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V- W <s LS LS »l». Nr. 9S. Unterhaltunzs-Beilaqe ms. zum Hohenstem-Emstlhaler Tageblatt Arntsblatt. —————— Erscheint wöchentlich zweinrai. —————— Druck und Verlag von I. Ruhr. Nachfolger vr. Aldan Krisch, tzobenstein-Lrusttha!. Vas Glück von Velmenkorlr Roman von Marte Walter. (11. Fortsetzung.) „Wenn Marga mit ihm verlobt war", gemerkte er in gezwungen gleichgültigem Ton, „so ist ja nichts dagegen zu sagen." „Nein, gewiß nicht", stimmte Möller geschmeidig bei, insgeheim seinen zweiten Pfeil vorbereitend, „Die Briefe sind sicher zärtliche Herzensergüsse, deren sie sich vielleicht schämt. Jedes Weib ist von Natur kokett, und so mag wohl auch Santen seinerzeit etwas unzeremoniös entlassen worden " „Gute Nacht!" schnitt ihm Delmenhorst das Wort ab, indem er sich rasch erhob. „Ich will nichts weiter hören. Marga wird mir die Geschichte selbst erzählen — das ist mir jedenfalls lieber." „Mir auch!" entgegnete Möller, seine ausgerauchte Zigarre wegwerfend. „Gute Nacht!" Der Freiherr verließ das Zimmer, und eine Weile lauschte Möller seinen verhallenden Schritten. „Das Gift wird seine Wirkung tun!" murmelte er mit satanischem Lächeln. „Ich kenne ihn zu genau." Er hatte recht — das dem mißtrauischen Manne ein- geflöbte Gist tat seine Wirkung. Delmenhörsts Glauben an Margas Offenheit war durch die versteckt gehässigen Bemerkungen seines Schwagers stark erschüttert worden, und das schlimmste — sie hatten seine Eifersucht erweckt. Wenn Marga vor ihrer Verheiratung in so nahen Be ziehungen zu einem andern Manne gestanden hatte, sagte er sich, so wäre es ihre Pflicht gewesen, dies ihrem Gatten mitzuteilen. Daß sie es nicht getan, war ein Mangel an Offenheit, den er ihr nicht verzeihen konnte. Zwar hatte sie ihm versprochen, in wenigen Tagen alles aufzuklären, doch der Stachel saß nun einmal und rief während der nächsten Zeit einen so sichtbaren Wechsel in seinem Benehmen gegen Marga hervor, daß diese schwer darunter litt, zumal es sie kränkte, daß ihr Gatte offenbar so geringes Ver trauen in sie setzte. Auch Wallu verhielt sich feindselig gegen sie; nur Gustav begegnete ihr mit Freundlichkeit und bemühte sich, ihr angenehm zu sein Obgleich er keine scharfe Be obachtungsgabe besaß, spürte er doch die herrschende Mißstimmung, deren wahre Ursache er allerdings nicht erriet. Daß seine Schwester heimlich mit Santen zu sammentraf, wußte er, glaubte aber, sie habe den Verkehr wieder abgebrochen. Was ihm am meisten auffiel, war die große Freundschaft, die sich urplötzlich zwischen Wally mrd ihrem Onkel entspann. Die beiden unternahmen lange Spaziergänge und saßen oft in eifrigen Gesprächen beisammen: Einmal bemerkte er, wie Möller dem jungen Mädchen heimlich einen Brief zusteckte, und eines Tages, als er das Turmzimmer betrat, sah er, daß sein Onkel «inen Ring, den Wally stets trug, am Finger hatte, ihn jedoch bei Gustavs Eintritt rasch in die Tasche steckte. „Warum hast du denn Wallys Ring?" fragte Gustav. „Wallys Ring?" wiederholte Möller mit gutgespieltem Erstaunen. „Was faselst du denn da? Den ich habe, das ist ein (Nachdruck verboten.) ganz anderer, der stammt aus einer alten Erbschaft und gehört mir." Damit verließ er das Zimmer, ohne Gustav den Ring gezeigt zu haben, was diesen natürlich miß trauisch machte. Er vermutete, daß Möller irgendein« Jntrigue mit Wally anzettelte und beschloß daher, di« Augen offen zu halten. In der folgenden Nacht erwachte er im Glauben, ein ungewöhnliches Geräusch gehört zu haben. Leise erhob er sich, kleidete sich an, und nachdem er einen Revolver zu sich gesteckt hatte, den er mit knabenhaftem Stolz stets geladen neben seinem Bett verwahrt hielt, schlich er auf den Flur hinaus, der vom Mondlicht spärlich erleuchtet war. Obgleich ein schwächlicher Junge, gebrach es Gustav doch nicht an persönlichem Mut, und der Gedanke an einen möglichen Zusammenstoß mit Dieben oder Einbrechern flößte ihm durchaus keine Furcht ein. Im Gegenteil — er wünschte sich halb und halb ein solches Abenteuer, weil er hoffte, durch Mut und Geistesgegenwart das Vertrauen seines Vaters wiedergewinnen zu können. Wirklich bemerkte er im Weitergehen einen Lichtschein im Arbeitskabinett seine» Vaters. Schon wollte er da» Zimmer betreten, als die Tür von innen geöffnet wurd«. Blitzschnell drückte er sich neben einen Schrank in eine dunkle Ecke, und von diesem Versteck aus gewahrte er mit Erstaunen, daß der vermeinte Dieb — sein Onkel war. Was hatte der zu dieser nächtlichen Stunde hier zu suchen? Möller hielt eine Papierrolle in der Hanb, blickte scheu um sich und löschte bann seine Laterne aus, zum Glück für Gustav — er wäre sonst unfehlbar entdeckt worden. Den Revolver noch immer fest in der Rechten haltend, schlich Gustav seinem Onkel nach, der sich in das un erleuchtete Turmzimmer zurückbegab, dessen Tür nach dem Park zu offen sein mußte, da ein kalter Luftzug herein drang. Nun vernahm Gustav auch leise Stimmen aus dem Nebenraum. Er zuckle zusammen. War das nicht Wally, die da sprach? Und die andere Stimme? Die gehörte Santen. Was hatten die um Mitternacht in Möllers Zimmer zu tun? In dunkler Ahnung eines Komplotts, das verhindert werden müßte, stürzte Gustav blindlings vorwärts. Beim Schein einer Kerze erblickte er seine Schwester in Hut und Mantel, auf den Arm eines Mannes gestützt. Im selben Moment wurde er von Möller bemerkt, ber, das Licht verlöschend, einen Fluch ausstieß und auf seinen Neffen zwprang. Gleich darauf hörte man einen Revolverschub, dem ein erstickter Schrei folgte. Gustav selbst verspürte einen heftigen Schlag auf den Kopf; alles drehte sich oor seinen Augen, dann wurde es still, und er verlor da» Bewußtsein. 8. Kapitel. Ein Revolverschuß mitten in der Nacht! DaS ge nügte, um den ganzen Haushalt von Schloß Delmenhorst aus dem Schlaf zu wecken; von allen Seiten eilte die er schreckte Dienerschaft, Einbrecher vermutend, herbei. Auch der Freiherr sowie Marga erschienen nach wenigen