Volltext Seite (XML)
Arntsblcrtt. Nr. 125. Donnerstag, den 3. Juni 1915. Zweites Blatt. Die Ilolle Mens. Von Kapitän zur See z- D. v. K ü h l w e l ter. Was Italien im Mittelmeer an Seestreic- lrasten in die Wagschale zu Iversen hat, ist an sich irichc unbedeutend. -Ob es aus diesem Kriegsschauplatz eine Rolle zu spielen vermag, ist eine andere Frage. An vollwertigen, Linienschiffen sind eigentlich nur acht vorhanden, dazu kom men zwei halbwertige und zwei veraltete. Unter den vollwertigen sind 4 GroßkampfschiPe mit 12 bis Ul 30,5 Zentimeter-Geschützen, die andern sind Schisse eines Uebergangstyps mit 2 schwe ren Kalibern, ähnlich der englischen „Lord Nel son"-Klasse. Zwei weitere Großkämpfschiffe sol len in der Fertigstellung weil vorgeschritten sein. Der Typ des italienischen Schlachtschiffes- ist immer ein eigenartiger gewesen, man könnte fast tagen, etwas nach dem Schlachtkreuzer hinnsi- geno, und sollte schwere Bewaffnung mit hoher Geschwindigkeit verbinden. Das konnte natür- tich nur geschehen auf Kosten des Schutzes. Panzerkreuzer im Sinne des Schfiachtkreuzers hat Italien überhaupt nicht, sein neuester Panzerkreuzer lies im Fahre 1908 von. stapel. Seine acht brauchbaren Panzerkreuzer zeichnen sich alle durch mäßige Geschwindigkeit rei den vier neuesten von 10 000 Tonnen etwa 23 Seemeislen, bei allen älteren von etwa 7000 Tonnen kaum 20 Seemeilen, und eine fiir ihre Gröne schvere Bewaffnung gus. MÄ acht verwendbaren kleine n Kreu zern muß man rechnen, Lie recht verschiede neu Typs sind, Lie zwei neuesten, speziell für Aäslandszweckc gebaut, langsam, sie laufen nur 16 Seemellen, und klein, 2600 Tonnen, aber schwer bewaffnet; einer hl ein bei Amaldo fiir die Türkei geoames und während des italienisch türkischen Krieges beschlagnahmtes Schiff mit un,-»reichender Geschwindigkeit, dann lammen drei Schisse etiva im Typ unserer kleinen Kreu zer, besonders zum Minenlegen eingerichtet, der Nest üno kleinere, ältere Fahrzeuge. E.wa 30 Z e r st ö r e r, 50 brauchbare Hockßeelorpedoäooke und vielleicht 12 oder 15 kleines ll n te rs ec b a o i c vervollstän digen die Liste. Zum größeren Unkerseebootls- n,p ist Italien erst ganz kürzlich 'übergegangen und wirs kaum Nennenswertes davon werwen dungsbereit haben. Die Haupttriegshäfen sind Spezia, Tarent und Venedig während noch eine Reihe befestigter Stützpunkte geringerer Beden tung da sind, z. B. Maddalena am Sardinien. Außerdem ist die Küste von Messina noch durch starke Befestigungen gesichert. Tttß Italiens Seeslrcitkräfte im Charakter, des Legkrieges eine wesentliche Aendernntz brin-I gm könnten, isi nicht anzunehmen. Unterstützung! vor den Dardanellen wird die Haupffache sein, und sonst sich im vornchrge» Abwarten nichts nndenn Daß die italienischen Häfen den Fran zosen und Engländern zur Reparatur und zum Aufenthalt offen stehen, erleichtert iffnen natur lich Lie Kriegführung im allgemeinen so gut, wie die Ueberwachung der Adria, die ja mich bisher schon in der Straße von Otranto statt- fand und nun den Hafen Tarent als begfuenie Basis haben wird. Venedig, das bisher schon sellre Hauptbedeutung als Unterseeboots- und Wasserstugzeugstation hatte, ist für die Krieg führung nächtig durch seine große Nähe zu Pola, Lem österreichischen Hauplkriegshafcn, es ist nur Sund 80 Seemeislen, also e.wa 150 .Kilomieter entsenn. Den Untersee, ootsangri'sen war ja über Pola auch bisher ausgesetzt, und hat sich i wer mit Erfolg zu erwehrell gewußte Aus der Adbia hat sich bisher schon dw englischaranzö- in'che Flotte sorgfältig fenigehs'l en, und daß die Verbündeten beim Hinzutritl FtpMns gewillt seien, sich mit der Flo te etwa an Pola die Zähne auszubeißen, drß England äs der, ander e n ü b e r l ä ß t, sich über den Vortritt dabei zu einigen, das könnte man sich denken. Sie Akler -es itMMeil Sems. Uebcr die Persönlichkeiten, denen i n Kriege die Führung des italienischen Heeres ancertraut ist, wird der Korreipondenz „Heer und Poli tik" auf Grund der in Betracht kommenden Be stimmungen der üimien schen HeerespvrfWung geschrieben: Unter den italienischen Generalen sind 7 Männer ausersehen, welche die Führung der ge samten Streitkräfte in Händen haben. Neben dein Chef des iialienischen Generalstabes, Gene ralleutnant Cadorna, ist in erster Reihe der Unterchef des Generalskwes Gfeperaluiasor P o r r o zu erwähnen. Er ist dem Chef zur Entlastung beigegeben und har auf die Füh rung durch seine beratende Stimme einen gro ßen Einfluß. Die Führer der einzelnen Ar meen, welche Italien im Kriege aufsteM, sind durch das Gesetz genau bestimmt. Hin Verletz' ten großen OrganisationSvorlage des italieni schen Heeres, welche vor 5 Fahren die Billi gung des italienischen Parlaments erhiblt, wur de auch die Frage der Führung des italieni schen Heeres im Kriege gesetzlich festgelegt. Die Anregung zu dieser Bestimmung soll der jetzige Generalstabschef gegeben haben. Nach diesen Vorschriften müssen stets vier Aimeekorpskam Mandanten zu Führern der Armeen im Kriege bestimmt sein. Die Generale -- oder richtiger Generalleutnants, da dies ihr Rang im Frie den ist — werden ihrem Wirkungskreise entzo gen und haben nur die Ausgabe der Heerfüh rer, um dadurch den Wechsel in der obersten Führung im Falle der Mobilmachung auf das geringste Maß zu beschränken. Mii dieser Auf gäbe wurden bei Annahme der Gesetzesvorlage die Generalleutnants 1. H e r z o g v o u A o st a , 2. C a n e r a , 3. V i g a n o , 4. M azitelIi betraut Der Herzog Emanuele von Aosta, Königliche Hoheit, ist der reärle Vetter Les Kö nigs, denn er ist der Sohn das Prinzen Ama deus, Herzogs von Aosta, des Bruders des Königs Humbert. Dieser Ivar aber der Vater des jetzigen Köngs. Der Herzog Emanuele steht im Alter von 47 Fahren, da er am 13. Januar 1^69 in Genua geboren ist. Er wär zuletzt Kommandeur des 10. Armeekorps. Seine Gatlin Helene stammt aus dem Hame Bortr- bon und hat den Titel Prinzessin von Frank reich. Fn diese» vier Männern können wir nach »en Bestimmungen der italienischen Heeresver faßung de Führer des italienischen Heeres er blicken, wenn nicht sonstige Gründe dagegen sprechen. Neben diesen sechs Männern kommt noch dec italienische Kriegsminister unler der Zahl, der obersten Führer des Heeres in Betracht. Die- 'es Amt bekleidet augenblicklich Generalleutnant Z u p e l t i. Fm allgemeinen hat den Ober beseht dem Namen nach der König. Fin Anschluß daran sei noch ermähnt, daß zutn Führer der italienischen Flotte Ad miral B e t ol l o , der erste Chef des ita lieni'chen Admiralstabes, auserwhen fein sall^ k. SWI. MtIMl>MlI-SitzW am Dienstag, ven l. Juni iKlk» —: Am Ratstishe wohnen der Sitzung bei die Herren Stadtrüle Anger, Lange, Müller, Komm. Rat Reinhard, Zwingenberger und Gas- infpeklor Marttni. Vom Stadtverordneten-Kol legium sind 17 Herren erschienen. Herr Vorst. Lohs e, der die Satzung leitet, gibt zu Pum. 1 der Tagesordnung! Kenntnisnahme folgendes oekannt: a) Herr Oskar Friedrich R e i n h o l d ist als Sparkassen-Afsistenl eingestellt worden; b) Abrechnung über die P s l a st e r u n g der Anto n st r a ß e : Veranschlagt waren 15 855 Mt., verbraucht wurden 16 636,06 Mt., mithin ist der Anschlag um 781,06 Mk. übjer- schritten, welche Summe nachzuverwilligen ist: c) K r i e g s a u s g a b e n, Unter stützungen usw.: Es fliegt ein oberflächlicher Upaerdlick vor über das, was die Stadtgemeinde bisher zu leisten hatte. Darunter befinden sich u. a. 36 935 Mt. an barer Arbeitslosen-Unter- stützung, 3027 Mk. für Kriegssürsorge, 982 Mk. für die Ostpreußen-Spende, 1287 Mk. zur Ver teilung von Kohlen und Briketts, 13 300 Mk. an Kriegeraligehörigen Unterstützung, 3630 Mk. an Sonder-Bezirkssteuer für März April. 52 000 Mk. für Dauerwaren und Nahrungsmittel, 7500 Mk. Beitrag an Lie Kriegskreditbant. 193 000 Ml. wurden an Reichsunterstütznng an Lie. Krie gerfamilien ausgezackt. d) Brotmarken- A u s g a b e. In einer der letzten Sitzungen hatte Herr Stadtv. Lange angeregt, aus einen Mona, lautende Bvosmarken auszugebeu; der Rat hat jedoch be schlossen, Lie bisherige Ausgabeasst beizubehal ten, da sie sich bewährt hat. Auch Herr Stadtrat Z iv i n g e n b e r- g e c hält eine Aenderung für unmöglich^ da die Maßnahmen des Kommunalverbandes darauf zngeschnitten sind. 2. Auslosung von Siadtschuldscheinen Es werden ausgelost: Lit. A. Nr. 7, Lit. B. Nrn. 58, 72, Lit. C. Nrn. 146, 147, 216, 250, 273. 3 Verwendung des 18I4cr Kassenbestandes der syeuerlSschtasse. Troy Rückte gen und sonstigen Erübrigungen ergibt sch bei Ler Kaffe noch ein Uelrerschuß in Höhe von 670,85 Mk. Dieser soll mit 500 Mk. zur Rücklage für eine große Lei er verwendet werden, die übrigen 170,85 Mt. sollen eine be sondere Rücklage bilden. 4 Gasanstalts (srwctterungsbau. Am 27. April haben die Siadtüerordneten beschlossen, den schon lange geplanten Bau so schnell wie möglich vor sich gehen ;u lassen. Der 4tat ist, entgegen seinem früheren Beschluß, diesem Beschluß am 29. April bächftrctpn, har aber neuerdings am 22. Mai beschlossen, das Stadtoerordneten-Kollegium ausdrücklich zu fra gen, ob es seinen damals gefaßten Beschluß aufvech:erhäll. Herr Vorst. Lohse meint, welche Grüirde zu solcher Ansrage beim Rate vorlagen, werde sich vielleicht heute abend zeigen. Er sür seine Person sei nicht sehr erfreut darüber, daß diese Frage heute nochmals zuir Erörterung gestellt werde. Herr Komm.-Rat Stadtrat Reinhard stellt fest, daß die Befürchtungen, die er szt. ge gen den sofortigen Ausbau der. Gasanstalt aus gesprochen habe, leider eingelrosfen seien. Ein treuer FeinL ist uns erstanden rind dadurch ist für uns die allgemeine Lage bedeutend schlim mer geworden; wir müssen in militärischer wie wirtschaftlicher Hinsicht alles daransetzen, oben zu bleiben. Der Rar glaubte aus solchem Grunde nochmals airsragen zu sollen über einen solch anßhrordsnchich wichtigen Gegenstand. Es h.mdle sich doch rini 550 000 Mk. Kosten, und im ersten Fähre schon sei eine ganz bedeutende Summe siir den Bau änfzuwenden. An unsre S'aMver- Wallung würden aber auch sonst ganz bedeu tende finanzielle Anforderungen gestellt werden, größere Arbeitslosigkeit würde später platzgreisen, und für solche Fülle müßien Mittel bereitgesiellt werden. Fin Interesse unsrer Finanzwirtschaft und änsres wirtschaftlichen Wohles sei es nicht richtig, eine solche Ausgabe wie Len Gasanstalts- bau auf sich zu nehmen Nach Altsicht Les Herrn Stadtv. Ebers- b a ch können wir das Leben, das uns noch bleibt, nicht ganz unteroinden. Die Frage sei heute lediglich die, Laß Ler Herr- Gasinspettor Aufklärung darüber geben könne, ob er glaube, einen Aufschub des Baues verantworten zu können. f -f Herr Vorst. L o h ' e erteilt Herrn Gas- inspektor Martini Las Wort, der zunächst aus Leu Petroleum-Mangel hinweisl, wodurch allein säon eine Zunahme Les Gasverbrauchs' bedingt sei. Fm Fanuar d. F. hatten wir eine Zunahme von 17 Leu bl uns 7 Kochslawmen. im Februar 26 und 18, im März 10 und 30, im April 45 und 45, im Mai 32 lind 72: von Fanuar vis Mai talken wir 103 neue Gasab- nehmer mit 69 Ui,reu und 41 Automaten. Lchou Lie nächsten Wochen würden in dieser Hinfit,t eine neue Steigerung erbringen. Von besonderes Bedeuttmg sei auch folgende Ausfällung: von Januar bis Ende Mai hatten wir ini Fahrs 1913: 416 340 Kuutmeler Gasabgabe, 1915: 363 850 Kubikmeter, das ist ein Weniger von 12,6 Prozent; im Fanuar 1913 betrug die Ab- gibe 110 850 Kubikmeter, im Januar dieses Fahres 95 350 Kubikmeter, das sind 13,7 Pro-- zent weniger. Dieses Weniger siellke sich im Fe bruar aus 14,9 Prozent, im März auf 12,2 Prozent, im April auf l.3,4 Prozent,, im Mai auf 6,8 Prozent gegen 1913; wir sind also so ziemlich am Ende der Abnahme angelangt, Li« Steigerung beginnt auf alle Fälle wieder. Im Mai 1915 hat die Abgabe um 16 000 Kubik meter zugenommen. Neue Anschlüsse sind zahl reich im Auftrag gegeben worden. Die politi sche Lage Hai auf den Gasverbrauch so gut. wie keinen Einfluß. Eine Verantwortung für dar sicheren Betrieb lehnt Redner ab, sobald die Grenze der Leistungsfähigkeit überschritten wird. Nach solchen Darlegungen, meint Herr Stadtv. Ebersbach, sei dem Rate wohl die. bisherige Unsicherheit genommen. Redner möchte in solchem Falle auch keine Verantwor tung übernehmen. Er sreut sich der bis' herigen Entwicklung der Gassmslalt und betont, wie falsch es sei, aus der politischen Lage her aus Schlüsse auf die fernere Gestaltung der Gas- -msialt ziehen zu wollen. Wenn nun die politi sche Lage sich bessert, wie wolle man da so schnell den neuen Ansprüchen gerecht werden? Man Has bisher zu sehr dem ängstlichen Geßühle nachge- hangen. Redner sieht keinen Grund, sich zu-einer anderen Ansicht als seiner bisherigen zu be kennen Auch Herr Stadtv. Grießbach kann mnen einmal emgenommenen Standpunkt nichik wtdern. Ein Betrag sür Ausbesserung der Oehm wäre weggeworfen. Auch in einem in militäri scher Hinsicht für uns ungünstigen Falle würde viel Gas auch nach dem Kriege gebraucht wer den. Unsre Gasanstalt hängt ja eigentlich we nig voll der Industrie ab. Wenn nach dem Frie- densschluß sich alles wirtschaftliche Leben wieder hebe, werde utnsre Gasanstaff nicht: azisckeichjen. Das Ministerium selbst wünsche — und diesen Gesichtspunkt lasse der Rai wohl außer acht —, daß nach jeder Richtung hin auch die. Stadtge- meinden für Ersan des Petroleums besorgt sein sMcnh Gas werde allo in Zukunft mehr ge braucht und verwendet werden. Außerdem sei durch den Bau die Möglichkeit geboten, eine große Anzahl Leute bis in den November, und Dezember hinein zu keschästigen, wenn wir diele picht unterstützen wollen. Allch nnsre Hand werker wollten beschäftigt sein Den Standpuntt des Rates rechifertigend, I»rtlärt H»rr Stadtrat Anger, daß der Rat 3nm Beginn Ler Feindseligteitep mit Italien.