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Amtsblatt. Nr. 251 Sonntag, den 28. Oktober 1917 Zweites Blatt U-Boots-Fahrte«. Auf der Sandbank. Wie vor allen Moneren Flüssen, so liegen auch vor der Themse m ündung zahl reiche Sandbonke, die mit dec Zeit aus den von dem Strome mitgeführten Md im Meere abgelagerten Sandmassen entstanden sind. Hier war es, wo an einein nebligen Sp.itsommer- tage eines unserer Ul Boote in ehre sehr schwie rige Lage gerier, die ihm leicht hätte zum Ver derben werden können; es ist nur der Umsicht des Kommandanten zu verdanken, da,8 das Boot unversehrt, ohne jegliche Beschädigung den Heima'shafen wieder erreichte. Unter dem Einstich der höher steigenden Sonne verflüchtigten sich zeitweilig die Nebel schwaden, doch immer noch tag eine Schicht von riesigem Dunst auf dem stillen Wasser. Ge gen 10 Uhr tauchte aus dem grauen Schleier ein Dampfer auf, der trotz der unsichtigen Luft mit höchster Fahrt westwärts strebte, seinem Ziel, der Themsemöndung zu. Mit hoher Ge schwindigkeit wurde er sogleich verfolgt Md be schossen. Trotzdem er in fortgesetzten Schlan genlinien fuhr und sich durch Erzeugung von künstlichem Nebel retten wollte, wurden meh rere gutsitzende Tre fer erzielt. Plötzlich stopp te der Dampier überraschend und legte so fort ewa 20 Grad nach einer Seie über. Es war kein Zweifel, daß der Dampfer aus- gLüauien war und nun durch Flaggensignale und andauerndes Ertönenlassen seiner Dampf- psei e Bewachu-nfgspachcheuge heckäsihÄen wollte. Inzwischen war es wieder nebliger ge worden. Plötzlich bemerkte man apf „U . . ." eine rauschende Bugsee, über der sich kaum erkennbar die Formen eines feindlichen Be wachers aus dem Dunst herausschälten. Mit größter Beschleunigung wurde nun getaucht und bei der Ausführung dieses Manövers gleich zeitig ein zweites Fahrzeug gesichtet, das, von Norden kommend, dem ersten zu Hilfe eilte. Infolge der niedrigen Wassertiese stieß das U-Boot bald auf den Grund auf. Durch den großen Ruck fielen die Kompasse aus. Es mußte nun mit allen Mitteln versucht werden, den beiden Verfolgern, die im Norden und Osten den Weg zu verlegen suchten, zu ent schlüpfen. Infolge ihres Tiefganges konnten die bei den feindlichen Schiffe nicht näher an die Sandbank Herangehen. Bei der geringen Ent kernung von 600 bis 800 Meter wäre es ihnen ein Leichtes gewesen, den aus dem seichten Wasser herausragenden Darm des U-Bootes unter Feuer zu nehmen. Anscheinend aber tru gen sie sich mit der Hofmung, die Beute heil in den Ha'en einschleppen zu können. Ein Ausweg, schien fast unmöglich, denn die Sand bank stellte sich mit ihrer flachen WaüerüVe dem Entschlüpfen hinderlich in den Weg. Trotz dem inu te der Versuch gemacht werden. Kaum war „U . . ." 100 Meter abgelaulen, so liei cs aus die Sandbank auf, legte sich nach Back bord über und sag nun auf 4 Meter Wafer-, tiefe fest. In diesem Augenblick löste der eures Bewacher einen Warnuugsschuß und fordert^ durch Flaggensignal zur Uebergavo aus. Durchs Uusölasen aller Ta'nlls und Rückwärtsarbeiteu der Maschinen war es jedoch den: U-Boor ge- ungm, sog'eich wieder freizukommen und einen neuen Anlauf zu mache», um den Bedrängern zu entrinnen. Für alle Fälle wurden alle Vorbereitungen zum Sprengen des Bootes! getroffen und die Mannschaften mit Schwimm mästen versehen. Wieder gingen die Maschi nen mit äußerster Kraft voraus und „11 . . ." glitt in der Richtung auf die Sonne zu, lang sam über den weichen Sandboden, dabei den Feinden das Hinterteil zu kehrend, um ihnen eine möglichst geringe Zielsuche zu bieten. Der Versuch glückte. Als die Feinde aber inm ihr Opfer entschlüpfen sahen, eröffneten sie aus ihren Geschützen ein wildes Fecker, bei dem sie zum Glück durch die grelle Sonne ge blendet wurden, so daß sie keinen Treffer er zielten. Aber die Aufschläge kamen merklich näher, und es war hohe Zeit, daß das ge hetzte Unterseeboot in tieferes Wager gelang te, umsomehr, als sich inzwischen noch ein dritter Feind hinzugesellt und an der Beschie ßung teilgenommen hatte. Unbeschädigt gelangte das Uiuerß-ev wi aus den Grund und konnte hier in aller Ruhe ab warten daß sich die Verfolger wieder verzie hen würden. Als es nach einigen Snmden in kurzer Entfernung südlich der Sandbank wieder aufto,uchte, waren die Verfolger ver schwunden und „U . . ." damit einer äußerst gefährlichen Lage glücklich entronnen. Die versenkten Dameuhüte. Mit einem vorzüglichen Doppeiichuz wa ren aus einem stark gesicherten, von England wach Norwegen bestimmten Ggteitzug zwei Dampfer von „U . . ." herausgehott worden. Ehe es nun vor den von allen Seiten heran- preschenden englischen Zerstörern untertauchte, konnte es im letzten Augenblick noch beobachten, daß der eine getroffene Dampfer, der zweit größte des Geleitzuges, bereits gesunken war, während sein lahmgeschossener Genosse, das größte von allen Schiffen des Gslechzuges, noch mit bedenklicher Schlagseite trieb uns sich den Marsch in die Tiefe noch etwas überlegte. Programmäs ig wie immer war das Un terseeboot unter dem Wasserspickgel. vrZchwun- den. Ebenso programmäßig hatte man bald darauf in mehr oder weniger großer Entfer nung die Detonationen einiges Wasserbomben gehört. Und genau so wie immer rauchte das Unterseeboot nach einiger Zeit wieder unbe schädigt auf, um einen Rundblick zu nehmen. Stark qualmend, entfernte sich der Geleitzug mit höchster Fahrt gen Osten. Noch wilder fuhren die sichernden Zerstörer ihre grch ni Schleifen und Kreise' aus allen Seiten der geleiteten Dampfer, ein Anblick, wie wenn plichteifrige -Schäferhunde ihre ^umpsßmüg dahintrottende Hammelherde betreuen. Ungestört tonnte das Unterseeboot aus tauchen und an die Untergangsstelle Herange hen, um dort vielleicht aus den zahllos trei benden Schiffstrümmern einige Anhaltspunkte wer Art und Namen der versenkten Dampfer zu erhalten. Doch nur für den zuletzt un'.er- gegangenen glückte dies Vorhaben. Der erste wat jedenfalls sogleich ohne Hinterlassung von Spuren aus den Meeresboden spaziert. Dafür ließ sich aber einwandfrei sckststellen, daß der größere Dampfer ein neutraler war, der nicht unerhebliche Mengen englischer Paketpost au Bord gehabt haben mußte. Der eine der aus- gefischten Postsäcke enthielt eine nach Bergen teßimmte Sendung Damenhüte neuesten Pari ser Modells. „Schade", meinte einer der Blamacken, „daß wir für das teure Zeug keine Verwen dung haben". HoffenÜlick) haben die norwe gischen Damen für die versenkte Pariser Tcn düng inzwischen anderioeilig Ersatz gefunden. Eilt entschlossener Wachtoffizier. , Die Nordsee hatte mit dem heraunaheudeu Herbst wieder einmal ein recht mürrnches Ge sicht aufgesetzt. Zu dem durch die ßei.e Brise erzeugten Seegang gesellte sich eine unregel mäßige Dünung, die von einem fernen Sturm- zeutrum im Atlantischen Ozean in die Nord see Hineinstand. Trotz der bei den Schwan kungen des Bootes schwierigen Durchführung des Artilleriegefechtes war es „U ." m zäher Ausdauer und mit guter Sch'eßferUgkeit gelungen, einen englischen Dampfer aus Glas gow niederzukäuipfen und seine Besatzung zum Aussteigen zu nötigen, die nun in den Bor ten eiligst nach der nahen schottischen Kune zu ruderte. Da der Dampfer anscheinend noch keine Anstalten machte im Sinne des U- Boot'ommandMten unter den WaiMipiegel zu verschwinden, ging „U . . ." etwas näher heran, um die Versenkung zu beschleun. zen, weil mit dem baldigen Herannahen feindlicher Bewacher zu rechnen war. Im Hinblick aus den knappen Munitionsvorrat des von erfolg reicher Fernfahrt auf der Heimkehr begri feneu U-BooteS erschien es als eine Verschwendung, dem leckgeschogene» Dampfet burch einige Granatschüsse vollends den Garaus zu machen. Das kleine Beiboot war in dem letzten Tun nie zerschlagen worden, und ei» Längssei ege- hen war bei der rauhen See vollkommen ans- geschlcsse». Kurz entschlossen bewa'fnete sich der Woch- offizier Leutnant zur See d. R. Weinbach mit zwei Sprengpatronen, sprang über Bord und schwamm mit vieler Mühe »ach dein in der hohen Dünung mächtig rollenden Dampfer hinüber. Dort cmgekommen, klomm er ober die noch von dem Aussteigen der SchLfSmann- schasten an der Bordwand hängende Leiter hinüber und schlug in kürzester Frist die Sprengpatronen an, um darauf wieder nach dem in der Nähe treibenden UBoot gw-ck;»- schwimmen. Wenige Minute» darauf lateu dis Sprengpatronen ihre Schuldigkeit. Eine ge waltige E.plosion zerriß den Schifssrumpf und zwang ihn, sein „überseeisches" Dasein zu be« schließen. Am Abend desselben Tages sollte Leut nant Wepzbach wiederum Gelegenheit haben, Bekanntschaft mit dem »assen Element zu ma chen. Mit prallen, vom Winde vollgeoluhten Segeln suchte ein neutrales Segel sch ls eiligst die englische Küste zu gewinnen. Das Zweck lose dieses Vorhabens suchte man ihm durch einige gutsitzende Granattresser begreiflich zu machen Gerade als sich der Segler »wer der Wivkung der Schüsse zum Beidrehen entschloß, entstand am Geschütz ein Versager und dis »ach hinten yerauStrstenden Pulverqase rissen den Geschützführer, Bootsmannsmaaten W. ber Bord. Die hol e Dünung trieb den be wußtlosen Mann sogleich von dem U-Boot hin weg. Da stürzte Leutnant Weißbach von dem kleinen Kommandoturm berumer mW spranc in voller Uniform über Bord. Mit gewalti gen Stößen zerteilte er die imruhigen Wellen, und es glückte ihm nach einiger Zeit, den ver unglückten Unteroffizier zu ersaßen und mit vieler Mühe »ach „U . . ." zurjickzuschwimmen. Nach dieser wackeren Tat des jungen Seeoffi ziers hatte der Kommandant allen Anlag, in dem Kriegstagebuch des Unteveebootes einen Bericht über „das mutige, entschlossene und umsichtige Verhalten" seines Waichoffiziers ein zutragen . zMotrui „6" »olltea ia iceiaer Irisckel» lektel»! »te »psren Strom und hebelt ei» »cUSoe» veiese» Qi«^ Leben und Tod meines armen Vaters, Ich werde sehen, wie stark Den ihn. Bei Nie- Ja Grund des Besuches gewesen — sich irkund'gt, den je gemeiner — Das meintest dann mich Her- Reg ie- Em wag ich auch dann richren. ne Liebe ist." Das traf famsten Betruges erwehrt, Sinn «r unden haben kann. Du?" len wir jede Probe wagen. len uns mühen und Plage», unser würdigeres, zu finden, aber geht es um dieses letzte. Du magst „Meine Liebe? Klara, zweifelst Du!? „Nein, ich glaube an sie, wie an Migräneanfall zwang sie im letzten Augenblick abzusagen. Auf diese Absage hin war dann Erika v. Lentheim noch um Mittage des Ball termins bei ihr erschienen, hatte ihr und der Eltern lebhaftes Bedauern ausgesprochen, in aller drei Namen baldige Besserung gewünscht, vor allem aber — Md das war der einzige Jedes Wirwol-^ob nun auch Herbert fortbliebe. etwas besseres,' Darüber war Erika beruhigt worden. sagte er: „Und doch, es darf nicht sein, um Demet- willen nicht —" „Wir hätten niemanden betrogen und uns doch in Notwehr gegen infamsten Betrug ge wehrt, den gemeiner Sinn erfinden konnte' wieherhote sie, wie wenn sie sich zwingen wollte, mit dem abscheulichen Ggdaächch der Lüge trotz allem und allen, vertrauter zu werden. „Wir hatten uns betrogen — , sagte er düster. Sie aber war fertig mit sich. Da kam ein zögentdes, hauchleises von seinen Lippe», dann aber, laut hastig „Herbert, wir vertrauen uns grenzenlos, keiner von uns hält den andern eines Be truges fähig. Nur auf dieser Grundlage dür- Viertes Kapitel. Margot v. Plessenvw, die Minter berts, hatte an der Festlichkeit bei dem rungspräsidenten nicht teilgenommen Heiligste in der Welt." „Sie wird nie irre werden! Nie! Gott!" Dann nehme ich den Kampf mit der dertracht auf und sie soll mich nicht erniedri- gen." Er sprach auf sie ein, beschwor sie, von den« unseligen Wagnis zu lassen, verwünschte sich selbst, diesen Gedanken angeregt zu haben und wußte doch keine andere Reibung. „Glaube an mich", sagte sie, „und laß mich wagen, was ich kann." Ec schwur ihr Glauben und ging endlich doch wie ein Zagender, der nichts glaubt und afles fürchtet. Liii Milt iss Unrecht. Kriminal-Roman von Arthur Winckler Tannenberg. b Machtwack vervoicm- Nun kam Klara auch auf diese Gedanken. So fremd sie ihrem reinen Empfinden blieben, in Notwehr gab sie ihnen Audienz. „Du meinst, ich könnte ihm HoffnMg ma chen, vatz er eingriife. Wenn das Schlimmste, der Zusammenbruch und Papas Lebensgefahr verhindert wäre, müßte man sinnen, ihn für seinen Einsatz schnöden Geldes sicher zu siel ten. — Wir hätten Zeit gewonnen, hätten Niemanden betrogen und uns doch des in Mit Vevgnäge» hatte die verwitwete Frau Major v. Plessenow wahrgenommen, da» sich zwischen Herbert und Erika etwas ent'ponm Sie selbst wollte darauf dringen, daß Herbert sieb durch ihre unbedenkliche Erkrankung nutzt abhalten ließe, zu kommen. Wie Erikas Augen strahlten, als sie die tröstenden Worte vernahm: „Nein, nein, Kind, er soll kommen, er wird kommen, kommt ja auch viel zu gern, das wißen Sie am besten!" Bei dieser Anspielung war das junge Mädchen errötet, und als Herberts Mutter in ihrer launigen Weise — allen Kopfschmerz ver giessend — weiter geneckt hatte, war sie ganz offenherzig geworden: Ja, er war ihr Seh nen bei Tag und Nacht. Sie — aufgestrnpelt »och ganz besonders durch ihre Eigenliebe — liebte ihn Und er wäre stets so herzlich gut zu ihr — sie hoffe ihm nicht ganz gleichgültig zu sein, und bei Tisch werde sie neben ihm sitzen, sie ha"e die Tafel ordnung ein wenig verschoben und ihre Mama sei ganz einver standen ! Nur kommen müsse er — ! So plan- derte sie frohgemut. Befriedigt lächelnd hatte die Majorin zu gehört und nochmals ihre mütterliche Hilfe in Aussicht gestellt. Und beim Abschied hatte sie gesagt: „Aber, liebe Erika, wenn ich recht soll helfen können, dann muß ich stets wissen, wie die Dinge stehen. Nicht von Herbert, — Män ner sind zu solchem Rapport sehr ungeschiat — von Ihnen selbst. Also, nach dem Feste kom men Sie wieder, ich höre und rate." Da hatte sich Erika über die kleine Hand der Majorin gebeügit und hatte sie geküßt. Das war damals gewesen. Den ganzen folgenden Tag hatte Margot o Plessenow vergeblich gewartet. Herbert war, wie gewöhnlich, aufsestan- den, an ihr Bett ge'cmmen, hatte sich nach Mamas Befinden erkundigt und, mit einem leuchtenden Glanze von Glück in den Augen auf die kurze Frage : „Wie wars "ä" geantwor tet „Herrlich, Mama Du wirst eine gLwe Freude Haven, wenn ich erzähle. Aber in Ruhe und Beyagen will ich erzählen, >etzt muß ich zu einem Termin —" Das war ein vielverheißender Auftakt, die Sache schien brillant gediehen zu sein Mar got wartete gern, sie wüste ja Bescheid Aber nun mu te doch Erika kommen. Vor ihrem Lager niederknien würde sie, vor Glück durch einander weinen und lachen und dann die neue Mutter küssen. Ein Menschenalter zurückschauend, sah sie sich selbst, aber da war es nicht so glatt und schön gegangen. Kämpfe hatte sie erlebt. Hei se, bittere Kämpfe! Erika würde es besser haben —, aber wo blieb sie? Der Prozeß, in dem Herbert als Anwalt fungierte, dehnte sich ins unendliche. Gegen zwei Uhr meldete ein Bote, daß man mit dem Essen nicht auf ihn warten solle. Um vier Uhr ein zweiter, daß er bis in den spä ten Abend, vielleicht in die Nacht hinein be schäftigt sei. lind Erika war noch immer nicht gekom men. Was bedeutete das? Er hatte so glück lich, so iibevströmend glücklich ausgesehen am Morgen, was war da geschehen? Mit der peinigenden Unruhe nabmen di« Kopfschmerzen rasch zu, und endlich fieberte die