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Nr. 6!., Pulsnitzer Wochenblatt. — Mittwoch, oen 23. Mai 1823. Seite 2. Dresden. (Der Kartoffelpreis) Die KortoffelpreisnotierungSkommission hat am 22. Mai einen Erzeugerpreis von 3800 — 4200 Mark für Weitze, rote, und gelbfleischige Sorten notiert. Pirna. (Unglück ssSlle auf der Elbe) Am 1 Pftngsifeiertage Katte ein Seiltänzer zwischen Pirna und Copitz ein Drahtseil über die Elbe ge- spannt. Als abends gegen 9 Uhr der von Lsitmeritz kommende Dampfer „Karlsbad", dessen Mannschaft das Seil nicht sehen konnte, die Srelle passierte, stieh der Schornstein an das Seil und wurde umgeworfen. Durch das Zeltdach des Schiffes wurde der um brechende Mast, von dem der Schornstein durch eine Seiloerbindung gehalten wird, aufgefangen und die darunter sitzenden Fahrgäste vor Schaden bewahrt — Am Pfingslsonnabend fuhr ein von Schandau kommendes Ruderboot auf das Seil der Königs, steimr Uebsrfährs und wurde beschädigt. Die In sassen retteten sich durch Schwimmen ans Land, ein Koffer mit Kleidungsstücken und einem größeren Geld betrags oersank in den Fluten. Stiess. (3 OO-jähriges Stadtjubiläum.) Die Feier des 300 jährigen Bestehen der Stadt Riesa findet am 25 und 26 August statt. Verbun den wird damit dis Weihs des Hekmat Museums. Plauen. (SchweresAutomobilunglück) Am ersten Pfingstseisrtags abends gegen 7 Uhr er eignete sich, wie dis .Neue Vogtländischs Zeitung" meldet, bei Oberlosa unweit Plauen i. Vogt! ein schweres Automobilunglück Der dem Kaufmann Langer Plauen gehörige Personenkraftwagen fuhr aus bisher unbekannter Ursache gegen einen Baum und wurde vollständig zertrümmert. Zwei junge Mädchen wurde von dem Automobil erfaßt und gegen den Baum gedrückt Das eine von ihnen, ein 17 Jahre altes Fräulein Müller-Oberlosa, war sofort tot, während das andere, eine gleichalterige Freundin, schwer verletzt wurde. Auch die vier In lassen des Kraftwagens, sowie der Chauffeur, wur den mehr oder minder schwer verletzt. Sie fanden im Stadtkrankenhaus Plauen Aufnahme. Die Schuld- frage an dem bedauerlichen Unglück ist noch nicht geklärt. Leipzig. (Die diesjährige Leipziger Herbstmesse) findet vom 26. August bis 1. Sep tember statt. Die Anmeldungen für big amtlichen Messeadreßbücher müssen bis zum !6. Juni erfolgen — (Der Gesamtoorstand des Sächsi- schenGa st wirtsverbandes) trat in Leipzig zu einer Beratung zusammen, um wichtige, das Gast- wirtcgewerbe betreffende Beschlüsse zu fassen. Die Befürchtung, daß durch die Regierung die Polizei stunde verkürzt werden sollte, veranlaßte die Per- bandsleitung, mit der Sächsischen Arbeitsgemeinschaft, besonders mit dem Saalinhaberoerband Schritte hier gegen zu unternehmen. Es wurde vom Geschäfts- führer des Eastwirtsvsrbandes ausgeführt, daß trotz aller Bemühungen die Möglichkeit bestehe, daß in nächster Zeit die Verkürzung der Polizeistunde bis auf 12 Uhr nachts ekngeführt werden würde. Für geschlossene Gesellschaften würde die Grenze aus 1 Uhr nachts festgesetzt werden. Weiter berichtete der Ge- schäftSführer Wagner, welche Maßnahmen durch den Verband gegen etwaige Urbergrtffe der Abstinenz bewegung unternommen würden. Ls seien zu die- sem Zweck mit dem gesamten Gärungsgewerbe in den Kreishauptmannschaften Ausschüsse gebildet worden. Das Ergebnis könne als befriedigend bezeichnet wer den. Sodann wurde Stellung genommen zu der Verordnung der sächsischen Negierung gegen Preis treiberei. Es wurden verschiedene Fälle zur Kennt nis gebracht, wo Gastwirte wegen Preistreiberei und wegen Nichtvorlegung ihrer Rechnungen und Belege zur Anzeige gekommen sind. In allen Fällen hat der Verbandsoorstand den Betreffenden seinen Schutz gewährt und, soweit er sich darüber klar war, daß ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften nicht vorlag, auch gerichtliche Entscheidung beantragt. An schließend hieran wurde eine Anzahl Beschwerden von Sastwirtsoereinen gegen Preisschleuderer und Aus wüchse der Kantinen und Schrebergärtenwirtschaften bekanntgegsben Endlich wurde beschlossen, mit dem sächsischen Brauerbund erneut in Verbindung zu treten, einen Ausschankschutzoerein über ganz Sachsen herbeizuführen. 11. MWllWr KMÜMkW MWM. Dresden. Mehr al» 10 000 jung« Männer au» allen Teilen Deutschland» halten sich in Dresden zusammengefunde», um die größte Jugendtagung, die bisher in Deutschland stattgefunden hat, abzuhalten. Schon Tage vorher waren di« Wimpel und Fähnlein mit dem Eichenkreuz auf den Landstraßen Sachsens zu sehen, denn viele strebten zu Fuß nach der Dresdner Tagung, zum Teil von wett her. »Durch Glauben zur Tat!" unter diese Losung hatte der einberufende Retchsverband der Jungmär-nrrbündniffe Deutschlands die große Tagung gestellt und mit zündenden Worten warf diese Losung RetchSwart l-ic. Stange, Leipzig, der Leiter der gesamten Veranstaltung, abermals in die Tagung hinein in den gewaltigen AustaktvLrsamm- kungen am Sonnabend abend im großen Brreinshaus' saal« und in der Kreuzktrche, ste anknüpfend an das vtbelwort »Ihr als die lebendigen Steine, erbauet euch zum geistlichen Hsuse!" — Es war ein dunt- bewegtes jugendliches Treiben, das sich ip den Pfingst tagen über Dresden ergoß. Am Sonntag morgen grüßten von fast allen Türmen der Stadt di« Klänge der Jugendposaunenchör« die Bewohner. In den dicht- gefüllten Gotteshäusern standen zum Vormittag»- gottesdienst überall die Trupps der Jugendvereme mit den bunten Fähnlein auf dem Altarplatz, predigten Jugrndsührer au.« allen Gauen Deutschlands. Drei groß« öffentliche Versammlungen schloffen sich an die Gottesdienste ag. Im dichtyefüllten Circus Sarrasani, wo RrichSwart Stange die Versammlung leitete, sprachen Mtsstonsinspektor Beyer, Charlottenburg, und Pfarrer Lesrur, Berlin. In der mächtigen Frauenkirche, wo ebenfalls Tausend« von Jungmannen sich drängten, redeten Reichskanzler a. D. Vr. M chaslt» und Reichs- sekretür Herzog, Dresden, während in der großen Dretkönigsktrch« ebenfalls mehrere Redner Ansprachen hielten. Den besten tteberblick über die gewaltigen Scharen bot das Fest auf den Elbwiesen am Sonniag nachmittag, wo in buntbewegten Gruppen di« christ lichen Pfadfinder, di« Jungmännervereine, die christ- liehen Vereine junger Männer, die Tchülerbibeltreise, die christlichen Turnerschaften u. a. frohem Spiel sich ergaben oder um ihre Führer, die Ansprachen hielten, sich scharten. Der Abend des ersten Feiertags aber diente ernsten Zielen: Die Männerversammlung im großen Veretnshaussaal und die Versammlung der Jugendlichen in der Frauenkirche kündeten von dem heißen Ringen um sittliche Reinheit, das unsere evange lische Jungmännerbewegung von heute durchzieht. Dort sprach Oberverwaltungsgerichtsrat a. D. von drr Decken, Dresden, über „Die geschlechtlich« Not des werdenden Manne»', während Landesbischof l) JhmelS das Schlußwort sprach. Hier forderten die beiden Redner, vr. weck. Verweil, Dresden, und Pfarrer Meißner, Breslau, die Jugend auf um »Reinheit und Kraft'. — Auch der zweite Tag brachte eine Fülle von Veranstaltungen. Nach einer feierlichen Morgen andacht in der Frauenkirche vrrteilten sich di« Schar«» in Versammlung«» der Sonderbestrebungen, wie Weiß- kreuz, Pfadfinder u. a. Eine öffentliche Kundgebung auf dem Altmarkt und ein« Versammlung am Nach mittag in der Heide, erfreuten sich des schönsten Pfingst- wetters und die ganz« Tagung in ihrem Haupttrtl ihren Abschluß in einer feierlichen NbschiedLversawm» lung. Die Versammlungen am Dienstag (Arbeitstagung und Festsitzung der RetchSvertretung) riefen hauptsächlich den «nger«n Kreis der Führer und Gäste, sowie die tätigen Mitglieder der Biretne zusammen. So verlief der 11. evangelische Jungmännertag in. seiner impo nierende» Größe unter besten äußeren Bedingungen und unter vortrefflicher Leitung äußerst eindrucksvoll, und wird gewiß nicht wenig zur Förderung der evangelischen Jungmäanervewegung beitragen. Vas evangelische Zungmännerwerk jum Wiederaufbau Deutschland». Im Mittelpunkte der Festoersamwlung, di« aus Anlaß der Reichstagung der evangelischen Jungmänner. Sünde Deutschlands am Dienstag nach Pfingsten die Spitzen der kirchlichen, staatlichen und städtischen Be hörden, sowie Vertreter in- und ausländisch« Jugend organisationen versammelte, stand ein Vortrag von Reichswart l-ic, Stange, Leipzig, über das Thema: »Was kann das evangelisch« Jungwännerwerk Deutsch lands zur Erneuerung unsere» Volkes beitragen?" Aus dem Zahlenmaterial, das der Vortragende als Leiter der gesamten evangelischen Jungmännrrarbeit Deutschlands über die neueste Entwickelung oorlegts, sei folgendes herausgehoben. Dir Organisation dts Reichsverbandes der evangelischen Jungmännrrbünde Deutschlands und verwandter Bestrebung«» steht mit reichlich 160000 Mitgliedern mit an der Spitze der organisierten Jugend Deutschlands. Die Auflage ihrer Zeitschriften beträgt monatlich fast 100 000 Exrmplors und ist sorgfältig für die verschiedenen Sltersstusrn gegliedert. Di« gesamte Auflage drr im vergangenen Jahre durch die Reichsgeschäftsstells herausgrgebenen Schriften übersteigt außerdem noch dreioiertel Millionen. Ein Berufsarbeiterstab von 300 hauptamtlich Angestell te» leistet dis organisatorische Arbeit innerhalb der Bünde und Vereine. Besonders bedeutsam ist der in den letzten Jahren erfolgte Ausbau des großzügigen Wanderherbergswesen«. Dank einer großen Opfer- freudigkeit der Mitglieder und brüderlichen Hilf« ist es bisher möglich gewesen, das große Werk durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Zeit fast unver sehrt hindurchzuführen. Der Vortrag berührte zu gleich in bedeutsamerweise dir inneren Grundlagen des Werkes, dir sich die Erziehung christlicher Manne». Persönlichkeiten zur Ausgabe gestellt hat. Dabei steht <>» missionarische Aufgabe im Vordergründe und ist vor allem innerhalb der letzten zwei Jahre zielbewußt gefördert worden. Gleichzeitig find die sozialen Sus- gaben der Zeit nachdrücklich unterstrichen worden und -s geht gegenwärtig ein starker Zug zu einem prak- tischen System sozialer Hilfsbereitschaft durch die breiten Kreise des evangelischen JugrndmännerwerkeSf Politische Nundschau. Deutsche« Reich. Berlin, 2» Mai. (Die deutsche Antwort note.) Die Besprechungen über di« neue deutsche ReparstionSnote find im Laufe des gestrigen Tages innerhalb der Rifforts g«st«rn wieder ausgenommen worden. Der Reichskanzler und der Reich» außenmini- ster find im Laufe des Dienstag-Nachmittag wieder in Berlin eingetroffen; ein« Kabinettsfitzung hat aber noch nicht stattgrfunden. Entgegen anders lautenden Meldungen wird an zuständiger Stelle erklärt, daß der englische Kabinettswechssl auf di« Absendung der Note keinen Einfluß haben werde. Nach dem bisheri gen Fortgang drr Reffortbrsprechungen ist es wahr scheinlich, daß die letzten entscheidenden Sitzungen des Reichskabinett« bezüglich des Angebote» drr deutschen Regierung in den letzten Tagen der lausenden Woche folgen dürften. — (Erhöhung der Etsenbahntaris« a b 1. Juni) Die nach den Beratungen mit dem Au-schuß de» RstchSeisenbahnrateS in Aussicht stehen den Erhöhung«» der Tarife bei der Reichsbahn wer- drn vom 1. Juni 1923 in Kraft treten. Es werden erhöht die Güter- und Tiertarif« um LO Prozrnt und dir Personen- und Gepäcktarife um rund 100 Prozent der heute gültigen Sätze. — (Brotpreis.) Die rasend« Geldentwertung, die selbst den Höchststand, der vor dem Einsetzen der Stabi- listerungSaktion drrReichsbankvorhanden war,überschrit ten hat, mußt« naturgemäß auch auf die Preisgrstaltung de» Brotgsrreides und der Verkehrsmittel von Einfluß sein. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die Reichsgetreidestelle den Beschluß gefaßt hat, den An- gabrpret» von 200 000 auf 800 000 zu erhöhen, be sonder» da sich seit der letzten Erhöhung trotz des unbedingten Festhalten» de« Abgabepreise» di« Brot- preise im Durchschnitt um fast '/, steigerten. Die er wähnte neue Erhöhung beeinflußt bekanntlich nur rine» Teil de» Brotpreise», wodurch dieser selbst nicht etwa vervierfacht, sondern je nach den örtlichen Ver hältnissen durchschnittlich nur reichlich verdoppelt wer den wird. Schwer». Lausanne, 23. Mai. (Di« ernste Situa tion im Orient.) Die au» London kommenden Bericht« von der Entsendung «ine» großen Teil«» der englischen Mitt«lme«rflotte nach den Dardan«ll«n lassen, klar erkennen, daß man auch in England die Lage rm Orient mehr und mehr al» ernst auffaßt. Dem- entsprechend ist die Stimmung in Lausanne ziemlich pessimistisch. Di« nächsten Tage dürften für da» Schick- 'al auch der zweiten Orientkonserenz entscheidend s«in. Venizrlo» hat am Dienstag-Nachmittag ein« länger« Unttrrrdung mit dem englischen Delegierten gehabt, über deren Inhalt noch nicht» bekannt geworden ist. England. London, 22.Mai, (Rücktritt Bonar Laws.) Wie heut« bekannt wird, ist Bonar Law aus Gesund heitsrücksichten zurückgetreten, nachdem sich da» Kehl« kopfltidrn nach dem neuerlichen ärztlichen Befund al» sehr schwer herausgrstellt hat. — (Poincarä an Bonar Law.) Poincart hat zum Rücktritt Bonat Laws an diesen folgende» Telegramm gesandt: .Frankreich bedauert lebhaft den Entschluß, zu dem Sie Ihr Gesundhettrzustand zwingt. ES ergibt sich, daß St« trotz der »erschiedenheit der Methoden, die während der letzten Monate für unsere Seiden Länder in der Durchführung des Versailler Vertrages verfolgt wurden, mit allen Kräften dazu beigetrsgen haben, ein Bündnis ausrechlzuer halten, da» für die Ruh« drr Welt notwendig ist. Frankreich will sich dafür dankbar zeigen, daß Ste unsere Wünsche «ach Reparationen so gut verstanden und unsrre Ab sichten so gerecht anerkannt haben. — Ptrsönlich richte ich an Sir meine innigsten Wünsche nach baldiger und vollständiger Genesung.' — (Stanley Baldwin englischer Mi nisterpräsident.) Aus London wird gemeldet: Minister Stanley Baldwin hat die Stellung des Mi nisterpräsidenten angenommen. Eine Preffemrldung besagt, daß Baldwin am Dienstag im Buckingham- valast vom König empfangen wurde. Ueber -da» B<- staden des früheren Ministerpräsidenten Bonar La» wird mitgeteilt, daß dieser eine gute Nacht verbracht Hut und baß er seinen Wählern seinen Entschluß mit- reilte, zunächst während der jetzigen Sttzungsdauer seinen Platz im Unterhaus« beizubihalten, obwohl es wenig wahrscheinlich sei, daß er in der nächsten Z«tt den Sitzungen wird beiwohnen können. London, 23. Mat. sSir Robert Horn« Schatzkanzler) Reuter meldet, daß Str Robert Horne, der in Lloyd Georges Kabinett Schatzkan-ltt war, in Baldwins Kabinett wieder das Schatzamt übernehmen soll. Lord Curzon wäre, wie r» heißt, bereit, da» Amt des Außenministers weitrrzusühren- Wie die Blätter melden, wird Baldwin zugleich Pre mierminister und Führer im Unterhaus« sein. Dail- Ehroniel« behauptet allerdings, ermächtigt zu sein, mitzuteilen, daß Lord Curzon sich weigern werde, in rin Kabinett Baldwin einzutreten. Frankreich. Paris, 22. Mai. sPoincar«» Kohlen- s-^ wind el.) Oeuvre stellt fest, daß auf Grund von Angaben der lothringisch«» Metallindustrie die Gebrü der Deoendel für ihre Werke seit fünf oder secks Tagen keinerlei Kohle oder Koks au» dem Ruhrgebiete «rhalten.