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Nr 92 Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, Sen 4 August 1923 Seit« 2. Gebührensätze für die Heimbürgin. Die städtischen Kollegien haben beschlossen, mit Wirkung vom 1. Juli ISA die Gebühren der Heimbürgin nach folgenden Grundsätzen zu regeln: Die Gebühren der Heimbürgin werden an den Gsmeindearbeiiertarif angelehnt und zwar in der Weise, daß erhoben werden sollen ») für eine große Leichs der 6 fache Stundenlohn einer Facharbeiterin über 21 Jahre, d) für Kinder vom 2 dis 14. Jahre '/, des Satzes unter ». c) für Kinder bis zu 2 Jahren V» des Satzes unter ». Für Begräbnisse aus Kosten des Wohlfahrts- oder Armenamtes soll nur die Hülste der unter L bis c genannten Betrüge gewühlt werden. Vorstehende Sätze erhöhen sich automatisch nach den jeweiligen Sätzen der Gemeindefacharbetterinnen über 21 Jahre unter Zugrundelegung des Gemeindearbeitertarifs. Pulsnitz, den 4. August 1923. Der der Stadt. Erhebung von Sonderbeiträgem z« Grsnsten der Handelsschule Pulsnitz. Unter dem 26. Juni 1922 ist durch öffentliche Bekanntmachung mitgeteilt worden, daß nach dem Anträge des Kaufmännischen Vereins zu Pulsnitz von uns auf Grund von § 19, Abs 4 des Gesetzes über die Handels« und Gewerbekammern zur anteiligen Deckung der Unterhaltungskosten für die Handelsschule in Pulsnitz auf die Dauer von 8 Jahren, beginnend mit de^ Rechnungsjahre 1922/23 Sonderbeiträge erhoben werden sollen. Als Beteiligte find dabei alle physischen und juristischen, zur Handelskammer beitragspflichtigen Personen in den Ortschaften des Amtsgerichtsbezirks Pulsnitz in Betracht gezogen worden. Nach einem neueren Beschlusse der Kammer sollen in den Kreis dieser Beteiligten auch die Handelskammerbeitragspflichtigen des Amtsgerichtsbezirk Königsbrück hineingezogen werden. Bon diesen Beteiligten soll für das laufende Rechnungsjahr 1 April 1923 bis M. März 1924) ein Sonderbeitrag in Höhe von 9 Mark für jede Mark des Steuersatzes cuf das Gewerbeeinkommen nach der Veranlagung für 1821 erhoben werden. Die zur Handelskammer Beitragspflichtigen in den oben genannten Bezirken werden hierdurch öffentlich von der Höhe der diesjährigen Ausschreibung der Tonderbei« träge in Kenntnis gesetzt. Die Firmen des Amtsgerichtsbezirks Pulsnitz können Einwen dungen gegen die Erhebung der Sonderschulbeiträge lediglich hinsichtlich ihrer Höhe vorbrtn« gen, weil über die übrigen Grundlagen der Ausschreibungen bereits im Vorjahre für eine fünfjährige Dauer entschieden worden ist Alle Einwendungen würden bis spätestens 15. August 1923 bei-uns unter ausführlicher schriftlicher Begründung oorzubringen sein. Zittau, den 2. August 1923. Die Handelskammer. Könitzer. Dr. Mache. Das Wichtigste. In Kalifornien ist Präsident W G- Harding gestern nacht einem Schlaganfall erlegen. Ein außerordentlicher Mintsterrat beauftragte den Justizminister, das Standrecht über ganz Ungarn zu verkünden. Die sächsische Regierung gibt bekannt, daß sie gegen Streik» ausschreitungcn. wie sie unlängst in verschiedenen Gtädtcn vorgekommen find, scharf einschreiten werde. Gestern wurde die Reichsbanknebenstelle in Neuwied von den Franzosen besetzt und die dort liegenden Gelder weggenommen. Die Anzeichen der letzten Tage deuten daraus hin, daß die Franzosen eine außerordentlich starke Zusammenziehung von Truppen im mittleren Ruhrindustriegebiet vornehmen. Wirtschastsminifter Fellisch ist am Donnerstag nach Berlin ge reist, um mit dem ReichsernährungsminiHer Dr. Luther über die schwierige Lage aus dem Lebensmittelmarkte zu ver handeln. An der gestrigen letzten Sitzung des Bayerischen Landtages vor den Ferien gab für die Sozialdemokraten gelegentlich der Abstimmung für das Finanzgejetz der Abgordnete Timm eine heftige Erklärung gegen die Regierungspolitik ab. Alle anderen Parteien sprachen der Regierung das Ver trauen aus. Das Reichsbankdirektorium hat beschlossen, den Wechseldiskont von 18 auf 3g Prozent zu erhöhen. Die Sächsische Bank hat den Wechseldiskont aus 30 Prozent und den Lombard- Zinsfuß auf 31 Prozent erhöht. Die Lage im Ruhrgebiet wird immer ernster. — In Düsseldorf bejchlagnahmten die Franzosen 1241 Millionen Mark, welche zur Unterstützung der Arbeitslosen bestimmt waren. Ungeheuere Heringsschwärme stehen, nach Meldungen aus England, gegenwärtig in der Nordsee. Seit Menschen gedenken find Fänge in solchen Mengen nicht zu verzeich nen gewesen. Der Zeichnungsbeginn der wertbeständigen Goldanleihe ist auf den 15. August festgesetzt; der Zeichnungspreis beträgt für die Einzahlung in Mark 100 Prozent, für Kapital und Zinsen der Anleihe soll die ganze deutsche Wirtschaft haften. Der Goldankauf durch die Reichsbank soll neugeregelt werden, der Preis wird sich künftig nach dem Weltmarktpreis richten. Die mit Spannung erwartete Erklärung der englischen Re gierung stellt fest, baß Belgien und Frankreich den eng lischen Antwortentwurf ignorierten und keinen Gegenvor schlag machten, daß England aber nicht geneigt sei, eine weitere Verschleppung der Angelegenheit sich gefallen zu lassen. Die gestrige englische Regierungserklärung verdient als lau und matt charakterisiert zu werden; deutscherseits irgend welche Hoffnungen auf fie zu setzen wäre verfehlt. Infolge der gestern neu festgesetzten Bergarbeiterlöhne müssen die Kohlenpreise um 125 Prozent erhöht werden. Der Zwickauer Bergarbeiterstreik ist beendet. Der sächsische Arbettsminister Graupe hat nach Blättermel- düngen in einer öffentlichen Versammlung in Auerbach i. E. einen scharfen Angriff auf die Reichsregterung un ternommen. Die sächsischen Kommunisten stellen an Ministerpräsident Dr. Zeigner die Forderung nach Einberufung der Vor stände der beiden Regierungsparteien in sehr bezeichnen der Form. Die Gesamtzahl der Todesopfer bei dem Eisenbahnunglück in Kreiensen wird auf 46 angegeben. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Pulsnitz. (Deutsche Notgemeinschaft.) Der Verwaltungsausschuß für die Deutsche Notgemein schaft der Stadt Pulsnitz und Gemeinde Pulsnitz M. S. hat in einer am vorigen Dienstag im Rathause statt gefundenen Sitzung eine weitere Verteilung van 2000000 M an hilfsbedürftige Einwohner in beiden Gemeinden beschlossen Wie uns der Vorsitzende der Notgemeinschaft, Herr Stadtrat Beyer, mitteilt, be läuft sich die Summe der bisher zur Verteilung ge- kommenen Spenden auf insgesamt 3 000000 M, außerdem noch 70 Pfund Mehl. In Anbetracht der jetzigen ungeheuren Geldentwertung und der damit verbundenen außerordentlichen Räte der mit auf die Unterstützung unserer Notgemeinschaft angewiesenen Volkskreise unserer Stadt und in Pulsnitz M. S wird vom genannten Vorsitzenden um weitere Unter stützung des Liebeswerkes dringend gebeten. Der herzlichste Dank sowohl seitens der Empfänger der Spenden, als auch des Ausschusses für die Notgemein schaft wird den hochherzigen und hilfsbereiten Gebern schon im Voraus zugesichert. Pulsnitz. (Po! izeibericht) Gestohlen wurde am 81. Juli 7'° nachm von der Kurzen Straße weg ein Herrenfahrrad Marke „Amato", vernickelt, nach unten gebogene Lenkstange, schwarzes Gestell, gelbe Holzfelgen mit vier schwarzen Streifen, Torpedofrei« lauf, mit roter Gummibereifung. Als Täter hierzu kommt ein Unbekannter, 30 bis 35 Jahre alt, 1,65 bis 1,70 groß, dunklen Anzug, weißen nach hinten hochgebogenen Strohhut mit schwarzem Band, in Frage, welcher mit dem Rade in der Richtung nach Pulsnitz M. S. davongefahren ist. — Weiter wurde in der Nacht zum 3 August in einer Gastwirtschaft eingebrochen und aus derselben mehrere Schachteln Zigaretten, Marke „Salem" Gold, „Obak", „Dubeck"- Kold und A. Batschari-Zigaretten gestohlen. Perso nen, welche hierzu sachdienliche Angaben machen kön« nen, wollen dies dem nächsten Gendarmerie-Posten oder Polizei-Wache melden. — (Geschäftsschließung) Das Polizei- Präsidium und die PreisprüfungsstsUe Dresden teilen folgendes mit: Es ist mehrfach Zu beobachten gewe sen, daß Inhaber von Geschäften mit Gegenständen des täglichen Bedarfs dis Verkaufsläden unter An gaben geschlossen halten, die den Verdacht erwecken, daß dies in der Absicht geschieht, Waren zurückzuhal« ten Die Aufsichtsorgane prüfen, ob etwa eine auf Grund der Preistreibersiverordnung vom 8. Mai 1918 strafbare Handlung, im Einzelfalle eine Zurück haltung von Waren in Frage kommt. Begründete Anzeigen werden der Staatsanwaltschaft zur Straf verfolgung übergeben. Kamenz. (Forstfest.) In den Tagen vom 19. bis 24. August wird auch in diesem Jahre das alte historische Kamenzer Forstfest abgehalten werden. Am Montag den 20. und Donnerstag, den 23. August, finden Auszüge statt. Am Freitag, den 24. August, wird das Fest mit dem Hauptschießen der Bogen schützengcsellschaft geschlossen. — (1. Sächsischer Volkshochschultag. — Bautzner Volkshochschulwoche.) Am 11. und 12. August 1923 findet in Bautzen de« 1. Säch sische Volkshochschultag statt. Das Programm ist: Sonnabend, den 11. August, abends 8 Uhr, Natur» theater im Bksmarckhain; Aufführung einiger Szenen aus Töllers „Masse Mensch" durch Sprechchöre der Leipziger Volkshochschule; Sonntag, den 12 August, vormittags 8'/, Uhr, Saal des Landhauses, Schloß straße: Lebensfragen der Volkshochschule, Leitung: Frau Gertrud Hermes. 1. Die Volkshochschule als Eesinnungsschule Arbeitsgemeinschaft. 2. Frage des Zusammenschlusses. Nachmittags: Spiele, Spazier gänge, Führungen (Naturtheater, Schiebbleiche usw ). — Im Anschluß daran veranstaltet dis Landesstelle für freies Volksbildungswesen eine Volkshochschul woche in Bautzen vom 13. bis 19 August. Von Montag, den 13. bis Sonnabend, den 18 August fin den täglich folgende Arbeitsgemeinschaften statt: I. Bon 8 bis 9V, Uhr vormittags gleichzeitig: 1. Mu seumsdirektor Dr. Biehl, Bautzen: „Bautzen und sein« Kunststätten als Spiegelbild ostdeutscher Kultur." 2. Gertrud Hermes, Leipzig: „Eemsinwirtschaft und Gemeinschaftsgeist/ II. Von 10 bis 11»/, Uhr gleich zeitig: 1. Dr, Fritz Kaphahn, Dresden: „Dir östliche Grenze des Abendlandes: Deutschland, Europa und Rußland." 2. Dr. Franz Mockrauer, Dresden: ^,Der politische Kampf und unser sittliches Wollen.? Die Nachmittage werden zum größten Teil freigehalten werden für gemeinsame oder gruppenweise Wande rungen in die Umgebung, auf denen die Fragen der Arbeitsgemeinschaften weiter besprochen werden können. An zwei Abenden wird das Theater besucht: Dienstag, den 14. August, Schnitzlers „Grüner Ka kadu" und Heinrich v. Steins „Szenen aus der fran zösischen Revolution"; Freitag, den 17. August, „Ar» mut? von Anton Wildgans. Sonntag, den 19 Au gust, vorm. 10 Uhr, findet im Bautzner Stadtthealer eine Schlußfeier statt, die deutsche Kammermusik, dargsboten vom Kammsrmusikzirksl der Dresdner Studentenschaft, Ansprachen zweier Teilnehmer und eines Leiters der Arbeitsgemeinschaften, einrahmen werden. — Anmeldungen zum 1. Sächsischen Volks- hochschultag und zur Bautzner Woche sind bis 10. August zu richten an die Landesstelle für freies Bolksbildungswesen im Ministerium für Volksbil dung, Dresden-N., Earolaplatz 2. Teilnehmerbetrag von 6000 M für den 1. Sächsischen Volkshochschultag und 9000 M für die Bautzner Woche ist gleichzeitig mit der Anmeldung auf das Stadtgirokonto Dresden 6656 einzusenden. Doch ist bei der starken Geldent- Wertung mit einer Nachforderung zu rechnen. Die Kosten für die gemeinsame Unterkunft betragen 1000 Mark für den Tag, die für Verpflegung und Theater ! sind noch unbestimmt. Radeberg. (Kupfecdiebstähle im Sach sen werk) Nach umfangreichen polizeilichen Erör terungen ist es gelungen, den im Sachsenwerk be schäftigten Lagerverwalter Martin des Diebstahls zu überführen. Aus den ihm zugänglichen Lagerräumen stahl er nach und nach Kupfer im Werte von über 23 Millionen Mark und verkaufte das Diebesgut in seinem Heimatorte Kirchberg bei Zwickau. Dresden. (Einweisung des neuen Krsishauptmanns.) Am 1. August ist Mini sterpräsident a D. Buck vom Minister des Innern in Gegenwart der Beamtenschaft der Kreishaupt mannschaft Dresden in sein neues Amt als Kreis hauptmann emgewiesen worden. Dresden. (Der bisherig «Oberbürger meister von Zittau, Dr. Külz,) wurde am Mittwoch in sein neues Amt als Bürgermeister von Dresden eingewiesen und verpflichtet. — Der Kom munist Bellmann, der sich bei allen Dresdner Un ruhen recht unliebsam bemerkbar gemacht hat, ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Merk würdigerweise fanden am Mittwoch trotz des be stehenden polizeilichen Verbots wieder Umzüge der Erwerbslosen durch die Straßen statt. — (D e r n e u e s S ch s i s ch e I u st i z m i n i st e r.) Wie der „Telunion Sachsendienst" zuverlässig erfährt, ist Amtsgerichtspläsik-rnt Dr. Neu, Leipzig, zum Ju- stizminister ernannt worden. Freiberg. (Humorvoller Druckfehler.) Verschiedene Blätter brachten kürzlich eine Nachricht über die Ehetragödis in Hainichen, die dem „Haini chener Anzeiger" entnommen war. Es hieß darin: »Die Ehesrau eines hiesigen Gastwirts war in die Wochen gekommen und bat um polizeilichen Schutz vor ihrem Manne." Jetzt bringt das Blatt folgende Berichtigung: „Der Druckfehlerkobold hat uns vor- gestern in dem Artikel Ehetragödie" einen humor vollen Streich gespielt Die betreffende Ehefrau ist nämlich nicht in die Wochen, sondern in die Wache gekommen." Polttische Rundschau. Deutsches Reich. Berlin, 8. August. (Die wertbeständige Anleihe de» Deutschen Reich««.) Do» Finanz- Ministerium teilt mit: Bei der Ausgabe der neuen An« leihe wird darauf Bedacht genommen werden, auch den kleinen Sparern und den kleinen Gewerbetreiben den Gelegenheit zum Erwerb einer wertbeständigen Anleihe zu bieten. Ls ist infolgedessen vorgesehen, Stücke bis zu einem Dollar herunter zu schaffen. 3"* Gegensätze zu den großen Stücken werden di« kl«inen Stücke der Einfachheit halber nicht mit ZinSscheinen versehen, sondern die Zinsen fallen dem Kapital zu, daß nach zwölf Jahren zurückgezahlt wird. Um die Erwerber der kleinen Stücke günstiger zu stellen al» dir großen, hat sich bi« Finanzverwaltung «ntschlofftn, die Rückzahlung -er kleinen Stücke zum vereinbarten Kurse zuzüglich 70«/, erfolgen zu lasten. Berlin, 8. August. (Der deutsche Stand punkt zur Red« Baldwins.) Die gestrige Re gierungserklärung Baldwin» im Unterhaus« wird in einem Punkte von den Berliner Blättern scharf ab gelehnt, in der Frage der passiven Widerstande». D«r .Berliner Lokalanzeiger" saßt den Eindruck de» von Baldwin mitgeteilten Antwortentwurf» in di« Wo^ie zusammen: Welche Regierung auch immer in Deutsch land an» Ruder kommen würde, fie könnt« immer nur die ein« Austastung vertreten, daß der Bevölkerung de» Ruhrgebietes die Aufgabe de» passiven Widerstande» nur zugrmutet wrrdin könnt«, wenn fie di« sofortig« Zusicherung der umg«h«nden Aenderung d«r jetzigen Besatzung»m«thode «rhielte und auß«rdem di« Zn- stcherung der Räumung de» wid«rr«chtlich besetzten Gtbietr» in kürzester Frist. Außerdem müßt« di« Fr«'- gab« der Gefangen««, die Rückkehr d«r Bertrtebenin und di« Beseitigung der Etsenbahnregie zugestanden werden. Di« ,D«utsch« «llg. Ztg.' schreibt: Die eng-