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Hie Schweiger - hie Schwätzer. Eilig kommt er angelaufen. Schon fern breitet er die Arme aus, reckt seine Hände: Daß ich dich auch hier gerade treffe! Donnerwetter, solch Zufall! Wie gemacht, verein bart, bestellt, verabredet. Nein, so was. Ja, guten Tag, übrigens auch. Hütt' ich beinah vergessen. Ich muß dir doch unbedingt die Sache erzählen Die mußt du gehört haben, die Sache . . Es hilft gar keine Widerrede (wann sollst du die Ant wort auch geben, auf die er überdies gar nicht wartet): Er hat dich eben. Er zieht dich eine Straße lang oder in „sein" kasthaus. Er redet ohne Einleitung, überrennt im plötz lichen Angriff, wie die Germanen ein Tor mit einem Ramm bock, deine gutgeordneten Gedanken und dein Tages- orogramm mit dem Strom seiner rauschenden Rede, gegen oie kein Kraut gewachsen ist. Früher schüttete man Pech und andere Flüssigkeiten auf die, die mit Rammböcken an itürmten. Wir aber haben heute nur das Pech, ihn zu treffen: Seine Hoheit, den Schwätzer. Irgendein Papier hält er in der Hand, schlägt mit dem Handrücken darauf. Würzt seine Reden mit kleinen Lachern, Gepolter und mit Achselzucken über diese Leute, die heute regieren, die so und so sagen, statt so wie er, wo doch — hahaha jeder Kindskopf müßte das einsehen, daß es so nicht gemacht werden kann. Die vielen Worte mit einem Wort: Er wickelt einen ein. Unterbrechen kann man ihn nicht, also hat der Schwätzer meistens recht, und immer wieder hört man dann: Ja, siehst du wohl, das ist ein Kerl, der wird es zu etwas bringen, der hat immer etwas auf Lager. Paß auf, was ich dir sage . . . Dann gibt es andere Leute, die trifft man seltener. Man redet nicht viel von ihnen, denn sie selbst reden auch nicht viel. Das sind die Schweiger. Sie können über vieles reden, im Grunde genommen schweigen sie aber. Vor allem von sich. Wenn man von ihnen fortgeht, ist man nicht ver wirrt und benommen wie bei dem Schwätzer. Was soll man nun tun, wenn man mit einem Schwätzer zusammentrifft? Sehr einfach: Was tut man beim Feuer- werk? Man schaut zu. Es knallt und leuchtet und die Sterne fliegen, es ist aber über kurz oder lang — worauf man sich verlassen kann — aus und hat keinem wehgetan. Es ist noch nie passiert, daß eine knallfarbige Rakete am Himmel stehenblieb und weiter strahlte. Man denke also: Knalle, kleine Rakete, und stelle währenddessen fest, daß ein Raketenschütze noch nie ins Zentrum geschossen hat. Und wenn man den Schweiger trifft? Dann rede man, bis er schießt. Und sehe zu, wie er es macht. Er hat meistens eine eigene Art, zu zielen, zu schießen — und zu treffen. Außerdem ist der Schweiger, das wußten unsere Eltern urrd Ahnen schon, und nur wir haben es heute zur Zeit des so genannten Tempo vergessen, immer der Klügere, auch wenn er der Dümmere ist. Lernen kann man von ihm stets, und wenn es nur das Schweigen ist. Kümmern wir uns mehr um die Schweiger. Es wird heute so unendlich viel geredet. Die Raketen hängen uns schon aus dem Halse heraus — bildlich gesprochen natürlich. Tabakdiät — für Hühner. Zu diesem erstaunlichen und unerwarteten Ergebnis führten, wie eine New-Porker Zeitung mitteilt, Experimente, die am Staatlichen Institut von Pennsylvania angestellt wurden. Und zwar konnte man dort die Beobachtung machen, daß jene Hühner, bei denen die sogenannte Tabak diät angewendet wurde, größer und auch gesünder wurden als die anderen. „Zunächst mögen", schreibt das Blatt, „Raucher sich über die Erfahrungen nicht lustig machen; denn die Wirkung des Tabaks, der in Rachen und Bronchien kommt, unterscheidet sich wesentlich von jener des frischen Tabakblattes, das in den Magen gelangt. Während näm lich für den Menschen das Nikotin ein Stimulans für Blut und Nerven bedeutet, ist es in der Diät für Hühner ledig lich ein Desinfekttonsmittel, das sich durch den ganzen Kör ver des Tieres durchtreibt, aber glücklicherweise den Ge schmack des Fleisches und der Eier nicht im geringsten be- influßt. Die Tabakdiät hat — nach den Erfahrungen des Staatliches Instituts von Pennsylvania — den ungeheuren Lorteil, daß sie die Hühner vor parasitischen Infektionen schützt, die dadurch akquiriert werden, daß die Tiere selb ständig auf Nahrungsraub ausgehen. Die interessanten Versuche haben jedenfalls ergeben, daß ein hoher Prozentsatz von Nikotin das Geheimnis der Wirksamkeit der Tabakdiät ist. Ob in den einzelnen Fällen er gesünder werden. ein höherer oder niederer Prozentsatz von Vorteil ist und mit welcher Nikotinmenge die besten Resultate erzielt wer den können, darüber sind sich die Experten noch nicht klar. Jedenfalls sind mit Tabakblättern gefütterte Hühner größer und gesünder als die anderen und eignen sich auch besser »um Braten. Ob das stärkere Wachstum lediglich auf den Nikotingenuß zurückzuführen ist, ist bis jetzt noch nicht er wiesen, aber eines steht mit Sicherheit fest: daß das Nikotin den Spulwurm, einen Parasiten, tötet, wodurch die Hühner Da ist guter Rat teuer. Zu dem seiner Zeit bekannten Arzt Bienrire in Paris kam einstmals ein kranker Mann, der tieftraurig berichtete: „Ich bin ein Mensch, der zu viel von der Giftspeise der Schwermut genossen hat. Können Sie mir ein wirksames Mittel gegen die unheimliche Krankheit verschreiben?" Bien rire, der das Melancholieleiden des sonderlichen Pattenten klar erkannte und der ein lustiger, kluger Mann war, ent gegnete: „Mein Lieber, Sie müssen alle Tage Ihres Lebens gutes Fleisch und nahrhaftes Gemüse essen und alten, edlen Rebensaft dazu trinken!" Der Mann erwiderte: „Ich esse und trinke genug. Wissen Sie kein vernünftigeres Rezept, Doktor?" — „Hm, hm", erwiderte dieser. „Wenn Sie Ihre Mahlzeit verzehrt und den Wein getrunken haben, sollen Sie ein Stündchen schlafen und dann in den tannenduften den Wäldern sich langsam ergehen." — „Das tue ich reichlich und täglich", antwortete der Patient. „Aber um Gottes willen, ist Ihnen kein besseres Mittel gegen das fressende Uebel in meiner Brust bekannt? Sie sind meine letzte Hoff nung! Aufrichtige Freunde wiesen mich zu Ihnen, dem be rühmten Psychologen und Arzt!" Und da er dies verzweif lungsvoll sprach, glänzten seine schönen Augen, die eine bedeutende, große Seele verrieten. Der Arzt trat jäh einen Schritt zurück; er wunderte sich füglich über das Benehmen des sonderbaren Kranken. „Ja. ja; da ist guter Nat sehr teuer", meinte er. „Doch halt", fuhr er fort, „noch eines letzten Mittels bin ich mir bewußt. Wenn auch das nicht hilft, bin ich mit meinem Latein zu Ende. Heute abend wird im . . .-Theater ,Der Geizige' von Möllere gegeben. Nach des Tages ernster Arbeit gehe ich mit besonderer Lust und Freude zu den Aufführungen unseres großen Lustspiel dichters. Kommen Sie mit! Vielleicht werden Sie, wenn Sie Moliöres Geist in der Rolle des Geizigen verkörpert sehen, sich gesund lachen!" Der Arzt blickt gespannt auf das tiefernste Antlitz des Mannes, der jetzt vor unbegreif licher Aufregung zu zittern begann. Dann erwiderte der Besucher hilflos: . . Ich bin Moliere!" Fräulein Henry in Hosenrolle. Fräulein Henry in Haywards in Sussex hat ihre Stel lung verloren. Sie war in einer Apotheke tätig — und gut angeschrieben. Das wäre nichts besonderes, fragt sich nur — warum? Da war ein Tanzvergnügen. Fräulein Henry ging frohen Herzens mit ihrem Verlobten hin. Sie hatte gerade eine Gehaltszulage erhalten, und das Tanzvergnügen fand nicht in ihrer Heimat, sondern in Brighton, dem Lon doner Heringsdorf, statt. Bei dem Ball trug sie ein neues Kostüm, eine Art von Ballpyjama, kurzum sie trat in einer Hosenrolle auf und machte Furore, so sehr Furore, daß sich die Presse interessierte. Eine Zeitung brachte Bild und Namen der niedlichen Pvonne Henry. Sei war glücklich. Welches Mädchen wäre unglücklich, wenn ein hübsches Kleid Eindruck macht? Aber der Apotheker war nicht glücklich, als er die Zei tung las. Er setzte sich hin und schrieb einen Brief. Ihr Erscheinen in einem solchen Kostüm verletze seine Gefühle, und er müsse auf ihre Dienste verzichten! Pvonne hat prompt eine neue Stellung bekommen. Aber der Apotheker in Hay wards Heath ist ein berühmter Mann geworden^ Sonst wäre hier nicht von ihm die Rede. Täuschende Ähnlichkeit. Unterhielten sich da neulich zwei Einbrecher miteinander „Bill", sagte der eine zu seinem Sozius und Berufs kollegen, „Bill, ich glaube, ich brauche eine Brille." „Eine Brille, wieso?" „Tja, als ich neulich an der Arbeit war, da drehte ich ar einem Knopf an etwas, was ich für einen Geldschrank hielt und plötzlich hörte ich Tanzmusik." Sonntags -Beilage 2 ° ,, Pulsnitzer Tageblatt m - ° Druck und Berlag von E. L. Förster« Erben (Inhaber: I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz rode« gibt es zwei, darlo«e« Sich der Mana bewähre« muß: Bei der Arbeit recht Beginne«, Beim Genießen rechter Schloß Emanuel Geibel Sonntagsgedanken Viele Menschenseelen sind wie Landläufer, die keine Heimat haben, keinen eigenen Herd, zu dem sie in der Drangsal des Lebens zurückkehren und an dem sie rasten und ruhen können. Die Menschen, denen sie angehören, sind nie bei sich selbst zu Hause, sondern immer draussen auf der Straße, landstreichern in fremden Gebieten her um, leben geistig von anderen und fühlen sich oft noch wohl dabei. Und doch soll jeder Mensch eine eigene geistige Heimat haben, von der Segen auf sein Leben ausgehen soll. Es geht auch durch unsere Zeit ein starkes Sehnen nach einer solchen eigenen geistigen Heimat hin durch. Weil die Menschen um uns her täglich fremder und kälter werden, weil die christlichen Ueberzeugungen und Lebensgrundsätze in der Oeffentlichkeit immer mehr zurücktreten, wird das Heimweh nach einem warmen, friedlichen Herde im eigenen Innern immer größer. Aber viele finden keinen Weg in sich hinein und erkennen immer mehr, daß sie im Getriebe des Alltags und in dem Lärm und Getöse des äußeren, oft so äußerlichen Lebens die Heimat ihrer Seele verloren haben. Sie haben gemeint, daß ihnen diese Heimat niemals verloren gehen könne, daß sie vielmehr für immer ihr fester Besitz blei ben werde. Ach, sie wußten ja nicht, daß sie selber an dieser inneren Heimat hätten bauen müssen; sie hatten keine Ahnung davon, daß wir auch an unserm Innern arbeiten müssen und daß in unserm Innern nichts von selber wird. Sie mögen durch die höchsten Schulen ge gangen sein, die sich rühmen, die ganze Bildung unserer Zeit zu vermitteln. Aber sie haben in ihnen nichts davon gehört, daß es keine höhere Lebensweisheit gibt, als sich ein geistiges Haus zu bauen, in dem man bei allen Stürmen des Lebens sicher und zufrieden und glücklich wohnen kann. Es ist ihnen dort nichts davon gesagt worden, daß es für den Bau ihrer Seelenheimat keine verläßlichere Grundlage gibt als den christlichen Glauben und keine dauerhafteren Eckpfeiler als die christliche Selbstzucht, Nächstenliebe, Genügsamkeit und Demut. Sie haben viel Wissen in sich ausgenommen, aber sie haben doch nicht gelernt, wie sie ihr Herz und ihre Seele bilden können, um innerlich froh und stark zu werden. Von der Weisheit der Inder, von der Denkarbeit der Griechen, von der Staatsklugheit der Römer, von den Großen der Weltgeschichte und der Geschichte des Geisteslebens, von den technischen Erfahrungen und Erfindungen unserer Zeit haben sie gehört —von den einfachsten Dingen der menschlichen Seele, deren Gesundheit und innere Kraft doch die Voraussetzung alles gedeihlichen menschlichen Wirkens und Schaffens ist, aber hörten sie nichts. Darum sind sie bei allem äußeren Wissen und Können innerlich so verarmt und vereinsamt. Und wenn sie nicht auf dem Schoße ihrer Mutter oder aus dem Munde eines frommen Vaters, Lehrers oder Seelsorgers von den heiligsten Persönlichkeiten und Dingen gehört haben, dann sind sie bettelarm trotz ihres Wissens und haben nichts, was ihnen helfen und sie stärken kann in den schweren Nöten unserer Zeit. Der Weltkrieg hat die Seelen von Millionen von Menschen verwüstet. Darum ist es eine der dringlichsten Aufgaben unserer Zeit, das Seelenleben im Menschen wieder aufzubauen. Aber wie wenig geschieht doch leider auf diesem Gebiete! Der Staat tut für edle, religiös begründete Herzensbildung heute viel weniger als er vor dem Kriege tat, und in der sogenannten höheren Gesell schaft, unter den sogenannten Gebildeten, ist es Brauch geworden, allen möglichen neumodischen Weltanschau ungen Gehör zu leihen und die Arbeit der ihren Mit menschen mit dem alten Evangelium dienenden Seelsorger abschätzig zu beurteilen und spöttisch zu belächeln. Die große Masse aber ist hierin eine aufmerksame Schülerin der sonst von 'ihr gehaßten höheren Gesellschaftsschichten und geht in ihrer Torheit noch weiter als diese, indem sie allen Glauben für Unsinn erklärt. Man braucht sich darum nicht zu wundern, wenn es imtner weiter abwärts mit uns geht. Die Seelenverfassung der Menschen ist das, was schließlich den Ausschlag gibt; wenn sie nicht gehoben wird, dann ist der Untergang unseres Volkes, ja des ganzen Abendlandes unvermeidlich. Wir wollen nicht warten, bis es zu spät ist, sondern wollen handeln. Bei uns selber wollen wir anfangen. Wir wollen an jedem Morgen, den wir erleben dürfen, daran denken, daß wir eine Seele haben, die wir nicht geringschätziger behandeln dürfen als unfern Leib, für den wir oft so viel tun. Wir wollen lins nicht von dem Winde der ost so törichten öffentlichen Meinung hin und her wehen lassen, sondern wollen selbst denken und nachdenken über die Quellen unseres Lebens. Wir wollen mit unserer Seele'Zwiesprache halten und täglich trinken aus dem ewigen Jungbrunnen der Heiligen Schrift, gegen dessen strömendes Lebenswasser der Inhalt aller anderen Bücher nur ein träge fließendes, trübes Rinnsal ist; wir wollen wenigstens ein Stündlein des Tages im Gemach unserer Seele bleiben, damit unser Gott zu uns kommen und mit uns reden kann. Denn Gott ist immer unterwegs zu allen Menschen, wir müssen nur daheim sein, wenn er kommt. Wenn Tausende landstreichern rind hin und her irrlichtern, so wollen wir wenigstens daheim sein, unr unsern Gott die Türe unserer Seele aufzutun und aus seiner Fülle zu nehmen Gnade um Gnade. H. B. Radeberg, die Stadt im Rödertale Radeberg, den Namen kennt man wohl weit und breit, weit über Deutschlands Grenzen hinaus, denn Radeberger Pilsner wird überall getrunken, wo man Sinn für einen guten Trunk hat. Sonst aber ist die