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146 festlich begehen, damit sie sehen, eines Theils daß cs uns ein Ernst ist, an der neuen Verfassung zu hal ten, wenn wir auch ihre Mängel nicht verkennen, andern Theils, daß wir treu zusammen stehen in konstituzioncller Eintracht, um ihnen jeder Angriff darauf zu verleiden. Traun! cs ist cine schwere Zeit und wir wandeln auf einem unsicheren Boden des Rechtes. Weder Fürstenwort, noch Männerehre will mehr eine sichere Bürgschaft gewähren, und an den dürftigen Volksrechten wird offen gedeutelt und im Geheimen gerüttelt. Aber wir wiederholen uns an jedem 4.September, daß es unS Pflicht ist, dasKleinod zu schützen, stärken uns zu neuer Kraft gegen An griffe von Aussen, beleben unseren, Muth, wenn er durch trübe Zeichen geängstigt werden will. Es ist nicht genug, daß ein Mündel seine Güter zur eigenen Verwaltung übernimmt; er muß sic auch zu vcrthci- digcn wissen, wcnn ihm kein Vormund mehr schützend zur Seite steht. Also nothwendig ist cs, das Konstituzionsfest zu feiern. Aberwie feiern wir cs? Nun das kann freilich nicht umfaßend an diesem Orte entwickelt werden. Darüber haben andere Stimmen zu entscheiden. Allein bemerken müssen wir, daß wir cs durchaus nicht für passend halten, den Festtag selbst auf einen andern Tag, als den 4. September zu verlegen. Es war jeden Falls das beste Mittel, die Aufmerksamkeit des Volkes von der Wichtigkeit unserer politischen Reform abzuziehen, als man anordnete, daß das Konstitu zionsfest am nächst vorhergehenden oder darauf fol genden Sonntage gefeiert werden soll. Da cs ohne hin noch mancher Anregung bedürfen wird, ehe der Werth einer verbrieften Verfassung, wie wir sie seit 8 Jahren besitzen, ehe der Werth der dem Volke gestatteten Thcilnahme an der Gestaltung desStaals- lebcns von Allen begriffen und erkanntwird; so war es nothwendig, das Volk auf die,wichtige Verände rung, die in dieser Hinsicht vorgegangen, ganz beson ders aufmerksam zu machen, ihm Veranlassung zu geben, darüber nachzudcnkcn, welches die Folgen der stattgehabten Veränderung seien und warum wirUr- sache haben, deshalb ein Fest zu feiern? Das war nur dadurch möglich, daß man dem Tag, an welchem die Veränderung in'S Leben trat, eine hervorragende Würde und Auszeichnung verlieh. Die Uebergabc der Kon- stituzion muß ein Volksfest werden, an dem jeder Bürger des Staats ausruht von der Alltäglichkeit und Gleichgültigkeit des gewöhnlichen Lebens. Die alten Volksfeste sind abgenutzt und verbraucht, wir bedürfen anderer, der Neuzeit angemessenerer. Kann cs nun für einen teutschcn Volksstamm eine passendere Ge legenheit zu einem Bürgerfcste geben, als die Zeit, wo seine Söhne wieder eingcreiht wurden in die Kette wirklicher Staatsbürger? Wollte man aber die Aufmerksamkeit des Volkes vom Kvnstituzionsfcsic nicht ab-, sondern erst recht eigentlich darauf hinlenken, so müsse man den Fest tag selbst mit einer kirchlichen Feier verbinden, ihn nicht dem nächsten Sonntage mit aufbündeln. Am nächst vorhergehenden oder folgenden Sonntage gehr dcr Kirchenbesuchcr in's Gotteshaus jedem alten Hei ligen zu Gefallen, wie zu andern Zeiten. Ob dabei zugleich ein Liebesopfer gebracht wird für verliehenes Bürgerglück, merkt cr kaum. Wird aber das Kon- stituzionsfcst an dem Tage, auf den es fällt, selbst gefeiert, wird es überhaupt zu einem wirklichen Fest tage erhoben, wo der Verkehr des gewöhnlichen Le bens schweigt und Pflug und Webstuhl stille stehen, dann weiß der Bürger in Stadt und Land, es gilt einem wichtigen Ereignisse, das wohl werth sein müsse eines Dankopfers für die Fügungen des Be herrschers aller Herrscher. Nun hat man zwar in der letzteren Zeit (auf Anregung einiger.Behörden) nachgelassen, bas KonstituzionsfestXauch am 4. September selbst zu feiern und dgmit eine kirchliche Feier zu verbinden. Aber abgesehen davon, daß diese bewandtcn Um ständen-räch d. h. bei den verschiedenen Schattirungen der Kirchlichkeit, noch allein keinen Tag zum Festtage m-elsi, wcnn nicht zugleich das Gebraust des ge- -thrrblichen Lebens zu einer Pause genöthigt wird (wie die sogenannten Wochengottcsdienste hinlänglich dar- thun möchten); so war cs auch, wcnigsirns vorjctzt noch, cinc halbe sächsische Maaßregcl (wenn cs er- laubt ist, so zu sagen), daß man in dieser Beziehung Alles der freien Entschließung dcr einzelnen Gemein den oder Behörden überließ. Unter den Letzteren namentlich gicbt es ja bekanntlich auch solche, denen dieKonstituzion ein Dorn im Auge ist, denen es daher nicht einfallen wird, für die Auszeichnung des 4. Septembers, für die würdige Begehung eines so schönen Bürgerfestcs überhaupt etwas zu thun, gc» schweige denn einen Festtag erst anzurcgcn. Zählt man nun neben der — wir hoffen, kleinen — Zahl von Widersachern und Malkontenten auch noch eine Legion von Indifferenten, Gleichgültigen, Lauen, die weder kalt noch warm sind, die sich auch in der Zwangsjacke und neben der Knute Wohlbefinden kön nen, wenn sie nur wenigstens noch sich satt cssen dürfen und ihnen zu ihrer Glückseligkeit allenfalls dcr alte Wenzel zu Gebote stcht; so wird es leicht begreiflich, daß das Konstituzionsfest bis jetzt noch in einem großen Theile des Landes entweder ganz spurlos vorübergcht oder doch dcr Zeit und der Würde nach so verschiedenartig gefeiert wird, daß der Ein druck und die Wirkung einer solchen Feier so gut wie ganz verschwinden muß. Sollte das nicht zu ändern sein? L e s e f r u ch t. Wir stehen am Abend großer Ereignisse und schon der nächste Morgen kann einen inhaltfchweren, ver