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Nc 251 Pulsnitzer Tageblatt. -- Dienstag, den 27 Oktober 1231. Seite 6 Großmutter, um angeblich seine bestandene Prüfung zu feiern. Die Richter schüttele sieben bis achl Veronaltabletten in den Wein. Als die Greisin in ihrem Bett eingcschlasen war, haben die jungen Leute den Gashahn geöffnet und das Gas in die Schlaskammer der alten Fran strömen lassen. In der Nacht seien sie dann mehrfach ausgewacht, aber immer wieder in Dämmerzustand versunken. Die Richter sei dann einmal ins Schlafzimmer gegangen, wo die Großmutter toi zwischen den Beiten lag. Am nächsten Tage sand die Polizei die beiden An geklagten vor, die sich ausfallend rasch wieder erholten. Nach den damaligen Angaben der Angeklagten haben sie mit der Großmutter gemeinsam aus dem Leben scheiden wollen, da ihrer Heirat angeblich finanzielle Schwierigkeiten entgegen standen und auch die Richter guter Hossnung war. Der Staats anwalt hob hervor, daß trotz des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen, die Angeklagten die Tai mit Überlegung aus- gesühr« hätten, und für ihn der Mord erwiesen wäre. Die Angeklagten wurden wegen gemeinschaftlichen Totschlags ver urteilt und zwar: Schubert zu acht Jahren Zuchthaus, die Richter zu zehn Jahren Zuchthaus. Beiden wurden die bürger lichen Ehrenrechte aus süns Jahre aberkannt. In der Begrün dung kam zum Ausdruck, daß das Schwurgericht keinen Zweifel daran hege, daß gemeinschaftlicher Totschlag vorliege. Die Über legung hatte das Schwurgericht verneint, da man seitens der Sclbstmordhandlung der Angeklagten deren Ernsthaftigkeit an genommen hatte. Vorspiel zum Oevaheim-Prozeß. Berlin. Vor dem Großen Schöffengericht Berlin-Mitte wurde am Wochenende ein Prozeß gegen den Buchhalter Klarholz verhandelt, der ein Vorspiel zu dem kommen den Prozeß um den Devaheim-Skandal darstellt. Dem Ange klagten werden Unterschlagungen vonetwaeiner halben Million Mark zum Schaden der Hilfskaffe von fünf Wohlfahrtsverbänden zur Last gelegt. Die Dinge stehen in einem indirekten Zusammenhang mit den Vorgängen im Deva heim-Skandal. Klarholz ist geständig, in den Jahren 1926 bis 1929 rund 500 000 Mark veruntreut zu haben, und zwar will er angeblich diese Riesensumme auf kostspieligen Autofahrten und bei Zechgelagen in Schlemmerlokalen verpraßt haben. Zu der Devaheim-Affäre spielt dieser Prozeß inso fern etwas hinüber, als der Angeklagte sehr eng be freundet war mit dem im Devaheim-Prozeß beschuldigten AbteilungsleiterClausen, der einer Abteilung im Zentralausschuß für Innere Mission vor- stand. Clausen verschaffte dem Klarholz Unterschriften auf fingierte Anweisungen, wodurch die Unterschlagungsmanöver des Klarholz wesentlich erleichtert worden sind. Der Staatsanwalt geißelte die Tatsache, daß der An geklagte aus reiner Genußsucht heraus trotz guten Gehaltes die für elende und arme Menschen bestimmten Gelder ver schleudert und verpraßt habe. Er beantragte eine Gefängnisstrafe von drei Jahren. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren 6 Mo- n a te n. GNarelsunddieVerlmerSladwerwaltung Berlin. Bei Beginn der dritten Verhandlungswoche im Sklarek-Prozeß ordnete zunächst der Vorsitzende für Dienstag das Erscheinen sämtlicher Angeklagten an, um irgendeinen Revisionsgrund zu vermeiden. Auf die Frage, ob es zulässig sei, daß entgegen einem Magistratsbeschluß ein Vertrag abgeschloffen werden könne, wie das in dem Fall des Vertrages geschehen sei, auf Grund dessen die Brüder Eklarek das Warenlager der KVG. übernom men hätten, antwortete der Obermagistratsrat Drop mann, daß diese» grundsätzlich nicht korrekt sei. Es sei in den Jahren bei der Berliner Magistratsverwaltung eine sehr laxe Praxis zum Durchbruch gekommen. Ls kamen dann nochmals die zwei Verträge zur Erörterung, die den Brüdern Sklarek bei der Uebernahme der KVG. weitere Rechte und noch weit größere Vergünstigungen zum Schaden der Stadt ein räumten. Hierin wird dem Bürgermeister Kohl der Vor wurf der Untreue zum Schaden der Stadt gemacht. Bürgermeister Kohl bestritt, sich schuldig gemacht zu haben. Leo Sklarek meinte hierzu wieder, daß er von Kieburg betrogen worden sei. Darauf erklärte Oberstaats anwalt Freiherr von Steinaecker, daß die Behauptungen der Sklareks, sie wären bei der Uebernahme des KVG.-Lagers durch Kieburg übers Ohr gehauen worden, derartig ein seitig unbewiesene Angaben seien, daß sie die Staatsanwaltschaft noch im Verlauf des Prozesses Punkt für Punkt widerlegen werde. Beweisaufnahme im Lalmeite-Prozeß Lübeck. Zu Beginn der Montaa-Verhandlung im Cal mette-Prozeß verkündete das Gericht die Entscheidungen Uber eine ganze Reihe von Beweisanträgen. So wurde die Ver nehmung von zwei bulgarischen Aerzten über das Calmette- Unglück in Bulgarien abgelehnt, ebenso wurde auf die Vorladung von Professor Or. Calmette ver zichtet. Sodann wurde in die Beweisaufnahme eingetreten. — Senator Mehrlein wurde eingehend Uber die Einführung des Calmette-Verfahrens in Lübeck vernommen. In Besprechungen mit Ur. Altstaedt habe Or. Altstaedt ihm das BCG.-Verfahren als ein neues Verfahren zur Bekämpfung der Tuberkulose geschildert und betont, daß es in Frankreich schon seit Jahren eingesührt und in Hunderttausenden von Fällen er folgreich angewendet worden sei. Senator Mehrlein wies darauf hin, daß er zunächst nicht für die Einführung des Calmette-Verfahrens gewesen sei. Or. Altstaedt habe aber seine Einwände widerlegt und darauf hingewiesen, daß gerade Lübeck mit seiner nicht schwankenden Bevöl kerungsziffer sich für die Einführung des Mittels eigne, da man eine große Kontrollmöglichkeit habe. In der ent scheidenden Sitzung des Gesundheitsrates des Aerztevereins sei man zu der Ueberzeugung gekommen, daß es zweckmäßig sei, das Mittel einzuführen. Calmette: «66 unschädlich. Professor Calmette zum Lübecker Prozeß. München. Die „Münchener Neuesten Nachrichten" ver öffentlichen einen Brief, den Professor Calmette, Paris, auf Anfrage über den Lübecker Prozeß an sie gerichtet hat, in dem es u. a. heißt: Es erscheine offensichtlich nach den Aussagen von Ur. Altstaedt, Professor Or. Deycke und seiner Assisten tin Anna Schütze, daß in dem Laboratorium des Lübecker Krankenhauses keinerlei Vor sichtsmaßnahmen unternommen worden seien, um eine Vermengung der Kulturen des BCG und der virulenten menschlichen Bazillen zu verhindern. So sei es verhängnisvollerweise zu Verwechslungen gekommen, und diese seien die einzige Ursache der Todesfälle gewesen, die sich bei den Neugeborenen ereigneten. Es sei außerordentlich bedauerlich, daß Professor Deycke und seine Freunde — um sich von dem schweren Fehler reinzuwaschen, der bei der Bereitung der BLG-Kulturen in einem Labora torium begangen wurde, das weder hierzu geeignet, noch ausgerüstet für den Zweck war — erklären zu müssen glaubten, daß das BCG wieder zur Virulenz zurückschlagen könne, während sowohl sie selbst wie die ganze Welt wüßten, daß das BCG v ollkommen unschädlich sei. Des wei teren bezeichnet Prof. Calmette die Calmette-Katastrophe in Bulgarien als freie Erfindung eines Or. Simeoniow. Aus aller Well Stettin. Reichssieger. Schutz Hundprüfung. Der Deutsche Schäferhundverband (DSV.) hielt in Stettin seine diesjährige Reichssieger-Schutzhundprüfung ab. Trotz der ungünstigen Witterung wurden recht gute Leistungen er- zielt. Den Ehrenpreis des Reichspräsidenten von Hindenburg und den Staatspreis des Landwirtschaftsministers erhielt der Hund Dixi-Hofwächter, Führer Hüll-Oberschöneweide. Swinemünde. Selbstmord eines Liebes paares. Im Hafen machte ein Berliner Liebespaar einen Selbstmordversuch. Der 35 Jahre alte Invalide Bruno Benisch und seine Braut, die 28jährige Verkäuferin Käte Feisel, sprangen in den Swinestrom. Einigen Seeleuten gelang es, sie aus dem Wasser zu ziehen. Dortmund. Blutiger Ausgang eines Wirts-, Hausstreits. In der Nacht zum Montag ereignete sich in Werne an der Lippe vor einer Wirtschaft eine schwere Bluttat« Man fand nach einer Rauferei einen Arbeiter mit einens Stich in der Brust sterbend im Straßengraben vor. Der Tod trat kurz darauf infolge Berblutung ein. Ein Landwirt, der einen Stich in den Rücken erhalten hatte, liegt in bedenklichem Ausland darnieder. Roch in der gleichen Rächt wurde als der mutmaßliche Täter der Arbeiter Sandrewski aus Werne ver haftet. Er war mit seinen Opfern in Streit geraten, weil sie kein Bier für ihn bezahlen wollten. Altenburg. Raubüberfall aufeineKonsum- verk aufs stelle. In die Verkaufsstelle des Bezirkskon sumvereins in Altenburg-Zschornewitz drangen zwei maskierte Räuber ein, würgten die allein anwesende Lagerhalterehefrau und entrissen ihr die Kasse mit 750 RM. Der die Verfolgung aufnehmende Sohn der Beraubten wurde von den Räubern niedergeschoffen. Bochum. Ein Schmuggler erschossen. In dem Dorfe Dalheim an der deutsch-niederländischen Grenze geriet in der Nähe von Vlodrop ein deutscher Zollbeamter auf eine Gruppe deutscher Schmuggler, welche tätlich gegen ihn vor gingen, als er sie stellte. Durch einen Schuß wurde einer der Schmuggler aus München-Gladbach getötet. Kiel. Im Laufe des Montag ist der Dampfer „West- salia" in Holtenau eingetroffen. Es befanden sich an Bord einige Seeleute, die sich an dem Streik in Leningrad be teiligt hatten. Der Kapitän stellte jedoch keinen Straf antrag, da seine Leute, wie er ausführte, nur unter äußer st emDruckge streikt hätten. Loudon. Nach einer Meldung der „Times" aus Kon stantinopel sind drei" deutsche Schiffe, deren Besatzung in Odessa gemeutert hat, in Konstantinopel eingetroffen. Von der Besatzung des Dampfers „Ascania" sind 33 Mann in Odessa zurückgeblieben. Der Kapitän der „Ascania" soll während der Auseinandersetzungen durch Revol verschüsse verletzt worden sein. Eger. Zahlreiche Austritte aus der katholischen Kirche. In Schwaderbach bei Graslitz haben 125 Personen ihren Austritt aus der katholischen Kirche angemeldet. Auch in anderen Orten des Egerlandes nehmen die Austritte aus der katholischen Kirche zu, die veranlaßt werden durch das bekannte Vorgehen des Pra ger Nuntius Ciriaci gegen die deutsche Geistlichkeit, die christlich-sozialen deutschen Zeitungen und gegen Erzbischof Dr. Kordac in Prag. Wien. Panik in einer Kirche. Wie aus Buka rest gemeldet wird, kam es in Jassy in der Metropoliten kirche zu furchtbaren Panikszenen. Während des Gottes dienstes erlöschte in der Kirche plötzlich die Beleuchtung. In der Dunkelheit entstand eine furchtbare Panik. Sechs Frauen und zwei Kinder wurden von der Menge zu Boden getreten, zahlreiche andere erlitten zum Teil lebensgefährliche Ver letzungen. , New Work. Amerika, das Land der Millionäre, ist reich an Stiftungen aller Art. Man zählt nicht weniger als 91 Millionen-Stiftungen mit einem Ge samtvermögen von 800 Millionen Dollar. Im Jahre 1930 haben diese rund 52 500 000 Dollar zu ge meinnützigen Zwecken ausgeschüttet. Die von dem jetzt 92jäh- rigen John Rockefeller gegründeten Stiftungen warfen allein 26 400 000 Dollar aus, die Carnegie-Stiftungen brachten es auf 6 600 000 Dollar. Das meiste Geld floß medizinischen und hygienischen Zwecken zu, es waren rund 18 627 000 Dollar. Zu allgemeinen Unterrichts- und Erziehungszwecken wurden 14 171 000 Dollar verwandt. Buenos Aires. Heuschreckenplage. In Ar- gentinien richten riesige Heuschreckenschwärme, die ganze De- partemcnts heimsuchen, schwere Schäden an. Bekanntlich hat auch Nordamerika zu gleicher Zeit sehr unter den Heu schrecken zu leiden, die bereits Millionenverluste angerichtet 18 Als er fertig war, sagte Hans Jordan. »Josef, Sie können sich auf's Ohr legen! Tie Nacht wird nichts mehr passieren. Schosste, Sie werden aber dem Werknachtwächter Order geben, dass er seine Aufmerksam keit heute Nacht ganz besonders dem Verwaltungsgebäude widmet. Er soll sich aber noch einen anderen zu Hilfe mit- nehmen." „Er wird sowieso immer unterstützt von dem jungen Brockmann. »Gut, gut! Ich freue mich, Schosste, dass Sie Ihre Pflicht so gut tun. Ich werde mich erkenntlich zeigen." „Tet is nicht nötig, Herr Jeneraldirektor!" „Es war doch richtig, dass ich Ihnen die Inspektion des Verwaltungsgebäudes überlassen habe." „Det war so Vatrauenssache, Herr Jordan. Ick hab det zu schätzen jewusst." »Jetzt kommen Sie aber. Ich will Frau Storkow meinen Dank abstatten." „Det werden Sie woss auf morgen verschieben müssen, Herr Generaldirektor, denn die Mädels werden wohl nun schlafen gegangen sein." Und es war so. Maria hatte gedrängt. Es war ihr fass Peinlich, dass der Generaldirektor noch in der Nacht kommen und ihr danken könne. Der alte Geheimrat staunte nicht schlecht, als er erfuhr, was sich ereignet hatte. Ebenso Frau Imogen, die munter geworden war. „Man soll's nicht glauben..sagte sie nachdenklich. „Die kleine Frau Storkow... wir werden... nicht mehr kleine Frau sagen dürfen." o Am nächsten Morgen wußte das ganze Werk von dem Ereignis der Nacht. Alles war in Aufregung. Also Kalken war sogar ein Verbrecher, der sich nicht scheute als gemeiner Dieb zu handeln. Maria wurde von allen Seiten beglückwünscht. Direktor Scholz war ganz stolz auf sie. Oberingenieur Teutschental, ein blonder Teutone, gross und breit, mit einem gutmütigen Jungengesicht, kam, um sich besonders zu bedanken. „Es war auf meine Erfindung abgesehen", sagte er warm. „Ich stehe ganz besonders in Ihrer Schuld, dass Ihre tapfere Tat eine Entwendung der Papiere ver hinderte und dass der Verbrecher gefasst wurde. Es ist wie ein Ausgleich des Schicksals, dass ausgerechnet Sie, zu der Kalkert so miserabel war, seine Festnahme ermöglichten." „Ich bin so froh, dass ich dem Werke einen Dienst leisten konnte", sagte Maria einfach. „Ich bin Herrn Ge neraldirektor Jordan für seine Güte viel Dank schuldig." „Ich hoffe, daß es mir einmal möglich sein wird. Ihnen für Ihre tapfere Tat anders zu danken, als durch Worte, Frau Storkow." * Auch der Generaldirektor stellte sich ein. Vor versammeltem Personal stattete er seinen Dank ab. Wie eine glühende Rose stand Maria mit gesenktem Haupte da, unsagbar lieblich. Direktor Scholz schmunzelte bei der Betrachtung des schönen Mädchenbildes. Mit dem Dank des Generaldirektor- war vor allen Dingen auch eine namhafte Gehaltsaufbesserung ver bunden. Maria kam sich wie im Traume vor. Vierhundertfünfzig Mark Monatsgehalt sollte sie setzt beziehen. Wenn das Czogan Storkow noch erlebt hätte. * Die Aufregung ging den ganzen Tag weiter. Generaldirektor Jordan war kaum wieder in seinem Büro, als die Depesche ankam, die die Ankunft der rus sischen Delegation, die mit dem Werk verhandeln wollte, meldete. Hans sah nach der Uhr. In einer Stunde also kamen sie. Zum Bahnhof mußte er, zusammen mit Direktor Sperrhake und Direktor von Weidner, um die Delegation zu begrüßen. Die Delegation bestand, wie ihm mitgeteilt worden war, aus dem Volkskommissar für das Innere, Herrn Stephan Radowitsch, Wladimir Zobel, dem Direktor des staatlichen Elektrizitäiswesens 'n Rußland, Oberingenieur Fedsa Sokolowka, dem besten geographischen Kenner Ruß lands, Prof. Iwan Malik und dem Obersten Hassotsch, der in Rußland das Amt des Volkskommissars für die Wehrmacht bekleidete. Warum Oberst Hassotsch, der den Spitznamen „Der rote Bluthund" trug, mit der Delegation kam, war ihm schleierhaft. Fünf Zimmer für die Herren waren in der Billa Jordan bereit, um die Gäste jeden Augenblick aufzu nehmen. Plötzlich fiel Hans Jordan, nachdem er alles erledigt hatte, ein: der Dolmetscher. Er sprach das Russische sehr mangelhaft, die beiden anderen Direktoren beherrschten wohl das Französische und Englische, aber nicht daS Russische. (Fortsetzung folgt.)