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ter den Recruten zu erblicken, well er lang, gesund und stark ist. Deine Furcht ist allerdings gegründet! Denn cS soll und darf keine Ausnahme mehr statt finden! Jeder kräftige Sohn des Vaterlandes ohne Unterschied soll die Schuld abtrogen, welche der Staat ven ihm zu fordern hat; die einzige Wohlthat ist ge' stattet, daß du dafür zu dem Opfer dich entschließest, die Summe von Zwei Hundert Thalern zu zahlen — doch fürchte nicht zu früh und nicht z» viel. Wende dich an Herrn Schlendrian; er weiß immer Rath, dem strengen Gesetze, wie einer Biene, den Stachel zu nehmen und sich deS Honigs, den es trägt, zu bemäch tigen. Wage es nicht, ihm selbst etwa ein Geschenk anzubicten; du würdest ihn stark beleidigen, zumal da, wo er In einem so wichtigen Amte steht, über Tüchtigkeit oder Untüchtigkcit zum Dienste für das Vaterland zu entscheiden! Er würde ja auch die Ge schenke nicht annehmen können, da er dieses Amt noch in Verbindung mit Anderen ausübt! Aber er hat doch ein Weib! Gehe und mache dir dieses zum Freunde! Bist du ein Kaufmann, nun so laß ihr einen Achtel- zentner Kaffee und eben so viel Zucker, oder Zeug zu einem modischen Kleide ins Haus tragen; oder bist du ein Tischler, so mache dir das Vergnügen, ihr einen Nähtisch oder gar einen Sccretair zu arbeiten; oder bist du ein Kürschner, so suche ihr einen schönen Pelz oder eine ächte Boa rluzuhändigen; oder bist du nur ein Dauer, so thue die Kammern deiner Vor- räthe auf, und bemühe dich, sie mit etwas Getraide, mit Leinwand u. s. w. zu überraschen — — nimm mein Wort hin, es wird nicht so schwer halten, für deinen Sohn einen körperlichen Fehler ausfindig zu machen, der ihn gegen die Strenge des Gesetzes schützet. Das Vaterland kommt nicht zu kurz; denn ein Anderer, welcher arm ist und nichts zu geben hat, wird die Stelle deines Sohnes schon ausfüllen, wenn er auch mit einem leichten Fehler an seinem Körper behaftet ist. Siehst du, wie schlau der Herr ist? Und glaubst du, daß nun seine Schlauheit zu Ende geht? Er fühlt sich in jeder Maske wohl; aber fast nirgends Wohler, als in dem Rocke mit weißem Aufschläge. Blicke mich nicht mit zweifelnder Miene an, als ob ich von unmöglichen Lingen sprächt! Allerdings ist der alte Schleichweg der Akzise, der ihm einst so ge läufig war, durch das neue, mit Schloß und Niegeln versehene Zollgcsetz versperrt; allein die Hinterpfört chen, welche auch dieses Gesetz, wie alle frühere» Mauthgesetze, noch offen gelassen hat, sind Herrn Schlendrian durchaus nicht unbekannt. Ohne Be denken zieht er daher die neue Uniform an und kon- troliret, visitirt, referirt, plumbirt, ohne dabei auch nur einen Buchstaben des Gesetzes zu übersehen; aber kann ers hindern, wenn der gute Geist der verbliche nen Akzise ihm zuweilen noch Herzen und Hände öffnet, daß er für seine leeren Vorrathskammern und zahl reichen Kinder einige Kleinigkeiten empfängt, die er doch nicht mit Unhöflichkeit und rauher Strenge von sich weisen darf? Er weiß, daß er für seine großen Bemühungen In den Fleischkammern, Brauhäusern, Maischbehältern u. s. w. durchaus nichts fordern darf; allein, wo steht geschrieben, daß er sich nicht satt essen, wenn man ihm ein Frühstück vorsetzt, nicht die Pferde füttern, wenn man diese In den Stall zieht, nicht übernachten, wenn man ihm am späten Abend ein Bette anbietet, nicht einen Braten annehmen, wenn man denselben ohne sein Wissen ins Haus schickt, nicht eine freie Fuhre gestatten soll, wenn ein Pferde- besitzer, der Werg am Rocken hat, mit derselben ihm zuvorkommt? Wie pfiffig doch der gute Herr Schlen drian Ist! Wie er sich doch so schlau überall einzu- drängen und dabei Immer klüglich zu verhüllen weiß! Und wo er nicht selbst sich Sitz und Stimme er schleichen kann, da schickt er seine getreuen Söhne aus, in deren fröhlichem Aufblühen er für die Un« Vergänglichkeit seiner Firma die erfreulichste Bürg schaft hat. Herrn Schlendrians Söhne finden sich in den Gerichtsstubcn und in den Apotheken, beim Feld - und Straßenbau, in der Werkstatt des Hand werkers und in dem Bürcau des Ministers, in den Kammern der Hausfrau und in den Kammern des Vaterlandes, auf Präsidentenstühlen und Fürsten'sitzen rin; da wirft der Eine, um unkenntlich zu sein, rine Schlangenhaut, der Andere eine Mönchskutte um; da kriecht dieser, wie ein Wurm und wedelt hündisch mit dem Schwänze, und Jener kauert, wie ein eng lischer Bullenbeißer oder brummt wie ein russischer Bär! Kurz cs ist ein niedriges, ekelhaftes Geschlecht, das Geschlecht der Schlendriane, so viele Ahnen das selbe auch zählen mag. Kaum Ist es zu hoffen, daß dasselbe je aussterben werde! Möchte eS wenigstens in dem Staate, dem wir angehören, nie wieder volles Bürger - und Heimathsrccht erlangen.