahme» wirtschaftlicher und finanzpolitischer Art seien erfor derlich. Der sächsische Ministerpräsident betonte ferne! den festen Willen der sächsischen Regierung, Ruhe und Ordnung im Lande aufrecht zu erhalten. Ueberein stimmung ergab sich darüber, daß zur Wiederherstel lung geordneter Zustände e» vermieden werden müßt«, di« birherigen, bedauerlichen Vorgänge zu politischen Zwecken aufzubauschen, wie e« -um Teil in der Preßt geschehen ist Im ganz«» stellt« der Reichskanzler di« volle Zustimmung de« sächsischen Ministerpräsidentin dazu s«st, im Zusammenwirken mit der Reich»r«gtt- rung die Grundlagen de« heutigen Staate« zu schützt»- Berlin, 18. August. (Sozialdemokrati« und Havenstein.) Der .Vorwärts" wendet sich in seiner heutigen Abendausgabe in einem sehr scharfen Tone gegen den ReichSbankprLstdrnten Havenstein. 3» dem Aufsatz« heißt e« am Schluß: Reiche« Havenstein und Glafenapp ihr Abschiedsgesuch nicht binnrn drei Tagen «in, so wird die sozialdemokratisch« Fraktion di« sofortig« Einberufung de« Reichstage« mit dein einzigen Zweck der Beseitigung de» NotstandSpars- graphen de« Autonomiegesetze« der Rrich»bank verlange»- — (Ein« neutral« Aktion in derRuhr' frag«) 11 holländisch« Vereine, darunter der Bu»d für Humanirät und Gerechtigkeit, der Allgemeine N"' derländische Frauen- und Frieden«bund und der Bu»" der Katholiken haben nach eingehender Beratung Üb^ «ine gemeinschaftliche Aktion in der Ruhrfrage dr» Manifest« auSgeftrtigt, von d«n«n ein» an di« Böllt» Europa» und Amtrika», da» zweit« an dir Mitglied de» Völkerbund«» und da» dritt« an die Neutrale» gerichtet ist.