Suche löschen...
Pulsnitzer Wochenblatt : 08.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840935979-192303080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840935979-19230308
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840935979-19230308
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Wochenblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-08
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
- Titel
- Pulsnitzer Wochenblatt : 08.03.1923
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 28 Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 8. März LS23. Seite 2. Mahnung und Drohung vergeblich blieben. Ausweisung und Ver Haftungen haben einen großen Umfang angenommen. Der Kanzler weist an der Hand eines genauen Zahlenmaterials nach. Das Ver fahren sei auch für Massenanwenduug einfach genug. Die Türe geht auf, Offiziere und Gendarmen treten ein, packen den Beamten und fort geht es ins Gefängnis. Dann folgt eine kurze Anklage« erhebung vor dem Kriegsgericht mit der Aburteilung. Kriegsgerichte mitten im Frieden und im Interesse einer friedlichen Jngemeur- kom Mission. Strenge Gefängnis- und hohe Geldstrafen sind das Schicksal der Männer, die ihrem Vaterlands die Treue halten. Die Unterkunstsverhältnisse der Verhafteten sind derart, daß selbst der geringe Grad des französischen Sauberkcitsbedürfnisses sich der Bloßstellung schämen müßte. (Pfuirufe) Die Ehre deutscher Männer wird durch solche Gefängnishaft nicht vermindert, sondern vermehrt. Der Kanzler weist darauf hin, daß ganze deutsche Be hörden »hne Beamten, daß große Städte ohne Bürgermeister sind. Die Ausweisungen wurden mit unerhörter Grausamkeit vorgenom men. Der Kanzler schildert aus der Fülle der Rechtsbrüche einige wenige Beispiele: Der 60jährige Oberbürgermeister von Oberhausen wurde festgenommen, weil er es ablehnte den Betriebsleiter des Elektrizitätswerkes verhaften zu lassen. Er wurde verhaftet und acht Tage lang in einem halbdnnklcn Kcllerraum, der l8 cdm Aus maß hatte, festgehalten. Abgesandte des Deutschen Roten Kreuzes und selbst die Gatt'» des Oberbürgermeisters wurden nicht zuge lassen. Jetzt sitzt er mit zwei anderen, kleinen Beamten im Ge fängnis in Düsseldorf in Einzelhaft. Sie erhalten französische Gesängniskost. Besonders roh wird gegen die Schupo-Beamtenschaft vorgegangen. In zahllosen Fällen werden sie mit der Reitpeitsche geschlagen und aufs schwerste mißhandelt, weil sie fremden Eindring lingen pflichtgemäß den Gruß verweigern. Der bewaffnete Zug gegen Gelsenkirchen wurde hervorgerufen, weil Schupobeamte das Feuer erwiderten, als sie aus einem Kraftwagen beschossen wurden, der ohne Licht fuhr und daher von einem Beamten angehalten wor den war, der dabei von den Insassen, französischen Offizieren, tödlich verletzt wurde. Da die Stadt die Zahlung derWuße von 100 Mil lionen verweigerte, versuchte man die zwangsweise Beitreibung und forderte selbst Bürgern auf der Straße das Geld ab. Als Quit tung dienten Kolbeustöße. Der französische General Laingelot führte in Recklinghausen ein wahres Schreckcnsregiment. Die Berufsor ganisation hatte die Geschäftsleiter aufgefordert, keine Lebensmittel an die französischen Soldaten abzugcben, da durch die starken An forderungen die Versorgung der Stadt gefährdet werde. Der General verlangte nun, daß man die Geschäftsleiter zum uneingeschränkten Berkaus zwinge, sonst werde er vor keinem Mittel zurückschrecken, bis Recklinghausen vor ihm auf den Knien liege Das Wohl der Bevölkerung sei ihm gleichgültig. (Pfuirufe.) Der General lnß tatsächlich durch besondere Kommandos die Posten der Schupo von den Straßen in rohester Weise entfernen. Die Bevölkerung wurde in furchtbarster Weise mißhandelt. Frauen, ältere Leute und Kinder, die nicht schnell genug flüchten konnten, wurden zu Boden geschlagen. (Stürmische Pfuirufe.) Einzelne, bereits benannte Schupobeamte, die als Kriminalbeamte laut Vereinbarung mit dem französischen Kommandanten mit einem Revolver ausgestattct waren, wurden solange mißhandelt, bis sie bewußlos zu Boden sanken. Dann wur den sie mit Fußtritten weiter bearbeitet. (Lebhaftes Hört! Hört!) Die Gefangenen erhielten erst Nahrung, wenn sie sich verpflichteten, die gute Behandlung unterschriftlich zu bescheinigen. (Schallendes Gelächter.) Aerztliche Behandlung wurde verwe gert. Vertreter des Roten Kreuzes, die die Notwendigkeit hierzu betonten, wurden fortan nicht mehr vorgelassen. Der Reichskanzler erinnerte weiter an die Plünderung der Handelskammer in Bochum, des Volizeizräsidiums in Gelsenkirchen und an die Willkür und an die Unmenschlichkeit, die sich auch gegen Krank« richtet. Der Bevölkerung von Essen wurden ein Viertel der vorhandenen Krankenbetten entzogen. Sogar das Obdachlosenasyl wurde bcschlaguahmt. Die Truppen schrecken auch vor Mordtaten nicht zurück. Ohne jede Veranlassung wurde ein Schupobeamter in Oberhausen getötet. (Rufe: Unerhört!) Blut taten in Bochum und Jberhauseu zogen zwei Todesfälle und drei schwere Verwundungen nach sich. Der Kanzler stellte noch einmal fest, daß dies nur einen geringen Bruchteil des Unrechtes darstelle, das täglich verübt werde, und führte aus, daß die Absicht klar zu tage liege: Man will die Behörden aushöhlen, unbequeme Beamte entfernen und die Einwohner einschüchtern. Der ReichstagSpräsi- dent sagte kürzlich bei feierlicher Gelegenheit, daß die Welt entschei den werde, wo die Ehre bei dem Kampfe liege. Wo ist denn heute die Ehre? Bei den schimpflich Gefangenen, bei den brutal Miß handelten oder bei den Vertretern der ritterlichen Nation? (Lachen rechts und in der Mitte) Liegt die Ehre bei denen, die unbeküm mert um Freiheit und Leben dem Vaterlands die Treue halten, oder bei denen, die widerrechtlich und mit Waffengewalt in ein fiicd- liches Land eindcingen und dort arbeitsame Bürger zum Vaterlands verrate zwingen wollen? So sieht die Passivseite der französisch- belgischen Sieben-Wochen-Bilauz in ihren ersten und meist belasteten Posten aus. Rechtsbruch und Gewalt sollen durch eine lügnerische Propaganda verdeckt werden. Die Vorgänge am Rhein und an der Ruhr erinnern an die Zeit des Dreißigjährigen Kciches. Die In- gcnieurkommission hat Frankreich auch nicht die fehlenden Kohlen mengen verschafft. Es ist vielmehr gerade das Gegenteil der Fall. Ich komme damit zum zweiten Passivposten der französisch-belgischen Bilanz, Rund 14»/z Millionen Tonnen Kohle sollte Deutschland 1922 liefern. Unter Anspannung aller Kräfte, schwerster Belastung der Wirtschaft und großen Ankäufen englischer Kohle war es möglich, die Leistungsziffer im Wesentlichen zu erreichen. Fortlaufend sollte Frankreich nun 46 500 Tonnen arbeitstäglich bekommen, ohne eine Hand zu rühren. Jetzt hat Frankreich in der Zeit vom 1. Januar bis zum 8. März im ganzen 74 000 Tonnen erhalten, etwas mehr als die zugesagte Tagesmenge. Von den 1922 zu liefernden 166000 Festmetern Holz erhielt Frankreich 92000 während die Restlieferung bis zum 31. März 1923 zugesagt war. Jetzt hat Frankreich nichts erhalten. Zu den verloren gegangenen Werten kommen die Ein bußen an sonstigen Reparationsleistungen, wie Vieh, Maschinen, Wiedcraufbaulieferungen und Chemikalien. Als dritten Posten ans der Passivseite erscheinen die unerhörten Aufwendungen für die Truppen, die nur zu einem unwesentlichen Teile durch den Raub und den Diebstahl von privaten Papiergeldern gedeckt werden können, sowie die Riurbcrcien, die die Truppen zur Unterstützung der Tätig keit der Jngenieurkomnstssion Tag für Tag verrichten, und die Ausgaben, die dem Reiche zur Aufrechterhaltung des Wirtschafts lebens und zur Fürsorgetätigkeit erwachsen. So sieht die Passivseite der französisch-belgische» Bilanz aus und damit ist die Bilanz zu Ende; denn eine Aktivseite hat sie nicht. (Sehr wahr!) Was immer an Eisenbahnmaierial militarisiert worden ist, ist nach Zahl der Züge und Betriebssicherheit so kläglich, daß es jeder Beschrei bung spottet. (Sehr richtig!) Unproduktion auf der ganzen Linie, statt der angeblichen Mehrproduktion. Das ist mit einem Worte das Kennzeichen des Nuhrunternehmens, das Unternehmen zur Er fassung produktiver Pfänder. (Lachen.) Wenn Poincaie mit dem Ergebnis auch zufrieden ist, so werden die Aktionäre dieses Unter nehmens zur Finanzierung erhebliche Zubußen zahlen müssen. Von hundert Hochöfen in Lothringen sind nur noch zwanzig in Betrieb. Der Kokspreis in Frankreich ist auf das Doppelte des Januarpreises gestiegen. Der Wert des französischen Franken sinkt. Richtiger als PoincarL dürfte ein anderer Staatsmann die Lage vorausgesehen haben. Dieser erklärte im englischen Unterhause bei der Pariser Kanferenz am 3. Januar, schon dis Ruhrkatastrophe vorauszusehen. Poineare hat es dahin gebracht, daß der deutsche Widerstand stärker ist als je zuvor. Tanks und Maschinengewehre haben dort ihren Sinn verloren, wo sich ihnen niemand entgegenstellt. Dynamit und Geschütze mögen gut sein, um eine Fabrik oder ein Bergwerk zu zerstören, nicht aber um den Betrieb in Gang zu halten. Gerade das Gebiet an der Ruhr hat seine eigenen, tiefen Geheimnisse und Gefahren, die sich am Vergewaltiger rächen müssen. Wenn die Franzosen noch lange im Ruhrgebiet bleiben, s» wird das Land, aus dem sich aus dem freien Willen der Arbeiter tägliche ungeheure Leistungen für Frankreich schöpfen ließen, an Frankreichs Kräften zehren Tag um Tag. Wir werden im passiven Widerstand ver harren, bis wir eine freie, vernünftige, ehrliche Verständigung erzielt haben. Der Widerstand kommt aus den Tiefen, die tiefer sind als die untersten Flöze der Kohlenbergwerke dort. Er kommt aus dein Willen des Volkes, aus seiner Treue zur Heimat, aus seinem aus seinem Willen, alles an die Verteidigung zu setzen. Dieser Widerstand mußte nicht erst befohlen werden. Er war da, er ist da und wird da sein bis zum Tage der Befreiung von Zwang und Bedrohung. (Stürmischer Beifall.) Der Widerstand war überall da, wo Frankreich das Recht brach. In heißem Danke drücken wir den Kämpfern die Hand, denken wir der tapferen Männer, deren Ehre eine ausländische Gesängnishast nicht schädigt, sondern erhöht. Die ganze Kraft des Staates ist der Selbsterhaltung zuzuwenden, der Verteidigung seines Bestandes, die an der Ruhr und am Rheine geführt wird. An Kohle, Aufträgen und Rohstoffen fehlt es vorerst im unbesetzten Gebiete nicht, obwohl der Kampf schon in die achte Woche geht und ein einheitliches Wirtschaftsgebiet durch die rechts widrige Zollinie zerrissen ist. Wir sind dem Verfall der Mark init Erfolg entgegengetreten, wir werden diese Aktion durchführen, um endlich einen festen Kouds in unserer Wirtschaft zu finden. Die Möglichkeit einer Werterhaltung wird dem Triebe zum Sparen wieder zu einem vernünftigen Sinn verhelfen; um den Mittelstand zu erhalten und wieder zu festigen. Möge sich kein Besitzer der Goldanleihe entziehen. Alle sind bei der Heimat, verteidigen diese auch nicht mit der Kraft ihrer Hände allein, sondern auch mit der ganzen Wärme des Herzens als den Staat, der ihr Staat ist. (Lebhafter Beifall.) Ilm diesen Staat geht es jetzt. Um nichts anderes. Holz und Kohle, Geld und Gut konnte Frankreich von uns haben bis zur Grenze unserer Kraft, kann es heute haben nach ehrlicher und freier Verständigung. Darum geht der Kampf nicht. Seelisch zerrissen und wirtschaftlich gefährdet hat Deutschland vom Waffenstillstand an unerhörte Werte unserer Wirtschaft an die Gläu biger des Vertrages abgegeben. Insgesamt hat das Reich bis heute geleistet 48,6 Milliarden Goldmark. (Große Bewegung.) Gleich zeitig wurde die Abrüstung durchgeführt, die Kriegsindustrie ihrer Ausrüstung entblößt. Die deutschen Leistungen und die staatlichen Verluste machen bis zum 30. September 1922 den Betrag von 56,5 Goldmilliarden aus, die bei dem heutigen Dollarstande dem unausdenkbaren Betrag von 285 Billionen Papicrmark entsprechen. Das deutsche Bolksvcrmögen ist seit dem Kriege in seinen bisherigen Folgen aus ungefähr die Hälfte herabgedrückt worden. Die Welt will das nicht hören und doch ist es so. Die Werte gehen entgül- tig unserer Wirtschaft verloren und kommen der Wirtschaft unserer früheren Gegner zugute. Die Opfer die Frankreich bringt, bleiben im Lande und dienen der eigenen Wirtschaft. Die Verzinsung der deutsche» Industrie ist trotz der hohe», das oberflächliche ilrteil täuschenden Neunwertziffer auf einen kleinen Bruchteil eines einzigen Prozent in Gold gesunken. Wir müssen größten Wert darauf legen, daß die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht einfach der Gläubiger bemesse», sondern von kundigen Sachverständigen abge- wdgcn und bemessen wird. Wir haben für Paris neue Vorschläge ausgearbeitet und die Mächte in aller Form gebeten, diese Bor schlage von uns schriftlich entgegeuznnehmen und sie uns gründlich erörtern zu lassen, Vorschläge, bei deren Annahme der Frank heute anders dastände als er infolge des Nuhreinbruches steht. Hinter diesen Vorschlägen steht die Kraft der deutschen Wirtschaft als Sicherheit. Wir haben friedliche Verhandlungen angebahnt, nm die Zusammenarbeit der deutschen und der französischen Wirtschaft und ihre gegenseitige Stärkung zu begründen. Alles das wurde nicht gehört. Der Grund hierfür ist ganz offenkundig: Die Ruhrbe setzung war schon vorher beschlossene Sache. Kein deutscher Vor schlag wäre imstande gewesen, Poincars von den: Einmarsch zurück- znhalten Wir taten ein Letztes, um auch politisch jeden Verdacht, als ob wir Frankreich am Rheine bedrohten, für eine längere Zukunft aus dem Wege zu räume». Das wurde abgewiesen, obschon wir zu Verhandlungen und Ergänzungen bereit waren. Unsere Politik war notwendig und richtig, um unser Volk im Bewußtsein eines reinen Gewissens nnd eines unvermeidbaren Druckes zur festen Ein heit zusammenzufügen und die Gerechtigkeit unserer Sache vor der Welt zu beweisen. Wir wollten die Verständigung der Völker, statt ihres Hasses. Wir wollen sie auch heute noch. Für Frank reich handelt es sich dagegen um jenes alte Ziel, das seit mehr als 400 Jahren der französischen Politik eigen ist: Die Zer störung Deutschlands. Der Kanzler erinnerte an die geheime Denkschrift Darmes, die ganz »»verholen das Ziel der Aufteilung Deutschlands aufzcige. Aus tiefster Seele sind wir überzeugt, daß Frankreich die Erreichung dieses Zieles nicht gelingen kann, andern falls würde es Unheil und Friedlosigkeit lür Europa bedeuten. Allein, weil Frankreich die Verhandlungen Deutschlands mehr als einmal ausschlug und nicht verhandeln wollte, ist es in das Ruhr- gebiet eingefallen. Der Kanzler wies auf die vier Verständigungs versuche Deutschlands während der bisherigen Arbeitszeit seines Kabinetts hin. Der Kampf geht allein darum, ob Frankreich endlich den ehrlichen Willen Deutschlands anerkennt, oder ob es weiter auf seiner Politik der Diktate besteht. Darum fort mit dem Gerede über Verhandlungen, mit den Mahnungen zur Verständigung, die nicht an die deutsche, sondern an die französische Adresse zu richten wären. (Lebhafte Zustimmung.) Angebote zu machen ist nicht an uns und ist zahlenmäßig auch ganz unmöglich, solange wir täglich mit Wertvernichtungen im Ruhrgebietc rechnen müssen, die uns jede Klarheit über unsere Leistungsfähigkeit nehmen. Oft genug sind wir enttäuscht worden. Wenn uns ein Weg geöffnet wird, der frei von äußerem Druck uns die Hoffnung auf Rückkehr zu Recht und Vernunft zurückgibt, so wird die Regierung ihn gehen. Dabei wird sie keine Unterschrift leisten, deren Erfüllung unmöglich, und keiner Regelung zustimmen, die das Rheinland, das Ruhrgebiet oder andere widerrechtlich besetzte Gebiete im Stiche läßt, oder den von Gewalt taten betroffenen Deutschen nicht den Weg zur Freiheit und zur Heimat freigibt. (Lebhafter Beifall.) Will Frankreich die Kapitu lation, so hat Deutschland den unerschütterlichen Willen, nicht zu kapitulieren. Deutschland will leben. Das ist sein Recht und seine Pflicht. Der Kanzler wirft die Frage auf: Was aber sagt die Welt dazu, was jene Mächte, deren Namen unter dem Vertrage von Versailles stehen? — Sie schweigen! Der Kanzler fragt: ob die zahllosen Gewalttaten nicht genügen, um dem Auslande zu zeigen, was sich im Ruhrgebiets begibt. Er fragt, ob die Todes opfer sich erst tausendfach vermehren müssen Wir wollen nicht antlagen, sondern nur feststcllen, daß wir nach sicbemvöchigem Kampf um das Recht auch heute noch allein stehen nnd daß über den Geschicken der Völker und Natior^» harte In eressenfragen walten. Der eigene Nutzen jedes Volkes verlange, daß dieser Kampf aufhört, durch den der Wiederaufbau der zerstörten Weltwirtschaft verhindert werde. Demschland vertritt die Sache der Welt, des Fortschrittes und d:s Friedens. Gleichwohl findet mau überall nur Schweigen. D S sei eochütiernd. Wir stehe» allein! Umso stärker müsse der Appell au das eigene Volk ergehe», zusammenzustehen in Tapferkeit, Disziplin und Eintracht, damit das deutsche Volk fähig iei, den schwere» Weg, der ihm bevorstehe, zu gehen. Das inuß ausrecht- crhalterr werdeu bis zu dem Tage, wo man ans beiden Seiten einsieht, daß das waffenlose Deutschland nicht mit Waffen zu be siegen ist, und wo der ehrliche Wirtschaftskrieg endlich an die Stelle des militärischen Diktates tritt.. Diese Stunde muß einmal kommen. Dafür kämpft Deutschland in diesem Kampfe um das Recht und die Menschlichkeit. (Stürmischer anhaltender Beifall.) Das Haus vertagt sich auf Mittwoch 1 Uhr. Tagesordnung: Aussprache über die Regierungserklärung. Sitzung vom 7. März. Im Reichstage begann am Freitag die große politische Aus sprache über die Erklärungen des Reichskanzlers. Vorher gab Prä sident Löbe eine Mitteilung der Jnterallierten Rheinlandkommission bekannt, wonach der demokratische Abg. Pfarrer Korell mit seiner Familie aus dem besetzten Gebiete ausgewiesen wurde, weil er in dem heftigen Hctzfeldzuge das Wort führe. Die Mitteilung rief lebhafte Pfuirufe ini ganzen Hause hervor. Der Präsident fügte hinzu, daß Korell nur seine Pflicht seinen Wählern und seinem Volke gegenüber getan habe. Als erster Redner kam dann als Vertreter der stärksten Frak tion der Sozialdemokrat David zum Worte. Er unterstrich die Ausführungen des Reichskanzlers über die Schandtaten der Franzo sen und Belgier im besetzten Gebiete und kennzeichnete die Absichten der Franzosen, als das, was sie sind: Annektion. Diese Absicht ergebe sich klar aus dem Geheimbericht des Vorsitzenden des Kam merausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten Dariao. Sie wird aber auch bestätigt von dem ehemaligen amerikanischen Ober kommissar in Koblenz, Neyes. Lebhafter Beifall löste die Erklärung aus, daß sich die Sozialdemokratie niemals mit der Besetzung des Ruhrgebietes und der Abtrennung der Rheinlands einverstanden er klären könne. Das Bekenntnis des Kanzlers zur Erfüllungspolitik begrüßte der Redner. Er verlangte jedoch auf der anderen Seite, daß der Besitz endlich steuerliche Opfer bringe. — Der Deutsch- nationale Hergt, der soeben aus dem Ruhrgebiet znrückgekehrt ist, schilderte nach eigenen Eindrücken die wüste Brutalität der Franzo se». Er begrüßte die Rede des Reichskanzlers mit Genugtung, verlangte jedoch, daß von Ecfülluugspolitik nicht mehr die Rede sein dürfe. Auch vermißte er den Abbruch der diplomatischen Beziehun gen und Vergeltungsmaßnahmen gegen Franzosen und Belgier in Deutschland. Die Demschnationaten stellten sich hinter die Regie rung, weil nnd solange sie eine Abwchrregierung sei. — Da diese Ausführungen zeitweise mit Lärm auf Seiten der Kommunisten begleitet wurden, mahnte der Redner des Zentrums, Abg. Marx, zu Ruhe und Besonnenheit. — Abg. Dr. S'recsemann von der Deutschen Volkspartei kennzeichnete den ganzen Widersinn des fran zösischen Einbruchsunternehmens. Auch gegen die Verbreiter wilder Gerüchte solle man vorgehen. So sei cs unwahr, daß die sächsische Industrie Verhandlungen gefordert habe, da sie sonst nicht länger b-stehe» könne. Erfunden sei auch die Mitteilung, daß die Firma Krupp sich unter amerikanischen Schutz gestellt habe. Kein Ver nünftiger könne so etwas glauben. Wir erstreben Verhandlungen mit Frankreich, aber Frankieich müsse die Grundlage dafür schaffen. Trotz des ungleichen Kamvfes habe Frankreich bisher stärkere Ein bußen erlitten als wir. Ponieaic wollte unter alle» Umständen ins Ruhrgebiet einmarschieren. Der Redner wies darauf hin, daß der passive Widerstand an unsere Nerven noch ungeheure Anforderungen stellen weide. Die Kraft werde uns kommen aus dem Bewußtsein, daß wir im Rechte sind. Der Demokrat Dr Dernburg billigt ebenfalls die Haltung der Reichsregierung, die dem Willen des deutschen Volkes entspreche. Auch die Vertreter der verschiedenen kleineren Gruppen ließen es ßch diesmal nicht nehmen, aus der Rednertribüne zu erscheinen. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Damit hatte die große politische Aussprache ihr Ende erreicht Am Donnerstag nimmt der Reichs tag seine Alltagsarbeit wieder auf mit der Beratung über die An passung der Steuerveranlagung an die Geldentwertung. U Bleibt Eurer Zeitung treu! 8 Sie ist ein unentbehrlicher Führer in zz den gegenwärtig schweren Zeiten. »» k» »s Maßnahmen MM Preisabbau. DaS Wolffbüro verbreitet folgend« Mitteilung: Gegenüber mehrfach in der Press« geäußerten Zweifeln, ob e» möglich sein würde, den durch die Markbesserung eingeletteten Prrirabbau trotz äußerer und innerer Hemmungen erfolgreich weiter burch- zusühren, mutz mit allem Nachdruck betont werden, daß die ReichSregierung den einmal beschrittenen Weg entschlossen weiter verfolgt. Die befürchtet« BrorpreiS- eihöhnng wird nicht eintreten. Bon der zunächst in Aussicht genommenen weiteren Erhöhung der Fracht tarife auf den Reichsbahnen wird vSgesihsn, Unter- svchunge« sind im Gange, welche eins Verbilligung der wichtigsten industriellen Grundstoffs zum Ziele haben. Die bisherigen Ergebnisse lassen erkennen, daß eine weitere Erhöhung der Kohlenpreise nicht erfolgen wird. Die Preise für die landwirtschaftliche Erzeugung notwendiger Düngemittel, wie GuperphoSphat und Natronsalpeter, sind in dtisen Tagen um 10 Prozent herabgesetzt worden. Mit der Verbilligung weiterer Düngemittel ist zu rechnen. Für den durch öffentliche Mittel geförderten Wohnungsbau ist eine Senkung der Baustoffprrise durchgesltzt. Unter diesen Umstünden ist zu hoffen, daß der mit der Festigung der Mark eingrtreten« Preisrückgang der Ewsuh-waren nach und »ach zur Auswirkung auf dem Warenmarkt im übrigen gelangen wird Soll diese» Ziel erreicht und festge« halten werden, dann ist freilich auch dringend nötig, daß die PreiSwelle nicht durch Lohnerhöhungen von neuem in Bewegung gesetzt wird. Erfreulicherweise wächst die Erkenntnis, daß höhere Pcpjerlöhne nicht ohne weitere» ein« Verbesserung der Lebenshaltung zur Folg« haben, wohl aber immer die Warenpreise wei ter steigern. Mögen all« an der Regelung der Lohnoer« hältnisse Beteiligten daraus die richtigen Lehren ziehen! Vermischtes. * (Die Gefahren der Straße,) .Denken Str mal, war einem auf der Straße passieren kann: Meine Frau geht abend» spazieren. E» fällt ihr «in
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)