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gung anderer Forderungen der liberalen Parts! zu erbitten. „Die Petenten wurden mit einiger Nervosität empsangen, da Friedrich Wilhelm grundsätzlich aus dem Standpunkt, es dürse sich .kein Papier zwischen ihn und sein Volk drängen", aber doch keine abschlägige Antwort wagte. Unmittelbar nach Rück kehr der Abgesandten mit den sie befriedigenden Versprechungen der Monarchen sollen dann — die Gewehrs der Schloßwache losgegangen sein. Da gleich daraus das Schietzen von beiden Seiten einsetzte, müssen viele Versammlungsteilnehmer mit Waffen in den Taschen erschienen sein, also ihrerseits das Gesetz verletzt haben. Und es ist wahrscheinlich, datz die feuernden Truppen durch Schüsse oder wenigstens durch Steinwürse her- ausgeso dert waren. Dir öffentliche Meinung hat bekanntlich dem Prinzen von Preutzen, den späteren Kaiser Wilhelm!., die Schuld an der blutigen Wendung des Tages brigemessen, der mit der Nachgiebigkeit seines Bruders nicht einverstanden und über das Gebühren der Menge, dem Willen des Herrschers durch ihre Kundgebungen Gewalt anzutun, entrüstet gewesen wäre. Festgestellt ist der wahre Hergang niemals. Aber jenes Gerede wurde Veranlassung, den Prinzen durch eine mehr wöchige Reise nach England aus der aufgeregten Berliner Atmosphäre zu entfernen. Im weiteren Umkreise des Schosses hatte man Barrikaden aufgeworfen, die aber von den erfolg reich fortschreitenden Truppen meist ziemlich leicht erobert wur den. Im großen ganzen schien tn den späten Abendstunden der Aufruhr niedergeschlagen. Hier und da hatte man in den Reihen der .deutschen Freiheitskämpfer" polnisch, russisch oder auch französisch sprechen, hören: ein Anzeichen, wie aus ländische Einflüsse zu der blutigen Auseinandersetzung ihr Teil an Schuld beigetragen haben. Jedenfalls war es vom Gesichts punkt der Gefechtslage durchaus unberechtigt, datz die Krone am andern Morgen kapitulierte, besonders, datz die siegreichen Truppen den Befehl erhielten, Beilin zu räumen- Der König seiber durchfuhr die Stadt mit schwarz rot goldener Schärpe und gleichfarbiger Kokarde geschmückt. Die preußische Hauptstadt hat dann noch den ganzen Sommer hindurch unter dem Bann des ungezügelten Waltens der revolutionären Elemente gestan den, dis im November der alte Wrangel ste wieder besrtzte und die in radikalen Maglo gkeiten schwelgende preußische National versammlung heimschtckte. Die Hauptletden und -lasten der Rheinland- und Ruhrgebiee»besatz mg und ihre Abwehr drücken auf die Arbeiterschaft. Da« wissen die Franzosen ganz genau. Infolgedessen versuchen sie auf alle Art und Weise, die Arbeiter für sich zu gewinnen. Ste gehen dabet in ihrer Abwechslung zwischen Zackerbrot und Peitsche ungeschickt genug vor. Doch ganz abgesehen von diesem Ungeschick: sie werden für j tzt und dauernd auf jeden Erfolg ver zichten müssen. Weil die Arbeiterschaft sich selbst treu bleibt. E» gab einmal Zeiten, da e» für richtig befunden wurde, den Arbeiter irgendwie herabzusetzen. I tzt aber erleben alle Stände es unmittelbar, daß alle Verun- gliwpser der Arbeiterschaft sich geirrt haben. Jetzt, in der Stunde der Rot und der Kampfe» offenbart der Arbeiter seine tlare WesenSfretheit: frei von allen Parteitrübun- gen, einfach auf sein Menschliches gestellt, handelt er nur seiner inneren Stimme gemäß. Diese innere Stimme, dies Handeln enthüllen, wie moralisch ideell gesund und unbeirrbar real di« Arbeiterschaft fühlt und denkt. Versucher treten von allen Setten an die Arbeiter, schäft heran. Bald sind es Flugblätter, die ihnen ein- reden, nur die ReichSregierung and di« Kapitalisten seien daran schuld, daß sie noch nicht den Himmel im Rhein land und Ruhrgebiet unter französischer Mtlitärherrschaft hätten. Bald wieder ist e» die Propaganda der Sonder, bündler, die ihnen vorgaukelt, die Frankenwährung würde sie von allen Preirnöten erretten und ihre Löhne zu Krösuseinnahmen steigern. Oder die Franzosen wollen st« auf plumpe, materielle Weise «infangen; die Feldküche der Truppen muß hungernden Kindern und Armen Esten aukgeben — natürlich mit photographischer Aufnahme! — oder die V-rpfleguagSoifijier« bieten Sp S, Fleisch und dergleichen der Bevölkerung zu billigen Preisen an. Der deutsche Arbeiter läßt siH aber nichr «infangen. So klag wie die F-anzosen ist er schon längst: er ging durch dak Feuer der Kriegs und Revolution^ Propaganda hindurch. WaS wurde ihm da nicht alle» versprochen. Ec weiß, erzogen durch die Bolkthockschuie, Gewerkschaft»- kurst usw. um die wirtschaftlichen Zusammenhänge bester Bescheid, als die Propagandisten de» Rh-insravken, und er verkauft seine S ele nicht um ein Pfand Epck. Deon tn ihm lebt der Seist det freien Manne», der als Gebot für sein Handeln nur sein Gew ffm kennt. Diesem G-w sien bleibt er treu. Sein Gew sten sagt ihm, ohne daß e» ihm — wie vielleicht den Poilus — erst von dritter Seite ringe aukt werden mutz, was er zu tun hat. Täglich beweisen zahlreiche Beispiele die Arbeit?« treue, die Treue dcS arbeitenden D utschrn gegen sich selbst. Verantwortungsgefühl und F sttgkeit in der Ab wehr sind die Folge dieser T-eue und da» Bewußtsein der sitt tchkN Reinheit in allem Handeln. Die Franzosen können sich in diese Brbeiterps;che nicht finden. War ste auch angreisen, machen ste darum falsch. Kommen ste, wie neulich in Dellwig, zum Kohlen holen, so antwortet dem Verlangen der Soldaten di« Stillegung de» Betrieb«» und da» Deutschlandlied. M ß- handlungen, Verhaftungen von Bergleuten rufen nur eiserne Rah« und Widerstand hervor. Keine Gewalt kann den Arbeiter zwingen, sich selbst aufzugeben. Geschehen einmal van einzelnen Schwächlingen Nachgiebigkeiten, vergessen sich unmoralische Frauenzimmer einmal, der Arbeiter stratt seine Genossen selbst di« tn der Gewalt hat. So bietet die kämpfende Arbeiterschaft an der Rhetn- Ruhrfront ein nie erlebte» Schauspiel von seltenster Er habenheit: die Treu« gegen die eigene menschliche. Natur weckt pofirive K äste. Die?« positiven Kräfte zwingen dir minderwertigen Kräfte, denen die Franzosen sich über antwortet haben, rineS Tages naturwendig nieder. DaS weiß die deutsche Arbeiterschaft instinktiv und aus ihrer Lebenserfahrung heraus zur Genüge. Darum ist ste guten Mutes und bei bestem Humor, während der Fran- zos« schon wirklich keine gute Laun« mehr zeigen kann und durch seine Angst zu verächtlichen Wutausbrüchen verleitet wird. Streifzüge durch die Heimat. 3) Von Str. (Nachdr. verboten.! Pulsnitz — Schirgiswalde — Prinz Friedrich August- Turm — Hainspach - Lobendau —Neustadt. Im Sommer lassen wir uns unter «inem d-r Bäume zu längerer Rast nieder. Mittagkstills liegt über dem Berg«. Droben blaut der Himmel, einzrlne Wolken ziehen träge an ihm hin. Die Sonn« brütet. Der Wald ringsum bewegt leis« seine Zweige und erzählt im Flüstertöne au» vergangenen Tagen. Die umliegenden Felder sind menschenleer und liegen im Mittag»schlaf«. Ueber ste schwebt dir wendisch« M ttagkgöttin. — Wie schön sich» hier träumen läßt! — Die Wirtin hat un» «ine Erfrischung gebracht und wünscht un» höflich guten Appetit. Nun, der ist vorhanden, und es schmeckt un- vorzüglich ! — Jetzt bekommen wir wieder Mut, um auch den Turm zu besteigen. Urber 100 Stufen führen hinaus zur Plattform, von der au» der Brick über ein« herrliche Landschaft schweift. Wir können un» nicht satt sehen. Die Luft ist heute klar, und da» Auge kann ungehindert in di« weiteste Ferne schweifen. Kast zahllos sind di« Höhrn, die ringsum yerübergrüßen, zahlreich die Ort schaften, welche wir schauen! — Welch' reicher Wechsel von Feldern, Wiesen, Wäldern, Tälern und Höhen! — Ew Bild zum Malen! Wenn man doch ein Künstler wäre! — — Zunächst nun einmal den Blick vorwärts gerichtet, also in die Gegend, di« wir soeben durchwanderten! Da liegt vor un» Sohland in seiner ganzen Butdehnung. Dahinter erheben sich die sagenumklungenen Kälbersteine zw scheu Schirgiswalde und dem Bteleboh Im Hinter- grund di« lange K.tte deS Czorneboh, welch« östlich der Hochstein bei Dihsa und westlich der Drohmbrrg bei Großpostwitz abschlteßen. Recht» von Sohland Tauben- heim und der böhmische Srenzort Fugau. Weit au« dem Hintergründe von dieser Richtung her grüßt der Kottmar. Links davon blicken wir in dis Gegend von Hochk-rch und Löbau. Links von den Kälbersteinen breitet sich die Schirgiswalde« Gegend aus, und der Blick schweift hinein in das Canewalder Tal. — Recht» vom Kottmar, also nach Südwesten hin, schauen wir auf da» freund liche Städtchen Schluckenau. Au» dem Hintergrund« grüßen di« Kreibitz-r Berge, unter diesen der turmgekrönte Tannenberg bei Klein Semmering. Link» vom Tannen- berge ragt der Tollenstein mit seinen Burgtrümmern hervor. — Vor urS, nach Süden zu, liegt der 1'/, Stunde entfernte Botzen. Dort grüßt der WolsSberg bet Schön linde herüber. Au» größerer Entfernung winkt von Süden her der kugelförmige Rosenberg bei Tetschen. Den südlichen Horizont schließt nach Sebnitz zu der Tanzp'an ab, der deutlich an seinem Turme erkennbar ist. Westlich davon breitet sich der Unger bei Neustadt au» Die Nmstädter Kirche ist sichtbar. — Den Horizont nach Westen zu beherrscht der Baltenberg bei Ntedernruktrch, di« höchste Erhebung de» Hohwaldgebtrge». Es ist rin reizvolle» Bild. Jnselartig erheben sich di« Berge auS ihrer Umgebung, und aut den Tälern und Auen grüßen freundliche Ortschaften, ring» mit ge- segneten Fluren. Wer da» Bild etwa beim Sonnenglanz« schaute, der wird es nie vergessen. Ihm wird e» immer wieder det der Erinnerung vor Augen schweben. Nachdem wir unser« Augen an diesem Bilde ge- weidet haben, steigen wir wieder hinunter und nehmen Platz unten im freundlich«« Gastzimmer de» an di« Nordfeite de» Turmes angebauten Gasthaus«». Zur Unterhaliung durchblättern wir da« Fremdenbuch. Vielleicht stoßen wir dabet auf Namen von lieben Bekannten und Freunden. Da fällt un» zunächst eine Widmung in» Auge. Sie lautet: Du lieber Gast, in diese» Hause» Räumen, Lor Dir liegt bittend unser Fremdenbuch. Ein warme» Wort, ein Spruch, Dein' NamenSzug Hier «inzuschretben, darfst Du nicht versäumen. Nicht lästig fallen soll Dir unsre Bitte, Für jede Gabe sei Dir DankeSwork. Bewahrt wird Dein Grdächtni» fort und fort, Nur richte oft nach hierher dein« Schritte. Wer weiß, wie bald schon trennet un» da» Leben Und scheidet unsre Wege weit, ach weit! Drum willst Du «in Erinnerungkwort un» geben, An die hier oben einst verlebte Zeit. Den 6.11.1»0ü. Bergwirt Fr. Viertle u. Frau. Beim Blättern im Fremdenbuch stoßen wir auf so manche hübsch« Inschrift. Es mögen hier rtnige folg«n: Wer die Heimat will lieben lernen, Der schweife nicht so in die Fernen. » Oben sein mer g'waße, G'sahn ho mer nix, Al« rächt viel Nabel Und a G'wölk, a rächt dick'». * Erst die Erde, Dann die Sterne, Erst die H imat, Dann dir Fern«! A- Gott segne di« grünende, duftende Welt Nad jeden, den zaubrisch gebunden ste hält! Dich lieb ich von Herzen, mein duftiger Wald, Bon frohem Gesänge und Klange durchhall^ Mein herrlicher, einziger Hrimatwald. * Manche Inschrift hätte aber auch lieber unterbleiben können! Doch jeder denkt, es recht gemacht zu haben. Fortsetzung folgt Aus unseren Tagen, o——tt Aus dem Leben eines kleinen Zeitungsjungen. Der Mensch ist gut, ich weiß «» zuoeisivtiiH. OS er di« Menschen in ihrer Gesamtheit find, wollen wir dahingestellt sein losten. Die Geschichte, Freund«, di« ich euch erzählen will, hat sich zugetrazen in der Zeit, in der wir jetzt alle — leiden. Leiden unter der Scham losigkeit, mit der Lüg« und Laster unverhüllt durch di« Straßen schreitet. Und doch! Wer mit offenen Augen unter den Menschen lebt, der wird täglich sagen müss.-n, ja, e» geschehen noch Märchen, «S gibt noch heitere Stun den in unserer err sten Zeit. Hört zu: In einer kleinen Stadt, die an der Elbe lag und auch ein« «ig«n« Zeitung hatte, lebte eine arme Witw« mit ihrem kleinen Jungen, der Heinz hieß. Sie war von den Polen aus Ostpreußen vertrieben worden, da ihr Mann früher Oisi,ier war. Obwohl Heinz erst zwölf Jahre alt war, und für sein Alter ziemlich schwäch lich, mußt« er doch schon seine Mutter mit ernähren, denn sie war sehr krank. Heinz trug in der Stadt di« Zeitungen aus und da» war nicht etwa leicht. D-r kleine Kntrp« mußte früh aus dem Bette auf die Straße hinaus und tüchtig eilen von HauS zu Hau», drnn die Lrut« war«« verwöhnt und konnten ihr« Zeitung nicht schnell genug bekommen. Am Nachmittag aber, wenn er aus der Schule kam, half er in der Redaktion oder Druckerei, wo immer r> gerade Arbeit gab. Eine» Tage» stand tn d«r Zeitung, daß da» D uckpapier immer teurer würde und di« Redaktion wohl bald gezwungen sein wird, ihren Betrieb ein,ustell«n Da» la» auch der kleine Hein,. L» wurde im angst bet dem Bedanken, daß er dann arbeits los werden könnt« und seine kranke Mutter hungern und frieren müßte. Er arbritste wie ein Gewachsener, nur um soviel als möglich beizutragen zur Aufrechterhaltung de» ZritungSbetriebe». Da» alte Sprichwort: „Ein Unglück kommt selten allein" tst leider oft allzu wahr. Die Mutter des Klei nen lag bedenklich darnieder und der Arzt mußte jeden Tag kommen. Heinz kam nicht mehr zum AuSruhen. Frühmorgens Zeitungen au»tragrn, dann zur Schul«. Kam er mittag» nach Haus«, so mußt« «r kochen, Geschirr aufwaschen und die Stube recktgen. Während er, am Bett de " krank«» Mutter sitzend, seine Suppe löffelte und ein Stück trocken Brot dazu aß, erzählte «r die Sefchich- ten, di« ihm der Lehrer am Vormittag« tn der Schul« vorgelesen hatte. Dann ging» zur Druckerei, und e» war gut, daß ihm di« Schularbeiten erlassen waren, drnn Heinz war in der Schul« d«r Fleißigste und Nufmrrk- samst«. Abends aver kocht« «r für den andern Morgen den Kaffee und versorgte die Mutter oder lief in die Apotheke. Mit der Mutter wurde «» immer schlimmer uud dann saß Heinz noch bis spät in di« Nacht hinein an ihrem Bett und wachte. Legte er sich «indlich in»