Volltext Seite (XML)
Nr. 303. Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, ven 31. Dezember 1931. Seite 12. Dresdner Brief Neujahrspost! Hundert und drei Jahre sind es her, da wurde Dresden just am Neujahrstag die Stadtpost mit verbesserter Dries- bestcllung eröffnet. Die ersten Briefkästen wurden hier und La befestigt und damit ein großer Schritt getan zu dem jetzigen umfangreichen Postwesen, das wie selbstverständlich zu den Bedürfnissen der Großstadt gehört. Wir können uns ein Leben ohne solche Einrichtung kaum mehr denken, und wie der Mechanismus in einem gesunden Menschenkörper ohne Störung funktioniert, als sei er die einfachste Sache der Welt, so ver langt auch der Dresdner von seiner Post, daß alles wie am Schnürchen geht und ist höchst entrüstet, wenn einmal eine Post karte verloren gegangen ist, wenn sie sich auch später in seiner Manteltasche wiederfindet. — Besonders um die Weihnachts- und Neujahrszeit ist Hochbetrieb auf den Dresdner Post ämtern. Erst die Verschickung der Dresdner Weihnachtsstollen, die schon während des ganzen Dezember vor sich gegangen ist. Jeder Sohn einer Dresdner Familie muh ja zu Weihnachten seinen Heimatlichen Stollen haben, ob er nun in Finnland oder Hinterindien, in Argentinien oder der Mandschurei weilt. Dann kommt noch solch ein Sturm auf die Dresdner Post ämter am Neujahrstag, dem Geburtstag des verbesserten Post wesens überhaupt. Kaum ist das Weihnachtsgeschäft vorüber, dann rüsten Papierläden, Warenhäuser und Kartenhändler zum Verkauf der Elückwunschkartcn. Unzählige Schweinchen, bekanntlich die freundlichen Träger allen Glückes, vierblättrige Kleeblätter und andre Glückssymbole sind bildlich dargestellt und mit goldenen Lettern und verheißungsvollen Sprüchen umgeben. Bei Lehmanns aber und bei Meiers, in jedem Haus, in jeder Wohnung sitzt man eifrig beim Schreiben und zerbricht sich den Kopf, damit nur ja niemand aus der Verwandschaft und Bekanntschaft mit dem Glückwunsch vergessen wird. Da brummt wohl hier und da Papa verdrießlich: „Nee, so'n Unsinn! Kaum hat man für Weihnachten das viele Geld ausgegeben, heißt es wieder, Karten dutzendweise kaufen und frankieren! Das ganze Glückwünschen ist doch nur leere Phrase!" Aber sein Frauchen ist anderer Ansicht. Es gehört nun einmal zum guten Ton das Kartenverschicken am Neu jahrstag und Papa ist ein nüchterner Verstandesmensch, der keine Ideale kennt! Eine gesällige Industrie hat es auf diesem Gebiet den Grvhstadtmenschen möglichst leicht gemacht, so daß sie nur unter den Vordruck ihre Namen zu setzen haben. Die Schrei benden brauchen nicht einmal aufzuzählen, was alles sie vom Schicksal für den Freund, für die Braut oder den Vorgesetzten erbitten. Einen prall gefüllten Geldsack dem Jugendkameraden, jawohl. Aber wenn dieser daraufhin kommen würde, von dem Freigiebigen zehn Mark zu pumpen, da würde die Antwort gewiß folgendermaßen lauten: „Ne, mein Lieber, — ausge schlossen! Woher sollte ich wohl zehn Mark nehmen?" Trü gerisch auch die schönen, ineinander verschlungenen Trauringe aus der Glückwunschkarte, welche die Braut erhält. Wenn sie den Absender doch beim Wort nehmen könnte! Das gemalte Glück ist ja noch lange kein richtiges, und die gedruckten Ehe ringe verpflichten zu gar nichts. Die Postboten wissen es, was der Neujahrsbetrieb be deutet. Anaushörlich flitzen die gelben Motorkästchen von den Eilkästen nach dem Hauptpostamt, allerlei Hilfskräfte müssen angenommen werden, und schon am Silvester kommen überall die Glückwunschkarten in die Briefkästen gepoltert. Treppauf, treppab gehen die braven Briefträger mit der Hochflut der Bestellungen, mit den nichtssagenden Zeichen einer leeren Höflichkeit. Zum Schluß aber noch ein Lob den Dresdner Briefträgern, die auch die ungenaueste Adresse entziffern und die entlegenste Wohnung ausfindig machen. Negina Berthold. Mundfunk Rundfunt-Boetragsfolgc Leipzig (289,3) ZwisHensender: Dresden (319) Elelchblelbende» Werktags-Programm. 6.30: Turnstunde. — anschl.: Frühlonzert. G 10, 15L5, 1720: Wirtschaftsnachrichten kSo. imr 10 u. 15.45). » 10.05: Wetter, Verkehr, Tagesur. » 10.10: Was die Zeitung bringt. » 11: Werbenachrichten. * 12: Wetter, Wasserstände. » 12.10: Konzett. » 12.55: Nauener Zeit. » ca. 13: Wetter, Presse, Börse, Cchallplatten. » 17.30: Wetter. Zeit. O ca. 22—22.30- Nachrichten. Freitag. I. Januar. 7 .00: Frühlonzert. Leipziger Trompeterbund und Posaunenguartett. 8 .00: Ricarda Huch: Alte und neue Götter. 8.30: Orgelkonzert aus der Universitätskirchc. Organist: Prof. Müller. 9 .00: Glockengeläut der Kreuzkirche zu Dresden. 9.10: Morgenfeier. Neujahr 1932. Dichtungen von Goethe, Hölder lin, Eichendorff. Mörike, Keller, Storm u. a., zusammengestellt v. W. Weyrauch. , 11.00: Prof. Dr. Driesch: Der Mensch Und das Schicksal. 1120: Bach-Kantate: Gott, man lobt dich in der Stille. 12.15: Mittagskonzett des Sinfonieorchesters. Werke von Mozart, Beethoven, Weber, Marschner, Brahms, Liszt, Goldmark, Hum perdinck, d'AIbert. Rich. Strauß. , 14.15: Wetter und Zeit. — anschl.: H. Kurz: Die beiden Tubus. 15.00: Unterhaltungskonzert des Sinfonieorchesters. Solist: A. Eraie- manN lKIarinette). 15.00: An die Jugend: Am Mikrophon: Dr. Vogel. 1720: Chorkonzert. Erfurter Motettenchor. 18.00: Minna von Barnhelm. Lustspiel von Lessing. . 19.30: Neujahrskonzert. Solisten: 2. Patzak kGesang), E. Ramm (Orgel). Werke von Bach, Schumann, Mozart, Händel, Schmidt, Weber. Orchester: Stadt, u. Gewandhaus-Orchester. 21.25: Um uns die Stadt. Ein lyrischer Querschnitt nach der gleich namigen Anthologie von R. Seitz u. H. Zucker. 22.00: Nachrichtendienst. , Anschl. Berlin: Tanzmusik. Kapelle Otto Kermbach. wirtstöchter in der Landwirtschaftlichen Schule für Mädchen in Dahlen statt. Nähere Auskunft erteilt die Direktion der Landwirtschaftlichen Schule. Ein Unterrichtslehrgang für Molkcreifachleute, Landwirte und Hausfrauen ist für den 12. und 13. Januar in Dresden angesetzt worden. Anmeldungen bis zum 8. Januar an das Ländesvetertnäraml, Milchwirtschastliches Institut der Land- wirtschastskammer, Dresden-A., Zirlusstratze 38/40. Der fünfte Vortragslursus der Landwirtschaftlichen Schule Waldenburg findet am 16. und H3. Januar in Waldenburg iPrinzeßlichtspiele) statt. Die Tageskarte kostet 1 Mark, die Kaue für beide Taye 1.50 Mark. Ein Vornaqskursus für praktische Landwirte und Fort bildungskurse für ehemalige Landwirtschastsschüler wird weiter hin abgehalten an der Landwirtschaftlichen Schule zu Rochlitz am 16., 23. und 30. Januar. Zu dem ersten Schweinezuchtlehrgang sind bei der Staat lichen Viehhaltungsschule beim Kammergut Pillnitz so zahl reiche Anmeldungen eingegangcn, daß sich die Abhaltung von zwei weiteren Lehrgängen in der Zett vom 10. bis 16. uni vom 17. bis 23. Januar nötig macht. Sonnabend, 2. Januar. 1420: Bastelstunde für die Kinder. Wir bauen einen Zoo. 15.15: Funkschach. 16.00: Praktische Rechtslunde. Landgerichtsrat Gäbler u. Amtsge- richtsrat Dr. Mayer: Nachbarrecht. 16.30: Königsberg: Nachmittagslonzert. 18.00: Funkberatung. ... 18.30: Hans Friedrich Blunck liest neue Spukgeschichten und Märchen. 18.50: Gegenwartslerikon. Devalvation, Braun'sche Röhre, Tran- furane. 19.00: Stadtbaurat Doorentz: Die Technik der Lärmbekämpfung. 1920: Volksmusik. 20.00: Köln: Kabarett. Anschl. Tanzmusik. Rundfunk-Bortragsfolge Deutsche Welle (1635) Deutsche Welle. Elcichbleibende, Werktags-Programm. 6.30: Gymnastik. » 6.45: Wetter für die Landwirtschaft. » ca. 6.50: Frühlonzert. » 10.35, 1320: Nachrichten. » 12: Wetter für den Landwirt. » 12.05: Schallplatten bezw. Schulfunk. » 12.55: Nauener Zeit. « 14: Konzett. » 1520: Wetter, Börse. » 1825: Zeit, Wetter für den Landwirt. Deutsche Welle: Freitag, 1. Januar. 7.00: Hamburger Hafenkonzert. „ 825: Morgenfeier. — anschl.: Glockengeläut des Berliner Doms. 10.05: Wettervorhersage. 11.00: Dr. Braun: Religiöse Bekenntnisse der Gegenwart. 1120: Leipzig: Bach-Kantate: Gott, man lobt dich in der Stille. 12.10: Mittagskonzert des Berliner Konzert-Vereins. 14.00: Rideamus. Sprecher: B. Fritz. 1420: Konzert des Mandolinenorchesters Konrad Wölki. 1520: R. Walter: Das Jahr in Wettersprüchen. 16.00: Blasorchester-Konzert der Rüdersdorfer Bergkapelle. — Als Einlage: Vom Jugendhof Hassitz bei Glatz: Studentensingen. Teilnehmer: Studenten aus Breslau, Brünn, Prag und Wien. 18.00: Theodor Bohner: Heitere Seiten aus eigenen Dichtungen. 1820: Brandenburgisches Konzert Nr. 6. B-dur von Joh. S. Bach. 1820: A. T. Wegner: Bei den Gottestänzern im Kaukasus. 1920: Unterhaltungsmusik der Kapelle Eeza Komor. 1920: Sportnachrichten. 20.OO: Tannhäuser, oder: Der Sängerkrieg auf der Wartburg. Grohe romantische Oper von Richard Wagner. Anschl. Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. Anschl. Tammusik der Kapelle Otto Kermbach. Deutsche Welle: Sonnabend, 2. Januar. 920: Stunde der Unterhaltung. 1420: Kinderbastclstunde: Wir füttern die hungernden Vögel. 15.45: Frauenstunde: Meta Brir: Wir haben arbeitslose Kinder. 1620: Hamburg: Nachmittagskonzert. 1720: Dr. Salzmann: Vorsicht mit Arzneien. 18 .00: Dr. Günther: Deutsch für Deutsche. 1820: Prof. Dr. Curschmann: Alte deutsche Strahcnnamen. 19 .00: Englisch für Anfänger. 1920: Stille Stunde. Prio.-Doz. Lic. Dr. Künneth: Naturer kenntnis und Eottesfrage. 20 .00: Großer Tam-Abend. Mitw.: H. Emms-Schuchardt. Melodie- Gents. Kapelle Robert Gaden. 22.00: Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. Anschl. Populäre Abendunterhaltung. Deutsches Orchester der Slot- gemeinschaft Berlin. Sächsische Landwirtschaft. Landwirts Notizbuch. Wie die Pressestelle der Landwirtschaftskammer mitteilt, findet vom 1. bis 6. Februar ein Sonderlehrgang für Land Handel» Amtliche Devisen-Notierung. Devisen «n Reichsmark) 30. -Dezember 29. Dezember Geld Brie! Geld Briel New York .1 I London . . .1 Amsterdam 100 GIL. Kopenhagen 100 Kron. Stockholm . 100 Kron. Oslo .... 100 Kron. Italien . , . 100 Lire Schweiz ..100 Fres. Paris .... 100 Fres. Brüssel .. . 100 Belga Prag .... 100 Kron. Wien ....100 Schill. Spanien . . 100 Peseta. Bankdiskont: Brüssel 22, Rom 7, Oslo 7, Patts 2k, Wien 10, New York 3 Rütt. 4,209 14,36 169,03 79,17 79,82 78,42 21,42 82,07 16^1 58,59 12,47 49,95 35,76 Berlin 7 Kopenhage Prag 6> k. MM 4,217 14,40 169,3/ 79,33 79,98 78,58 21,46 82,23 16,55 58,71 12,49 50,05 35,84 (Lombart n 6, Lon s, Schwe RM 4,209 14,44 169,83 79,72 80,32 78,92 21,42 82,10 16,52 58,66 12,47 49,95 35,76 8), Am )on 6, M lz 2, St RM. 4,217 14,48 169,57 79M 80,48 79,08 21,4« 82,26 16,56 58,78 12,49 50,05 35,84 ierdam 3, adrid 6k, ockhvlm 7, Berliner Produktenbörse: Weizen fester. Zu Reportzwecken und von Mühlenseite Promptweizen ge fragter. Angebot mäßig. Roggen durch Andienungen gedrückt. Mühlen kaufen Kündigungsware. Promptangebot größer. Preise nachgiebig. Gerste still. Ostpreußischer Hafer ist billig zu kaufen. Roggenmehl nachgiebig. Weizenmehl besser gefragt. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin. Ml) lg. 30.12.31 29. 12. 31 100 ÜL 30.12. 3) 29.12.31 W-iz. mark. Futt. 215.0-217.0 212.0-2141 Mehl Weizenmehl Roggenmeh! 26.7-30.7 25.5-27.6 26.7-30.7 25.8-27.6 Weizenkleie 9.00-9.25 9.00-9.25 Dez. März Mai 225.5-228.0 237.50 225.0-224.0 236.5-236.2 245.5-245.0 Roggenkleie Viktoria-Erbsen Kl. Speiseerbsen Futtererbsen 9.25-9.75 21.0-27.5 22.0-24.5 15.0-17.5 9.25-9.75 21.0-27.5 22.0-24.5 15.0-17.5 Nogg. Peluschken 16.0-18.6 16.0-18.0 mark. 184.0-186.0 186.0-188.0 Ackerbohnen 15.0-17.6 15.0-17.0 Neue Wicken 16.0-19.0 16.0-19.0 Ernic 196.0-196.7 197.5-197.0 Lupinen, blaue 10.0-12.0 10.0-12.0 Dez. „ gelbe 13.0-15.0 13.0-15.0 Marz 205.50 206.5-205.5 Serradella 22.0-27.0 22.0-27.0 Mai 213.00 — Leinkuchen Geeste Basis 37°/, 12.0-12.2 12.0-12.2 Btau 151,0 I64.0 151.0-164.0 Lrdnußkuchen 12.00 12.0-12.1 Futt. 148.0-150.0 148.0-150.0 . mehl Trockenschnitzel 11.90 6 43-6.50 ! 1.9-12.1 6.40-6L0 Hafer Sojaschrot mark. 133.0-141.v 134.0-E.l Baj. 4!>^Hbg. 10.40 10.40 Dez. 150.0-145.0 150 00 Sojaschrot März 154.00 154.50 Basis Stettin 11.00 11.00 Mai 161.5-160.0 164.0-163.5 Kartoffelflocken 12.1-12.3 12.1-12.3 KOKläkt VOtl SEKI FOIttSEFS Lop^rlgdt dy I^urtin feucktwunder, NaU« (Saale) l2 Der Vater sah sinnend in ihr reizendes, rosiges Gesicht. Dann sagte er: „Ja, du! Du hilfst dir bestimmt immer allein weiter, davon bin ich überzeugt. Aber Mama und Brigitte machen mir Sorgen. Sie waren so verwöhnt, und es mutz ihnen doch wahrhaft entsetzlich sein, hier zu leben. Mama würde sich ja noch eher darein fügen — aber Brigitte?! Sie, der alle Welt zu Fützen lag! Sie, die einem Prinzen einen Korb gab! Oh, hätte sie ihn doch genommen! Wenn auch alles fei» dieser Zeil anders geworden ist für die Fürsten häuser, so schrieb mir doch Stratzheim aus München, datz Prinz Hennberg in glänzenden Verhältnissen auf seinem Schlosse bei Innsbruck lebt." Eva lächelte nicht mehr. Um ihren Mund zuckte es. Dann sagte sie: „Brigitte war zu wählerisch. Sie konnte längst eine glückliche Frau sein." „Ja, doch sie wollte stets sehr hoch hinaus. Und heute ist es so, datz niemand mehr sie mag. Ihre einst so glänzende Schönheit ist entschwunden, und durch die miß lichen Verhältnisse ist meine einst so gefeierte Brigitte auch im Charakter kaum noch zu ertragen. Du hast den gesell schaftlichen Trubel ja nur ein Jahr lang mitgemachi, Eva. Darum kannst du wohl nicht so recht wissen, datz Brigitte einst auf allen Bällen die Königin war. Vorbei das alles, es kommt nicht mehr zurück. Brigittes Jugend und Schön heit nicht und vieles andere. Man mutz sich eben darein fügen." Evas blaue Augen gingen suchend in die Ferne. Die Welt da drautzen — sie mochte gewitz schön sein, doch sie Varg eben doch nur Enttäuschungen. Eva wutzte es ja ganz genau, datz Brigitte immer auf den einen Mann ge wartet hatte, der sich nicht mehr um sie gekümmert hatte, als die Hagens noch als wohlhabende Leute galten: Lothar Velten! Er hatte Brigitte sein Wort gegeben, und er war doch nicht wiedergckommen! Und sie hatte auf ihn gewartet, Jahr um Jahr! Sie war verblüht während der letzten zwei Jahre. Sie brauchte nun einmal die Geselligkeit zu ihrem Dasein. Eva lächelte plötzlich seltsam. Lothar Velten war nicht der einzige, dessen Liebe wandelbar war. Wie hatte gleich ein anderer zu ihr, Eva, gesagt? „Ich liebe Sie, Eva! Ich kann nicht leben ohne Sie!" Da war einige Wochen später der Zusammenbruch der Hagenschen Herrlichkeit gekommen, und Manfred von Ost hatte sich genau so gut zurückgezogen wie alle anderen, die bis dahin die Gastfreundschaft in Schlotz Hagenhöhe ge nossen hatten. Eva hatte nur gelächelt. Sie hatte den schlanken, blonden Jungen nicht geliebt. Aber vielleicht hätte sie ihn doch genommen, eben, weil sie die Liebe nicht kannte. Aber diese Erfahrung hatte es doch vermocht, ein unüberwind liches Mitztrauen gegen die Männer in Evas junges Herz zu säen. Und so vermitzte sie nichts, gar nichts, wenn die Tage nur eintönig dahingingen. Herr von Hagen betrachtete mit Kennermiene den gold gelben Honig, strich sich eines der Brötchen und sagte: „Der dort drüben hat sich Trakehner kommen lassen. E i n Reitpferd tut es für den Herrn Kardorf nicht. Gott bewahre, können sich's ja auch leisten. Das ganze Schlotz soll umgestülpt werden; es ist nichts gut genug für diesen Parvenü." „Hast du eigentlich Herrn Kardorf fchon persönlich kennengclcrnt, Papa?" „Ja! Das heitzt, nur den Alten. Den eigentlichen Be sitzer von Hagcnhöhe kenne ich nicht. Soll ein ekelhafter Gewaltmensch sein. Der sitzt nun im Schlosse meiner Väter. Es ist so traurig, datz man weinen könnte." „Es ist aber nicht mehr zu ändern, Papa. Man muh sich mit den Tatsachen absinden, andernfMs tSkrd akNl'Mk erbärmlichen Figur." Ganz fest klaug die sonst so weiche Mädchenstimme. Herr von Hagen wollte auffahren. Dan« aber sagte « leise: „Hast recht, mein Mädel; man mutz sich damit ab finden." Schweigend satzen sie dann beieinander, und der Blick des alten Herrn streifte nur ein paarmal mitleidig das reizende, ovale Gesicht. „Ich will dann noch einmal auf die Felder hinaus", meinte Herr von Hagen später und erhob stch. „Willst d« mit, Kleine?" Eva zuckte zusammen. Diese Felder waren ein kleiner Streifen am Walde drüben, wo Karl, der junge Knecht, das Gras mähte, und dann waren noch ein Stück Kar toffelacker und eine längere Scholle Kornfeld dicht daneben. Auf die Felder hinaus! Eva versank in Träumerei. Früher! Ja! Da war ihr Vater jeden Morgen auf die Felder hinausgeritten auf seinem schönen, feurigen Goldfuchs, und sie hatte den Vater sehr oft gleichfalls zu Pferde begleitet Und stunden weit waren sie geritten, und alles, alles war Hagenscher Besitz gewesen. Besser gesagt, es hatte zu Hagenhöhe ge hört; besessen batte es ja längst ein anderer. Der, der die vielen Wechsel besatz, die Herr von Hagen im Laufe der Jahre ausgestellt hatte. Und so war eben der Zusammen bruch gekommen „Du willst nicht mit?" Des Vaters Stimme schlug an ihr Ohr. Eva schrak empor. „Doch. Vater, jetzt kann ich mich ganz gut freimachen. Mama und Brigitte stehen nie vor zehn Uhr anf. Bis dahin sind wir ja längst zurück." Kurze Zeit danach schritten Vater und Tochter auf dem schmalen Wege dahin. Bienen summten von Blume zu Blume, und im Grase zirpte es. Noch lag der Morgentau auf den Halmen und Gräsern, und die Luft war er quickend. (Fortsetzung folgt.)