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01-Ausgabe Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 14.11.1913
- Titel
- 01-Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1913-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-19131114010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-1913111401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-1913111401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-11
- Tag 1913-11-14
-
Monat
1913-11
-
Jahr
1913
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zur Anzeige gebracht. Das Schöffengericht sprach Abwiegen der Ware zum Zwecke des Verkaufs bei einer großen Anzahl von Postanstalten, be- Gstränken, der nicht zur täglichen Gewohnheit M eldn n g e n z. B. bei Erkrankungen, Un- Ergävzungswahl zur Bezirksoersammlung erfolgte heute vormittag hierselbst im Sitzungszimmer des Nathauses unter Leitung eines Vertreters der Kgl. Amtshauptmannschaft. Gewählt wurde auf die nächsten 6 Jahre Herr kaufm. Direktor Hurtzig an stelle des eine Wiederwahl im voraus ablehnenden Herrn Geschäftsführer Hübner, sowie auf die näch- — Der gestrige Trefftag der Textil- Inte reffe nten von Chemnitz und Umgebung war gut besucht. Die allgemeine Lustlosigkeit machte sich auch im Garngeschäft bemerkbar. Die Unsicher heit der Nachrichten über den Ausfall der amerika nischen Ernte ließen die Konsumenten ziemliche Zurückhaltung beobachten, so daß nur der not wendigste Bedarf gekauft wurde. Die Beschäftigung für Slrumpfgarne ist gut, während sie für Web garne weniger günstig ist. — Die Niederschläge im ersten Drittel des Monats November sind folgende: men zurückerhalten, sobald Serbien sich Bosnien und die Herzegowina nimmt." Das „Neue Wie ner Journal" bemerkt hierzu: „Wir können zwar nicht glauben, daß selbst der berüchtigte Herr v. Hartwig sich zu derartigen unerhör- ten Aeutzerungen habe Hinreißen lassen. Sollte dies der Fall sein, so würde es Oester reich-Ungarn nicht länger ertragen, datz ein offi zieller russischer Diplomat mit solchen Redensar ten um sich wirft." die Mittags- und Abendzeit zu wählen. — Es ist noch viel zu wenig bekannt, datz in der Krankenversicherung die Frauen neben gleichen Pflichten gleiche Rechte haben wie die Männer. Sie können sich genau wie die Männer an den Vertreter wahlen beteiligen und auch gewählt werden, sofern sie am Tage der Wahl das 21. Lebens jahr überschritten haben. Das ist auf dem Gebiete der Krankenve-rsicherung von grrotzer Be deutung, da sich hier der Frau ein weites Ar beitsgebiet eröffnen kann. — Gegen die geplante Gründung eines Bundes enthaltsamer Turner in der Deutschen Turnerschaft wendet sich der Vor sitzende und Nestor der Deutschen Tudcnerschaft Dr. Ferdinand Goetz in der „Deutschen Tur nerzeitung". Er sagt, datz, wenn die Absicht des Gründers dieses Bundes im Grunde auch eine ganz gute sein möge, sie doch über das Ziel hinausgehe. Sie werde zum gefährlichen Störenfried, weil nicht besonnene, kwre Arbeit und erreichbare Ziele sie belebten, sondern der Fanatismus. Goetz richtet an die Tur ner die Mahnung: „Arbeitet treu und mit gu tem Beispiel für Mäßigkeit, bekämpft in sach tenwerke abgegeben. Der Betrieb dar alten Gift hütten im Hüttengrund wurde im Jahre 1845 wieder ausgenommen. — Wie in anderen Orten haben sich auch hier die Vertrauensmänner der A n- gestellten Versicherung zu Ortsaus schüssen vereinigt. Die Wahlen ergaben: Herr Fabrikant Max Zwingenberger: Vor sitzender; Herr Korrespondent Alfred F r c i- t a g, Schönburgstraße: dessen Stellvertreter; Herr Buchhalter Max Seidel, Logenstraße —i. Gegenwärtig wird der hohe D a m m zwischen der Straße am Bahnhof und dem Bahnhofsvorplatz durch einen Gärtner etwas geschmackvoller hergestellt. Das an dem elektrischen Schienenstrang gelegene Erdreich ist etwas abgetragen worden und in der Mitte hat man ein halbes Rundteil angebracht, wodurch die ganze Anlage ein gefälligeres Aussehen er halten wird. Es soll em sogenannter lebender Zaun hergestellt werden. Auch die ele k- trische S t r a tz e n b a h n v e r w a l t u n g läßt ihre Anlage an verschiedenen Stellen ver-! bestem. So wurden u. a. jetzt an der End station Bahnhof zwei moderne Weichen von § Arbeitern eingebaut, wodurch das Rangieren der Wagen etwas flotter bewerkstelligt wird. Etwas altertümlich nimmt sich jedoch das an der Haltestelle am Bahnhof hergerichtete Treppchen aus. Dasselbe wurde errichtet zur Benutzung des Telephons durch die Bahncmgcstellten. —a. Nachdem die letzten Zeugen des ehe mals in unserer Stadt blühenden Erzber g- b a u e s mehr und mehr verschwinden, ist es angebracht, einmal darauf hinzuweifen, daß der Evzbau hier vor hundert Jahren durch die napoleonischen Kriegsunruhen eine Zeitlang in Verfall und zum Stillstand kam. Im Jahre 1804 fuhren beim hiesigen Bergamte, zu dem der ganze schönbuvgische Bezirk gehörte, gegen 50 Mann an. Die folgenden Jahre brachten aber allmählig durch die Kriegsunruhen und fonstige Umstände den gänzlichen Verfall des Bergbaues in unserer Gegend. Viele Jahre ruhte der Betrieb. Er wurde erst in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder aus genommen. Gegraben wurden hauptsächlich Arsenikerze. Von 1831 bis 1871 wurden aus den hiesigen Gruben 40 937 Zentner Arfenkies- stufwerk und 1744X Zentner Schweselkiesstus- werk zum Preise von 62 955 Mark an aus wärtige Hüttenwerke abgegeben. Weiter wurden noch in dieser Zeit 2535 Zentner Arsenkies mit Teilen von Gold, Silber und Kupfer im Be trüge von 5686s^ Mark an die Freiberger Hüt ¬ fällen, Feuersnot, Wassersgefahr usw. in Forni von gebührenpflichtigen Telegramme n auch bei Nacht oder sonst bei Dienstschluß be fördert werden. Außerdem werden derartige Mel dungen von den Verkehrsanstalten in Form von Gesprächen durch den Fernsprecher vermittelt. Unfallmeldegespräche können zwi schen öffentlichen Sprechstellen, zwischen Fern sprechanschlüssen sowie zwischen Fernsprechan schlüssen und öffentlichen Sprechstellen gewechselt werden, sofern die Betriebs- und örtlichen Ver hältnisse die Herstellung der erforderlichen Sprech verbindungen ermöglichen. Hierfür sind am Tage die gewöhnlichen Taxen, in der Nacht im Ortsverkehr 20 Pfg-, im Vovortsverkehr für jede Verbindung von nicht mehr als 3 Minuten Dauer 20 Pfg-, im übrigen Verkehr ebenfalls die gewöhnlichen Taxen zu entüichten. Wenn der Empfänger der Unfall-Meldung keinen Fern- — Vom Ertrage des sächsischen K o r n- blumentages wird der zehnte Teil, also eine Summe von 65 000 Mark, dem V e t e- ranenbeim in Wechselburg überwie sen werden, womit diese segensreiche Anstalt für eine Reihe von Jahre jeder Sorge uni ihren Weiterbestand überhoben wird. — Die Reichs-Telegraphenverwaltung hat Lachkilches. Hohenstein-Ernftthal, 13. November 1913 Wettervoraussage der Königs. Sächs. Landes- Wetterwarte zu Dresden. Kür Freitag r Westliche Winde, wolkig, Tempe raturrückgang, zeitweise Niederschlag, im Ge- birge Schnee. 14. Nov.t Tagesmittel -s-2,8«, Maximum -j-4,8°, Minimum -s-0,1«. ihn frei, weil zum Verkauf von Backwaren die Anwendung einer Wage nicht üblich sei und ssir geringeMehlmengcn, die zum Berkaus gelangen könnten, im Laden eine Wage mit einwands freien Gewichten vorhanden war. Auf die Be rufung des Amtsanwalts schloß sich die Be- rufungsftrafkammer dem Urteile des Schöffen gerichtes an. Der Oberstaatsanwalt legte Re vision beim Oberlandesgericht ein, doch auch das Oberlandesgericht kam zu einem sreisprechenden Urteil. Der Begriff des öffentlichen Verkehrs setze eine Verbindung mit dem Publikum voraus, und unter Handelsverkehr könne man nur ein sprech-Anschluß hat, so wird er, sofern dies die sechsten Sohn zum Militär. Herr Spitzner dürfte örtlichen Verhältnisse gestatten, durch die Post- hiermit auf die in diesem Jahre erstmalig zur Ben anstatt an den Apparat herangerufen. Hierfür ftcilung kommende Prämie von 240 Mk Anspruch wird eine besondere Gebühr von 25 Pfg. er- haben, die allen denen zukommt, die mehr als drei hoben. f Söhne zum Militär senden. wird, ist und bleibt unschädlich und wird, so! lange der Herrgott Wein und Malz und Hop fen wachsen läßt und dem Menschen Durst ge geben hat, in frohen Stunden die Menschheit und auch die Turner zu Lust und Frohsinn an regen ii Uebermaß ist in allem, besonders im Trinken, Esten, Lieben, Arbeiten, körperlichen Uebungen, schädlich, sogar im Schlafen, und das Zuviel soll und mutz von vernünftigen Menschen bekämpft und besonders mutz der Ju gend deren Schädlichkeit eingebläut werden!" — Zu der Frage : „W 0 f i n d e t das n ä ch st e Deutsche T u r n f e st st a t t?" wird geschrieben: Als hauptsächlichste Bewerbe rinnen um das nächste 13. Deutsche Turnfest 1918 kamen bisher Stuttgart und Straßburg in Betracht. Nunmehr will sich auch München um dieses große Fest bewerben. Die allgemeine Stimmung für München ist überaus günstig. Die Vorzüge, die für München sprechen, sind mannigfach. Jnbezug auf Unterkunft, Ver pflegung und Verkehr ist es den beiden erstge nannten Städten fast unmöglich, den Riesenan forderungen gerecht zu werden. Dazu kommt noch, daß München in dem ganzen Ausstel lungsgelände unter Hinzunahme der Theresien- wiese ein außerordentlich günstiges Feld für die Durchführung zur Verfügung hat. — Eine grundsätzliche Entschei dung über den Begriff des öffentlichen Ver- kehrs mit Matzen und Gewichten hat das Dresdner Oberlandesgericht gefällt. Der Bäckermeister Barthel in Zittau hatte in seiner Backstube ein unbrauchbar gemachtes 5 Kilo- Gewicht stehen, mit dem er eingehende Mehl- 7 2. Etg.: Schriftführer. Es wird gebeten, bei sendungen kontrollierte. Bei einer Revision wurde Anfragen usw. an genannte Herren möglichst die dieses Gewicht gesunden und der Bäckermeister licher Weise üble Sitten, aber bleibt uns vom l.^ , Halse mit der Forderung absoluter Enthalt-!sonders auf dem flachen Lande, die Einrich- samkeit! Ein mäßiger Genuß von geistigen tung getroffen, daß fogenannte Unfall- Vorst. Göhler. —-- Gersdorf, 13. Nov. Herr Ziegeleibesttzer Schulze hier läßt seine Fabrikation von Ziegeln mechanisch einrichten. Zu diesem Zwecke wird ein besonderes Maschinenhaus errichtet, wozu bereits die genehmigte Zeichnung vorliegt. Die Maschinen sind bereits eingetroffen. Der Antrieb geschieht elektrisch, — Reichenbrand, 13. Nov. Seit 9 d. M. wird der in den 60er Jahren stehende Strumpf wirker Weise vermißt. Längere Krankheit hat ihn wahrscheinlich zum Selbstmord verleitet. — Limbach, 13. Novbr. Diese Nacht ver giftete sich der Rentier Robert Viertel durch Ein atmen von Leuchtgas. Die Ursache ist in Krank heit zu suchen. — Stollberg, 12 Nov. Daß auch das Volks leben, nicht nur das Leben in höfischen Kreisen, Stoff zu Operetten geben kann, werden in nächster Zeit zwei Erzgebirger zeigen, die den Stoff und die Musik zu einer Operette dem echten erzgebirgischen Volksleben gewidmet haben. Dieselbe lag in den letzten Tagen den Sachverständigen zur Kritik vor. Diese lautet dahin, daß Herr Lehrer Speck in Nieder würschnitz einen inhaltsreichen flotten Text geschrieben hat, während Herr Lindner in Stollberg eine melo diöse, gute Musik dazu schuf. Anfang nächsten Jahres — nachdem der noch unvollendete dritte Akt beendet sein wird — geht die Operette, soviel be kannt, in Chemnitz in Szene. — Schnarrtanne, 12. Nov. Der Guts besitzer August Spitzner schickte in diesem Jahre seinen an das Publikum verstehen, nicht aber, wie cs sten 3 Jahre Herr Nechnungsführer a. D. Obel an- hier der Fall war, eine privat ausgeübte Kon- stelle des aus dem Bezirke verzogenen Herrn Gem.- trolle. NtederschlagSm. Norm Stand Abweichung Zwrck. Mulde u. Tal 9 17 — 8 " „ IN- „ 7 19 —12 » „ 0. „ 5 23 —18 Chemnitz 9 19 —10 Würschnitz u. Zwönitz 7 21 — 14 Lungwitz 8 19 —11 —z. Gersdorf, 12. Nov. Die Neu- bez. MM WS MM. Roman von H. Courths-Mahler. 7j (Nachdruck widme».) Prinzeß Renate sparte zum großen Teil auch auf Kosten ihrer Schwester. Prinzeß Lolo mußte meist die abgelegten Sachen ihrer Schwester tra gen. Höchst selten bekam sie einmal ein billi ges Waschlleidchen. Prinzeß Renate motivierte das damit, datz Prinzeß Lolo doch nur unacht sam mit ihren Kleidern umgehe und alles her- unterreitze. Selbstverständlich hielten die abgetra genen Kleider nicht so viel, wie neue, aber die sen Umstand ignorierte die zärtliche Schwester. Es vertrug sich sehr wohl mit ihrenr Stolze, datz sie von der Pension, die den Schwestern zu glei chen Tellen zukam, den weitaus größten Teil für sich verbrauchte. Prinzetz Lolo wutzte das — aber sie ver lor nie ein Wort darüber. Selbst wenn sie es gewagt hätte, ihrer Schwester Vorhaltungen darüber zu mack-en, so hätte sie es nicht getan. Sie war ein viel zu vornehmer Charakter, viel vornehmer als die stolze Schwester. Und mit ihren achtzehn Jahren kannte sie noch kei nerlei Eitelkeit. Sie trug die abgelegten Kleider ihrer Schwester wie etwas Unabwendbares — wie ihr ganzes Schicksal, ohne sich davon im innersten Herzen niederdrücken zu lassen. Fräulein von Birkhuhn wutzte indes mit ihren geschickten Händen auch diese abgelegten Kleider so zierlich für ihren Liebling herzurich ten und umzuändern, daß sie dennoch der an mutigen, jugendlichen Erscheinung ein hübsches Aussehen verlieben. Die bescheidene Mahlzeit wurde wie immer schweigend eingenommen. Prinzetz Renate mu sterte unausgesetzt mit ihren kalten Augen die junge, so viel schönere und anmutigere Schwe ster, ob sie nicht einen Anlatz zum Tadel sand. Bei dem geringsten Versehen strafte sie Prinzetz Lolo in der Weise, datz sie ihr die ohnehin kärglich bemchsene Kost teilweise entzog. Das unterstützte zugleich Prinzeß Renates Sparsam keitsgelüste und ihren Groll auf die jüngere Stiefschwester. Prinzeß Renate war nicht häßlich. Ihr Ge sicht war im Gegenteil sehr gut geschnitten und erinnerte an die Antike. Aber die Augen blick ten zu scharf und zu kalt, und um den Mund lag ein verkniffener häßlicher Zug, der sie noch älter erscheinen ließ als sie war. Auf ihre klas sischen Züge bildete sie sich viel ein und hob sie stets hervor als Zeichen einer edlen Rasse. Sie suchte auch ihre immer mehr entschwin ¬ dende Schönheit mit allen Mitteln festzuhalten und verausgabte für kosmetisch)« Salben und Mixturen mehr als sie verantworten konnte. Die einzigen Worte, die sie bei Tische sprach, waren tadelnde Bemerkungen über die Schwester. „Sitze doch endlich gerade, Lolo!" „Nimm nicht so viel Fleisch, das ist ungesund." „Willst Du Dir von der süßen Speise einen Berg aus laden?" „Du hast schrecklich vulgäre Angewohn heiten. Ich werde Dir einmal wieder den Nach tisch auf einen Monat entziehen müssen. Du wirst entsetzlich dick!" So und ähnlich lauteten die Ermahnungen, deren Ton unsagbar lieblos war. Prinzeß Lolo atz sich schon seit langer Zeit nie mehr satt bei Tische, und es war sehr ver wunderlich, datz sie trotzdem so blühend und ge sund aussah. Dieses 'blühende Aussehen är gerte Prinzeß Renate ungemein. Wenn sie auch die Schwester als „zu dick" und „vulgär" aussehend bezeichnete, hätte sie doch viel darum gegeben, deren jugendkräftige, edel- gogliederte Formen zu besitzen, denn sie selbst war viel zu hager, um schön zu sein. Prinzeß Lolo bot freilich einen um so herz- ersreuenderen Anblick. Aber wenn das gute Birk hühnchen nicht gewesen wäre und die ebenso gute Köchin, dann hätte das arme Prinzetzchen rechs schmale blasse Wangen gehabt, und das junge Blut wäre kaum so frisch und gesund durch die Adern pulsiert. Diese beiden treuen Seelen, die Prinzetz Lolo liebten, hielten heimlich manchen Lecker bissen, manches frische Ei und kräftige Stück Fleisch für ihr Prinzetzchen bereit. Und der Parkwächter Bielke stellte oft ein Körbchen mit Waldbecren in das „Tuskulum". Das war ein kleines Borkenhäusck)en im Park, in dem Lolo schon als Kind gespielt hatte und das sie auch jetzt aufsuchte. Auch heute stand Prinzetz Lolo nichts weniger als gesättigt vom Tisch auf mit dem Vorsatz, gleich nachher hinunter in die Küche zu huschen und zu sehen, ob die Köchin, Frau Bangvmann, noch etwas für sie in der Speisekammer hatte. Prinzetz Re nate pflegte sich nach Tisch in ihren Salon zu rückzuziehen. Dieser Salon war natürlich das hübscheste Zimmer im ganzen Hause. Alle einigermahen ansehnlichen Möbel waren darinnen ausgestellt worden. Auch das für sie bestimmte Schlafzim mer mit einem kleinen, anstoßenden Garderobe raum war viel besser möbliert als zum Beispiel das ihrer Schwester. Diese und Fräulein von Birkhuhn muhten mit einer Zimmereinrichtung fürlieb' nehmen, wie sie in guten Häusern vielleicht Dienstboten zukam. Ehe Prinzeß Renate ihre Schwester ent ließ, erteilte sie ihr noch einen Verweis, weil sie zu geräuschvoll vom Tische aufgestanden sein sollte. „Wirst Du Dir nie diese vulgären Bewe gungen abgewöhnen? Es ist unglaublich, wie Du Dich benimmst. Und Dein Haar hängt Dir wieder so wirr um den Kops herum — es ist einfach unerhört", sagte sie mit unnachahmlich kränkendem Tonfall. Sie ärgerte sich, datz ihr glanzloses, straffes Haar nicht in so anmutigem, natürlichem Gelock ihr Gesicht umgab, wie das der Schwester. Des halb hatte sie immer etwas daran auszusetzen. Prinzetz Lolo faßte erschrocken nach ihrem Haar. „Ich habe es vor Tisch erst ganz fest ein geflochten, Renate." „Das bezweifle ich. Du siehst aus wie ein Struwwelpeter. Aber natürlich, Du kannst nie eine Ermahnung hinnehmen, ohne Dich unge zogen zu verantworten. Das weiß ich schon. Fräulein von Birkhuhn — Prinzeß Lolo wird heute abend zur Strafe auf ihrem Zimmer spei sen — und Fleisch bekommt sie nicht!" Fräulein von Birkheim verneigte sich stumm und gewann es über sich, ihren Liebling stra fend und empört anzusehen. Prinzetz Lolo blickte auf den Fußboden herab. Viel Eindruck machten die Worte der Schwester gewöhnlich nicht mehr auf sic. Sie war es gewöhnt, unter allen Um ständen gescholten zu werden und nahm es hin als etwas Unabänderliches. Prinzetz Renate Ivar aber noch nicht fertig. „Außerdem achten Sie doch, bitte, darauf, datz Prinzeß Lolo sich ernsthafter mit französi scher Lektüre befaßt und vergessen Sie, bitte, nicht, möglichst viel französisch mit ihr zu spre chen. Ihre Aussprache ist sehr mangelhaft." Wickoer verneigte sich Fräulein von Birk huhn und entgegnete kein Wort. Sie wutzte, datz die jüngere Schwester ein viel reineres und graziöseres Französisch sprach, als ^ie ältere. Aber sagen durfte sie das leider nicht. Noch immer wußte Prinzeß Renate etwas zu sagen. „Also bitte, unerbittlich streng sein, Fräu lein von Birkhuhn. Lassen Sie ihr nicksis hin gehen. Sie wissen, welche schlimmen Anlagen in ihr zu bekämpfen sind." Mit diesem letzten liebenswürdigen Trumps rauschte Prinzeß Renate hoheitsvoll hinaus und zog sich in ihren Salon zurück. Prinzeß Lolo und Fräulein von Birkhuhn sahen sich eine Welle schweigend an, bis sie drü ben die Salontür hinter Prinzeß Renate ins Schloß fallen hörten. Dann atmeten sie zu glei cher Zeit lief auf. Prinzetz Lolo sah das alte Fräulein schelmisch an. „Also bitte — unerbittlich streng, Birkhühn chen." Fräulein vjbn Birkhuhn hob ängstlich die Hände. „Still doch — um Gottes willen, sei vor sichtig, Kindchen!" — — Das Prinzetzchen schüttelte sich. „Vrrr! — Das wm wieder schön! Duck Dich, Seele — es kommt ein Platzregen. Und Hunger habe ich noch, wie ein Grenadier nach dem Parademarsch. Du bist doch sicher auch noch nicht satt." „Ach, Prinzetzchen — mein schwacher Magen ist schnell zufrieden gestellt. Ich bin satt. Aber Du — laus doch mal zu der Frau Bangemann, ehe wir hinaus in den Park gehen." Prinzetz Lolo gab ihr einen Kuh. „Liebes, herziges Birkhühnchen, was mutzt Du nicht glles mir zu Liebe tun, was Deinem ehrlichen Herzen widerstrebt. Nun geh' nur in zwischen in den Park und nimm die Bücher mit. Während Du Dich dann ein wenig ruhst, mache ich einen Ausflug in mein Tuskulum, da ist der Park so wundervoll dicht und lauschig. Und nicht wahr, Birkhühnchcn, mit der französischen Lektüre hat es keine Eile?" „Ach Kind — ich kann Dich ja längst nichts mehr lehren — weißt alles viel besser, wie Dein altes Birkhühnchen und sprichst so gut franzö sisch — viel besser als ich." „Siehst Du wohl! Wo soll das hinführen, wenn ich noch mehr lerne? Renate kann ja doch nickst kontrollieren, sie ist — entre nous — viel dümmer als ich." „Pst! Um Gottes willen still, Du Unver stand, wenn Durchlaucht das hörte." Prinzetz Lolos Augen blitzten. „Ach, manchmal wünsche ich mir brennend, es käme zu einem Krach. Ja, ich wünsche, ihr mal meine Meinung zu sagen, meiner durch lauchtigsten Schwester — wenn ich mich nur nicht so sehr vor ihren kalten Augen fürchtete." „Lieber Gott — das wäre schrecklich. Ich bitte Dich, sei vernünftig und sage kein Wort. Ich betrübe mich zu Tode, wenn Du Dir noch mehr Strafen und Scheltworte zuziehst. Und datz Du ja nicht vergißt, alte Handschuhe anzw- ziehen, wenn Du in der Küche hantierst. Durch laucht würde jede Spur an Deinen Händen be merken." (Fortsetzung folgt.)
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