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Nr. 74. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, ven 23 Juni 1923. Seite 2. vom 16 bis 18. d. M. sind den Tätern 10 Meter Bleirohr 4'/, Zentimeter stark, und 2 Meter Blei» rohr, 3'/« Zentimeter stark, in die Hände gefallen. Dresden. (Die Fürsorge für die Ruhr» vertriebenen. Wie die Flüchtlingsfürsorge des Sächsischen Roten Kreuzes bekannt geworden ist, ver suchen junge Leute, unter der Borgabe Rhein- und Ruhrverdrängte zu sein, das Mitleid der Bevölkerung zu erregen und durch betteln sich die Mittel zum Lebensunterhalt zu verschaffen. Tas Sächsische Note Kreuz betraut durch seine Organisation Personen, die durch Leitschein oder Flüchtlingsbuch als Ver drängte nachgewiesen sind, in völlig hinreichendem Maße. Es wird daher gebeten, vorsprechende Flücht linge an die örtlichen Flüchtlingsfürsorgestellen des Roten Kreuzes zu verweisen, die sich in allen größeren Städten Sachsens befinden; dort wird dann geprüft, ob es sich um einen wirklichen Flüchtling handelt oder nicht. Dresden. (Kirchenei nbrüjche) In der Nacht zum Dienstag wurde wiederum in dis katho lische Sankt Joseph Kirche in Vorstodt Pieschen ein- gebrochen und trotz des Funktionierens der Alarm vorrichtung wurden von den Dieben, die ihre Hand- Werkzeuge zurückließen, 2 Leuchter, 1 Tablett und ein Kruzifix vom künstlerischen Werte gestohlen. Mehrere Basen wurden von den Einbrechern umgeworfen und zerbrochen. — In der Kirche zu Planitz drangen in der Nacht zum Dienstag Diebe ein, die ein wert volles Kruzifix, 30 Leuchterkerzen und 2 silberne Leuchter stahlen. Dresden. (Das amtliche Ergebnis der Dresdner Elterratswahlen.) Als gewählt gelten: 478 Elternratsmitglieder der christliche Liste für die evangelischen Schulen, 68 für die katholischen Schulen, 818 der weltlichen Listen, 10 einer neutralen Liste, 7 einer Kompromisliste und 2 einer kommuni- stischen Liste. Die Wahlbeteiligung betrug 64,03°/« (1922 51,03°/«). Dresden. (Evangelisch- lutherisches Landes ko nsistori um.) An Stelle des verstor benen Geh. Konsistorialrates Pache ist mit der Zu stimmung des Ministeriums des Innern Konsistorialrat Hofprediger Liz. theol. Dr. phil. Siedel (Dresden) zum geistlichen Beauftragten an den der Verwaltung des Ministeriums des Innern unterzeichneten Lan des-, Heil-, Pflege-, Erziehung- und Korrektionsan- anstalten ernannt worden. Dippoldiswalde. (Ungewöhnlich hohe Holz preise) wurden am Freitag in Malter im Schmiederschen Gasthof stattgefundenen Versteigerung von Nutzholz (Kiefer, Fichte) und Derbstangen aus dem Forstrevier Wendischcarsdorf erzielt. Die Der- steigerung erbrachte über 87'/. Millionen Mark. Die 206 Festmeter Stämme kamen auf 83'/, Millionen Mark, 790 Derbstangen auf rund 3 785 000 Mark. Ein Festmeter Holz kam also durchschnittlich auf 405 000 Mark zu stehen. Das Nutzholz wurde er- steigert von Industriellen aus Dippoldiswalde, Schmiedeberg, Buschmühle, Obercarsdorf, Ulberndorf, Oelsa, Seifersdorf, Possendorf und Freital. Politische Rundschau. Deutsche» Reich. — (Da» zweite Mordurteil bestätigt.) Da» französische R«oifion»g«rtcht hat am 21. Juni die Revision de» gegen den Landwirtschaft»l«hr«r Boerg«» erlassenen Mordurteil» de» »Mainzer Kritgrgtricht«»' verworfen und dadurch da» Mordurteil bestätigt. Noch bedeckt kaum die Erd« d«n Sarg Schlag«t«r», al» d«. r«it» di« französisch« Soldat«»ka nicht davor zurück- schrtckt auch in d«r »Revision" ein zweite» Mordurteil zu bestätigen. Da» sollte endlich der deutschen Oes- sentlichkett die Augen darüber öffnen, daß da» Leben der von den französischen Mordbanden gefährdeten Deutschen an Ruhr und Rhein nur durch energische Grgenrepreffalten der Reichsregierung geschützt werden kann. Nur da» wird den französischen Bluthunden soviel Respekt «inflößen, daß sie ihre Mordlust nicht mehr aus deutschem Bodin zu befriedigen wag«n. Berlin, 22. Juni. (Der Kampf der Reich», regierung gegen die Devisenspekulation) Die Besprechungen der R«ich»regierung mit den Ver- tr«tern der Banken und Industrie und de» Handel» über die Neuordnung de» Deots«nv«rk«hr» wurde gestern nachmittag 3 Uhr fortgesetzt und nach dreistündiger, teils sehr lebhafter Aussprache konnte die Besprechung in diesem größeren Kreise abgeschlossen werden. Bera tungen in kleinerem Kreis« wrrdtn wohl noch wtiter- hin stattstndtn. Die Ergebniff« der Beratungen lieg«« dem Reichskabinett in Form von Gutachten vor. Man kann annehmen, daß sich da» RetchSkabinett in aller Kürze damit befassen und eine entsprechend« Verfügung «rlassen wird. Di« einschn«idtnst« Verfügung wird die Einführung eine» EinheitSkurse» für Devisen sein. Damit soll dem Vormittag»', und NachmittagSoerkehr ein Ende gemacht werden. Die sür den Augenblick al» unerläßlich angesehenen Bestimmungen werden sofort auf dem BerordnungSwegr getroffen werden. Mit weiteren Bestimmungen ist für di« nächste Zett zu rechnen. Kraft. an welchen eine amtliche Notierung der Auszahlung nicht stattfindet, dürfen in d«r brtreffenden Währung Geschäfte nicht abgeschlossen w«rd«n. Der Kur» für Auszahlungen ist auch für Geschäfte in Banknoten maßgebend, wenn sür Banknoten kein besonderer amt licher Kur» notiert wird. Wird ein solcher besonderer Kur» notiert, so gilt er lediglich für Geschäft« in Bank- not«n. Im klein«» Verkehr find Umsätze bi» zu fünf Pfund Sterling oder dem entsprechenden Betrage in einer anderen Währung auch zum letztbekannten amt- lichen Kurse zulässig. Diese Vorschriften finden bei Geschäften, di« mit d«r R«tch»bank abg«schloss«n werden, kein« Anwendung. Z 2. Grschäfte, di« gegen di« Vor. schrifltn d«» Z 1 verstoßen, sind nichtig. 8 3. Mit Gefängni» bi» zu drei Jahren und mit Geldstrafe bi» zum 10 fachen de» Werte» der ausländischen Zay- lung»mittel oder Forderungen, oder mit einer dieser beiden Strafen wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahr lässig den Vorschriften dieser Verordnung zuwiderhan delt. Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich zu einer solchen Zuwiderhandlung auffordert, anreizt, oder sich erbittet. Neben der Strafe können die ausländischen Zahlungsmittel oder Forderungen, aus die sich die Strafe oder Forderung brzieht, zu Gunsten de» Rei- che» beschlagnahmt werden, auch wenn tze dem Täter oder einem Teilnehmer nicht g«hören. Ferner kann angeordnet werd«», daß die Verurteilung aus Kosten de» Schuldigen öffentlich bekannt zu machen ist. Z 4. Der ReichSwirischaftSminister ist ermächtigt, Ueber- gang»- oder Au»führung»bestimmungen zu di«s«r Ver ordnung zu erlassen; oder Ausnahmen zu billigen. Z 5. Diese Verordnung tritt mit der Verkündung in Der Reichpräfident gez. Ebert, gegengrz. Reichskanzler Cuno. Berlin, 23, Juni. (Die neue Devtsrnver- ordnung.s Der Reichspräsident h rt am Freitag auf Grund de» Artikel» 48 der R-ich»verfoffung folgende Verordnung «lassen: § 1. Gegen Reichsmark oder Wertpapiere jeder Art, die aus Rrichtmark lauten dürfen im In- und AuSlande nur solche Zahlungs mittel und Forderungen in ausländischer Währung erworben oder veräußert werden, für die eine amtliche Notierung in Berlin stattfindet. Der Erwerb oder dis Veräußerung ist nur zu dem amtlichen Kurse de» Tage» de» G-schüftSabschluffrs und nur zu einem Geld oder Briefkurse oder einem dazwischen liegenden Kurse zulässig. Eine solche Notierung wird nur dann als vorliegend angesehen, wenn in der betreffenden Währung am Tage der Grschäfte» eine amtliche Noiie- rung der Kurse» der Nurzahlung stattfand. Am Tage, Berlin, 21. Juni. (Dar Brotversorgungr. gesetz durch denReichrrat angenommen.) Der Retchrrat hat dar Gesetz über die Brotversorgung in seiner Donnerstagssitzung angenommen. Berlin, 20. Juni. (Warum un» da» Aus land nicht hilft!) Von einer Informationsreise au» Pari» und London zurückgrkehrt, empfing, wie wir erfahren, ein hochstehender, der hieygen Vertretung sein«» Lande» angehörender Engländer dieser Tag« einen deutschen sozialistischen Politiker. Der Englän- der erklärte ihm wörtlich: „Solange die deutsch« Re girrung von sozialistischen Kreisen dirigiert wird, kann Deutschland in keiner Weise «in« Unterstützung Eng An die Leser t Der Verein Deuischer Zeitungsverlsger hat aus seiner aus allen ^deutschen Ländern besuchten; Hauptversammlung zu Breslau einstimmig beschlossen, die Zeitüngsleser schon heute von der unumgänglichen Notwendigkeit außerordent licher BezugspreiserhShungen am 1. Juli in (Kenntnis zu setzens Die letzten Preiserhöhungen für das Zeitungspapier sind soweit über die phantastischsten Befürchtungen hinausge« gangen, daß in den Junibezugspreisen die ungeheuere Mehr- belastung der Zeitungen nur t zu einem geringen Bruchteil wettgemacht werden konnte. Innerhalb weniger Wochen ist bereits im Anfang dieses Monats der Preis des Zeltüngs- pap irres von rund 1ö Millionen aus rund 2Z Millionen M sür den Wagen gestiegen. Da die Preisbildung des Papieres infolge der Mitoerwendung von ausländischem Holz oon dem Dollarkurs stark beeinflußt wird, so mutz im Zusammenhang mit den zwischenzeitigen Steigungen (der Kohlenpreise und derl Markentwertung mit weiteren entsprechenden Papier« preisoerteuerungen gerechnet werden. Dazu kommens-die allgemeinen stürmischen Preissteigerungen aller anderen Ko sten der Zeitungen, vor allem der Löhne und des Nachrichten wesens. Am Auslande haben sich die Zeitüngsleser an das Vielfache der jetzt in Deutschland geltenden ^Bezugspreise längst gewöhnen müssen. Die deutschen Zeitungen und ihre Leistungen für die Dolksgesamtheit können nur erhalten wer' den bei Bezugspreisen, dir einigermaßen den alle bekannten Teuerungszisfern weit überschreitenden Mehrkosten der Zei tungen gerecht werden. Der Verlag. land», noch viel weniger Amerika» erwart«» England und Amerika können nur mit einem rein bürgerlich«« Deutschland politisch und wirtschaftlich zusammen- arbriten. Ein auch nur sozialistisch beeinflußt«» Deutschland ist für England und Amerika in wirt schaftlicher und politisch» Hinsicht zu unzuverlässig". — „Energisch« englische Worte!') D«m „Secolo" wird aus London gemeldet, daß di« englisch« Regierung heute «ntschloffen zu sein scheine, Bonar Law» so gründlich gescheltirte Politik aufzugeben und in der Ruhrsrage energisch Stellung zu nehmen. Nachdem Italien leider die Ruhraktion indirekt unter stützt Habs, sei e» dis höchste Z-it, diesen Irrtum wi«' der gut zu machen und «ntschloffen auf die Seit« Englands zu treten. Er sei heute klar, daß die Ruhr- besetzung ein« Annullierung des Versailler Vertrage» bedeute. Wenn die Franzosen den Versailler Vertrag zur Rechtfertigung gegen Deutschland anriefen, so be gingen sie eine Fälschung eben diese» Vertrage». Vor allen Dingen der französisch-belgischen Vorbedingung könne Italien niemals zustimmen, ohne Frankreichs- Vertragsverletzung gutzuhrißen. Frankreich. Paris, 21. Juni. (Krise unter den Radi kal - S o , t a l i st e n.) Di« radikal sozialistischen Mit- glieder de» Kabinette» Poincarie, der Kolonialminister Sarrot, der Gesundheitiminister Strau» und der Staats sekretär Lafond, haben erklärt, daß sie der Aufforderung ihrer Partei au» d«m Kabinett auSzutretrn, ntcht Folge leisten werden. Sie haben sich dabei in einer für Poincare sehr rühmenden, sür ihren eigenen Partei vorstand recht wenig vorteilhaften Form geäußert. Dadurch ist innerhalb der radikal-sozialtstischen Partei ein Konflikt «ntstanden, der sich noch dadurch verschärft, daß bei der letzten Kammersitzung noch weitere Mit glieder der Partei Poincare ihre Stimm« grgrben haben. Sicher ist, daß die radikal-sozialische Partei, die in der jetzigen Kammer nur eine geringe Minder heit darstellt, durch dies« neu« Wendung stark isoliert wird, und daß ihr Führer Heriot seine Karte sinnig und allein auf di« im kommenden Jahre stattfindrnd«« Neuwahlen setzen kann. Wer bestimmt den Wert und die Baustraft unserer Mart? So wie wir un» nicht mehr um d«n Stand de» russischen Rubel» kümmern, der bet un» überhaupt nicht mehr notiert wird, so wenig wird auch unser« Mark in London und Newyork beachtet. Der Stand der Mark in diesen Städten wird von der Berliner Börse nur kopiert. Der Wert der Mark wird jetzt also nur von Deutschland selbst bestimmt. Und wer bestimmt nun in Deutschland den Wert der Mark? Wertbestimmend sollte einzig und allein der Notenumlauf und die R«ich»schulden im Vergleich zu den Geld-, Devisen, und Wertbeständen de» Reiche» sein, wa» aber durchaus nicht der Fall ist, sondern der Wert der Mark wird von den Börsianern, Spe kulanten und Devtsenaufkäufern im freien sowie im wilden Handel bestimmt. Durch R-ich»gesetz ist bi» jetzt allen kleinen Leuten der Handel mit Devisen un möglich gemacht. Warum kann nun nicht auch den Banken und Börsen der Handel uutersagt werden? Sobald da- Reich (die Reichsbank) einzig und allein den Handel mit Devisen vermittelt, also alle Devisen nur an die ReichSbank verkauft und an der Reichs- bank gekauft werden können, dann hat die Regierung voll und ganz die Macht in der Hand, den Stand der Mark selbst zu bestimmen. Da» Hochtreiben durch wild« Spekulation«n wäre vollkommen ausgeschlossen. Ist es nicht ein Unsinn oder Verbrechen, wenn in Newyork der Dollar mit 120 OVO Mark bewertet wird, während man in Berlin am selben Tage 200 000 Mark vorübergehend dasür bezahlt. E» liegt also klar auf der Hand, daß bet dem jetzigen Tiefstand der Mark weitere Entwertung nur durch Deutsche selbst mittel- wilder Spekulationen hrroorgerusrn wird, Bi» jetzt wurde stet» der Wert der Mark durch Spekulation künstlich gedrückt. Material und Löhn« stellt«« sich nach kurzer Zeit aus den höheren Dollar stand ein und dir Folge war, daß die Zahlungsmittel nicht mehr reichten, da» Reich mußte also neue» P°' piergeld drucken, um den Bedarf zu befriedigen und di« Scheinentwertung der Mark wurde Wirklichkeit. wir fragen nun hiermit bei der Regierung des Reiches an, warum der freie handel mit De visen nicht zwangsweise vom Reich übernommen wird? wir haben Zwangswirtschaft auf dem Lebensmittelmarke durchgesührt gehabt, Zwangs Wirtschaft im Devisenverkehr ist ebenso mögliO und unbedingt nötig ;ur Gesundung unseres Wirtschaftslebens. SM Ser MWömM -— 6 Uhr.