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kommenden ewigen Sonntag preist: Der Kriede Gottes waltet, heute hörst du den Schmerzlaut nicht des Tiers, nicht flieht das bange Wild die Meute, es sank das Joch vom Hals des Stiers. Und wie Natur in frommer Keier ge- schloss'nen Auges betend steht, so von dem Erdenstaube freier ruht auch die Seele im Ge bet; ich weiß, einst wird ein Sabbath kommen, nach dem des Glaubens Se^rUucht ringt; wenn im Norden unseres deutschen Vaterlandes in dem herzigen Plattdeutsch des Duickborn Clans Groth uns in eine Bauernhütte führt, wo zwischen Großvater, Rindern und Rindeskind traute Gespräche über alte und neue Zeit den Kirchgang gleichsam einläuten; — so ist hier mehr als eine Zusammenstellung von Namen und von Versen, es ist eine poet sche So«n- tagsstajfftik und Geographie gegeben als Beweis, alle diese Dichter müssen im deutschen Lande etwas von der Sonntagsherrlichkeit ge schaut haben, wenn sie dieselbe so zu dolmetschen und lieb zu machen verstehen! Hat nun die Rlage und Anklage Recht, das Alles sei grwrfen, das Alles sei ein ver lorenes Gut, der Industriestaat habe den Sonntag gerädert und geädert, und was die Arbeitslast und Arbeitshast dem Hause noch von Sonntagsstille und Sonntagsgemeinschaft lasse, zehre gewöhnlich das Wirtshaus auf? Als Antwort auf diese Kragen einige Bil der — keine Lichtbilder! Spät erhebt sich dort rin Reicher der Ilesidenz. Er hat bis tief in den Sonntag- vormittag geschlafen; ist ihm doch der Sonn- adrod abend wie vielen feiner Standesgevossen, der Abend der Bälle, Gesellschaften, Kamilien- feste. Da es diesmal für ein Krühkonzert zu spät geworden, das ihm sonst den Gottesdienst zu ersetzen pflegt, überlegt er gähnend, ob er sich noch zu der Zwölf-Uhr-Matin^ ein Billet holen lassen, oder ob er den Extrazug des Nach mittags, etwa zu einem benachbarten Wettren nen, abwarten und sich die Zwischenzeit mit einer Zeitung oder einem neuen Roman ver treiben soll. Aus einer seiner Wohnung allzu nahe stehenden Kirche klingt in seine Lektüre der Ton der Vaterunserglocke auspruchs- ja vor wurfsvoll hinein. In anderer Verfasfung als ein Kaust, der aufblickt: was fucht ihr Töne Mächtig und gelind, ihr Himmelstöne, mich am Staube? — wendet er sich ärgerlich ab und spricht vor sich hin: das alberne Läuten! Nach mittag saust er mit der Bahn dahin, unbeküm mert um die Billeteure, Schaffner, Bahnwärter, Weichensteller, die ihn Alle nur dann plötzlick interessieren, wenn in Kolge von Ueberbürdung der Eisenbahnbeamten gerade am Sonntag aller lei Anglücksfälle ihre warnende Sprache erheben. And wenn Sonntags kein Lxtrazug geht, kein Wettrennen ist, keine Einladung den Nachmittag verkürzt? Byron sagt einmal, die Langeweile sei das Geheimnis der vornehmen Welt. Es ist erklärlich, daß der Sonntag Manchem lang weiliger dünkt, als jeder Wochentag. Das sau sende Rad der gewohnten Geschäftigkeit ist still gestellt, eine besondere Erwartung wendet sich nun einmal dem Sonntag zu, als müßte er, ich weiß nicht was, bringen. Und nun bleibt er leer! Der Vollständigkeit wegen trage ich auch das noch nach, daß unser Halbblasierter am Sonntagabend eines jener Stücke von mo dernen Lustspieldichtern im Theater aufsucht, welches eine Verhöhnung des Klassischen und Sittlichen zugleich ist. — Wir treten in die Wohnung eines Fabrik arbeiters oder Kontoristen. Eben ist er ver drießlich heimgekehrt Am vorigen Sonntag, so behauptet er, habe er arbeiten müssen. Auch diesmal hatte ihn der Kabrikherr auf den Sonn tag vormittag bestellt, um ihm noch etwas zu arbeiten, wie es wohlklingender lautet zu ver dienen zu geben. Zu Hause zieht er sich eiligst um, um mit dem wartenden Nachbar in eine Versammlung oder zum Krühschoppen zu gehen. Vorher aber hat er sich noch einer Art Examen bei seinem Sohne zu unterziehen, der, in einer Druckerei beschäftigt, sich beschwert, am Sonntag noch eine Korrektur holen zu sollen. „Kind, wir müssen leben!" . Aber der Geistliche" — so des Knaben Entgegnung — „hat uns im Konfirmandenunterricht beim dritten Gebot ge sagt, man dürfe nicht am Sonntag arbeiten." „Das versteht der Mann nicht, der giebt uns auch nichts zu essen; Not kennt kein Gebote „Aber," so wendet der Konfirmand ein — we niger wohl aus Aeberzeugung, al« aus seinem Sonntagverdruß heraus — .umgekehrt sei es, Gebot kenne keine Not." — „Geh und gehorche," so bricht der entrüstete Wächter des vierten Ge botes, als Uebertreter des dritten, das Gespräch ab, murmelt aber noch so etwas in sich hinein wie: der Zunge hat eigentlich Recht, unsereins ist nun einmal nicht viel besser als ein Sklave; wer kann's ändern? And jener Knabe beginnt zu denken, daß der Sonntag ganz nur für die Reichen vorhanden sei, für die Anderen nur halb und auch hier nur für die Lrwacksenen, daß jedenfalls zwiscken der Behauptung des Predi gers und dem Verfahren seines Vaters ein Wi derspruch liege, daß der Katechismus wahr scheinlich nicht zur Befolgung, sondern nur zum Auswendiglernen da sei. Und wenn er Abends an einem Tanzlokal neugierig vorbeistreicht, aus welchem wüster Lärm, wohl auch blutiger Streit ertönt - wo bleibt dann für das junge Gemüt der Sonntag, die perle unter den Tagen? Wo bleibt für ihn Gottes Wort, die perle in der Mcnschenseele? — Und soll ich nun noch schell nacheinander eine» Handwerker vorführen, der nie eif riger zu arbeiten anfängt als am Sonntag früh, durch seine Runden gedrängt — bis er dann spät Abends in irgend einem vergnügungslokal seine Entschädigung sucht und in einer Art Lelbstverspottung mit dem darauffolgenden blauen Monlage den preisgegebcnen Sonntag rächt? Vder den Gesa äftswau«, der, wie er meint, auch am Sonntag verkaufen muß. Umsonst, daß wir ihn belehren, daß es ganz richtig gezählt sei, daß 6 und f — k machen, aber falsch ge- rechket, daß v Wochentage und der Sonntag 7 Arbeitstage ergeben sollen. Dder den Drosch kenmann, den Dmnibuskondukteur, der bei einer Bitte um freie Stunden am Sonntag von dem Kuhrherrn angefahren wird, ob für ihn etwa ein besonderer Stellvertreter angestellt und bezahlt werden solle? — hier sei der Entlassungsschein! Dder einen Rutscher, der seine Herrschaft zur Rirche fährt, selbst aber nie hineinkommt. Vder Dienstboten, die nur zwei Arten von Sonntag kennen, eine, wo für die Gäste der Herrschaft doppelte Arbeit zu leisten ist, eine zweite, wo sie sich unbeobachtet in jene Art von Vergnüg ungen stürzen dürfen, die eigentlich Verwahr losungen sind, von denen die Sonnabendblätter in ihren Anzeigen voll und welche die Haupt- erwcrbsquelle gewisser Sonntagswirte und Sonn tagszerstörer sind. Vder den Krhrliug? Der Vorsteher eines Erziehungshauses erzählte mir, wenn er Zöglinge in die Lehre bringe, heiße es auf die Krage: wird hier Sonntags gearbeitet? fast immer: „eigentlich nicht, nur wenn cs pres siert;" und nachher pressiert es im Jahre zwei- undsünfzig Mal Za, ein Lehrling, dem man den Sonntag ausbedungen, habe oft unter den neidischen, unfreien Lehrlingen und Gesellen das allerelendeste Dasein. Vder soll ich mit Ihnen auf'« Land gehen und Ihnen hier einen Gutsbesitzer vorstellen, welcher mit einem Juden — der seinerseits so eben den Labbath auf's Strengste gehalten hat — am Sonntag ruhig seine Geldgeschäfte ab macht? Sder den Viehhändler, der seine Heerde auch am Sonntag treibt, selbst zum Schlachtvieh erniedrigt? Gdcr den Tag-löhner, der vielleicht nur an den drei hohen Kesten die Rirche besuchen kann, weil man ihm in der Woche nicht so viel Zeit läßt, daß er sein Stück chen Land bestellen kann? Ls giebt einen furchtbaren Gradmesser über das, was der Sonntag in der Vorstellung einem großen Teile des Volkes verspricht und was er nach der Mißhandlung, die ihm widerfährt, in in Wirklichkeit leistet: das ist der Selbstmord! Nach der Statistik nehmen sich am Sonnabend die wenigsten Menschen das Leben — es ist der Tag, wo die Löhne ausgezahlt werden und der Sonntag in Aussicht stehl; — während Montag und Dienstag besonders hochstehen, an welchen die Enttäuschung, die Ernüchterung, das böse Gewissen xnach durchschwelgten Kesttagen sich melden. Höchst charakteristisch ist dabei der Unterschied von Weib und Mann. Das Weib mordet sich relativ häufiger noch, ja geradezu Sonntags, wo der nichtsnutzige, vagabondierende Mann sie ihrer Sorge und ihrem Rümmer über läßt; am seltensten Sonnabend (Scheuertag) und am Montag, wo die Arbeit wieder beginnt; während die Männer meist die obengenannten Anfangslage der Woche zu der verhängnisvollen Tat wählen. Also auch hier ist das Misten» moment unverkennbar' — Nach -s 1». Kögel. 5 L. R. Nic Culwickelnng der Diakouisseuhäkser ist in ständigem An steigen begriffen, wenn auch der Bedarf an Schwestern immer viel größer ist als die Zahl derer, die zur Verfügung stehen. Kast alle Diakonisfenhäuser sind im sogenannten Raisers- wcrther Verband zusammengeschlossen, der jetzt im ganzen 8k Mutterhäuser umfaßt: 55 zählt Deutschland, 2 Krankreich, 9 Holland, l Dester- reich, 8 Rußland, 4 Schweiz, 4 Skandinavien, vermischtes. 4 Nordamerika. Innerkalb der letzten drei Jahre hat sich die Zahl der Schwestern um f853, die der Arbeitsfelder um 63k vermehrt, die Linnakmen sind um 2 8H0 000 Mark ge stiegen. In Deutschland stehen zur Zt. fk 6bf Diak-niffe« (einschließlich der P-obeschwestern) auf 66^2 Arbeitsfeldern im Dienst. Sachsen Kat 3 Tiakonissenhäuser: in kresden, Leipzig und Borsdorf, welche zusammen (0(2 Schwe stern zählen und 38k Arbeitsfelder besetzt ha ben. Es giebt wenig Krauenberufe, welche so die ganze Persönlichkeit befriedigen und einen vollwertigen Lebensinhalt geben, wie der Dia konissenberuf. Manches junge Mädchen kann hier noch ein weites Keld reicher Betätigung finden. Anfragen werden gern von den Leitun gen der betreffenden Häuser beantwortet. Dru<5 und ve»!ae non I Robr Dnljfo'mr, I>. AMc» SrUch,