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Nr. 249 Pulsnitzer Tageblatt. — Sonnabend, den 24. Oktober 1931. Seite 12. vns^üglicks ^us^k^Icungsn ^otvoi'or^nvngen un^ Spansnlasss AÄIs«krSLS «ler ÄtrieKerkSMerklLGASULLW ^Sß«I nri«S in«<SUieLLS ^«1 LSrinürLSn an«k «ISS «Iltr^slSri ^ItSnsrkSN en in ösfenklichen Diensten stehenden und I den Arbeitslosenunterstützung beziehenden Kriegsbeschädigten hat die neueste Notverordnung vom 6. Oktober 1931 eine, wenn auch leider nur geringfügige Erleichterung gebracht. Die erhoffte und dringend nolw-idige Aenderung der für die Krieger h i n t e r b N e b e n e n uner träglich harten Bestimmungen der Notverordnung vom 5. Juni 1931 und der Zusahrentenverord nung ist jedoch ausgebliebcn. Sie muh aber baldigst kommen, wenn nicht die äuhersler Not ausgesetzten kriegerhinterbliebenen zur Verzweif lung getrieben werden sollen. In Deutschland sind gegenwärtig noch rund 360 000 Kriegerwitwen, 371 000 kriegereltern und 525 000 Kriegerwaisen zu versorgen. Ihnen allen wurde durch Notverordnungen und ministerielle Sparerlasse zum seelischen Leid noch schwerste materielle Not zugesügt. Herzerschütternd wirken die klagcbricfe, die die Hinterbliebenen unserer Gefallenen ihrer Organisalionsleilung schreiben. Die folgende auszugsweise Wiedergabe aus Briesen, die zahlreiche Kriegerwitwen der Bnndesleilung des Reichsbundes der Kriegs beschädigten, Kriegsteilnehmer und kriegerhinter- bliebenen zuschicklen, möge von der Reichsregie rung und den Mitgliedern des Deutschen Reichs tages als ernste Mahnung aufgesaht werden, sich ihrer Ehrenpflicht gegenüber den Hinterbliebenen der im Weltkrieg Gefallenen in vollem Umfange bemüht zu werden, damit das ihnen mit Notver ordnungen und Ministerialerlassen zugefügle Unrecht baldigst beseitigt werde. I.0S kiel' K»sgsn^itiven Line kriegerwilweaur Herne i. Wests, schreibt u. a.: Wir wollen von jenen berichten, di« auf Ge rechtigkeit harren, aber nur mit Not und Elend vertraut gemacht werden; denen Gerechtigkeit bald gleichgültig sein kann, da ihnen schon ihr Recht auf Leben in Frage gestellt wird. Eine Kriegerwitwe ist 39 Jahre alt und hat keine Kinder. Sie hat sich viermal einer schweren Operation unterziehen müssen; infolge der da durch verursachten körperlichen Schwäche ist sie arbeitsunfähig. Sie bezieht eine Militärrente von 38 RM. monatlich (Ortsklasse ^). Nun glaubte die Witwe, der Deutsche habe Grundrechte. Sie wandte sich an die Wohlfahrts behörden und bat um den Satz der gehobenen Fürsorge für Alleinstehende, der 48 RM., also zehn Mark mehr (!) beträgt als die Militärrente. Sie wurde abgewiesen! Eine andere Witwe von 43 Jahren hat drei Kinder, die aus der Versorgung heraus sind und natürlich die Arbeitslosen vermehren. Sie be kommt keine Zusatzrente, sondern ledig lich 38 RM. monatliche Militärrente (Orts klasse X). Eine Dresdener Krlegerwitwe be richtet: Kriegerwitw« Charlotte K., Dresden, -lrieKer/rauen besletten ibre an cil« front -«trenck«» unrong. Nj^er rum öaknko/. <Lit kräl. 6«o«d»>xoi>i z» ä«» Kolli«: l» v«t«ll", krtolik. 8orI«tIt»-Or»ä—k«t, > Die Miete beträgt allein 29,62 RM. Vom Rest sollen der Lebensunterhalt, Gas, Heizung usw. bestritten werden. Es bedurfte eines länge ren Schriftwechsels, ehe die Unterstützung des Kriegsfürsorgeamtes auf 10,50 RM. monatlich erhöht wurde und man eine einmalige Gas beihilfe von 6 RM. aus Stiftungsmitteln ge währte. Nach nochmaliger Vorstellung wurde eine Sonderbeihilfe zur Miete in höhe von 8 RM. bewilligt. Alles in allem entschieden zu wenig, um für den dringendsten Bedarf auszu reichen. Die Bemühungen dieser Witwe, Arbeit zu erhalten oder durch Untervermietung eine Entlastung zu erreichen, blieben bis heute noch ohne Erfolg. V^SI 5ökne ciem VatS^ancl Dem Kriegerelternpaar H. I. und Frau in Hannover ist die bisher gewährte Elternbeihilse von 42 RM. auf Grund des sogenannten Sperr erlasses vom Reichsarbeitsministerium auf 20 RM. gekürzt worden. Beide Eheleute sind 77 Jahre alt. Sie haben im Felde drei Söhne verloren. An Invalidenrente werden im Monat 53,60 RM. gezahlt. Nach Bezahlung der Miete von 30 RM. ver bleiben im Monat noch 43,60 RM. zum Lebens unterhalt. Künrung Kriegerwitwe D. B., Arfurt (Hessen- Nassau), teilt darüber folgendes mit: Dieser Tage ging mir der Bescheid zu, für ruhig anzunehmen, sämtliche Belege nach Weilburg zu schicken, ich bekäme alles bezahlt. Bald darauf ging mir der Bescheid zu, für die Dauer der Be dürfnisses würde mir eine Erziehungsbeihilf« von monatlich 34,40 R. gezahlt; di« Jnvalidenwais«»- Zusatzrente gewährt werden, damit di« Not abg«' schwächt würd«. Leider mußte ich ihr di« Aus kunft erteilen, daß es infolge ihres eigenen Ar> beitseinkommens, welches die gesetzlich vorgeseh«' nen Grenzen überschreite, nicht möglich sei, ihr den Wunsch erfüllsn zu können. Die Witwe könnt« sich einfach nicht überzeugen lassen, daß man ss unsozial sein könnte, ihr diese Rente zu verweb gern. Sie glaubt« bei ihr eine Ausnahme machen zu müssen, da sie ja ununterbrochen gt' arbeitet habe und sechs Kinder er zog, und heute noch Arbeit verrichte, welche sie trotz ihres vorgerückten Alters, sie ist Sü Jahre, nur aussühren könne in einer Zeit, wo ander« noch ruhen könnten. Sie reinigt seit Jahren Büro' räume und muh ihre Arbeit abends von 8 b>« 10 und morgens von 5 bis 9 Uhr verrichten. ES ist furchtbar hart, einer solchen wahrhaft edlen Frau nicht Helsen zu können. Wenn schon die allgemeine Kürzung der Renten schwer zu ertragen war, so sind es die Bestim mungen der Zusatzrenten, welche jetzt manche« neue Leid schmieden. * Aus einer Fülle von täglich eingehenden Ge richten und Klagebriefen sind vorstehend einig« wenige auszugsweise wiedergegeben. Was vor stehend von einzelnen berichtet wurde, gi» also für alle! . Sommer 1930. Line vorn Reicksbunck cker LrtezrbeecböcktKten « na<A ksris entzsnckie OeteHation von LrieZerwitmen aker aeut- -c/ren traue besuM cken 6e/attenen/rieckLo/ in §oupir am Okemin cker Dame». bezog vor Aenderung der Zusatzrentenbestim mungen und vor der Notverordnung vom Juni 1931 38,00 RM. Rente 15,80 RM. Zusatzrente 16,80 RM. Krisenunterstützung 70,60 RM. Sie erhält jetzt: 35,80 RM. Rente .... .. ... 7,50 RM. Unterstützung vom Kriegsfürsorge amt 6,00Mk.Krisenunterstützung 49^0 RM. meine Tochter würde die Erziehungsbeihilfe um monatlich 10 RM. gekürzt. Jeden 1. eines Mo nats nimmt meine Tochter 20 RM. mit nach L.. 6,20 RM. kostet ihre Schülermonatskarte, 12 RM. ihr Lehrgeld, 1,42 RM. der Beitragsanteil für die Krankenkasse. Auch muh sie sich sämtliches Material zum Nähen selbst beschaffen, was doch auch viel kostet. Ostern vorigen Jahres nahm ich die Lehrstelle an. Ehe ich aber die Stelle bei Frau R., Lehr- und Zuschneideanstalt in L., an nahm, ging ich aufs Arbeitsamt L., sowie aufs Kreiswohlsahrtsamt und teilte es dort mit, worauf mir von beiden Seiten gesagt wurde, die Stelle » tVack Lrta/7 c/er tVotoerorcknunF bezucüsn töKticL kunc/erts I» QiiTIT» « jlrieZerbinterbiiebenen ckie^luskun/tzstelten iLrerOrZs- »irstion, wo ibnen Kat umk Leirtanck in keMr/raZen, in LersorZunLs- unct LürsorseanLeteAen- HMen seLeK«» rvick rente mit 14,40 RM. geht davon ab. Also erhielt ich 20 RM. Erziehungsbeihilse. Damit war ich zufrieden. Nun wurde mir vom 1. April 1931 ab di« Erziehungsbeihilfe um 5 RM. gekürzt. Jetzt sollen es wieder 10 RM. sein! Dar ist doch zuviel! Wo soll ich da» Geld zum Be zahlen hernehmen? Ich bin selbst über 45 Jahre, schon den ganzen Sommer leidend, hab« viel mit den Nerven zu tun, die Kopfschmerzen sind bald nicht mehr zum Aushalten, vor lauter Kummer, Sorgen und Aufregungen. Wenn der Reichrbund mir nicht zu der Erziehungsbeihilfe in seitheriger Höhe verhilft, könnte meine Tochter nicht in die Lehre gehen. Ich hätte dann noch bei Aufgabe des Lehrverhältnisse» laut Lehrvertrag 100 RM. Ab findung an die Meisterin zu zahlen. Wer zahlt mir diese? Ich kann's nicht! " Vie Drangsal ^e? ^kskslosigkeH* Kriegerwitwe E. W i l l f r o t h - Aschers leben (Proo. Sachsen) schreibt: Ich habe in einer meiner letzten Auskunsts stunden einer mir nun schon seit über 10 Jahren bekannten Kriegerwitwe eine Auskunft erteilen müssen, welche sie nicht gern gehört hat. Der Schmerz, welcher über das Gesicht dieser Frau rannte, hat auf mich besonders schwer gewirkt, und ich habe manche stille innere Träne ihr ab genommen. Handelte es sich doch um eine Witwe, welche nach dem Tode ihres Mannes sechs kleine Kinder durchs Leben bringen mußte. Auf welche redliche und fleißige Art diese Mutter ihre Kinder betreut und herangebracht hat, weiß ich zu schätzen. Ein jedes ihrer Kinder hat einen Beruf erlernt, die Kinder machen einen guten gebildeten Eindruck, nur sind sie alle nicht von dem furchtbaren Erwerbslos verschont geblieben. D i e Mutter hatte alle ihre Kinder im Hause. Drei der Kinder bekamen dem Ausgesteuertsein keine Wohlfahrtsunter,llltzung und müssen nun von dem Einkommen der Mutter mitleben. Verständlich, daß diese tapfere Witwe nun den Wunsch hatte, ihr möcht« wenigstens die eins 8Ljaki»igs KrSsgvrmvttsk MlchSbv.1- selbst cüeLen «Ken bectür/tiAen Müttern Lötern wurcte kente unck rite LKernbeibi^ Lekürrt, batbtert ocker «ucü Unverständlich ist es, daß dl« ReichsregierunS ihre Sparmaßnahmen auch auf jene Franes Kinder und Greise ausdehnle, die ihre Ernähret auf dem Altar de» Vaterlandes opfern mußten. Allein das Andenken an die Gefallenen und die Ehrfurcht vor dem gewaltigen Opfer, das ihr« Hinterbliebenen dem Valerlande in schwerster Zeil darbrachten, hätte die Reichsregierung davon abhallen müssen, Abbaumaßnahmen an der noch niemals ausreichenden Versorgung der krieger- hinlerbliebenen vorzunehmen. Michi der Volksgemeinschaft und somit auch die Michl der Reichsregierung als ihrer Reprä sentantin müßte es sein, der Hinterbliebenen nW nur in Milsühlung zu gedenken, sondem Ihne" mit tatsächlicher Hilfe durch ausreichende Ver sorgung und Fürsorge beizustehen.