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recht kräftig geworden, und waS das beste — ich glaube, er hat seine Furcht vor mir verloren." „Es ist so töricht von ihm, sich vor Ihnen zu fürchtenI" rief Marga unwillkürlich aus. Ein befriedigtes Lächeln huschte über Delmenhorsts Züge. „Sie fürchten sich doch wohl nicht, Fräulein Rühling?" sagte er scherzend, und dann fuhr er in gänzlich verändertem Tone fort: „Gustav gestand mir, Sie hätten sehr eindringlich mit ihm über diesen Punkt gesprochen. Was er sagte, will ich nicht wiederholen, ich ersah aber daraus, daß ich eines Vermittlers zwischen mir und meinen Kindern bedarf. Sie haben keine Mutter, und doch tut ihnen die sanfte Leitung einer Frauenhand so überaus not. Nach reiflicher Überlegung bin ich deshalb heute mit einer besonderen Absicht hierhergekommen. Ich wollte Ihnen eine Frage stellen, Fräulein Rühling, oder besser gesagt — eine Bitte an Sie richten. Würden Sie —" er zögerte sekundenlang — „würden Sie eines Tages ein willigen, meine Gattin zu werden?" Wäre ein Blitzstrahl neben ihr eingeschlagen, Marga hätte nicht betäubter sein können, als sie es nach dieser Frage war. Alles schwamm ihr vor den Augen, und eine dunkle Blutwelle übergoß ihr Gesicht, um gleich darauf einer tiefen Blässe zu weichen. „Ich sehe, ich habe Sie überrascht", sagte Delmenhorst in sanftem Ton, „hoffe jedoch, Sie werden meinen Vor schlag in Erwägung ziehen und mir, sobald Sie können, Antwort geben." „Es ist so — plötzlich", stammelte Marga. „Darauf war ich nicht vorbereitet." „Ich hab« sehr lange darüber nachgedacht", entgegnete er, seine Hand auf die ihrige legend, und in weichem Ton fügte er hinzu: „Fällt Ihnen die Antwort so schwer, Marga?" Er nannte sie absichtlich bei ihrem Vornamen, um zu sehen, ob sie ihm zürnen werde, allein sie saß stumm und regungslos vor ihm. „Ich glaube, Sie haben meine Kinder liebgewounen", fuhr er fort, nachdem er vergebens auf eine Antwort gewartet hatte. „Sie wissen, wie wenig es mir gelingt, sie zu leiten, zu verstehen. Niemand hat je so großen Einfluß auf Wally ausgeübt wie Sie. und so würden Sie ein Segeuswerk vollbringen, wenn Sie Mutterstelle an den Kindern vertreten wollten. Ich stelle Ihnen die Sache von dieser Seite vor, weil ich weiß, daß der Gedanke, anderen Gutes tun zu können, sehr be stimmend auf Sie einwirkt. Ihr Jawort brächte Ihnen aber noch besondere Vorteile, denn Ihre Tante, an der Sie ja so hängen, würde künftighin frei von jeder Sorge in meinem Hause leben, und Sie selbst sollten jede An nehmlichkeit genießen, welche ich Ihnen in meiner Stellung zu bieten vermag. Als meine Gattin, als Herrin auf Schloß Delmenhorst würden Sie sicher nie mals Ursache haben, Ihre Wahl zu bereuen." Marga hörte ihm schweigend zu, im stillen nicht recht befriedigt von dem geschäftsmäßig kühlen Ton, in den er verfallen war. Den Kopf halb abwendend, erwiderte sie leise: „All diese Annehmlichkeiten verlocken mich nicht." Delmenhorst stutzte; dann schien er nachzudenken. „Ich vergaß", sagte er nach einer Pause: „Sie sind nicht wie andere Frauen. Um Sie zu gewinnen, müßte man Ihnen, glaube ich, die Verantwortlichkeit und Schwierigkeiten einer Stellung zeigen und Sie dann bitten, die erstere zu übernehmen und die anderen zu überwinden. Wenn ich mich in dieser Annahme nicht geirrt habe, so könnte ich Ihnen für beides reichlich Gelegenheit geben. Ich bin viel beschäftigt und ost vom Hause ferngehalten. Wollen Sie mich in solchen Zeiten vertreten, mir in der Erziehung meiner Kinder helfend zur Seite stehen, meine Gäste unterhalten und bei den Armen mein Almosenspender sein? Würde diese Ausgabe Sie reizen? Würden Sie diesen Pflichtenkreis übernehmen?" schloß er mit einem halben Lächeln, das sie momentan verletzte; weshalb, wußte sie selbst nicht. Still erwägend, blieb sie ihm aber mals die Antwort schuldig. Er beobachtete sie eine Weile, dann sagte er in hoch fahrend kaltem Ton: „Ah, ich dachte nicht daran — viel leicht hat jemand ältere Rechte an Sie. Ist das der Fall? Sind Sie schon gebunden?" Marga sah ihn groß an, verneinte aber seine Frage. »Und Sie haben auch niemand, den Sie bevorzugen?" forscht« er weiter. „Nein", lautete die schlichte Antwort. „Dann darf ich also hoffen, daß Sie mir Ihr Jawort geben werden?" „Ich weiß nicht, was ich Ihnen antworten soll", stammelte sie schüchtern. „Haften Sie es wirklich für daS Beste? Ich bin so jung und unerfahren, daß ich mich fürchte " „Der Einwand ist nicht besonders stichhaltig", unter brach er sie mit halbem Lächeln. „Haben Sie kein Ver trauen zu mir?" „O doch!" versicherte Marga. „Und willigen ein, meine Gattin zu werden?" „Wenn Sie es wünschen", erwiderte sie einfach, indem sie ihm die Hand reichte. Es war im Grund eine seltsame Brautwerbung. Als Delmenhorst seine Lippen auf ihre Hand drückte und die Verlobung mit einem Kuß besiegelte, überkam sie plötzlich die Furcht, zu rasch gehandelt, zu unüberlegt den wichtigsten Schritt im Leben des Weibes getan zu haben. Was wußte sie über Egon von Delmenhorst, und wie wäre es möglich gewesen, daß er sie gern hatte? Allerdings, dieser letztere Punkt schien für sie beide nicht vorhanden. Delmenhorst batte kein Wort von Liebe gesprochen, hatte nicht um ihre Zuneigung, ihr Herz geworben. Sie sollte nur an seiner Seite gewisse Pflichten übernehmen — das war alles; weiter verlangte er nichts. Daß sie den ihr gebotenen Platz zu seiner Zufrieden heit auszufüllen vermochte, dessen war sie sicher; auch würde sie dann noch in ganz anderer Weise als bisher auf die beiden Kinder, die ihr so sehr ans Herz gewachsen waren, einwirken können. Diese Aufgabe übte einen starken Reiz auf sie aus, doch verhehlte sie sich nicht, daß bei dem eben geschlossenen Verlöbnis die eigentliche Grund lage einer Ehe — die Liebe — fehlte. Nach dem tragischen Schiffbruch ihrer ersten Herzens neigung war sie im Grunde froh, daß Delmenhorst die Gefühlsseite gänzlich unberührt gelassen hatte. Es war einfach ein ehrlicher, in nüchternster Form gehaltener Vertrag zwischen ihr und einem Manne, der anscheinend jede Liebesregung zu Grabe getragen hatte und nur ihre Hilfe, ihre Unterstützung auf gemeinsamem Lebenswege begehrte. „Wann können wir Hochzeit halten, Marga?" Mit dieser Frage schreckte Delmenhorst sie auS ihren Ge danken auf. „O — noch nicht!" murmelte sie errötend. „Ich hoffe aber, daß ich nicht zu lange warten muß, bis ich dich mein eigen nennen darf", sagte er mit einem Anflug von Zärtlichkeit. Er wollte noch etwas hinzu fügen, wurde jedoch durch Wallys Eintreten daran ver hindert. Das Mädchen war zwar sehr erstaunt, den Vater so plötzlich in Blankenese zu sehen, verhielt sich aber wie stets in seiner Gegenwart auffallend still. (Fortsetzung folgte Ein Strick äurck äie Aecknung. Humoreske von W. M. LucaS. (Nachdruck verboten.) Wenn, wie hier und da behauptet wird, zu einer Freundschaft eine gewisse innere und äußerliche Ähnlich keit notwendig wäre, so würden Fritz Schmidt und Karl Hummelsurr gewiß niemals Freunde geworden sein. Fritz mar lebhaft, unternehmend und vorschnell, Karl pomadig und schwerfällig. Fritz war leichtsinnig und stets bereit, in freigebigster Weise anderen mit seinem Vorrat an Taschengeld, Kenntnissen und sonstigen verleihbaren Gegen ständen auszuhelfen. Karl hielt, was er besaß, schön fest und verhielt sich jedem Pumpversuche gegenüber zu geknöpft wie ein Waffenrock. Äußerlich war der Unterschied noch größer. Fritz hatte in seiner gewohnten Voreiligkeit den Weg zurOber- sekuuda in ungleich kürzerer Zeit zurückgelegt als der bequeme Keerl, der sich immer sagte: „Ich warte ja nicht auf die nächste Klasse — sie wartet auf mich!" Daher kam es, daß Karl an Atter und Körpergröße alle seine Mitschüler überragte, während Fritz, bei dem das Groß werden noch ein bloßer guter Vorsatz war, nicht nur als