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Nr. 806. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, oen 4 September 1031. zu verzichten. Ur. Curtius hat aber trotzdem, und zwar wohl auf Grund der vorher getroffenen Vereinbarungen, die Er klärung abgegeben. Die deutsche Delegation erklärt, daß sie noch nicht übersehen kann, wie sich die Verhandlungen im Völkerbundsrat über die Zollunion abspielen werden. Man rechnet offenbar in der Führung der deutschen Delegation noch mit weiteren Auseinandersetzungen mit Frankreich. Die ersten Prefsestimmen zum Verzicht auf die Zollunion Don den Berliner Abendblättern nehmen vorläufig nur wenige zu dem 'in Genf ausgesprochenen deutsch-österreichischen Verzicht auf den Zollunionsplan Stellung. In einem mit „Eine schwere Stunde" überschriebenen Artikel sagt die „Germania" u. a.: Wenn den Tatsachen entspricht, was aus verschiedenen Genfer Quellen bekannt wurde, daß mehrere deutsch österreichische Formeln für die Berzichterklärung vor gelegt und von den französischen Vertretern als unzu reichend verworfen worden sind, so haben wir es zweifel los mit einem Schritt zu tun, der ausschließlich unter französischem Druck erfolgt ist. Die deutsch-öster reichische Verzichterklärung ist an eine bestimmte Voraus setzung, gewissermaßen an eine Bedingung geknüpft wor den. Beide Außenminister gehen in ihren Erklärungen von dem Gutachten aus, welches der Koordinations-Aus schuß dem Europa-Komitee vorgelegt hat und in dem von der Notwendigkeit zollunionistischer Angleichungsbestre bungen in Europa die Rede ist. Sollte dieser erneute Kollektivversuch wiederum zum Scheitern verurteilt sein, so tritt der deutsche und der österreichische Anspruch auf zollpolitische Selbsthilfe jedenfalls wieder unvermindert in Kraft. — In einem kurzen Kommentar erklärt der „Lokalanzeiger", es sei nach der Rede des deutschen Außenministers nur die Frage zu stellen: Melange will das Kabinett diese Art der Führung unserer Außenpolitik mitmachen und wann tritt das Kabinett zurück? — Der „Deutsche" schreibt: Seit dem Bekanntwerden der so genannten Sanktionsformel erinnern wir uns nicht an eine Niederlage der deutschen Außenpolitik, die diesem schon formal unbefriedigenden Verzichte des Herrn Außen ministers des Deutschen Reiches gleich käme. Aber unsere Objektivität zwingt uns zur Feststellung, daß die Außen politik des Herrn Curtius für diesen Fehlschlag der deutschen Politik nicht verantwortlich ist. Pariser Prefsestimmen zu den Erklä rungen von Schober und Curtius Die Erklärungen, die Vizekanzler Schober und Reichsaußenminister Dr. Curtius am Donnerstag vor mittag vor dem Europa-Ausschuß des Völkerbundes ab gegeben haben, werden in der Pariser Abendpresse im allgemeinen mit Genugtuung ausgenommen. Der „Temps" hält es für vollkommen gleichgültig, welche Gründe Schober für diesen Entschluß in den Vordergrund stelle, und betont, daß die Hauptsache der Verzicht auf die Weiterführung des Planes sei und die Tat sache, daß sich die Reichsregierung der österreichischen anschließe. — Die „Liberte" macht Oesterreich und Deutschland für das gegenwärtige Chaos in Europa ver antwortlich, weil allein der deutsch-österreichische An schlußgedanke das Vertrauen vernichtet habe. Die Reichs regierung und die österreichische Regierung, die geglaubt hätten, die Macht und das Ansehen Frankreichs durch ihr plötzliches Vorgehen zu verringern, seien heute ge zwungen, sich wieder Frankreich zuzuwenden, da von hier allein Hilfe kommen könne. — Der sozialisti sche „S o ir" unterstreicht, daß nur der Vertrag von St. Germain und das Protokoll von 1922 Oesterreich untersagten, seine Selbständigkeit an irgend eine andere Macht zu binden, daß aber das Protokoll mit dem Ab lauf der Kreditfrist ungültig werde, ebenso wie der Ver trag von St. Germain einer Revision unterzogen werden könne. Diese Möglichkeit sei jetzt sogar größer denn je. Aber es werde, so fährt das Blatt fort, eine Stunde kommen, in der die augenblicklichen Verträge ebenso unhaltbar erscheinen würden wie seinerzeit diejenigen aus dem Jahre 1815. Sie seien lediglich der Ausdruck eines augenblicklich enMachtverhältnisses. Sowjetrusfische Stimmen zum Verzicht auf die Zollunion Die Sowjetpresse beschäftigt sich ausführlich mit der Behandlung der Zollunionsfrage im Europa-Ausschuß. Die „Iswestija" und die „Prawda" schreiben, die Nieder lage der Wiener und Berliner Diplomatie in der Frage der Zollunion sei nur auf schärfsten wirtschaftlichen Druck des französischen Kapitals zurückzuführen, das sich bemühe, um jeden Preis die Alleinherrschaft auf wirtschaftlichem Gebiet zu erhalten. Der Zusammenbruch des Zollunionsplanes werde in der politischen und wirt schaftlichen Lage Europas keine Entspannung bringen. Es werde sich zeigen, daß der Versuch, das Zollproblem andere Weise zu lösen, etwa in Gestalt einer deutsch französischen Zollunion oder eines Paneuropa vollständig Unmöglich sei. Stimson über seine Europareise Der amerikanische Staatssekretär Stimson, der am Donnerstag von seiner Europareise zurückkehrte, erklärte nach einer Meldung Berliner Blätter aus Neuyork, sein Besuch habe seine höchsten Erwartungen noch übertroffen. Er habe wertvolle Beziehungen zwischen den einzelnen europäischen Politikern hergestellt. Mit der Londoner Konferenz habe Deutschland Vertrauen und Mut wieder gefunden. Ermutigend sei es, in welchem Geiste sich die Staatsmänner Deutschlands und Frankreichs genähert hätten. Dasselbe gelte für die Besprechungen, die die deutschen Minister mit den englischen und italienischen Kollegen gehabt hätten. Auch die innerpolitische Lage Deutschlands sei hoffnungsvoll, wenn man z. B. den Ausgang des Volksentscheids betrachte und die Tatsache, daß am Tage der Wiedereröffnung der Banken die Ab hebungen geringer gewesen seien als die Einzahlungen. Zum Schluß erklärte Stimson, er glaube fest, daß Europa das Hoover-Jahr benutzen werde, um endlich die Grund lage zu einer guten politischen Zusammenarbeit zu legen. Aus dieser Grundlage werde dann das dauerhafte Ge bäude des Friedens und des wirtschaftlichen Aufschwunges gebaut werden können. Oertliches und Sächsisches (Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.) Scheiding Nun stehen wir also schon im September, dem Scheidemonat, und täglich können wir's erleben, daß er seinen alten deutschen Namen mit Recht trägt. Sahen wir gestern einem no chin den Lüften vorüberziehenden Storchenzug sinnend nach — ist es nicht so, daß gerade ein herbstlicher Vogelzug uns unsere Erdgebundenheit immer wieder so recht deutlich werden läßt? — so werden wir vielleicht morgen oder übermorgen schon die Schwal ben vermissen, die den Sommer über unter unserem Dachrand nisteten. Auf Mariä Geburt Ziehen die Schwalben fort — und wenn sie's, wie in diesem Jahr vielerorts geschehen, schon früher tun, so sagen die vielberühmten „ältesten Leute", daß es dann einen harten und langen Winter gibt. — Auch viele andere Zeichen sollen diesmal auf harten Winter deuten: So haben durch lange Jahre hin durch die „Vogelbeerbäume", die Ebereschen — dieser schönste Schmuck unserer Alleen und Waldränder um die Herbsteszeit — nicht so voller roter Beerenbüschel ge hangen, wie diesesmal. Zwar kommt es, wie so häufig, gerade auch mit dem Wetter gern anders als man denkt: Erinnern wir uns noch, wie im vergangenen Jahre die kundigen Leute kamen und von dem „diesmal besonders frühen und dichten Winterpelz der Tiere" vorraunten und daraus einen harten Winter Prophezeiten? Und wie der Winter dann doch recht milde wurde! Immerhin spricht diesmal vieles dafür, daß die Propheten Recht behalten — und wenn der Winter uns nur nicht gar zu arg zausen wird, dann wollen wir schon zufrieden sein, wenn's mal wieder eenen winterlichen Winter geben soll. Denn auf einen guten Winter folgt ein guter Sommer und es ist schon recht, wenn jede Jahreszeit uns das ihre bringt. Milde Winter und verregnete Sommer haben wir nun nachgerade genug erlebt, und wir haben wohl alle die Sehnsucht, uns mal wieder einen Sommer lang wie die Würst'l auf der Oktoberwies'n braten zu lassen — müssen daher auch, wenn wir uns nicht so gar darauf freuen, einen Winter mit Schnee und Eis mitnehmen. — Aber das alles hat ja noch reichlich gute Weile: zu seiner Zeit werden wir's ja erleben und müfsen's ja doch neh men, wie es kommt. Wollen uns heut lieber an dem freuen, was uns der Tag bringt — wollen hoffen, daß uns der Scheiding noch recht viele Tage schenkt, an denen uns eine milde Herbstsonne scheint —? wollen uns freuen an der feuerroten Pracht der Ebereschen und des bunt- werdenden Laubes und der Tafel voller saftiger Aepfel und Birnen. — Sächsische Notverordnung — demnächst. Wie wir von zuständiger Stelle erfahren, ist die sächsische Notverordnung, die aus Grund der letzten Reichsnotverord nung über die Ordnung in den Haushalten der Länder und Gemeinden erlassen werden muß, für Ende dieser Woche zu er warten. lieber ihren Inhalt ist noch nichts endgültig bestimmt . — Neue Last für die Gemeinden? Bekannt lich scheiden zum 1. November die Heimarbeiter und Haus- gewerbeireibenden aus der Arbeitslosenpflicht aus und fallen alsdann direkt i^en Gemeinden zur Last. Da die Heimarbeit in Sachsen besonders verbreitet ist, würden die Gemeinden also eine neue unerträgliche Last zu übernehmen haben. Der Gemeindctag hat sich schon vor einiger Zeit hiergegen gewandt, und es besteht die Möglichkeit, daß für Sachsen Ausnahmen bewilligt werden. Grundsteuer 1931 für Siedlungshäuser. Nach einer Verordnung des sächsischen Finanzministeriums ist für Siedlungshäuser (Kleinwohnungsvauten), für die der dritte Einheitswert niedriger als der erste Einheitswert festgestellt wird, auf Antrag die Grundsteuer für das Rech nungsjahr 1931 auf dem Erlaßwege bis auf den Betrag herabzusetzen, der sich bei Zugrundelegen des dritten Ein heitswertes als Grundsteuer ergeben würde. Ein Postkuriosum. Auf einer von Döbeln i. Sa. nach Berlin geschickten Postkarte las der erstaunte Empfänger folgenden Poststempel: Döbeln i. Sa., 32. Juli 1931, 16 bis 17 Uhr. Die Post hat demnach nicht nur einen Tag mehr im Jahre gearbeitet als es überhaupt Tage gibt, sie hat auch eine ungewöhnliche Firigkeit bewiesen, da die Karte in Berlin bereits am — 31. Juli eintraf. — Eine Beratungsstelle für das Chor gesangswesen. Bei der Musikabteilung des Zentral instituts für Erziehung und Unterricht in Berlin W. 35, Potsdamer Straße 120, besteht eine mit der Interessen- ' gemeinschaft für das Chorgesangswesen in Verbindung I stehende Beratungsstelle für das Chorvereinswesen. Sie Seite 2. erteilt Behörden, Vereinen, Verbänden oder sonstigen be teiligten Kreisen in allen das Lhorgesangswesen be treffenden Fragen, besonders auf dem Gebiete der Chor literatur, der Ausbildung und Fortbildung von Chor leitern, Rat und Auskunft. — Mütterberatungen finden statt: Am Mitt woch, 9. September, nachm. 3 Uhr in Pulsnitz M. S in der Schule: Freitag, 11. September, nachm. 2,30 Uhr in Großnaundorf in Büttners Gasthof. Niedersteina. Blitzschlag. Bei dem gestern nach mittag über unsere Gegend niedergegangenen Gewitter schlug ein Blitzstrahl in die große viertorige, in den Jah ren 1919/20 erbaute Scheune von Herrn Arthur Schäfer, Erbgericht. In kurzer Zeit stand das ganze Gebäude in Flammen und sind sämtliche Erntevorräte, sowie land wirtschaftliche Maschinen vollkommen vernichtet. Der Ka- lamitose hat nicht hoch versichert und dürfte ihm und verschiedenen kleineren Wirtschaftsbesitzern, die ihre Stroh- und Heuvorräte ebenfalls dort untergebracht hatten, ein ziemlicher Schaden entstanden sein. Am Brandherde wa ren erschienen: Die Ortsseuerwehren Niedersteina und Weißbach, die Motorspritze der Firma August Günther- Niedersteina, Gemeinde Oberstcina, Freiwillige Feuer wehr Gersdorf, Freiwillige Feuerwehr Friedersdorf mit Motorspritze, Freiwillige Feuerwehr Oberlichtenau, Ge meinde Bischheim, Gemeinde Häslich, Freiwillige Feuer wehr Pulsnitz. Sämtliche Spritzen waren in Tätigkeit mit 20 Schlauchleitungen. Die Scheune ist bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt. Ohorn. Goldene Hochzeit. Herrn Gottlob Kiank und seiner Ehefrau Ernestine Alwine, geb. Herr lich, im Ohorner Rittergut ist es vergönnt, heute, am 4. September, das Fest der goldenen Hochzeit feiern zu können. Die Einsegnung des Jubelpaares fand heute in der Wohnung, Schloßgärtnerei Ohorn, durch Herrn Pfar rer Schulze statt. Der Geistliche überreichte im Auftrage des Landeskonsistoriums eine Glückwunschurkunde und als Gabe der Kirchgemeinde eine Schäfer'sche Bilderbibel. Herrn Kiank, der heute noch Dienst als Diener versieht, und seiner Gattin unseren herzlichsten Glückwunsch! Möge ihnen ein sonniger Lebensabend beschieden sein! Kamenz. Auf dem gestrigen Wochen markt kosteten u. a.: Blumenkohl 10—35, Weißkraut 8, Rot kraut 12, Zwiebeln 15, Spinat 25, Sellerie 35, Schwarz wurzel 60, Meerrettich 60—70, Bohnen 15—20, Toma ten 15—20, Birnen 5—15, Aepfel 5—15, Reineclauden 30, Pflaumen 20—25, Wein 30—50, Holunder 10, Kürbis 5, neue Kartoffeln 3—4 Pfg. das Pfund, Kohl rabi 5—10, Staudensalat 5 und 10 Pfg. das Stück, Gurken 15—18 Pfund 1 Mark, Einlegegurken, erste Sorte 2 Mark, zweite Sorte 1.50 Mark das Schock, Gärtnergurken 15 Pfg. das Pfund, Möhren 10—15, Radieschen 6—8, weiße Rettiche 10 Pfg. das Bündel, Steinpilze 50, Gelbe Hühnel 40, Butterpilze 35, Rot- häuptchen 25 Pfg. das Liter. Bautzen. Finanzlage des Bezirksver bandes. Die Finanzlage des Bautzner Bezirksverbands beleuchtete Amtshäuptmann Dr. Sievert in der letzten Bc- zirksausschußsitzung. Danach dürften die in den Etat für Krisen- und Ausgesteuertenfürsorge eingestellten 1 400 000 Mark nicht ausreichen, da im Winter mit wesentlich Höheren Erwerbslosenziffern zu rechnen sein wird. Da gegen wird der Bezirk aus Reichs- und Staatsmitteln etwa 600 000 Mark erhalten, wogegen bei den Steuer überweisungen ein Fehlbetrag von 200 000 Mark ein- treten dürfte. Großrückerswalde. ErNteünsall. Beim Getreide schnitt kam dem Wirtschaftsbesitzer Melzer seine neben ihm arbeitende Frau, ohne daß er es merkte, der schwingenden Sense zu nahe, und die scharfe Schneide durchschnitt die Sehne des Unterschenkels der Frau. Die Verunglückte wurde ins Krankenhaus gebracht. Niederoderwitz. Tödliches Unglück vor der Schmiede. Vor einem an der hiesigen Schmiede vor beifahrenden Auto scheute das dort haltende Pferd eines Gutsbesitzers und drängte gegen die Straßenseite zu. IM gleichen Augenblicke passierte ein Motorradfahrer den Platz vor der Schmiede und fuhr dem Pferde zwischen die Beine. Der Bedauernswerte kam zum Sturz und starb an schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus. Leipzig. DieVerlusteder LeipzigerStadt- bank. Nach einer Mitteilung des Rates der Stadt Leipzig sind die von der ehemaligen Leipziger Stadt bank verbliebenen zweifelhaften Kredite jetzt soweit durch geprüft, daß ein Verlust von 4,8 Millionen Reichsmark feststeht. Ueber weitere 7 Millionen der Kredite wird demnächst berichtet werden. Es ist damit zu rechnen, daß auch sie verloren sind, so daß der bis jetzt feststehende Verlust 12 Millionen Reichsmark beträgt. Was von den weiter noch verbleibenden zweifelhaften Forderungen der ehemaligen Stadtbank abgeschrieben werden mutz, steht heute noch nicht fest. Der Rat wird aber halbjährlich Bericht über die Abwickelung erstatten, und zwar erst malig zum 1. April 1932. Der Rat äußert sich nicht darüber, welche Gesamtsumme an dubiosen Forderungen von der ehemaligen Stadtbank, der jetzigen Giro-Bank, abgegeben worden ist. schwere Gewitter über Dresden. Zwei Tote durch Blitzschlag. Über Dresden entluden sich mehrere heftige Gewitter, die besonders die Gegend des „Weißen Hirsch" heimsuch' ten. Während im Lingnerpark ein Polizeihauptwackt- meister, der sich mit seiner Frau auf einem Spaziergang befand, vom Blitze tödlich getroffen wurde, erlag ein junger Mann in der Nähe des Albertparkes im Staats forstrevier ebenfalls einem Blitzstrahl.