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Pulsnitz er Fayeblait Beilage z« Nr. 181 83. Jahrgang Donnerstag, 8. August 1931 Oer Nährstan- in Gefahr. Ein trauriges Kapitel der Landwirtschaftsnot. Roch selten hat der Monat Juli der Landwirtschaft eine solche Enttäuschung gebracht wie in diesem Jahre. Die Ent täuschung hat bereits im letzten Herbst mit der ersten Preis- fenkungsaktion der Regierung eingesetzt. Die im Inter esse der Allgemeinheit für die notleidende Land wirtschaft gewährten Unterstützungen sind von der Landwirt schaft teuer bezahlt worden. Führer der Wirtschaft haben sich noch nicht geeinigt, welche Zinssätze sie ihren Kunden, insbesondere den Land wirten, bei einem Reichsbantdiskont von 10 und Lombard zinsfuß von 15 für in Anspruch genommene Kredite be rechnen sollen, auch darüber nicht, ob ein Zinsfuß von 18 H überhaupt für die Wirtschaft tragbar ist, und schon wurde am letzten Tage des Monats eine weitere Erhöhung des Reichs bankdiskonts um 50 H dieses abnormen Satzes verkündet. Di« soll der viehproduzierende Landwirt, der durch fort gesetzte Verschuldung am Ende seiner Kraft ist, noch kurz vor seiner Ernte derartige Lasten auf sich nehmen? Er zahlt für das letzte Vierteljahr soviel Zinsen, als er in normalen Zeiten innerhalb eines ganzen Jahres überhaupt Herauswirt schaften konnte. Die Folge kann nur ein weiterer Preisdruck für diejenigen Produkte sein, die jetzt zum Verkauf gelangen müssen. Ein Blick auf die Entwicklung der Viehpreise ergibt, daß Ochsen im Vergleich zur gleichen Zeit des Jahres 1913 um 6 RM ---15 Färsen und Kühe um 8 RM -- 18 Kälber um 13 RM — ca. 25 A und Schweine um 11 RM — 20 Niedriger notieren. Noch krasser liegen die Verhältnisse, wenn man die heutigen Preise mit den dergleichenZeitdes Vorjahres vergleicht, in welcher Zeit die Stützungsmaß nahmen der Regierung mit Zustimmung aller Par teien, zur Auswirkung gelangen sockten. Der Preisrück gang beträgt innerhalb eines Jahres bei Ochsen 13 RM --- 20 bei Kühen 14 RM --- ca. 30 2L, bei Kälbern 19 RM -- 25 N, bei Schafen 14 RM — 20 und bei Schweinen, obgleich dieselben seit Juni d. I. bereits um 7 RM gestiegen sind, noch immer 18 RM — ca. 25 A. Wir stehen kurz vor der Finanzierung der Weidemast viehernte. Fast alle Weideviehmäster haben Dich lOOHig auf Kredit aufgestallt. Die Einkaufspreise waren 30 N höher als der heutige Marktpreis. Wegen Ueberschwemmungsgesahr muhte ein Teil schon in unreifem Zustande abgeliefert wer den, so daß der Erlös ohne Berücksichtigung irgendwelcher Zinsen an und für sich schon geringer ist als der Einstandspreis. Für die Finanzierung der Viehernte müssen Hon in den nächsten Tagen zur Entlastung der Märkte irgendwelche Maßnahmen getroffen werden. Man wird der Kühlung von Fleisch mehr Beachtung schenken müssen, als es bisher geschehen ist. Das Wichtigste ist und bIeibt derrasche Absatz. Während infolge der Zahlungseinstellung der Banken und der Geldbeschränkung die Schlachtviehmärkte bisher wenigstens einigermaßen in Ruhe abgcwickelt werden konn ten, gestaltete sich die LageaufdemZucht-und Nutz viehmarkt katastrophal. Selbst die um mehr als 50 N geringeren Zufuhren zu den Zuchtviehmärkten konn ten infolge der Geldknappheit nicht verwertet werden. Gute Zuchtkühe haben innerhalb eines Jahres rund 200 RM je Stück verloren Auch Qualitätsware mit hohen Milchleistun- gen ist heuk nicht zu verkaufen, weil der kaufende Landwirt über Geldmittel nicht verfügt, Kredite, wenn er solche auch erhält, nicht in Anspruch nehmen kann, weil er bei den hohen Tstrsfüjen kein« Möglichkeit hat, sein Geld Miederzusehen, von einer Rentabilität ganz zu schweigen. Die Lage wird sich in den nächsten Wochen kaum ändern, weil der kaufende Landwirt als Verbraucher sich in einer viel ungünstigeren Lage befindet als alle anderen Verbraucher. Hier kann viel leicht der Austauschverkehr mit anderen Produkten die Lage einigermaßen verbessern. Die Voraussetzung einer glatten Abwicklung ist aber der Ausbau geeigneter Organisa tionen in der Landwirtschaft selbst. Auch hier wird die „Selbsthilfe", und zwar rasch, einsetzen müssen, wenn weitere größere Schäden vermieden werden sollen. Auch der Ferkel- und Läuserschweinemarkt hat sich er wartungsgemäß wenig günstig entwickelt. Die Preise haben eine fallende Tendenz aufzuweisen, der Berkauf der Tiere erfolgte meist aus Angst, daß die Preise einen weiteren Rückgang erleiden könnten. Wie die Verhältnisse aber heute liegen, wäre es ein großer Fehler, wenn die Schweineproduk tion, soweit die Master über wirtschaftseigene Futtermittel verfügen, irgendwie eingeschränkt würde. — Auf dem Pferde markt gestaltete sich die Lage auch im Monat Juli ruhig. Trotzdem waren die Preise fest, da großes Angebot sich nir gends bemerkbar machte. Die Reichsregierung wird dem Landwirt durch Notver ordnung schnellstens zu Hilfe kommen müssen. Wir wissen, daß derartige Maßnahmen in Vorbereitung sind. Jeder Tag ist kostbar und vernichtet Existenzen. Wir können uns keine weitere Zerstörung unserer Landwirtschaft leisten. Wo der Nährstand zerschlagen ist, da ist die Basis der Ernährungs- j Wirtschaft und der Volkswirtschaft überhaupt untergraben. In Genua fand der Stapellauf des neuen italienischen 47 000- Tonnen-Passagierdampfers „Rex" statt, der die Linie Genua— New Dort befahren wird. Nach den Schnelligkeitsrekorden der deutschen Ozeanriesen „Bremen" und „Europa" soll die „Rex" versuchen, die Strecke Genua—New Port statt in zehn Tagen in fünf bis sechs Tagen zurückzulegen. Aus dem Gerichtssaal Dauerwellen mit Kasfee. Dresden. Mancher, der den schönfristerten Bubikopf einer Dame betrachtet, ahnt nicht, welche Prozedur dem Erstehen dieser sogen. Dauerwellen voranging. Schon zeitlich werden etwa fünf Stunden dazu benötigt. Diese fünf Stunden des Wartens kurzweilig zu gestalten, muß jeder Haarkünstler be flissen sein. Auch um die Lebensgeister rege zu erhalten, ver abreicht man der „Mode-Patientin" starken Kasfee. Nach diesem im Friseurgewerbe allgemein üblichen Rezept verfuhr auch ein Dresdner Friseur in der Prager Straße. Wegen einer Tasse Kaffee, die er einer Dauerwellen-Patientin zur Stärkung ver abreichte, bekam er eine Anzeige, die von einer Grotz- konditoret ausging. Wegen unerlaubter Ausübung des Gastwirtsgewerbes (!) wurde eine Strafe von 70 Mark durch Strafbefehl ausgcworfcn, gegen de» Einspruch erfolgte. Das Amtsgericht sprach den Friseur mit der Begründung frei, daß es sich um eine Freigebigkeit handele. Gegen diesen Freispruch legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein und um die Tasse Kaffee wurde nun vor dem Landgericht verhandelt. Der Ver teidiger führte an, daß auch ein Landwirt, der Erntearbettern ein Faß Bier spendiere, demnach gegen das Gaststättengesetz verstoßen würde. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu SO Mark Geldstrafe, ersatzweise fünf Tagen Gefängnis. Die Be rufungskammer vertrat den merkwürdigen Standpunkt, daß dieser „Kafseeschank" einen versteckten Reklamezweck verfolge und zur Kundenwerbung diene. Der Friseur wird auch gegen dieses Urteil Berufung einlegen. Der tschechische Fassadenkletterer. Dresden. Der in der Tschechoslowakei geborene Arbeiter Josef Nau, der bereits wegen schwerer Einsteigediebstählc im Jahre 1925 zu fünfeinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, betätigte sich im Mai d. I. wiederum als Fas sadenkletterer und Etnstetgedieb. Er „arbeitete" hauptsächlich in Klotzsche, Langebrück, Kötzschenbroda, Radebeul und Bad Schandau. Seine Festnahme erfolgte in Zschopau. Rau hatte ein bestimmtes System, am liebsten brach er in Eckgrund stücke ein und da, wo Balkongewächsc und Blitzableiter ein Emporklimmen ermöglichten. Er schlich sich in Strümpfen her an und hantierte in Handschuhen meist so leise, daß die Be stohlenen, die ost im Nebenzimmer schliefen, nichts von den, nächtlichen Besuch merkten. Els von 17 Fällen gab der Ange klagte zu und führte zu seiner Verteidigung an, daß er Leute bestahl, die es verschmerzen konnten. Das Gericht verurteilte Rau zu sechs Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Ehrenrechts- verlust. Bürgermeister Werners Aufforderung zum Mord. Zwickau. Vor dem Schöffengericht sand die Verhandlung gegen den früheren Bürgermeister Werner aus Hermsdorf statt. Die Anklage legt ihm zur Last, vom 2. bis 28. März d. I. den Wirtschaftsgehilfen Steinert, der früher bei Werner be schäftigt war, zur Ermordung des Kinopächters Hilmar Schmidt in Meerane «»gestiftet zu haben. Werner bestreitet dies. Er will Steinert nur einen Gummiknüppel, nicht aber einen Revolver zur Ausführung der Tai gegeben haben. Uber seine Beziehung zu Schmidt erklärte Werner, daß er demselben, als die Mittel zum Schulhausneubau in Hermsdorf zu Ende gegangen seien, ohne Wissen und ohne Genehmigung der Ge meinde Wechsel gegeben habe, die dieser diskontieren sollte. ^Da jedoch Schmidt kein Geld für Vie Wechsel brachte, mußte die Gemeinde sür die Wechsel haften und machte Werner für den Schaden verantwortlich, der durch Ausnahme von Hypo theken auf sein Bauerngut Ersatz leistete. Werners Ansprüche gegen Schmidt beliefen sich auf 15 000 Mk., diesen Betrag trat Sch. von seiner Lebensversicherung in Höhe von 20 000 Mart dem Werner ab. In der Anklage wird ausgefühtt, daß Werner ein Interesse an der Beseitigung des Schmidt ge habt habe. Werner gab zu, mit Steineri öfters zusammen ge wesen zu sein, ledoch seien niemals Mordpläne besprochen worden Das Schöffengericht verurteilte Werner wegen Auf* sorderung zum Mord zu vier Jahren sechs Monaten Gesang* nis unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von fünf Jahren Kamps um Rosenburg Koman an, Oberschlesie» von Zohann«, Hollftein !73 „Hoho! Meinst du, daß du das fertig bringst! Katja . . . ich bin gespannt! Bist von heißem Blut, wie Mutter! Du weißt es ja . . . Mutter hatte den festen Willen . . . aber es ging nicht. Ein halbes Jahr sind wir immer in der Stadt gewesen. Hat damals verteufelt viel gekostet. Sie mußte tolles, wirbelndes Leben um sich haben." „Ich weiß, Papa! Aber ich sorge mich nicht! Ich hab' ihn lieb." „Hm! Ich meine nur . . . bist doch in deinem Leben auch nicht an den Männern vorbeigegangen." Das Mädchen wurde rot. „Wie meinst du das, Papa?" , „Ich meine . . . hast du noch nie geliebt?" Sie senkte den Kopf und sagte leise: „Nein . . . und . . . wenn mich auch scho« mancher Mann geküßt hat . . . ich habe noch nie geliebt. Das Herz war nicht dabei." „Das Herz! Bist mir ein Rätsel mit sieben Siegeln, Katja! Hab' dich ganz anders eingeschätzt! Hab' gedacht, bist mit der Liebe . . . fertig! Hafts hinter dir und . . .!" „Mit der Liebe fertig!" sagte das Mädchen mit beben der Stimme. „Nur mit dem Leben endet das Lieben bei uns Frauen." * 'Sie fuhren schweigend die Chaussee nach Gut Rosen burg. Die auf dem Gut zurückgebliebenen Knechte und Sol daten, die im Hofe gemütlich bei einem Glase Bier saßen — der Herr hatte ihnen ein kleines Fäßchen tzrendiert — staunten nicht schlecht, als der Herr plötzlich kam. Willfried und Schaffranz stiegen aus und Janke lenkte um, fuhr nach dem Dorfe zurück. „Ist alles in Ordnung?" fragte Willfried freundlich. „Jawohl, Herr!" sagte der Knecht Adam Selber. „Ich hab vorhin erst alles nachgesehen. In den Ställen und so!" „Ist gut, ist gut!" Willfried ging mit Schaffranz noch einmal durch die Gebäude. Dann schritt er mit Schaffranz nach dem Schloß hinüber. Schaffranz merkte, daß er erleichtert war. Sie nahmen auf dem Altan Platz. Willfried holte eine Flasche Wein und sie tranken zu sammen ein Gläschen. Sie sprachen nicht viel. Beide hingen ihren Gedanken nach. Langsam brach die Dämmerung herein. Da erhob sich Schaffranz, als es Halbdunkel war, und sagte: „Ich will doch noch einmal einen Rundgang machen." Willfried nickte ihm freundlich zu und Schaffranz trat seinen Rundgang an. Er schritt durch die Ställe und freute sich über die . musterhafte Ordnung, kam in die Scheunen, in den Ge- ! treidesilo . . . überall war glänzend aufgeräumt. Wie ge leckt lagen die Tennen. Er schritt durch die große Scheune hinaus und verließ das Gut. Hinter der Scheune blieb er stehen und ließ seine Augen über das Rosenburger Land schweifen. Abgeerntet lagen die Felder, nur ganz weit draußen ! — infolge der Dunkelheit kaum erkennbar — waren noch ein paar Puppen auf dem Felde. Sie gehörten nicht dem > Gute, sondern einem Rosenburger Bauer. Schaffranz' Auge blieb an der stattlichen Feldscheune, die wohl knapp 800 Meter vom Gute entfernt lag, hasten. Die barg noch die körnerschweren Halme. Die Ähren war teten noch, daß man ihnen die goldene Frucht entreiße. Plötzlich stutzte er. Was war das an der Feldscheune? Er rieb sich die Augen. War dort, an der großen Feldscheune, nicht ein Rauch? Oder täuschte er sich? Wars ein Trugbild der Dämme rung? Nein doch! Die Feldscheune rauchte. Schaffranz stürmte durch die Scheune hindurch in de« Gutshof. Rief den kartenspielenden Knechten und Soldaten zu: „Rasch . . , rasch! Sofort nach der Feldscheune! Ich glaube . . . eine Schusterei . , , man hat sie angezündet. Sie raucht!" Während die Knechte und Soldaten davon stürmten, lief er durch die Pforte dem Schloß zu. Schrie empor zu Willfried, der aus seinen Träumen emporschrak: „Herr , , , ich glaube, die Feldscheune brennt!" Willfried glaubte, nicht recht gehört zu haben. Er erhob sich jäh und sah nach der Richtung nach der Feldscheune. Bemerkte auch den Rauch. „Schaffranz! Haben Sie die Leute . . .?" „Sie sind nach der Scheune hin! Herr . . . rufen Sie Rosenburg an. Die Soldaten müssen sofort kommen." Da bemerkte Willfried plötzlich, wie die Flammen aus der großen Feldscheune schlugen. „Sie brennt!" ries er entsetzt und stürzte ans Telephon. Schaffranz stürmte nach dem Stall und riß zwei Pferde heraus. *