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A-orter Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Fünfter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 1« gr. Sächs., bei Beziehung des Blattes durch Botengckegenheit 12 Gr. Sachs. 38. Erscheint jeden Donnerstag. K 9. Sept. 1839. Gewahrschaften der Staatsverfassimgen. (GrißtenthcilS Bruchstück aus einer ungcdrucktcn Rede.) Wer einen Bau unternimmt, der überlegt, wie er ihn so zweckmäßig und dauerhaft ausführe, daß er nach Jahrhunderten noch den Stürmen Trotz bieten könne. Die VölkÄ^" welche Konstituzionen, also Staatscinrichtungen schon besitzen oder eben erhalten, durch welche die Willkühr der Regenten (absolute Staaten) aufgehoben wirb, (beschränkte Monarchien), haben deshalb auch von jeher auf Mittel gesonnen, durch welche sie ihren Verfassungen Dauerhaftigkeit verschaffen. Man hat in dieser Hinsicht vor allen Dingen gewisse Grundvcrträge niedergesch rieben. Aber diese „papierncn Konstituzionen" werden vom Zahne der Zeit — sagen wir: vom Zahne der Will kühr— eben so benagt, wie alles Papier. Beispiele hat die Geschichte. Man hat daher nach Gewähr- schaftcn sich umgeschen, die der Willkühr einen grö- scren Damm entgegensetzen sollen. »Wir zählen die gewichtigsten derselben auf, behaupten aber, daß sie dessenungeachtet auch nicht allemal die sichersten Boll werke gewesen sind. Belege zu dieser Behauptung liegen nicht fern. Man nennt die Staatsgerichtshöfc? Gut. Aber wer ernennt ihre Mitglieder? Die Regierungen gewöhnlich selbst. Und wo dies auch nicht durch gängig geschieht, da giebt rS dagegen mitunter ge kaufte oder von Natur servile Kammern, die am Ende auch nur auf ministerielle Kandidaten ihr Augen merk richten. Und wo auch .dies nicht der Fall ist, giebt ein Staatsgcrichtshof doch für eine Verfassung nur eine sehr schwache Gewähr, wenn und so lange bicht vollständige Leffenllichkeit des gerichtlichen Vcr, fahrens cingcführt wird. Man nennt ferner die Oeffentlichkeit der Staatsverwaltung überhaupt ebenfalls ein Schutz mittel für die Verfassungen. Aber wo fände sie sich so vollständig, daß sie eine Wahrheit wäre? Wie viele Triebräder der Regierungsmaschinc werden all überall in Bewegung gesetzt, deren Wirkung wol den Staatsbürgern bekannt wird, deren Triebkraft jedoch Allen ein Geheimniß bleibt! Man nennt die Verantwortlichkeit der Mi nister. Aber wie selten hat der ehrliche teutsche Michel den Muth, gegen einen Minister, gegen einen Großen dieser Erde überhaupt, aufzutrcten, wie viel dieser auch politische Sünden begeht und die Verfas sung verletzt? Aber hätten wir ihn auch, diesen Muth, was wirkt er? Haben wir nicht Beweise ge nug, daß da, wo in der neuern Zeit auch Minister- Prozesse verkamen, die Angeklagten doch fast immer frei ausgiengen? Man beruft sich auf die Freiheit der Presse und sagt, in ihr schon allein liegt die sicherste Ge währ einer jeden Verfassung. Nun wohl! Zu dieser Fahne schwören auch wir, schwören alle die, welche den politischen Kinderjahrcn entwachsen sind. Aber wo hätten wir cs denn, dieses heilige Schutzmittel unserer Rechte? Verkümmert man es nicht, wie und wo man kann? Schreckt man uns nicht, wenn wie öS fordern, mit dem hohen Gericht zu Frankfurt?