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Pulsnitzer Wochenblatt : 10.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840935979-192302109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840935979-19230210
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840935979-19230210
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Wochenblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-10
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
- Titel
- Pulsnitzer Wochenblatt : 10.02.1923
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Nr. 18. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 10. Februar 1923 Seite 2 werden die Aufführungen des Schaustückes am Mon» tag unterbrochen durch einen Groß Kampf Tag, bei dem lich 4 berühmte Ringer treten. Schikat, der deutsche Meister, kämpft gegen den 280 Pfund schweren Polen KyNop Kicz und Buchheim, unser sächsicher Zandsmann, Weltmeister im Mittelgewicht, tritt gegen den israelitischen Meister Fritz Löewe an. Zu diesem Großkampftage wird wiederum die gesamte Sportgsmeinde von Dresden und Umgegend voll zählig zusammenströmen. Radeburg- (Naubüberfakl.) Fast an der- selben Stells, an der seinerzeit der Bäckermeister Klum ker ermordet wurde, ereignete sich am Montag abend ein RrubüberfaN. Ais Herr Ernst Mü'.lsr, Radeburg von einer G:schäftstour aus Königsbrück kommend die Stelle passierte, wurde er von zw-i Mannern hinterrücks überfallen Sie schleppten ihn Zirka 20 Meter weit in den Busch hinein, kMslsn sich auf ihn und drohten mit E stechen. Nachdem sie ihn seiner erheblichen Barschaft beraubt hatten, ließen sie ihn hilflos liegen Erst nach einiger Zeit gelang es Herrn Müller seinen Heimweg nach Radsburz fortzusetzrn, wo er den Ueberfall sofort meldete. Hoffentlich ge lingt es, der Banditen habhaft zu werden. Chemnitz. (Stürmische S ch u l d e b a tte.) Im Chemnitzer Stadtparlamente kam es am Donners tag anläßlich der Besprechung von Vorlagen, ^in denen die Schaffung von ständigen wissenschaftlichen Leh rerinnen dez Lehrersteilen gefordert wurden, zu einem Tumult, wie man ihn hier noch nicht erlebt hat. Zunächst fand ein lebhaftes Wortgefecht statt, an dem sich dis Tribünenbesucher durch Zwischenrufe beteilig ten, dann gingen die Kommunisten zu einem tätlichen Angriff über. Ein Mitglied des Hauses wurde mit einem hocherhvdenen Stuhle bedroht, einem anderen Mitglieds wurden die vor ihm liegenden Schriftstücks sowie seine Aktentasche ins Gesicht geworfen. Auerbach. (Keine militärische Vorbe reitungen in oer Tschechoslowakei.) Die hiesige Amlsharrpimannschaft gibt zur Beruhigung der Bevölkerung im Grenzgebiete folgendes bekannt: ,Jn der Bevölkerung sind seit einigen Tagen beun ruhigende Gerüchte über militärische Borbereitungen der tschechoslowakischen Regierung im Gange. Dis Amtshauptmannschaften ist solchen Meldungen aus das sorgsöltigste nachgegangen uns möchte zur Be ruhigung der Bevölkerung daraufhin meijen, daß sämtliche Gerüchte, soweit sie Anlaß zu einer Beun ruhigung geben könnten, in keiner Weise bestätigt wurden. Wenn auch heute in der gespannten Lags eine scharfe Beobachtung der Vorgänge jenseits der Grenze durchaus verständlich ist, so muß doch ander seits von einer Verbreitung übertriebener Gerüchte dringend gewarnt werden. — Ferner teilt die tschecho slowakische Gesandtschaft dem Vagtländischen Anzeiger mit, daß allü Nachrichten über Einberufungen tschechv slowakischer Staatsangehörige zwechs Mobilisierung absolut unbegründet sind. PoMsche Nundscha« Deutsches Reich. Berlin, s. Februar. (Die deutsche Regierung gegen den Einbruch der Franzosen in Baden.) Der deutsche Geschäftsträger in Paris hat der französischen Re gierung folgende Note übergeben: „Die französische Regierung hat in der vom 2. Februar datierten und am 4. Februar der deutschen Botschaft übermittelten Verbalnote der deutschen Re gierung eine Verletzung des Versailler Vertrags »orgeworsen, die dadurch begangen sein soll, daß die Rcichsbahnoerwaltung die Durchleitung der internationalen Züge Paris—Bukarest und Paris—München-Prag eingestellt hat. Sie hat zugleich ange kündigt, daß sie als Sanktion für diese angebliche Vertragsver letzung die deutschen Städte Offenburg und Appenweier besetzen werde. Die Besetzung der beiden Städte ist noch am Tage der Uebermiltlung der Note tatsächlich durchge'ührt worden. Die deutsche Regierung hat sich infolge Kohlenmangels und anderer durch den sconzösischen Einbruch in das Ruhrgebiet vsrm sach ten Verkehrsschwierigkeiten zur Einstellung einer großen Anzahl Personenzügen und zur Einschränkung des internationalen und innerdeutschen Dienstes gezwungen gesehen. Fs ist richtig, daß sich darunter auch die beiden in der Note genannten Zugpaare befinden. Die Umstände jedoch gaben dieser Anordnung der Reichsbahnverwaltung offensichtlich den Charakter einer vorüber gehenden Notstandsmaßnahme. Von einer Vertragsverletzung kann daher keine Rede sein. Selbst wenn aber eine sormale Verletzung des Vertrages vorliege, müsse es als das Zerrbild eines Friedcnszustanücs bezeichnet werden, daß die französische Regierung eine Maßnahme von so untergeordneter Bedeutung, wie die Einstellung von Zügverbindungen zum Anlaß nimmt, ohne weiteres ihre Truppen in Deutschland einmarschieren zu lassen. L,, .rdings Hai die französische Regierung, um das sch t elende Mißverhältnis zwischen dem Beschwrrdeanlaß und der hier verfügten Maßnahme zu verdienen, den Versuch ge macht, noch weitere angebliche Vertragsverletzungen Deutsch lands heranzuziehen. Dem gegenüber verweist die deutsche Re gierung aus ihren früheren Notenwechsel mit der sranzöstjchen Regierung. Sie stellt fest, daß sie in jedem einzelnen Falle den ihr gegenüber erhobenen Vorwurf einer Verletzung ihrer Ver- pflichlnugen bei eingehender Begründung entkräftet hat, ohne daß die französische Regierung auch uur versucht hätte, die deut- scheu Argumentationen zu widerlegen. Ein rechtliches Beispiel, aus das sie ihr vermeintliches Sanktionsrecht stützen will, sührt die sranzösijche Regierung nicht an. Ihr stehen also in diesem Falle nicht einmal Scheingrüude zur Verfügung. In der Tat handelt es sich um einen Akt der Willkür und Gewalt. Die deutsche Regierung erhebt hiergegen vor aller Welt seierlichen Protest. — Am Tage der UebcrnM-lr-ng der Verbalnote an die deutsche Botschaft hat auch die Interalliierte Rheinland- Kommission in Koblenz dem deutschen Rcichskommissar für die besetzten rheinischen Gebiete eine Note zugestellt, worin sie mit teilt, daß sie unter Billigung der von der französischen Regie rung -ingeleitet-n Besetzung von Offenburg und Appenweier be schlossen habe, diese Gebiete unter das Kommando des Brücken kopfes Kehl zu stellen und die Befugnisse ihres Delegierten in diesem entsprechend zu erweitern- Das Rhcinlandabkommen umschreibt ebenso wie den materiellen wie auch den örtlichen Umfang der Befugnisse der Interalliierten Rheinlandksmmission Nach Artikel 1 umfaßt das ihrer Zuständigkeit unterworfene Gebiet nur diejenigen deutschen Landesteile, deren Besetzung in Artikel 5 des Waffenstillstandsabkommens vom 11. Novem ber 1918 und Artikel 7 des Zusatzabkommens vom 16. Januar 1919 vorgesehen ist. Die Städte Offenburg und Appenweier liegen außerhalb dieser Gebiete Keine Bestimmung des Rheinland - abkommens »der de» Versailler Vertrages gewährt der Inter alliierten Rheinlandkommisfiou das Recht, das Gebiet ihrer Zuständigkeit eigenmächtig zu erweitern. Dieses Vorgehen zeigt, daß sich die Interalliierte Rh-inlanbkommission zum Werkzeug der französischen Politik machen läßt. Auch gegen diesen Rechts bruch legt die deutsche Regierung Verwahrung ein. Wegen der Mitwirküug der I R. K. find entsprechende Vorstellungen auch bei der englischen und belgischen Regierung erhoben worden. - «Ein obgewiesenes Angebot Frank reichs?) Der Düsseldorfer Berichterstatter des „Daily Lhro- nicle" erklärt, Frankreich habe in den letzten Tagen einen An näherungsversuch an Deutschland unternommen und angeboten, das Ruhrgebiet zu räumen und einen zweijährigen Zahlungs ausschub zu gewähren, wenn Deutschland aus iolgende Bedin gungen eingehe: 1 Deutschland müsse eine Anleihe von 6^/, Milliarden Goldmark ouflegen; 2 Frankreich müsse hiervon 2V» Milliarden Goldmark bar als Reparationszahlung erhalten. Nie Reichsregicrung Hobe dieses Angebot kategorisch abgelehnt. — (Großer Tag im Happt-Ausschuß.) Der Sitzungssaal des Haushaltaurschusses im Reichstage war heute von Abgeordneten dicht gefüllt. Mehrere Reichsminister, sowie der Ches der Reichskanzlei waren erschienen, um zu einer Reihe von brennenden, politisch-wirtschaftlichen Fragen Stellung zu nehmen. Der Ernährungsminister versicherte, daß alle nnr mög lichen Maßnahmen getroffen seien, um die Ernährung der Be- völkerung in den besetzten Gebieten im Westen zu sichern. Vorräte an Brotgetreide und Mehl seien bis zum 15. März vorhanden. Durch die Landwirtschaftshilfe seien erhebliche Mengen an Lebensmitteln eingebracht morden. Zur Versorgung mit Kartoffeln und Fett sind Maßnahmen ergriffen. Schwer sei die Bekämpfung der Milchnot. Di- Reichrregierung habe mit allen in Betracht kommenden Kreisen und Behörden Füh lung genommen und bei der Generaibetriedsleitung West einen besonderen Staatskommissar für das Ernährungswesen ernannt. Staatssekretär Hamm betont, daß die ungeheure Teuerung und Markentwertung für die Ruhe der Bevölkerung eine schwere Gefahr sei Es werde neu zu prüfen sein, in weicher Weise der Kampf gegen den Wucher und die Preistreiberei verschärft wer den könnte. Zweifellos sei das Händiertum viel zu zahlreich und gegen die Eindringlinge seien Maßnahmen in Vorbereitung. Im Rahmen eines Notgesrtzes sollen weitere gesetzliche Mittel gegen Wucher und Ausbeuter geschaffen werden. Der Reichs- wirtschastsmlnister äußerte sich ähnlich. Die Teuerung ist eine Folge der kriegerischen Politik Frankreichs. Bei der Wucher- bekämpsung müßten Publikum und Behörden Zusammenwirken. (Beschwerde Hollands und derSchmeiz.) „Morningpost" berichtet aus Düsseldorf, die Franzosen hätten Proteste von feiten der holländischen und schweizerischen Re gierung erhalten wegen der Wirkung der französischen Sperre aus den Transport von Kohle nach Holland und der Schweiz. Dies sei eine sehr schwierige Frage für die Franzosen angesichts der Möglichkeit, daß Kohtenzüge über Holland und die Schweiz nach dem unbesetzten Deutschland geleitet werden könnten, wo durch die ganze Blockade hinfällig werde. — (Die neutralenMächte), vor allem die Schweiz, Holland und Schweden bekommen immer mehr die auch für sie unheilvollen Folgen des französischen Ruhrocrbrechens am eige ncn Leibe zu spüren, und die Empörung über Frankreichs Politik nimmt denn auch immer schärfere Formen in diesen Ländern an. Die Stadt Basel, die durch die Lahmlegung des Bahn verkehrs in Baden direkt in ihrem Lebrnsintercjse bedroht ist, hat sich an den Schweizer Bundesrat gewandt und seine Inter vention gefordert. Der Bundesrat gedenkt bei den beteiligten Mächten die notwendigen Schritte zu unternehmen, aber er .dürfte bei Frankreich keinerlei Erfolge erzielen, wenn er sich nicht zum Sprecher aller Neutralen macht und gestützt auf alle, den Versuch unternimmt, Frankreich in seine Schranken zurück- zuweijen. Man kann sich nicht des Gefühls erwehren, daß die neutralen Mächte zu seige und zu bedenklich sind, gestützt aus ihre gesammelte Kraft, ihrerseits die notwendigen Schritte zu tun, um die Ruhe in Europa wieder herzustellen. Die Empö rung in den- neutralen Nachbarländern ist allgemein, aber die Regierungen zeigen nicht den Mut, der Volksstimmung nach zugeben, sich zusammenzuschließen und s ' Krrich, den Friedens störer in der gebotenen Weise entgegenM-eten. — (Die aussichtslose Militäraktion.) Wie aus Paris gemeldet wird, hat General Weygand es abgelehnt, die Leitung der Ruhraktion zu übernehmen. Er hat mitgeteilt, daß er sich in Paris auch gegen den Plan einer weiteren Be setzung ausgesprochen habe Von militärischer Seite war dem Kabinett Poincare geraten worden, die Besetzung nicht nur in der Gegend des Ruhrgebiets, sondern auch längs der Mainlinie auszudehnen. Bus Wcygands Rat sollen die Pläne vorläufig fallen gelassen worden sein. Im Gegensatz zu diesen Pariser Nachrichten b sagen die aus dem Ruhrgcbüte vorliegenden Meldungen, daß nach den dortigen Beobachtungen die Franzo sen die Ausdehnung der Besetzung offenbar vorbercite». — (Kohlenstreik tn Lothringen.) Neben den Bergarbeitern des Saargebietcs streiken nunmehr auch die Lothringer Bergarbeiter. Der Streik ist Donnerstag zur Tat sache geworden, nachdem die Mittwoch spät Abends geführten Verhandlungen ohne Ergebnis abgebrochen morden sind. In ganz Lothringen liegen die Bergwerke still. Eine neue Ver schärfung der französischen Kohlflage. — (Tardieu «egen Poincare.) Poincare hat dem Vorsitzenden des Kammerausschusses Lcygues erklärt, er könne dem Wunsch des Ausschusses, vor ihm zu erscheinen, um über die Lage im Ruhrgebiet Bericht zu erstatten, nicht Folge geben. Er wolle von niemand Ratschläge in Empfang nehmen. Tardieu und eine Anzahl seiner Kollegen haben sofort nach Kenntnisnahme dieser Weigerung einen Bries an Leygucs ge richtet, er möge eilig den Ausschuß zusammenderusen. Die Weigerung Poincare, hat eine große Sensation hervorgerufcn. — Die Londoner Blätter weisen in Telegrammen aus Paris aus die in der öffentlichen Meinung Frankreichs zutage tretende Unzujrirdrnheit mit den bisherigen Ergebnissen der Ruhrbejetzung hin und machen auf die ernste Wirtschastslage Frankreichs auf merksam. Die Aufforderung Leygues an Poincarö, vor dem Ausschuß zu berichten, und die erneute Weigerung PoincarSs, werden viel beachtet. „Daily Herold" berichtet, Poincare tue Schritte, um der drohenden Kritik zu begegnen, die sich in der Kammer mit Bezug aus das zugegebene Scheitern der bisher im Ruhrgebiet getroffene» Maßnahmen bemerkbar mache. Er heiße, daß Poincare den Wunsch habe, sein augenblickliches Ministerium in eine Koalitionsregierung nach Art der im Jahre 1914 geschaffenen umzugestalten. Man glaube, daß Tardieu ausgefordert worden sei, dem geplanten Ministerium als Außen minister beizutreten, während Poincare Ministerpräsident bleibe. Sei» Mk MWo ÜSk (MMsa WoiMIti. Die Arbeiterschaft im Ruhrgebiet hat sich nicht von den srapzöfischen Eindringlingen für eine Hetze gegen die deutschen Unternehmer einfangen jassen. Damit hat sie in erster Linie ihren eigenen Interessen gedient, denn um die Wohlfahrt dieser Interessen wäre es für alle Zeit geschehen, wenn die Franzosen ihr mit der Ruhrbesetzung gesteckte« Ziel erreichten wenn die deutsche Widerstandskraft dort nachlietze, die Widerstandsmög« keit durch ein Wanken in der Haltung der Arbeiterschaft er schüttert würde. Darüber ist man sich in Führerkreisen der freie» Gewerkschaften vollkommen klar. Von dieser Seite ist im Korrespondenzblatt des Allgemeinen Deutschen Gcwerkschasts- Vundes ein Aufsatz zur Veröffentlichung gelangt, der er rund hcraussprickt: daß an der Ruhr die Entscheidungs schlacht um den sozialpolitischen Fortschritt der Weit geschlagen wird, daß ein Obsiegen der Fran zosen gleichbedeutend sein müßte mit Zusammenbruch sowohl der deutschen Wirtschaft als auch der dculjchen Sozialpolitik, obenan der Errungenschaft des Achtstundentages. Gcsahr ist im Verzüge, die deutsche Sozialpolitik präsentiert sich längst nicht mehr als blutvolles Gebilde, die Reparationspolitik hat ihr mehr und mehr den Säftezustrom verdünnt, die Krankenkassen z. B. können sich nur mühsam aufrechterhalten, trotz ständig erhöhter Beitrags» leistnngen der Versicherten. Nicht entfernt den Bedürfnissen ent sprechend Kann Arbeitslosen und Sozialrentnern geholfen werden, die Kriegsbeschädigten dürfen nicht das „undankbare" Vaterland verantwortlich machen dafür, daß ihre Schadloshaltung weit zurückbleibt hinter ihren berechtigten Erwartungen. Schuld an allem Elend ist der französische Vernichtungswille, der auch vor der deutschen Sozialpolitik nicht Halt macht, der es am liebsten sähe, wenn die deutschen Arbeiter über den Achtstundentag hinaus und losgelöst von jeder sozialen Fürsorge sür französische Unter- nehmerinteressen srohndeien, wenn aus den Erträgnissen deutsche» Arbeitsflußes neuer Reichtum in Frankreich sich anhäufte, sein „Herrcnoolk" sür immer über deutsche Sklaven gebieten könnte. Das ist der tiefste Sinn der Entscheidungsschlacht, um den sozial politischen Fortschritt der Welt, die jetzt an der Ruhr ausge» kämpft werden muß. Sinkt das ruhmbedeckte Banner der deutschen Sozialpolitik in den Staub, dann schädigt das die Interessen der Arbeiterschaft der ganz:» Kalturwelt, denn dann würde das leuchtende Panier fehlen, das seither Wegweiser und Ansporn gewesen ist zu ständiger Besserung in den Lohn- und Arbeitsbedingungen der Handarbeiter. Der namhafte Franzose, der einst, als er sich noch ver politischen Hinken zurechnete, die deutsche sozialpofttische Ges. tzgebrmg in öffentlicher Kammcrsitzung gelobt hat. Millerand ist heute als Präsident der Republik eingefleischter Nationalist. Er würde dem Zusammenbruch der deutschen Sozialfürsorge schwerlich eine Träne nachweinen. Die deutsche Arbeiterschaft erkennt also, daß sie, indem sie in geschlos sener' Abwehrsront mit den anderen deutschen Volksgenosse» verharrt, für ein hohe» Gut streitet. Gelingt es dieser Einmütig keit, das Ruhrgebiet, die Zentralstation deutscher Wirtschafts kraft, vor dem räuberischen Zugriff der Franzosen zu rette», dann wird auch die deutsche Sozialpolitik, von der bereits Ströme des Segens ourgegangen sind, in hellere Zukunst hin- Lbergerettet werden. Und das werden einst die Arbeiter der ganzen Welt der deutschen Arbeiterschaft Dank wissen. Große AsaLiLiorr sogar in Lettland! Wenn irgendwo, so haben die sozialdemokrmischen Kreise in Lettland während der letzten Regierung-Knien mit ganz be» sönverer Heftigkeit sich gegen das Zusammengehen mit den Bür gerlichen gesträubt. Jahrelang hat unter diesem Zustand das Land leiden müssen, bis nun endlich die Verhältnisse sich dort als stärker erwiesen haben als die Menschen. Ausländischen Blättern entnimmt man nämlich: „In Lettland hat sich das erstemal ein Kabinett gebildet, in dem sich auch die linke Richtung der soziaidemokratisÄen Partei befindet. Die Bildung dieser Regierung hat längere Zelt in Anspruch genommen, da die Wahlergebnisse im „Saeima" (Parlament) derart kompliziert ausgefallen sind, daß eine Ma» joritätsbildung sehr schmierig schien. Die Zusammensetzung der »tuen Regierung in Lettland wird im allgemeinen als eine neue Errungenschaft für den Staat betrachtet, da alle Parteien mit größerem Einfluß an diesem Kabinette beteiligt sind. Daher verspricht auch die Regierungstätigkeit positive Erfolge. Die zukünftige Politik der neuen lrttlönbffchen Regierung hat es sich zur Aufgabe gestellt, im Zeichen der Einigkeit und des Demo- kratismus Nationalpolitik zu entw-ckein. Für die neue Regie rung sind von 109 Abgeordneten 77, außerhalb der Regierung bleiben kleine politische Parteien der rechten Seite. Mit einer vorsichtigen und klaren Politik wird die Regierung die Aus gaben des Staates bewältigen. In der ersten Sitzung des neuen Kabinetts, Lie in Gegenwart des Staatspräsidenten Lettlands, I. Tschakste, stattfand, wiederholte der Ministerpräsident I. Pau» luks, bisher Verkehrsminister sein im Saeima gegebenes Ver sprechen, daß die Regierung über alle Parlriinterkssm hinweg nur Lem Wohle des Staates dienen wolle, worauf sein Vor gänger, S. Meierowics, dec in der neuen Regierung als Außen minister verblieben ist, dem Staatspräsidenten für die Anerken nung der Tätigkeit seiner Regierung dankte." Wie in Preußen — wie in Braunschweig,.wie in Hessen — auch in Lettland hat sich gezeigt, daß Länd und Verwaltung weit besser gefahren wären, wenn die Einsicht einige Jahre früher gekommen wäre! Das ist hochinteressant, was man hier van Lettland hört. Vielleicht dämmert die Einsicht, die sich endlich i» Lettland Bahn gebrochen hat, auch einmal noch in Sachsen. Es wird aber die höchste Zeit. Man hätte sich manche Enttäuschung, manche Demmigung, manchen Fehlschlag ersparen können und Land und Verwaltung - auch in Sachsen wären besser gesahren, wenn die Einsicht einige Jahre früher gekommen wäre. Augen blicklich scheinen die Einsichtigen noch in der Minderheit zu sein, sonst hätte die sozialdemokratische Landtagsfraktion nicht fol gende Antwort an dis Demokraten und die Deutsche Volks partei erteilt: „Auf Ihr Schreiben vom 6- Februar 1923 haben wir Ihnen zu erklären, baß sür die Sozialdemokratische Fraktion kein Antaß vorliegt, di- von Ihnen angeregien Verhandlungen über die Wahl des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Nach Ansicht der Sozialdemokratischen Fraktion ist es zunächst Auf gabe der Parteien, die die Ministerkriss verschuldet Huben, Vor schläge sllr die Wahl eines Ministerpräsidenten zu unterbreiten." Wenn das so weiter geht, dann muß auch die Landtags- fitzung am kommenden Dienstag wieder wie das Hornberger Schießen verlausen. Es verlautet aber, daß die Demokratische Fraktion, um den unwürdigen Zustande ein Ende zu machen, den Sozialdemokraten geeignete Vorschläge unterbreiten wird.
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