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WHm-ElWckl NMt Zlintsblcrtt. Nr. 260. Sonnabend, den 8 November 1913. Zweites Blatt. SWWl MherlMM. Am Donnerstag trat in Dresden der Lan- deskultnrrat unter dem Vorsitze des Geh. Oeko- nomierats H ä h n e l - Kuppritz zu seiner 53. Gesamtsitzung zusammen. Der Vorsitzende gab in seiner Eröffnungsrede ein Bild der jetzigen Lage der sächsischen Landwirtschaft. Hinsichtlich der Wirkung der N o t st a n d s t a r i s e hat der Lande skultuiwat mit Rücksicht auf die viel fach erhobenen Klagen beim Deutschen Land wirtschaftsrat beantragt, zu erörtern, ob Not- standstarife für die Zukunft überhaupt wieder eingeführt und welche Wege eingeschlagen wer den sollen, damit die Frachtermäßigungen allen Landwirten zugute kommen. In der Frage der V e r k a u f s v e r m i t 1 l u n g für Schlachtvieh steht der Landeskulbuvrat auf dem Standpunkte, daß die sächsische Landwirt schaft in erster Linie den Schlachtviehbedarf in ihrer näheren Umgebung, erst in zweiter Linie den der Großstädte befriedigen kann. Sobald ater für die Landwirte Schwierigkeiten beim Absatz in ilrer näheren Umgebung vorliegen, will der Landeskulturrat den unmittelbaren Verkauf des Viehes der Landwirte an die Schlachthöfe empfehlen. Was die Versorgung der sächsischen G r o ß st ä d t e mit Schla ch t- vreh betrifft, so sei angeregt worden, ob es möglich wäre, etwa nach dem Vorbilde der Stadt Ulm einen Vertrag mit einer landwirt schaftlichen Korporation abzuschließen, der den regelmäßigen Bezug von Schlachtvieh, besonders vor, Schweinen, zu einem Durchschnittspreise er mögliche, ebenso, ob nicht der Bund der Land wirte wegen Lieferung von Schweinen mit den Groß- und Mittelstädten Sachsens zu einem Vertragsabschluß gelangen könne. Der Lande^- tulturrat steht hier auf dem Standpunkte, daß es notwendig ist, mit außersächsischen Viehner- Wertungsgenossenschaften, welche sich zur Liefe rung in größerem Maßstabe bereits bereit er klärt hätten, in Verbindung zu treten, weil die Erzeugung der sächsischen Landwirtschaft an Schlachtvieh nicht den gesamten Bedarf im Königreich Sachsen zu decken vermag. Weiter bezeichne der Landeskulturrat es von größter Wichtigkeit, wenn die Großstädte Sachsens sich zusammenschließen und gemeinsam hinsichtlich des Bezuges von Schlachtvieh vorgehen würden, weil dann eine Stetigkeit in den Preisen erzielt werden könnte. Ferner sei auf die Errichtung von Schweineniastanstallen seitens der Stadt verwaltungen oder unter deren Mitwirkung hin zuweisen, in weichen gleichzeitig die Küchenaä- fälle der Haushaltungen Verwendung finden. Der Landeskulturrat sei bereit, den Bezug von Ferkeln auf eine Dauer von mehreren Jahren zu einein gleichmäßigen Preise zu vermitteln. Hinsichtlich des landwirtschaftlichen Avbeiter- w e s e n s sprächen, was die Aussichten für die nächste Kampagne betrifft, alle Anzeichen dafür, daß der M a n g e l an Landarbeitern sitch noch bedeutend fühlbarer machen werde als im ver gangenen Jahre. In der Frage der Feststellung des Sch u l j a h r s b e g i nn s hat der Landes kulturrat an das Ministerium berichtet, daß der Beginn für die Volksschulen am ersten Montag im April erwünscht sei. Nach Erledigung des Rechnungswertes refe rierte Geh. Oekonomierat Schubart-Euba über die Abänderung des Gesetzes, die st a a t I i ch e Schlachtviehversicherung betreffend. Es wurde beschlossen, dem Kgl. Ministerium zu empfehlen, eine Abänderung des § 5 des Schlachtviehversicheningsgesetzes in seiner Fas sung vom 25. April 1906 nach dem Vorschläge der Anstalt kür staatliche Schlachtviehversicherung nn<d ihres Verwaltungsausschusscs vorzunehmen. In der Frage der Förderung des Flach s- baues wurde beschlossen, 1. beim Königlichen Ministerium des Innern zu beantragen., daß die ergriffenen Maßnahmen zur Hebung des Flachs- ächues, insbesondere die FeldprämiieMngen und in Verbindung damit die Ausstellungen nach den bisherigen Grundsätzen weiter durchgeführt werden; 2. den Ständigen Ausschuß zu beauf tragen, deni weiteren Ausbau der Preisnotie- cungen und der Vermehrung der Absatzge'egen- heiten ein besonderes Augenmerk zuznwenden. Schließlich wurden noch baupolizeiliche Vor schriften für Treibhausanlagen und Maßnahmen zur Förderung der Ziegenzucht beraten, worauf die Sitzung auf Freilag vertagt vurde. polmlcke dmlckLu Offijicr-brsatz Um den erhöhten Anforderungen bezüglich des Olsizierersatzes Rechnung zu tragen, ist eine Steigerung der Tätigkeit der Krieg s- s chule n durch eine Abkürzung der Lehugangs- pausen und eine hufsweise Erweiterung der vorhandenen Anstalten geplant. Endlich sollen demnächst zwei weitere Kriegsschulen in Erfurt und Bromberg errichtet werden Wenn sich der Andrang zur Oifizierlaufbahn aus der jetzigen Höhe hält, ist zu erwarten,Daß die Fehlstellen bis Ende 1917 besetzt sein werden. Die Lösung der Ministertrisis in Mccklen burn-Lchwertn. Der Großherzog hat aus das Entla s- s u n g s g e s u ch des Staatsministeriums die ses seines vollen Vertrauens versichert, und deni Gesuche seine Z u st i m m u n g versagt. Auf erneute Vorstellung des Staats Ministers Grafen v. Bassewitz-Levetzow und des Staats rates v. Pressentin hat jedoch der Grotzherzog geglaubt, sich den für ihren Rücktritt vorge brachten Gründen nicht verschließen zu können und wird daher ihrem Abschiedsgesuch entspre chen. Auf dringenden Wunsch des Großheozogs wird der Staatsrat Dr. Langfeld in seinem Amte verbleiben. Der Aufforderung des Groß- Herzogs entsprechend, wird das Staatsministe- rium in seiner jetzigen Zusammensetzung die Geschäfte bis zum 1. April nächsten Jahres fort führen. Fiasko der österreichischen National- flugspcnde. Die Natioualflugspende, die vor einem Jahre zur Gründung einer ö st e r r e i ch i- I scheu Luftflotte eingeleitet wuicde, hat Fiasko erlitten. Es sind nur gegen 300 000 Kronen eingegangen, meist aus Gaben reicher Privwpepsonen und Finanzinstitute. Die große Masse der Bevölkerung blieb der Bewegung gegenüber auffallend kühl. Kapitalerbstcuer in Frankreich. Der französische Finanzminister legte in der Kammersitzung den Gesetzentwurf über die neue Kapitalerbsteuer vor, durchweiche bestimmt wird, daß, abgegeben von der bereits bestehenden Be steuerung der Hinterlassenschaften auch das hin terlassene Gesamtkapital nach Abzug einer Summe von 10 000 Franks mit einer pro gressiven Steuer belegt werden soll, welche Proz. für Kapitalien bis 50 000 Franks und bis zu 4 Proz. bei Kapitalien von mehr als 5 Millionen beträgt. Das Jahres ergebnis dieser Steuer wird auf 72 Millionen Franks veranschlagt. Schwere Anschuldigungen gegen König Ferdinand. Das in Sofia erscheinende Blatt „Tnew- nik" beschuldigt den König Ferdinand, den G e- h e i m v e r t r a g, der zwischen Serbien und Bulgarien im März 1912 abgeschlossen wurde und sich gegen Oesterreich-Ungarn richtete, der österreichisch-ungarischen Negierung bekanntgegeben zu haben. Das Blatt behauptet, daß sich König Ferdinand bereits am nächsten Tage nach der Unterzeichnung des Vertrages beeilte, den ge samten Inhalt in Wien mitzuteilen. Amcri as maritimer Aufmarsch gegen Mexiko. Abgesehen von einem Geschwader von neun Schlachtschiffen, das durch die Meerenge von Gibraltar in das Mittelländische Meer einge laufen ist, ziehen die Vereinigten Staaten jetzt alle ihnen zur Verfügung stehenden Kriegsschiffe in den mexikanischen Gemässem zuammen. Ein Kabeltelegramm meldet aus Washington, 6. November: Der Marinesekretär gab bekannt, daß der Panzerkreuzer „California", der von der eben nach der amerikanischen Westküste gehenden „Pittsburgh" abgelöst werden sollte, zunächst in den mexikanischen Gewässern bleiben wird. Fol gende amerikanische Kriegsschiffe befinden sich jetzt an der Westküste: Panzerkreu zer „California", „P-ittsburg,h" und „Maryland", das Kanonenboot „Annapolis" und das Hilfs- schisf „Glazier". SäÄülches — Waldenburg, 6. Nov. Einen recht unüberlegten Streich begingen an einem der letzten Abende vier hier wohnhafte junge Bur schen insofern, als sie in unserem Orte an einer dunklen Stelle ein Seil in etwa Meter Höhe über die Straße zogen und dasselbe so befestig ten, daß herannahende Geschirre oder Automo bile verunglücken konnten. Wie man hört, ist gegen die Uebeltäter strafrechtliche Anzeige er stattet worden. — Glauchau, 6. Nov. In der mechani schen Weberei von Arwed Franz versagte die Lichtmaschine. Beim Versuch, sie wieder in Gang zu bringen, wurde der Besitzer des Unter nehmens, Herr Franz, von der Transmission erfaßt und in den Betrieb gezogen, wobei ihm der Kopf vollständig zermalmt wurde. Der Be dauernswerte war sofort tot. — Lichtentanne bei Zwickau, 6. Nov. Heute feierte hier das älteste Ehepaar der Ge meinde, der Berginvalid Heinrich Hertel und Frau, die diamantene Hochzeit. — Pirna, 6. Nov. Zwei große Karp fenprahmen find in diesen Tagen von Pirna wieder nach Hamburg abgegangen. Der Wert der lebendigen Ladung dieser sehr zweckmäßig eingerichteten Karp'enschisfe bezijfert sich auf mehr als 200 090 Mark. — Chemnitz, 6. Nov. Eine sozialdemo kratische Wahlrechtsdemonstration sand während der ZtaDlverordnetensitzung vor dem Rathause statt. Während im Stadtverordnetenkollegium i ein sozialdemokratischer Antrag beraten wurde, oer'ammelten sich vor dem Rathause über tau send sozialdemokratische Arbeiter, die in Hoch rufe auf das allgemeine Wahlrecht ausbrachen. Der Antrag wurde im Stadtverordnetenkollegium mit allen gegen die Stimmen der Sozialdemo- l traten abgelehnt. Aus den dichtgefüllten Tvi- ibünen kam es verschiedentlich zu Ruhestörungen, so daß der Vorsitzende die Räumung der Tri bünen androhen mußte. HMemMeÄWM i WM Ws MMl. Roman von H. C o u r t h s - M a h l e r. 2j Müchdruck verboten. Prinz Joachim machte ein unbehagliches Ge sicht. „Mir ist nicht allzuwohl bei Deinen Eröff nungen, Papa. Wohl weiß ich zu würdigen, welch ein großes Glück mir da ohne mein Ver dienst zufliegen soll. Aber es war mir immer ein so tröstlicher Gedanke, daß ich als zweitge borener Sohn einmal eine Ehe ohne Zwang eingehen könnte, wenn ich überhaupt heiraten würde, wozu ich noch nicht die geringste Lust ver spüre. Und nun soll ich dennoch diesem Zwang verfallen?" Fürst Egon machte ein strenges Gesicht. „Ich hoffe dennoch, Dich in dieser Angele genheit vernünftig zu finden. Einem gewissen Zwange ist jeder Mensch unterworfen. Und be denke doch, was DU dafür eintauschst. Wirst Du Herr von Falkenhausen und den dazu ge hörigen Nebengütern — dann bist Du ein rei- ckter Mann, der sich sein Leben nach Wunsch ge- stalten kann. Ich will gar nicht davon reden, daß es unsern fürstlichen Nimbus erhöhen wird' wenn ein großes Privatvermögen uns gewisser maßen ein Relief gibt. Nur an Dich selbst brauchst Du zu denken. Du bist ijung und le bensfroh und der Reichtuw bietet Dir alles, was Du Dir wünschst." „Papa — meinst Du nicht, daß es mir auch Vergnügen machen würde, Dir zu helfen? Bis her war ich Dir nur eine Last mehr. Ich brauche gar nicht nur an mich allein zu denken, um diese Erbschaft erstrebenswert zu finden jklloer Du kannst mir doch nachfühlen, daß mir der da mit verbundene Zwang nicht behagt. Vielleicht weigert sich aber die Prinzessin, mich zu hei raten." Diese Aussicht gentägte schon, den Prinzen Joachim wieder aufzubeitern. „Sie wiüo es kaum tun, Joachim. Eine arme Prinzessin ist noch schlechter dran als ein armer Prinz. Immerhin wäre es nicht unmöglich, daß sie sich mit einer halben Million und dem Fa- milienschmuck begnügt — vielleicht hat sie ihr Herz schon verschenkt!" Der Prinz fuhr sich hastig über das kurz geschnittene Haar „Jedenfalls könnte mir nichts angenehmer sein, als daß die Prinzessin sich entschieden wei gerte, meine Gemahlin zu werden." „Auf keinen Fall darf jedoch eine Weigerung von Dir ausgehen." Prinz Joachim lachte gezwungen auf. „Es wäre außerdem sehr ungalant von mir." „Also — ich kann beruhigt sein, Joachim, Du wirst der Vernunft Gehör geben?" Der Prinz sah eine Weile nachdenklich vor sich hin. Dann blitzte es aber schon wieder lu stig und übermütig in seinen Augen auf. „Gut, Papa — aber ich stelle eine Be dingung." ' „Nun?" „Ich will zuvor die Prinzessin kennen ler nen, und zwar, ohne daß sie eine Ahnung hat, wer ich bin. Es wird sich irgend ein Weg fin den, daß ich mich inkognito den Prinzessinnen nähern kann. Wenigstens will ich sie von An gesicht kennen lernen — vielleicht auch einige Züge ihres Charakters und Wesens. Mich so gewissermaßen mit gebundenen Händen und ge schlossenen Augen ausliefern — nein — das kann ich nicht. Ich will wie ein guter Soldat der Gefajhr mit offenem Blick gegenübertireten. Und wenn die Prinzessin weder meinen Namen kennt, noch den Grund, weshalb ich in ihre Nähe komme — dann erhalte ich jedenfalls ein richti geres Bild von ihr, als wenn ich ihr gewisser maßen auf einem Präsentierbrett gleichsam als garnierte Schüssel vorgesetzt werde." Fürst Egon atmete lächelnd ans. „Gottlob — Du machst schon wieder schlechte Wftze. Ein gebrochenes Herz wirfst Du also an scheinend nicht in die Wagschale." Prinz Joachim sen'zte. „Lieber Papa, den Luxus, mich sterblich zu verlieben, habe ich mir noch nicht gegönnt. So ein Paar harmlose Flirts — manchmal auch ein bißchen mehr — pour Passer le temps. Das ist alles. Momentan bin ich, oder vielmehr mein Herz, völlig frei. Prinzessin Lolo hat's leicht. Wenn sie nicht eine Vogelscheuche ist, verliebe ich mich in sie — damit ich wenigstens mit gu tem Gewissen „ja" sagen kann." „Seltmann behauptet, gehört zu haben, daß Prinzeß Lolo eine sehr hübsche und noch sehr junge Dame sei." „Hm! Seltmanns Ansicht in Ehren — aber ich will mir doch lieber eine eigene bilden. Daß sie jung ist, ist kein Fehler — hoffentlich stimmt auch das andere. Also ran an die Kreide Serenissimus machte ein unsicheres Gesicht. „Du nimmst doch alles ein wenig sehr leicht." Prinz Joachims Gesicht wurde mit einem Male sehr ernst. „Leicht? O nein, Papa Ich liebe es nur nicht, mich von irgend etwas niederdrücken zu lassen. Und hier hilft doch alles Kop hängen nichts. Wäre es Dir lieber, ich ginge mit Seuf zern und Klagen an di; Sache ran? Wozu habe ich denn so breite Schultern, wenn ich sie nicht benutzen will, auch Unangenehmes aufrecht zu tragen? Ich fasse frisch zu, wenn es gilt, dem Leben etwas abzugewinnen. Trotzdem bin ich kein Luftikus, das kannst Du mir glauben. Wenn ich wiriklich mal über die Stränge schlage, so liegt das nur an den engen Grenzen, die niir überall gezogen sind. Laß Dir doch an einem Muttersohn genügen, Papa. Alexander wird mit Würde und Grandezza das fürstlich Schwarzen- felser Zepter schwingen." Serenissimus drohte lächelnd mit der Hand. „Das war schon wieder ein demokratischer Ausfall", sagte er. Joachim lachte vergnügt. „Wir sind ja entre nous, Papa." „Nun — laßen wir das. Also, es bleibt dabei, Tu reisest in den nächsten Tagen nach Weißenburg. Ich will darüber Nachdenken, wie Lu Dich unauffällig bei den Prinzessinnen ein- stihren kannst. Wir sprechen dann noch darüber. F.är den nötigen Urlaub werde ich sorgen." „Warn en Tank, Papa. Und noch eins. Ob ich wohl noch einmal versuche, bei Graf Falkcnhausen rorgclassen zu werden? Ich könnte ja heute nachmittag nach Falkenhausen fahren. Es quält mich, daß der alte Herr so allein und verlassen mit dem Tode ringt. Er ist doch, von allem andern abgesehen, der Vater meines liebsten Freundes." „Trotzdem kannst Du Div diesen Weg sparen. Es wird niemand vowgelaßen. Selt mann sagte mir, die Aerzte verlangen strengste Ruhe für den Patienten. Selbst wenn er je mand sehen wollte, was jedoch nicht der Fall ist, dürfte kein Mensch zu ihm." „Dann freilich — dann muß ich verzichten. Aber es tut mir furchtbar leid." „Das glaube ich Dir. Aber nun habe ich noch andere Geschäfte zu erledigen Wir spre chen heute nachmittag noch über Deine Reise." (Fortsetzung folgt.)