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Strenge, weder Blick noch Wort des Lehrers zum Gehorsam bringen kann und der nun endlich fühlen muß, weil er nicht hören wollte " Seite 86 endlich sitzt er nebst Rügen am 9. Mai 1843 lriumphirend auf der Gallerie des Saales der Ständcversammlung und Hörl den Verhandlungen und der Abstimmung zu. Er predigt hierbei begeistert und ohne alle Affectalion: „Aus der Tiefe des Elbthales, in der wir woh nen, möchten wir hinauf steigen auf die höchsten Berg gipfel der Erde. Euch, Ihr verklarten Geister des Himmels, — Euch, Todlen in den Gräbern, — Euch Alle, Ihr dankbaren Verehrer, — Euch aber auch Al le, Ihr verblendeten Feinde des Gekreuzigten, — Euch Alle, Ihr Fcucrbach's, Ihr Bauer's, Ihr Ruge's, der entschlafenen Jahrhunderte und' der lebenden Gegen wart, — Alles, was im Himmel, auf Erden und un ter der Erden ist, möchten wir um uns versammelt sehen, mit der Stimme eines weltenrichtcrlichen He rolds eine Bergpredigt zu halten, deren Echo tau sendfältig aus der Gegenwart in die Zukunft hinein, aus der Zukunft in die Gegenwart zurück, von der Erde zum Himmel hinauf, und vom Himmel zur Er de herunter stürmte, — eine Bergpredigt, zu deren Amen das ganze Weltall respondirtc. Denn ich hät te Euch ja von einem Siege des Gekreuzigten über seine Feinde, — von einem Siege des Evangeliums über seine Verräther, — von einem Siege wenigstens wahrer Weisheit aller Zeit über die Aftcrwcisheit die ser Zeit zu verkündigen, so glänzend, so herrlich, wie ihn wohl seit langem nicht das Wort vom Kreuze errungen hat, — so herrlich, so glänzend, wie wohl selbst die vertrauensvollste Hoffnung auf die Kraft der Wahrheit unter den obwaltenden Umständen ihn nicht erwarten konnte." Darauf kommen die ständischen Verhandlungen über die Ruge'schc Petition und endlich ein feierlicher Schluß, wie er sich nach den Proben erwarten läßt, welche wir unfern Lesern hauptsächlich deshalb ge geben haben, um sie mit der Art und Weise, wie die Gelehrten gegenwärtig mitsammen verkehren, einmal bekannt zu machen. In der Welt geschieht freilich nichts Neues. Sol che Schrift-Eiferer, wie Herr Diakonus Pkeilschmidt »nä hier einen präscnürl, gab eS leider stets und un ter allen Ständen. Man denke an die Verfolgun gen der Allöopathen gegen die Homöopathen, man schaue nur die Feindseligkeit einiger unserer alten Ju risten gegen die neuen Oeffentlichkeit- und Mündlich- keitianer! Am bemerkbarsten aber, das muß man ih nen lassen, machten sich von je die Theologen in die sem Genre. Wo irgend Jemand dissentirte, zweifelte oder manchmal nur dachte; gleich waren einzelne Herren von der Geistlichkeit bei der Hand, welche be wiesen, durch Denken, Dichten und Trachten komme unser Heiligstes und Thcuerstes, die ganze christliche Religion und Kirche, der Staat, Thron und Altar in nahe und entsetzliche Gefahr. — Wollen wir nun auch zugcstehcn, daß Ruge in der letzten Zeit der je tzigen Theologie, (aber auch nur dieser als Wissen schaft, nicht der Religion,) scharf zu Leibe gieng und sich namentlich bemühte, ihre, der Theologie, Mängel aufzudcckcn, wollen wir selbst zugcbcn, daß er vom Widerstand gereizt dabei manchmal die Theologen gei ßelte, wo er nur auf die Lehre schlagen sollte, so ist und bleibt es auf der andern Seite doch immer ein bedenkliches Zeichen, wenn sich eine Wissenschaft nicht anders helfen kann, als durch den weltlichen Arm, wenn sie, was fast noch schlimmer ist, schimpfirender Persönlichkeit, zuchtlosem Fanatismus das Wort ihrer Nerthcidigung gicbt, wo doch nur lautere Begeiste rung im Gewände schlichter Klarheit reden sollte. Ausfälle, wie die Pfcilschmidt'schen, unterhalten zwar den Kampf, treffen aber sich selbst weit mehr, als den Gegner, weil sie dem unbcthciligten und darum zu gewinnenden oder auch zu verlierenden Publikum die volle Blöse gehässiger und sehr unchristlicher Ze- losis geben. Muge stellte die Philosophie am Ende doch nur mit den Ideen der Zeit in Einklang, wenn er sagte: „Die Philosophie ist ein Ding für sich, sie wurzelt im Geist, in der Geschichte und im Leben, nicht aber in der Theologie, wie sie gegenwärtig als positive Lehre dasteht;" Ruge zweifelte mit seiner Zeit, wenn er fragte: „ist denn Alles wahr, was Menschen lehren"? Ruge war in seiner Zeit, wenn er behauptete: „die Forschung muß frei sein, wie die Natur, sie muß e wig und unaufhaltsam sein." Und war cs denn so abscheulich, wenn er Gott suchte überall, nur nicht im Himmel; war die Thorheil so arg, „den Him mel auf Erden" zu wollen? Armer Ruge, -der Him mel ist über uns, nicht unter uns! Freilich war es unrecht, laut zu sagen, „es komme darauf an, das Volksbewußtsein aus den Illusionen, worauf unser jetziges politisches und religiöses Leben beruhe, empor- zuhebcn, die Bewegung zu unterhalten, die Kirche in die Schule zu verwandeln und eine wirkliche, allen Pöbel absorbircnde Volkscrzichung zu organisircn, das Militärwcsen damit zu verschmelzen, das gebildete und organisirte Volk selbst regieren und selbst Justiz-