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Degrüffen ihres Erscheinens von ihnen hegte, nicht entsprochen haben, und nicht entsprechen konnten, so lange ihnen die Bedingungen fehlten, die allein ein gedeihliches Wirken derselben verbürgen. Man möchte dicß freilich lieber ihrer angeblichen Unzweck mäßigkeit für unsre Verhältnisse und der Unzweck mäßigkeit des Repräsentativ - Systems insbesondere zuschreiben, und will unter andern dafür in vtm wich tigen Umstande den Beweis finden, daß die ausge zeichnetsten Staats - Rechts - und Geschichtslchrer, die bewährtesten Rechtsgelchrtcn und Geschäftsmänner über die neuen Verfassungen ihre Ansichten nicht öffentlich zu erkennen gegeben hätten, selbst dann nicht, als die unbeschränkteste Meinungsäußerung ge stattet war. Diese Behauptung bedarf indcß gar sehr der Erklärung und Einschränkung. Gerade die vorzüglichsten Schriftsteller in diesen Fächern, die tüchtigsten Juristen und Geschäftsmänner waren ja zugleich die eifrigsten Vorkämpfer für Freiheit und Recht durch Wort und Schrift, in den deutschen Ständevcrsammlungen und außer denselben, unter welchen wir, vieler Andern zu geschweigen, nur Behrs, Bentzel - Sternaus, Duttlingers, Jtzstein's, Jordan's, Mittermaiers, Rotleck's, Uhltrnd's, Wessembcrg's, Welkcr's berühmte Namen nennen. Wo giebt es in Deutschland ausgezeichnetere? Oder meint der Herr Verfasser unsre eigentlichen Stockge lehrten, die sogenannten Umbratiker, die bei Krieg und Frieden ruhig hinter ihrem Ofen sitzen, und wohl Wissen, was vor und nach der Sündfluch sich begab, nur nicht, was ihrem Vaterlande frommt? Schon Seume sagt in seinen Apokryphen: die gefühllose sten Klötze fürNationallehre und National schande sind unsre deutschen Gelehrten; da von überzeuge ich mich täglich mehr. Auf ihr Still schweigen möchte daher zu aller Zeit nicht viel Ge wicht zu legen scyn, denn es hat nur in der schmä- ligsten Gleichgültigkeit seinen Grund, wo nicht in angestammtem Kncchtssinn und niedriger Speichel leckerei, die nach Ordensbändchen und Hoftitcln schnappen. Aber auch die Masse des Volks, sagt man, habe begreiflicherweise für eine VcrfassungS- form wenig Theilnahme zeigen können, die ihr völlig fremd war. Das ist einmal erwiesen falsch und klingt andcrntheils wie bittrer Hohn. Wer wagt cs in Deutschland von einer Volksstimme zu sprechen? Wenn es für das konstitutionelle System weniger Theilnahme empfand, als sich erwarten ließ, wenn diese Theilnahme allmählig ganz erkaltete, weil es sich in seinen bescheidensten Hoffnungen getäuscht sah, wer war Schuld daran? Wer anders, als die rastlosen Umtriebe der Reaktion, die die sparsam auf- keimendcn Früchte wieder verkümmerten? Gehört cs zum Wcsen der konstitutionellen Monarchie, fragen wir mit einem patriotischen Schriftsteller, dessen Namen zu nennen wir uns wohl hüten werden, ge hört es zum Wesen der konstitutionellen Monarchie, daß die Volksvertreter das Budget anerkennen müs sen, daß sic nicht sprechen dürfen, worüber sic wol len, daß sie ihre Reden nicht bekannt machen, die Protokolle ihrer Sitzungen nicht drucken lassen dür fen? Gehört die Zensur zum Wesen der konstitu tionellen Monarchie? Gehört es zum Wesen der konstitutionellen Monarchie, jungen Schriftstellern von Geist und Talent das Schreiben zu verbieten, bloS weil sie einen guten Styl haben, und man fürchte,, das Volk möchte künftig lesen, waä früher nur die Gelehrten verstanden? Gehört es zum Wesen der konstitutionellen Monarchie, daß man die Angcschul- digtcn vier, fünf Jahre im Kerker schmachten läßt, bis man sie verurthcilt oder frcispricht? u. s. w. u. s.w, Das deutsche Volk hat in der sturmbcwcgten Zeit der letzten fünf und zwanzig Jahre nichts gewollt, und will fort und fort nichts haben, als die Herr schaft verfassungsmäßiger Gesetze, aufrichtige Voll ziehung der beschworenen Verfassungen. So lange aber das freie Wort, der Lcbenöathcm jeder freien Verfassung in Fesseln geschlagen ist, so lange die Adelskammcrn, wie sie mit Ausnahme eines cinzigen, in allen konstitutionellen deutschen Staaten bestehen, alle Bemühungen der Volkskammern zum Bestes des Volks fruchtlos machen, müssen diese Verfassungen nothwendig als todter Buchstabe auf dem Papiere stehen, eine hohle, leblose Form bleiben. Und die Lage des Volks, wir mögen sie in materieller oder idealer Hinsicht betrachten, ist so beschaffen, daß sie der Verbesserung und Abhilfe dringend bedarf. Aben teuerliche, auf keinem andern Rcchtstitcl als dem ihres Alters beruhende Vorrechte oder vielmehr Un rechte gegen volle Entschädigung, nach ihrem jetzi gen Werlhe aufhebcn oder ablösen, heißt diese Lasten vergrößern und verewigen. Dadurch, daß man die Klagen mit Gewalt unterdrückt, wird ihr Grund nicht gehoben; cs gibt nur ein Mittel, Revolutionen vor- zubeugcn und sie ganz zu verhüten; es heißt Rechts, befriedigung, auf welche wir nun seit fünf und zwanzig Jahren und noch länger mit mehr als be wundernswürdiger Geduld warten. Auch deutsche Geduld könnte ihre Grenzen haben. Es ist daher gewiß nicht übertrieben, was der ehrwürdige, beson nene Duttlinger, den man doch schwerlich über spannter Ideen beschuldigen wirb, vor mehrer» Jah ren schon in der Badischen Kammer aussprach: Wenn nicht endlich einmal die Zustände eintrcten, die der wahre Freund des Vaterlands hofft, so werden zuletzt diejenigen Ereignisse und Zustände kommen, die der wahreFrcund des Vaterlands fürchtet.