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75. Jahrgang Amtlicher Teil Stummer 87 Donnerstag, den 16 August 1923 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach. -auptblatt und iltrstr Zeitung in den Ortschaft«« des PulSuitzer Umtsgcrichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Vollung, Großröhrsdorf, Brett,ig, Hauswalde, Ohorn, Oberstem«, Riederstetna Weißbach, Ober- und Mederlichtenau, FriederSdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdorf, Geschäftsstelle: Pulsnitz, Bismerckplatz Nr. S85. Druck und Verlag von E. L. Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. M o h r i u Pulsnitz. »I» m,»,m ——-IM-,, Auf Blatt 43g des Handelsregisters ist heute eingetragen worden: Firma Max Rammer, Kommanditgesellschaft. Ahr Titz ist in Pulsnitz. Persönlich hastender Gesellschafter ist der Kaufmann Max Otto Rammer in Pulsnitz. Die Gesellschaft hat am 1. Januar 1923 begonnen. Weiter ist der Eintritt von vier Kommanditisten eingetragen worden. Amtsgericht Pulsnitz, am 6 August 1923 Inserate für alle Zeitungen vermittelt vollständig kostenlos Verlag des „Pulsnitzer Wochenblattes". Dr. Stresemann vor dem Reichstag. Vorstellung des neuen Kabinett». Berlin, 14. August. Der Druck der Not und die nach innen und außen so überaus gespannte Lage hat es zuwege gebracht, die diesmalige Kabinett Krisis in einer weit kürzeren Zeit über wunden wurde als früher. Unter dem sachlichen Eindruck der Not Dieser Zeit und der Anspannung aller Kräfte zu ihrer Bekämpfung stand auch die heutige Rcichstagssitzung und die Antrittsrede des neuen Neichskanziels Dr. Stresemann. Das Haus war wieder dis auf den letzten Platz gefüllt. Ans der Regierungsbank hatte das neue Kabinett Platz genommen. Mit äußerster Spannung sah Man dieser Sitzung entgegen, denn man wußte, daß es ein sehr schwere« Stück Arbeit gewesen war, die Parteien von der Sozial- demokratischen bis zur Bolkspartei auf ein einheitliches Programm iu einigen. Der neue Kanzler hat daher auch ganz sinngemäß darauf ^rzichtet, eine lange und breite Programmrede mit Erörterung aller Einzelheiten zu halten, sondern hat sich darauf beschränkt, in einer surzen prägnanten Ansprache die Hauptgcsichtspunkte M den Vordergrund zu stellen, nach denen sich die politische Arbeit 'wch innen und außen im gegenwärtigen Augenblick richten muß. Denn über diese Hauptgesichtspunkte besteht innerhalb der großen Koalition, die nun ins Leben gerufen ist, volle Einmütigkeit. .. Besonders scssclnd wurde diese Sitzung durch die Persönlich- kttt des neuen Kanzlers, der als temperamentvoller Parlamentsred- !^r seit langem bekannt ist, und der, wie man wußte, gerade heute, Meiner besonders schwierigen Situation anftreten mußte, da in- MW der Verärgerung, die in den letzten Tagen die Bevölkerung Berlins ergriffen hatte, und die von den Kommunisten mit Fleiß Wchürt worden ist, heute abermals mit einem kommunistischen Aorstoß in der Art zu rechnen war, wie es die Herren um den Abgeordneten Koenen herum bei der letzten Rede des Kanzlers Dr. Cuno versucht hatten. w Dr. Stresemann ist allerdings ein anderer parlamentarischer "tedner, als es der frühere Kanzler war, dem die Schlagfertigkeit °es Wortes nicht zu Gebote stand. Als der neue Reichskanzler Aule seine Rede begann, wurde er ebenso, wie vor wenigen Tagen vttr Cuno von den Kommunisten mit lärmenden Rufen Empfangen. „Für Stinnes und Poinearee I", riefen die Kommu< !^n. Aber Dr. Stresemann ließ sich nicht irre machen, hielt auch Mi in seiner Rede inne, sondern stellte zunächst in aller Ruhe die Otitgliedcr des neuen Kabinetts dem Hause vor. Als dann im Alleren Verlauf seiner Rede die Kommunisten unausgesetzt neue Zwischenrufe machten und dabei von Präsident Löbe mit ziemlicher Mde behandelt wurden, faud es Dr Stresemann im Gegensatz zu ^>nein Vorgänger für angebracht selbst von diesem Platze des Kanzlers "s, sich gegen diese Angriffs energisch zn verteidigen. - , Mehr als einmal ließ der R ichskanzler' sein Manuskript . wn und ries den Kommunisten schlagfertige Entgegnungen zn, die Me Wirkung nicht verfehlten, sondern, vom Applaus des ganzen »Mes begleitet, die Ruhestörer in ihre Schranken wiesen. Am wirksamsten geschah dies wohl, als er den Linksradikalen zurief, er ^"ne wohl verstehen, daß sie über den Mißerfolgihres Generalstreikes so verärgert seien, aber der Sinn der Demo Mie, an den die Kommunisten dauernd appellierten, bestehe doch M darin, daß di« Mehrheit, und nicht die M.ndcrheit die Herr. Mft haben soll. Das WZchÜgste. Dir Wochenindex des statistischen Reichsamtes betrug in der Woche vom 7. zum 13. August 436 935, das ist eine wöchent liche Steigerung um 192,2 "/». Die gewaltsamen Beschlagnahmen von Getreide, Bich und Le bensmitteln aus den Gütern der Oberlaufitz werden fortgesetzt. Dem neuen Reichskabinctt ist in der Reichstagsfitzung am Dienstag mit 240 gegen 76 Stimmen bei 2b Enthaltungen das Vertrauen ausgesprochen worden. Die Reichsregierung hat beschlossen, vorübergehend alle Sach lieferungen an die Alliierten einzustellen. Im Reichstag wurde vorgestern die Goldanleihe in der Aus- schußfassung in 2. und 3. Lesung angenommen. Der Reichsrat hält zur Deckung des Defizits der Aeichspost eine Erhöhung des Fernbriesportos aus 20 OM Mark für erforderlich. Die kommunistische Generalstreikpropaganda kann als miß- lungen gelten. Vorgestern vormittag beschlossen in Berlin die Betriebsräte der Kommunistischen Partei den Streik ad- jUbrechen und am Mittwoch dle Arbeit wieder auszunehmen. Die Banknotenherstellung in der Reichsdruckerei erfolgt wieder in normalem Umsang. Der Rcichslandbund fordert seine Mitglieder auf, die Städte so reichlich als möglich mit Kartoffeln und Bieh zu beliefern. 2n Aachen ist gestern der Belagerungszustand verhängt worden. Wie das „Berliner Tageblatt" milteilt, dürste der Abgeordnete Dr. Höfle zum Reichspostminister ernannt werden. Der Eindruck der Rede des Kanzlers entsprach der klaren, bestimmten und energischen Form, in der sie vorgetragen wurde, und das Haus wandte sich dann sofort der Besprechung zu. * * * Sitzungsbericht. Vor dem Eintritt in die Tagesordnung stellten die Kom ' m unisten zunächst zwei Anträge, worin sie die Aufhebung der Ausnahmeverordnung vom 10. August und die Beratung kommu nistischer Anträge nach Aufhebung des Verbotes öffentlicher Ver sammlungen unter freiem Himmel auf die Tagesordnung gesetzt haben wollten. Der Abg. Koenen ergriff dazu zweimal das Wort zu einer Geschäftsordnungserklärung. Aber beide Anträge wurden vom Hause abgelehnt. Nun erteilte Präsident Löbe das Wort dem Reichskanzler Dr. Stresemann: Der Kanzler ging zunächst mit Worten des Dankes und der Anerkennung auf die Tätigkeit seines Vorgängers ein und führte dann aus, das Ausland möge nicht glauben, daß der Kabinetts wechsel ein Zeichen deutscher Schwäche sei. Dieses Kabinett sei auf breitester parlamentarischer Basis anfgebant und wird vielmehr jeden Versuch einer Vergewaltigung Deutschland» abwehren. Zur Erreichung dieses Zieles brauchen wir ein Zusammenwirken des Reiches mit den Ländern. Das Kabinett hat volles Verständnis für den Drang nach Eigenleben in den deutschen Ländern. Dieser Drang braucht aber nicht Konsequenzen zu haben, an die Sie (zu den Kommunisten gewendet, die den Zwischenruf „Bayern!" gemacht hatten) erinnern. Wer den Versuch macht, gewalttätige Angriffe gegen den Staat und seine Verfassung zu richten, der wird auf den unbeugsamen Willen der Reichsregierung stoßen, diesen Gewalttätigkeiten mit allen Kräften zu begegnen. Die Reichsregierung hat den Willen und die Machtmittel, das zu tun, und sie wird diese Machtmittel einsetzen gegen jeden, der sich anmaßt, den Staat und seine Verfassung anzugreifen. Der pas st V e W i de r st a n d a M R h e i n und an der Ruhr, der aus dem Willen der Bevölkerung entspringt, wird von der englischen Regierung unzweideutig als berechtigt anerkannt. Die Reichs regierung ist auch ihrerseits damit einverstanden, die Frage über Recht oder Unrecht der Ruhraktion einem unparteiischen Schieds gericht zu übertragen. Nunmehr gab der Reichskanzler eine ganz bedeutsame Erklärung ab über die Stellungnahme der Reichsregiernng zu dem Ruhr und Rhein-Problem. Die Erklärung hatte folgenden Wortlaut, den der Kanzler mit besonderem Nachdruck bekanntgab: Wir sehnen uns danach, die Ruhrbevölkerung zur Arbeit zurükkzusühre«. Aber Arbeit und Freiheit find für das Ruhrgebiet identische Begriffe. Wenn uns die Freiheit und unabhängige Verfügung über das Ruhrgebiet wieder eingeräumt ist, wenn jedem vergewaltigten Deutschen Freiheit unk Heimat wieder gegeben ist, werden wir nach «iner uns gewährten Atempause auch die Mittel für eine Regelung der Re parationsfrage ausbringen können, sofern die «ns auf erlegten Lasten bei höchster Arbeitsleistung die Existenz «nsere» Staates und Volkes ermöglichen. Der Reichskanzler verwies dann in der Frage derAußen - Politik ans seine letzte Rede, die er vor wenigen Tagen im Reichstage gehalten hat. Die beste und aktivste Außenpolitik, die wir entfalten können, sei die Ordnung der deutschen Verhältnisse im Innern. Das Bedürfnis nach Wertbeständigkeit in Preisen, Steuern und Löhnen werde die Regierung mit allen Kräften zu befriedigen suchen. In dieser Frage gäbe es keine Parteiunter' schiede Wer heute seine Produkte zurückhalte, versündige sich am Vaterlands, ebenso derjenige, der Streik in der Erntezeit veranlasse. Der Kanzler begrüßte die Bereitwilligkeit der Wirtschaftskreise zur Garantie für die Goldanleihe und drückte die Hoffnung aus, daß diese Bereitwilligkeit dauernd sein werde, damit die Regierung in der Lage sei, auf staatliche Zwangsmaßnahmen zu verzichten. Die Wertbeftändigkeit der Löhne erklärte er als eine dringende und berechtigt Forderung, warnte aber davor, den Goldwert aus der Friedenszcit zugrundczulegen, weil sonst Deutschlands Wettbewerb auf dem Weltmarkt sehr ge schwächt werde. Jeder, der gesunden Menschenverstand hat, müsse einsehen, daß eine Wiederkehr des Geldes der Vorkriegszeit un möglich sei Die Reichsregierung sei einmütig der Auffassung, daß die Sicherung ihrer Maßnahmen durch die Reichsbank und deren Leistungen gewährleistet werden müsse. Die dringende Not des Volkes verlange sofortige Hilfe. Darum bat er im Namen der Regierung, die Aussprache über die Regierungserklärung mit der Beratung der Goldanleihe zu verbinden, und diese schnell zu verabschieden. Die Schlußworte der Rede Stresemanns lauteten: Verloren ist nur, wer sich selbst ausgibt. Das deutsche Volk hat das Recht, an Deutschlands Zukunft zu glauben, und die Regierung hat die Pflicht, dies» Zukunft zu sicher«. * * * D«rtra«ensantrag der Regierung» » Parteien. Der Reichstag trat sofort in dis Besprechung der Reichs kanzlerrede ein, und als erster Redner sprach der Sozialdemokrat Müller- Franken die Erwartung aus, daß die neue Regierung die Steuervorlager entsprechend den sozialdemokratischen Forderungen energisch durchführen werde. In der Ruhraktion wünsche die Sozialdemokratie von der Regierung, daß sie sich nicht auf England verlasse, sondern uns selbst vorwärts führe. Die Reichswehr und Schutzpolizei dürfe nur der verfassungsmäßigen Regieruug zur Ver fügung stehen, und die Reichswehr dürfe keine Verbindung mit un gesetzlichen Organisationen aufrecht erhalten. Die verfehlte Arbeit der Reichsbank und der vorigen Regierung habe das deutsche Volk lns Elend gebracht. Die neue Regierung sei nicht für die Fehler der vorigen verantwortlich, und wenn sie diese Fehler wieder gut mache, werde sie volle Unterstützung der Sozialdemokratie finden. Inzwischen war von den vier Regierungsparteien folgendes Antrag ckngega.rgen: »Der Reichstag billigt die Erklärung der Reichsregierung und spricht ihr da» Vertraue« an».«! Abg. Marx betonte, es gelte nicht zu reden, sondern zn handeln. Die Regierung genieße das Vertrauen des Zentrums. Für die Dentlchnationalen erklärte der Abgeordnete Hergt, seine Partei lehne die Verantwortung für die Wirkungen des Re- gierungswechsels ab und erblicke in dem Vorgehen der Regierungs parteien ein gefährliches Spiel mit den höchsten Interessen von Volk und Vaterland. Er verlangte, daß alle Formen und Mittel des Widerstandes Anwendung finden müßten, die angesichts des verschärften feindlichen Druckes Erfolg versprächen. Die große Koalition würde, so meinte er, unter sozialdemokratischen Einfluß gelangen und weder dem Terror der Radikalen auf der Rechten und Linken ein Ende machen, noch die wirtschaftliche Not beheben. Die Deutschnationale Partei versage deshalb der Regierung das Vertrauen. Im Namen der Deutschen Volkspartei begrüßte der neu gewählte erste Fraktionsvorsitzende der Bolkspartei Dr. Scholz die Regierungserklärung und sagte der Regierung vollste Unter stützung zu. Die Deutsche Volkspartei habe jetzt das größte Opfer gebracht, indem sie ihren besten Mann zur Führung der Reichs geschäfte zur Verfügung gestellt habe. Es sei der heißeste Wunsch der Partei, daß dieses Opfer nicht vergebens sei. Der demokratische Abg. D r. Petersen wünschte vor allem die Durchführung der Wertbeständigkeit für alle Zahlungsverhältnisse. Er erklärte cs für erfreulich, daß man jetzt die Notwendigkeit einer Zusammenfassung der Parteien eingesehen habe. Der Abg. Leicht (Bayer. Bolkspartei) dankte dem Reichs kanzler für seine Worte über das Verhältnis des Reiches zu den Ländern. Er erblicke darin eine Voraussetzung für den Wieder aufbau des Vaterlandes. Er stimmte dem ersten Teil des Ver trauensvotums zu, worin die Regierungserklärung gebilligt werde, lehnte es aber ab, der Regierung besonderes Vertrauen auszusprechen, weil die Bayerische Bolkspartei erst die Taten der Regierung ab- warten wolle. Dann richtete der Kommunist Frölich heftige Angriffe gegen das neue Kabinett, welches er eine Regierung der Kapitulation nannte, die nur die alte Bankerottpolitik fortsetzen würde. Ebenso wie die Kommunisten wandte sich auch der deutsch völkische Abg. Wulle scharf gegen die neue Regierung. Er er- klärte, kein völkischer Mann könne Vertrauen zu einer Regierung haben, deren Finanzminister ein österreichischer Jude sei. Auch der unabhängige Sozialdemokrat Ledebour sprach dem Kabinett sein Mißtrauen aus. Dann hielt der Abg. Breitscheid als Vertreter des linken Flügels der Bereinigten Sozialdemokratie eine Rede, in der er den Gedanken der großen Koalition verteidigte und die kommunistischen Angriffe zurückwies. Er bedauerte den Riß, den die Kommunisten in der Arbeiterbewegung gemacht hätten, und stellte fest, daß zwar für jeden Sozialdemokraten eine Arbeiterregierung wünschenswert sei, daß aber die Sozialdemokratie davon überzeugt wäre, daß man gegenwärtig eine solche Regierung unmöglich bilden könne, nnd daß infolgedessen die Bereinigung mit den bürgerlichen Mittelparteien der einzig richtige Weg wäre, um möglichst viel Einfluß seitens der Sozialdemokratie auf die Regierungsgeschäfte zu gewinnen. Vertliche ««d sächsisch« Angelegenheiten. Pulsnitz. (Teurungsdemonstrationen.) Wie in vielen anderen Orten Sachsens fand am Dienstag nachmittag in der 7. Stunde auch hier eins Teurungsdemonstration statt Vor dem „Herrnhaus" versammelten sich mehrere Personen und zogen dann nach der Meitzner Seite, um hier unier Beisein des