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Nr. 36. Pulsnitzer Mochenb-ait — Sonnabend, den 24. März 1923. Seite 2. Das Wichtigste. Für die Zeit vom 28. März bis einschließlich 3. April beträgt das Goldzollaufgeld S09 400*/,. Die Reichsregierung will die Kohlensteuer im April auf 20 Prozent heravsetzen. Lie Verminderung der Eissnbahnfrachttarifs soll nach vor Ostern vom Verkehrsbeirate des Reichsvsrkehrsministerims begutachtet werden. Bei der deutschvölkischen Freiheit-Partei in Berlin fanden am Donnerstag Haussuchungen und Ver haftungen statt, über die der preußische Innen minister Servering gestern im preußischen Landtage nähere Mitteilungen machte. Oertliche und sSchfische Angelegenheiten. Pulsnitz. (Dis Entlassungsfeier) in der Volksschule war dem Gedanken der Freude gewidmet. Die Ansprache betonte, daß der Abend nicht auf den Ton der Belehrung und Wehmut gestimmt werden dürfte, und zeigte durch Rückblick und Ausblick die Berechtigung, den angenehmen Ton der Freuds an zuschlagen. Der Schulchor sang Lieder von Freude und Sonne im Herzen, ganz besonders schön das Schillsrsche Lied an die Freude in vierstimmigem Satz. Ebenso hoben dis Esdichtsvorträge das bele bende Wesen der Freude hervor. Herzliche Anteil nahme gewann die Erscheinung der kleinsten Schul kinder, dis ganz einfachen, lieben, deutschen Kinder- reimen Ausdruck verliehen, was außerordentlich herzerfrischend wirkte und die Abgehenden in leben diger Weise an ihre erste Schulzeit erinnerte. (Eingesandt.) Pulsnitz. (Verein für Volksbildung.) Montag, 29 März, 8—10 Uhr, Schule, Zimmer 17, Burkhardt: „Der Sozialismus vom Standpunkte des Arbeiters " — (Steuerbücher) Das Finanzamt Ka menz schreibt uns: Die Ablieferung der Steuerbücher und Steuermarkenblätter für das Jahr 1922 ist erst zu einem kleinen Teil erfolgt. In den nächsten Ta gen ergehen an die Beteiligten Erinnerungen, die mit Kosten »erkunden sind. Ohorn. (O öffentliche Eemeinderats sitzung) Das in letzter Sitzung vertagte Einbar gerungsgesuch erhält nunmehr einstimmige Zustim mung. Der Nachtrag l des Elektrizitätswerkes Aroß röhrsdors, der mit Wirkung vom 1. Februar in gewissen Fällen die Grundgebühr wegfallen läßt, wird in den nächsten Tagen an den aufzustettenden Wegetafeln ortsüblich bekannt gemacht werden. Die Zuschläge zur Friedensmiete werden mit dem SOsachen genehmigt. Die Vorarbeiten zur Festsetzung der Ge hälter der Sparkassenbeamten werden in dis Hände des Sparkassenausschusses gelegt. Aus finanziellen und anderen wirtschaftlichen Gründen wird der Finanz ausschuß beauftragt auch wegen der Einrichtung einer Eirokasse die nötigen Schritte zu tun. Die Erwerbs- losensürsorge, die zurzeit an 22 männlichen und 10 weiblichen Personen geübt wird und die der Gemeinde innerhalb 4 Wochen allein 150 090 M (ein Sechstel der Eesamtauszahlung gekostet hat, kann zum allge meinen Bedauern aus Mangel an Mitteln nicht produktiv gestaltet werden. Ob man zu Wegebauten schreiten kann, wird die Zukunft lehren, jedenfalls wird gewünscht, das aus Sparsamkeitsgründen mit den Industriellen des Ortes Einverständnis herbei geführt wird, es z V. sogenannte Doppelverdiener nicht mehr geben soll. Mit S gegen 8 Stimmen wird beschlossen, den Zuschlag zur Grundsteuer mit dem Höchstsatz von 25 Prozent zu erheben Bekannt- lich hat die Veranlagung im hiesigen Bezirk noch nicht begonnen und schon ist die Steuer durch den Rechteauslchuß des Landtages zur dreifachen Er- Höhung vorgeschlagen. Aus den vorliegenden Gesu chen ist erwähnenswert, daß die Ortskrankenkasse um Einräumung einer oder>zweierAmtszimmerimObergast- Hof bittet, und das der Schule dassSitzungszimmer des Gemeinderates eingeräumt wird. Die Heimbürgin erhält in Zukunft für eins Kinderleiche 8000 Mart und für ein Erwachsenenleiche 10000 Mark. Infolge ungenügender, behördlicher Unterstützung zur Macht losigkeit verurteilt, legten die Mitglieder des Woh- nungsausschusses ihr uornenoolles Amt nieder. Ohorn. (Alter» h tlf e.) Eine gut« Vorbe deutung für di« OrtSsammlung halten die Mitteilun gen der. hiesigen Industriellen über die Sicherstellung von Kohlen und Bargeld im Betrage von über «00 000 Mark vud der ArbeitergesangvereinS über die Stiftung von 10 000 Mark in unsere HUMafse. Da» Sommelergrbnis der VertrauenSmän.. r betrug rund »LO OOO M. Tin rrneuter Bemetr de« nie versagenden ^,s-: si nes des weitaus größten Teiler unserer Gs- meindemugliedrr, auch in einer Zeit, wo wir ring« schränkt arbeiten wüsten und wo die Zukunft ernst und dunkel vor uns liegt. In der Betätigung der Opferfreudigk-it standen Kurzarbeiter, Familien mit groi,rr Kindrrzahl, ortsfremde Beamte und nicht zuletzt auch Witwer obenan! M-Hrsach wurden unsre Sam ...r nichtigen Gründen abgeuMrn, sogar an ,aU't,rr Kritik,unserer gemeinnützigen B-strebun- ' n fehlt e« nicht. Böswillige Klatschmäuler schämen sich durch Verbreitung handgreiflich unwahrer Suchte unsre gewiß nt^L lr^"- Tätigkeit zu schä digen, sie herabzusetzen und verächtlich zu machen. AuS unsern seit KriegSbrginn aufbewahrten Listen könnte der Chronist einmal feststellen, daß eS meist dieselben Leute sind, die sich durch solche Handlung», weise um «ine Spende drücken wollen. — Allen denen ober, die durch ihre Gaben bewiesen haben, daß e» Menschenpflicht ist, unseren Notleidenden und Darben, den in dieser Zeit beizustehen, denen, di« unser Hilf»- werk im Dienste wahrer Volksgemeinschaft mit mit fühlendem Herzen unterstützen halfen, denen rufen wir ein kräftiges „Habt Dank!" zu. DMr- MMlMisüllM öes MWen WM Garantiert von der Reichsbank Heute Schluß der Zeichnung. Ohorn. (Entlassungsfeier.) Die Feier die die hiesige Schule am Donnerstag Abend den scheidenden Kindern zuliebe im Weih'fchen Gasthose veranstaltete, stand nach Gehalt äußerer Form abermals erfolgreich im Zeichen der Arbeitsschule. Sie war demgemäß eine freudvolle Feierstunde. Freude müsse ja auch als Grundton hervorklingen, betonte Herr Lehrer Rotzig in der Ansprache an die scheibenden Kinder — Freude darüber, daß das Fundament fertig sei, auf dem die jungen Menschen ihr weiteres Leben aufzubauen hätten. Das Ziel müsse das Goethewort sein: Ede! sei der Mensch, hilfreich und gut! Ihm komme man am nächsten, wenn man auch fernerhin die Werk- zeuge rührig brauche, mit denen der Grund geschaffen worden sei. Hierher gehöre namentlich die Pflege des Gemeinsamkeits- gesühls in Freundschaft und Aufgehen in Volk und Vaterland. Abfchiedsgesänge und Gedichidarbietungen bewegten sich in ähn licher Gedankenrichtuxg, und Naglers Singspiel „Mein Dörf chen" war gewissermaßen bildgewordene Mahnung für Abgehende und Zurückbleibende, der Heimat und dem Vaterlands dereinst zu danken für die Gaben, die des Einzelnen Leben erst lebens wert machen. Solch nachhaltigen Eindrück vermochte das Spiel hervorzurufen durch die mustergültig gestaltete Aufführung und durch die gerade aus seiner Schlichtheit beruhenden, künstlerischen Qualitäten. Wie die Kinder, von den kleinen siebenjährigen Leutchen an aufwärts, dank der mühevollen, unverdrossenen SSorbereitung durch ihre Herren Lehrer als Sänger, Schauspieler, Tänzer, Turner und Ausstattungskünstler ihre Aufgaben lösten, ist uneingeschränkten Lobes wert. Außerordentliche Leistungen Kann man darum nicht hervorheben, weil die ganze Aufführung eine lückenlose Kette von Musterleistungen war. Das Spiel selbst birgt, wenn man vom Gehalt an pädagogischen Elemen ten absteht, mehr Lyrisches als Dramatischer Das ist im Hin blick auf das Thema nur von Vorteil. Das Schwergewicht rückt infolgedessen mehr nach der musikalischen Seite und die Musik bedingt zumeist den Effekt der szenischen Darstellungen, was z. B. bei der reizenden Verlebendigung einiger bekannter Kinderliedchen in unübertrefflicher Weise geglückt ist. Naglers eigene Liedkompositionen halten sich ganz in den durch das Thema vorgezeichneten Bahnen und sind ausgezeichnet durch schmiegsame, von Hrimatzauber umsponnene Melodien, wie das innige Lied „Mir gefällts überall", das feierliche Sonntagslied, die drollige Dorfmusik, der echt dörfliche Kirmestanz usw. alle samt beweisen. Der überfüllte Saal würdigte alles nach Ge bühr und zeigte sich recht beifallsfreudig und es ist dankbar zu begrüßen, daß die Lehrerschaft sich entschlossen hat, „Mein Dörfchen" am Sonntag nochmals auszusiihren. (Vgl. Anzeige in dieser Nummer.) Der Besuch dieser Veranstaltung kann nur wärmstens empfohlen werden. ds. Großröhrsdorf. (Einbruchs Diedstahl.) In der vergangenen Nacht zwischen 1 und 2 Uhr ist bei Herrn Schneidermeister Bruno Löws ein Ein- bruchsdiebstah! verübt worden. Der oder die Diebe sind von der Melanchthonstraßr aus durch den Garten in das Grundstück eingedrungen und haben sich durch Zertrümmerung einer Fensterscheibe Zugang Zum Hause verschafft. Aus dem Laden Haden sie dann 16 Anzüge mitsamt den Kleiderbügeln (Firma ist auf diese gestempelt), sowie verschiedene Winter- und Sommer Paletots gestohlen. Der Gesamtschaden de trägt etwa 4'/, Million Mark. Für Ermittlung der Täter und Herbeischaffung der Sachen hat Herr Löwe 1 Million Mark Belohnung ausgesetzt, wer einen Fingerzeig geben kann, der auf die Spur führt, erhält gleichfalls eine entsprechende Belohnung. Et waige Wahrnehmungen in dieser Hinsicht wsUr man der Gendamerie oder Polizei melden — (Fahrrad- Diebstahl) Vergangenen Mittwoch ist ein vor dem Gaschos zum Stern sichendes Touren Fahrrad (Marke Panzer) Nr. L84 64S und autz eimm auf einem Handwagen stehenden Korde ein rotes Inlett und 2 blaue Schürzen gestohlen worden. Kamenz. (Dis Preise für junge Gänse- (sogen. Kriesche!) auf dem Woch^nmarkt bewegten sich in aufsteigender Linie. Für 3 Tage alte Türmen wurden 2500, für 10 Tags alte 3509 und für !4 Tax? kUc 4b ' Ml. gezahlt. Einzelne Verkäuferinnen "erlangten r SOOO Mk, mußten aber ihre Krie« jche! zum Teil wieder mit nach Hauss nehmen. Wie uns mitgeteilt wird, vc- kaufen die Händler die Krie- schel zu 3—4 Mk. das Stück. Polnische Rundschau. Deutsches Reich. — (Ein amerikanischer Reparation-- plan.) »Etornale d'Jtalta" befragte Hudson, den Vorsitzenden der englischen Delegation der internatio nalen Handelskammer, über den Vorschlag der ameri kanischen Delegation für di« Lösung d«r Reparation?« frage. Hudson erklärte, Einzelheiten über den ameri kanischen Vorschlag nicht angeben zu wollen, weil dieser noch vertraulich sei. Der Vorschlag sei von Booth, dem Vizeprästdraten des SaranttKrustS in Neuyork, ausgearbeitet worb«». Die englische Dele- gation hab« ihm bereits zugestimmt, und der ameri« kan sche Vorschlag werde einstimmig angenommen werden, weil er geeignet sei, endgültig alle interessier ten Länder zu befriedigen und Mitteleuropa Ruhr und Frieden w-ederzugebtn. München, 23. März. (Der Eindruck der Kanzlrrred«) D!« Reichskanzler«!)« dauert« un- grfähr 40 Minuten. Tie wurde an verschiedenen Stil len mit außerordentlich starkem Beifall ausgenommen, der sich mehrfach zu begeisterten langen Kundgchungen steigert«. Di«s«S traf besonders bei den Stellen der Rede zu, wo der Reichskanzler fügte, daß die Behaup tung der französischen Regierung über daß deutsche Verhalt«» vor dem Ausbruche der Krieges als Erfin dung zu betrachten sei. Ferner kam «S zu spontanen Beifallskundgebungen b«i den Sätzen, wo der Reichs kanzler sagte, daß ohne eine Räumung des Rahr- gebtrteS keine Diskussion stattfinden könne, bei seiner Verwahrung gegen eine Loslösung der Rheinland« und bri seinrr Brrstcherung, daß an den angtdliHtN Vr-mitt-lung-bitten der deutschen Regierung kein wah ret Wort sei. Nuch di« Au-lassungen det Reichskanz lers, in denen er die Parteien ermahnt«, Anschauung-- g«g«nsätzs zurückzustellen, wurden mit Beifall ausge nommen. Am Schluß der Rede wurde dem Reichs kanzler durch anhaltende Zuruft und Händeklatschen gedankt. England. London, 23. März. (Englisch-französische Gegnerschaft.) Di« gestrige Debatte im Oberhaus« und di« darin grübt; Kritik der ASg. Birkenhead an dem Aufbau der englischen Luftflotte, wird vom »Jour nal der DebatS" ausführlich besprochen. Dat franzö sisch« Blatt ficht in drr scharfen Kritik nur den Aut- druck der Lloyd Georg'schen Feindschaft gegen Frank reich, zu deren eifrigsten Vertretern Lord Birkenhead gehör«. Daß Blatt behauptet, daß di« Politik Lloyd Georges ausschließlich Deutschland zugute kam und daß sich Deutschland in den l-tzien Jahren eine bedeu tende Handelsmarine geschofftn hab«, während in den französischen und englischen Häsen Hunderte von Schis- fen unbenutzt liegen. Wenn das so weitergehe, werde Deutschlnnd in spätestens zehn Jahren mit der Wt«- drraussteLung seiner Kriegsflotte beginnen. Frankreich. Paris, S4. März. (Tumultszenen in der französischen Kammer.) In drr Kammer spielte sich gestern «ins ungewöhnlich heftige Szene ab, die durch die Kommunisten hervorgrrnfrn wurde und in der Poineare seine ganze Rühe verlor. Von sozialisti scher Seit« war der An trag gestellt worden, daß di« Debatte über dir von der Regierung verlangten Bud- getzwölM vertagt werden solle, bis der Bericht über dis Regierungsvorlage, Setr-sftnd di« Ruhrkosteo «in- gebracht sei. Poinaare erklärte darauf, daß er über die Ruhrkosten am kommenden Dienstag im Finanz ausschuß einen sehr ausführlichen Plan vorlrgen werde. Am Dienstag könne aber drr gewünschte Bericht vor liegen. Darüber entspann sich ein hefttglS Wortgefecht mit dem Kommunisten Berthon, d«r dem Minister präsidenten zurief: sie sind in der Gewalt des Herrn Daudet. Wir haben Jntereffe, zu wissen, welche Woffen er gegen Str hat. Weiter sagte der Abgeordntte, man sei versucht, zu fragen, ob der Ministerpräsident in seiner Handlungssreihrit gegen Herrn Daudet nicht durch gewisse Ereignisse aus drr Zeit vor dem Kriege brhindert werd«. Auf diese Andeutung hin braust« Poincare auf und rief dem ASgeordnetsn zu: St« sind ein gemeiner Lump. Dann fuhr Poineare fort, der auf der Tribüne zu behaupten wagt, daß «S gegen mich oder gegen die Meinen gefährlich« Aktenstücke gebe und daß ich Grund hab«, di« Veröffentlichung dieser Aktrn zu fürchten, drr Mann hat gelogen. We- g-n stürmischer Unruh« mußte die Sitzung unterbro chen wrrden. LIS nach einer Viert,Mund« di« Sitzung wttdrr ausgenommen wurde, schirr PMcttL, aber auf den Ministerbänkm hatten mchrerr andere Minister Platz genommen. N-ue TumuLtszenen stellte« sich ri», als der Kriegs Minister dem Abgeordneten Berthon, der wieder daS Wort ergnfftn hart«, zurief, daß er lüge. Nachmittags um drei Uhr wurde die g zum zweiten Male wilder ausgenommen. Drr rtogeordnete Berthon erklärte, daß er drn Ministerpräsidenrrn nicht h^be r-leidtgtn wollen, «r habe nur von drr Diktatur und Erp »ssung im paltüschen Sinne gesprochen. Wenn -r bel-tdttzrndr Won« gesagt hätte, würde er sie zu- rücknehmen. Daraufhin erklärte der Präsident drr Kammer den Zwischenfall für beendet.