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Nr. 206 Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, oen 4. September 1931. Seite 3. Die Leipziger Herbstmesse 1931 Da« Gade der Herbstmesse Leipzig, 3. S-Ptember. Die gesamte Messe ist am Donners« tag planmäßig geschlossen worden. Die Ansichten darüber, ob eS not wendig und oamtt richtig war, sie überhaupt zu eröffnen, gehen weit auseinander. Mau hat sich aber mit der Tatsache abzufinden, daß im Krisenherbst 1931 eine Leipziger Messe durchgeführt wurde. Wer ein besseres Ergebnis erwartet hätte, als er bei ernstlicher Bemühung hat erzielen können, wäre nicht wert, Kaufmann genannt zu werden. Selbst das Leipziger Meßamt sagt in einem abschließenden Bericht höchst zart: „Aussteller und Einkäufer waren zu, äußerst vorsichtigen Dispositionen sowohl in der Annahme von Aufträgen alter und neuer Kunden als auch in der Erteilung von Aufträgen gezwungen. Aehnliche Schwie rigkeiten standen dem Export auch auf ausländischen Märkten entgegen. Die Nachfrage richtet sich vor allem auf Artikel des lebensnotwendigen Bedarfs." — Die wirtschaftliche Bedeutung der Leipziger Messe ist nicht zu verkennen: wenn über die Leipziger Herbstmesse im Notjahr 1931 die Akten vorläufig geschlossen werden, so geschieht das mit dem Wunsche, daß die Frühjahrsmesse 1932 das Morgenrot einer besseren Wirtschaftslage bei einigermaßen zu übersehenden Bedarfs» und Geld- Verhältnissen uns leuchten lassen möge. Großsender Leipzig. Nun sind bei Wiederau die ersten Spatenstiche zum Großsender Leipzig getan worden. Hier wurde aus dem Besitze des Rittergutes ein größerer Geländestreifen erworben, auf dem die Senderanlage entstehen soll. Vor gesehen sind zwei hölzerne Funktürme mit einer Höhe von 125 Metern. Außerdem wird das Werk die Maschinen anlagen, Büro- und Wohnräume enthalten. Die ersten Arbeiterkolonnen haben mit der Geländeregulierung und den Ausschachtungsarbeiten begonnen. Es war vorgesehen, daß die Anlage etwa im März nächsten Jahres fertig- gestellt sein würde. Ob sich dieser Zeitpunkt noch auf- rechterhalten lassen wird, hängt stark von der Witterung ab, die wir im Herbst und Winter haben werden. Technisch wird damit der Mitteldeutsche Rundfunk in die Reihe der ersten deutschen Sendestationen eingegliedert werden. Auch wenn zunächst die Sendestärke von 150 Kilowatt nicht voll ausgenutzl werden sollte, würde der Großsender Leipzig die großen deutschen Sender Königswusterhausen und Mühlacker noch übertreffen. Der Sächsische Lehrerverein zum Schulabbau Der Sächsische Lehrerverein hat mit steigender Besorg nis die Pläne verfolgt, die auf einen weitreichenden Schul- und Kulturabbau hinzielcn. Gewiß ist in einer Krisenzeit, wie wir sie jetzt erleben, das Jntnesse der Oeffentlichkeit in erster Linie darauf gerichtet, die materielle Not zu beseitigen. Zur körperlichen Not soll nummhr auch noch eine geistige Not treten. Die Volksschullekrerschast, von dem Gefühl ihrer Verantwortung für die geistige Ausrüstung des jungen Geschlechts durchdrungen, fühlt sich verpflichtet, durch einen Alarmruf auf die großen Gefahren aufmerksam zu machen, die der Schule droben. Der Vorstand des Sächsischen Leh rervereins ist am Sonntag in Dresden versammelt gewesen und hat folgende Entschließung gefaßt: „Der Vorstand des Sächsischen Lehrervereins wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen die von Vertretern deut scher Städte, vom Reichsverband der deutschen Industrie und vom Landesverband Sachsen des Reichsbundes der höheren Beamten geforderten Abbaumaßnahmen im Volksschulwesen, für die durch die neue Notverordnung die Bahn frei gemacht worden ist. Industrielle und Generaldirektoren, die Hunderttausende als Jahreseinkommen beziehen, Wirtschastsführer, die Milli arden deutschen Volksvermögens fehl geleitet haben, höhere Beamte, die durch Anbiederung bei der Schwerindustrie selbst süchtige Klassenpolitik betreiben, haben kein Recht, dem ver armten Volke Sparmaßnahmen zu diktieren. Und doch fordern sie, rücksichtslosen Kulturabbau. . Sie verlangen, daß überfüllte Volksschulklassen mit 40 bis 50 Schü lern gebildet werden, daß der Unterricht für Volksschüler eingeschränkt wird, daß die Lernmittelfreiheit nicht einmal mehr für Min derbemittelte aufrechterhalten, daß wahlfreier Unterricht in Fremdsprachen, Kurz schrift, Schwimmen usw. eingestellt, daß die Berufsschule weithin abgebaut, daß die Volksschullehrer sozial herabgedrückt und ihre Vorbildung verschlechtert, daß das Schulgeld erhöht und damit den begabten Kindern minderbemittelter Kreise die höhere Schule gesperrt wird. Dieselben Kreise sind aber bereit, Millionen für den Bau von Panzerkreuzern, Hunderte von Millionen zur Unter stützung heruntergewirtschasteter privatwirtschaftlicher Groß betriebe und des ostelbifchen Großgrundbesitzes aus öffent lichen Mitteln zu bewilligen. Das Volk, das heute zu Millionen darbt und hungert, soll auch in seiner Bildung niedergehalten werden. So will es das Klaffenintereffe der führenden Oberschicht, deren Diktat sich auch heute die Regierungen beugen. Eine gerechte und von sozialer Verantwortung ge tragene Regierung muß solchen volksfeindlichen Bestrebungen mit allem Nachdruck entgegentreten Der Sächsische Lehrerverein warnt in letzter Stunde vor der Verwirklichung dieser unheilvollen Pläne." Mr kurze SerbstüSungen -er Nolle. Bremen. Nachdem nach Beendigung des Flotten-Artillerie- schießens die Schiffe in den Heimathäfen eine kurze Ruhe pause hatten, beginnen nun die Herbstübungen der Reichs marine. Sie finden wie alljährlich Anfang September wieder in der Ostsee statt. Aus Ersparnisgründen sind die Uebungen auf eine Woche gekürzt worden. Hitler zu den Braunschweiger Ereignissen München. Die Pressestelle der NSDAP, veröffentlicht zu den Braunschweiger Porkommnissen, die zum Austritt Or. Franzens und des Abgeordneten Groh aus der Partei führten, die Stellungnahme Adolf Hitlers. In der Hitlerschen Erklärung heißt es «nter anderem: Minister Franzen, der sein Ministeramt niederlegte, weil er unter den obwaltenden Umständen an eine dem deutschen Volke nützliche Ausübung des Postens nicht mehr glaubte, hat, nachdem die Partei- leitung sich für eine Neubesetzung seines Po stens entschied, seinen Austritt aus der Partei erklärt, ebenso der seines Amtes als Fraktionsführer enthobene Par teigenosse Groh. Adolf Hitler ist nicht gewillt, aus persönlichen Erwägungen einzelner eine Machtposition aufzugeben in dem Augenblick, in dem durch die jüngsten Notverordnun gen den Regierungen der Länder eine geradezu diktatorische Stellung und Machtfülle gegeben wurde. In diesem Augen blick sich selbst ausschalten, würde die Beteiligung an einer Neuwahl in Zukunft als überflüssig erscheinen lassen. Nicht die amtierenden Parteigenossen haben Pflichten, sondern ihre Wähler besitzen auch Rechte. Die Millionen Menschen, die der nationalsoziali stischen Bewegung durch ihre Wahlstimme das Vertrauen aus- drücken, tun dies nicht, um in der schlimmsten Stunde ihr Schicksal ausschließlich fremden Parteien ausgeliefert zu sehen. Aus dieser Ueberzeugung heraus hat der Führer seine Ent scheidung getroffen. Mr ein Minister in Vraunschweig. Dr. Franzen endgültig zurückgetreten. Durch eine Verordnung des Braunschweigischen Staatsministeriums ist nunmehr bestimmt worden, daß die Leitung des Staatsministeriums vorläufig nur noch aus einem Minister besteht. Der Landtag ist berechtigt, zwei Minister zu wählen. Tie neue Sparverordnung läßt den Landtagsabgeordneten, die zwei Minister für notwendig halten, die Möglichkeit offen, einen zweiten zu wählen. Auf Grund dieser Verordnung Hal Minister Franzen nunmehr seinen Rücktritt endgültig vollzogen. Naiurallieferungen für Erwerbslose? Im Reichsmini st eriumfürErnährungund Landwirtschaft fand Donnerstag nachmittag eine Be sprechung zur Prüfung und Vorbereitung der Naturalliefe rungen an Erwerbslose statt. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob die Unter stützungen in Naturalien für Erwerbslose überhaupt rechtlich zulässig seien. Daß dies durchaus der Fall ist, geht aus dem Wortlaut des 8 109 Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermitt lung und Arbeitslosenversicherung hervor, der besagt: „In besonderen Fällen kann die Arbeitslosenversicherung ganz oder teilweise in Sachleistungen gewährt werden." Oie Wiedereröffnung der Börse. «2 Börsenkommissare setzen die Kurse fest. — Ueberall große Kursverluste. Mit größter Spannung sah man der Eröffnung der cffektenbörse am Donnerstag entgegen. Die Börsensäle wa- en stark besucht. Trotzdem stach das Treiben der Börse von onstigen großen Tagen ab; denn der vorbörsliche Effekten- »erkehr, der der Börse jeweils das Gepräge gab, fehlt, weil n jedem Papier nur ein Einheitskurs festgestellt wird. Man »«schränkte sich deshalb in der Hauptsache darauf, sich über die »orausstchtliche Entwicklung der Börse zu unterhalten, und »ersucht an Hand der eingehenden Kauf- und Verkaufsauf- räge abzuschätzen, wie wohl die Kurse werden würden. Vas Angebot überwog von Anfang an. Die offizielle Kursfestsetzung vollzog sich sehr langsam, la zu jeder Notierung ein Börsenkommissar hinzugezogen vurde. Da an der Berliner Börse rund 2000 verschiedene kffektenkurse notiert werden und hierzu nur 22 Börsenkom- nissare zur Verfügung stehen, so wird man die Mühe der Arbeit ermessen können, die zu leisten war. Die Lage am festverzinslichen Markt war ver hältnismäßig gehalten, wenngleich die Kurse, die man in den letzten Tagen als Schätzungen erwartet hatte, nicht erreicht vurden. — Aus den Aktienmärkten herrschte über- viegend große Enttäuschung. Man begann zunächst mit der Kotierung der großen Werte. Es zeigte sich bald, daß über wiegend nur ein geringer Teil des vorliegenden Angebots Aufnahme finden konnte und daß die Aufnahme dieses An gebots nur mit schweren Kursverlusten möglich war. Fest allgemein betrugen die Rückgänge an den Aktienmärkten 20—33 Prozent des Kursstandes vom 11. Juli. Wo sich die Notwendigkeit ergab, die Notierungen noch veiter zu senken, wurde schließlich zu Streichungen zefchritten. — Auch internationale Werte zeigten gegenüber den letzten Kursen stärkere Rückgänge, vor illeni Svenska 200 (225). Entschließungen des Gewerkschaftskongresses. Frankfurt a. M. In einer Entschließung wurden die auf dem Frankfurter Gewerkschaftskongreß zum Ausdruck gekom- menen Forderungen zusammengefaßt. Es heißt darin u. a.: Angesichts der wachsenden Not der Bevölkerung erfordert das Gemeinwohl die Erhaltung der öffentlichen Un ternehmungen und ihren alleinwirtschaftlichen Ausbau. In einer weiteren Entschließung protestiert der Kongreß geg.en die Drosselung des Wohnungsbaues und fordert von den Gemeinden eine weitsichtige Bodenvor ratswirtschaft und den nachdrücklichen Kampfgegenden Bodenw nch e r. Das unerbittlich« Frankreich. Ls verhindert amerikanische Zahlungen an Deutschland. Washington. Wie aus einer Erklärung des ameri kanischen Unterstaatssekretärs La st le hervorgeht, steht Frankreich als einziger Staat der amerikani schen Absicht im Wege, auf Grund anerkannter aus der Kriegszeit stammender Ersatzansprüche von Privatpersonen sofort die Summe von neun Millionen Dollar an Deutsch land zu zahlen und weitere neun Millionen Dollar binnen kurzer Frist. Castle teilte mit, daß der amerikanische Botschafter in Paris, Edge, in Besprechungen mit dem französischen Mi nisterpräsidenten Laval die Erlaubnis Frankreichs zu» sofortigen Fortgang dieser amerikanischen und deutsche« Zahlungen zu erwirken suche. Obwohl die anderen Signatar- mächte'des Young-Plans ihre Zustimmung bereits gegeben hätten, habe sich Frankreich bisher nicht dazu entschließen können. Ende -er Diktatur in Südslawien. Eine neue Verfassung. — Kundgebung des Königs Alexander. Belgrad. In einer Sitzung der neugebildeten Regierung, die unter dem Vorsitz des Königs Alexander tagte, Verla der Hofminister die neue Verfassung. Die neue Verfassung sieht für Südslawien Senat und Parlament vor. Für de« Senat wird bestimmt, daß der König die Hälfte der Senats« König Alexander von Südslawien Mitglieder ernennt, und daß die andere Hälfte vom Boldt gewählt wird. Das passive Wahlrecht haben allt über 4 0 Iahre alten Bürger. Für das Parlament, das mittels eines gleichen und direkten Wahlrechts gewählt wird, haben das passive Wahlrecht alle Bürger, die daM 30. Lebensjahr überschritten haben. Alle Bürger besitzen vom 21. Lebensjahr an das aktive Wahl recht. Die Grundzüge der neuen Verfassung sind folgender Jugoslawien ist Königreich mit der Dynastie Karageorgevitsch. Die Amtssprache ist kroatisch, serbisch und slowenisch. Di« Verfassung sieht sämtliche Bürgerrechte vor, wie sie in den westlichen Demokratien vorhanden sind. Das Land wird wie bisher in neun Banats eingeteilt. DieBanats ge nießen weitestgehende Autonomie. Absolut« Freiheit der Presse und Unantastbarkeit der Wohnungen und der Briefe ist vorgeschrieben. Das Amtsblatt veröffentlicht gleichzeitig eine Kund« gebung des Königs an das Volk anläßlich der Abkehr von der Diktatur und der Rückkehr zum System der parlamen tarischen Demokratie. König Alexander bezeichnet darin die Wahrung der staatlichen Einheit und des Volksganzen als höchste Pflicht seiner Herrschertätigkeit. Sie sei auch der Beweggrund bei der Schaffung der Diktatur gewesen. Die Schwierigkeiten und Gefahren seien damals groß und ernst gewesen, und das ganze Volk habe eingesehen, daß der König für seine Entschlüsse schwerwiegende Beweggründe gehabt hätte. Die großen Tugenden des südslawischen Volkes hätten sich in dieser historischen Zeitepoche bewährt« Generalstreik in Barcelona. .Dem Generalstreik in Barcelona haben sich etwa 300 000 Arbeiter angeschlossen. Die Untergrund- und Straßenbahn, Autobusse verkehren nicht. Sämtliche Fa briken liegen still, und die meisten Geschäfte haben aus Furcht vor Plünderungen geschlossen. Bei Zusammenstößen zwischen Streikenden und der Polizei wurden eine Per son getötet und vier schwer verletzt. Die Behörden haben Lastwagen gemietet, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln aufrechtzuerhalten. In einem Dorf bei Barcelona versuchten Streikende, die Kirche in Brand zu stecken. Kommunistischer Klottenaufruhr in Ehile. Die Regierung zurückgctrcten. — Verhängung des Belage rungszustandes. Santiago. Nach Meldungen befinden sich die chilenisch« Hauptstadt und das ganze Land in ungeheurer Aufregung wegen der Meuterei der chilenischen Kriegsflotte in ihrem Winterhafen Eoquimbo, die bereits zum Sturz der Regie rung geführt hat. Die Matrosenrevolte trägt ausgesprochen kommunistischen Charakter. Ein mit 48 Stunden befristetes Ultimatum der Meuterer fordert Teilung des Eigentums nach kommunistischen Grund sätzen. Das Kabinett und der amtierende Präsident Trocco sind zurückgetreten. Die Führer der roten Matrosen be finden sich an Bord des Schlachtschiffes „Almi- ronto de la Torre", des stärksten und modern- sten Kriegsschiffes Südamerikas, das mit zehn 14-Zoll-Geschützen armiert ist. Gerüchtweise verlautet, daß die meuternde Flotte, die außer dem Schlachtschiff aus einem Kreuzer und sieben Torpedobooten besteht, nach Valparaiso in See gehen und die Stadt bombar dieren werde, falls das Ultimatum nicht angenommen wird. Die Regierung plant, Flugzeuge gegen die Flotte einzusetzen. Der Kongreß hat die Verhängung des Belagerungszustan des beschlossen. Militärpatrouillen durchziehen die Straßen Santiagos. —. —> Rückfahrt des „Graf Zeppelins Graf Zeppelin ist in Pernanibuco startbereit zur Rück fahrt. Die Passagiere wurden aufgefordert, sich bereitzu halten. Die Abfahrt wird für 2 Uhr MEZ. erwartet.