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M. sr. Unterhaltungs-Beilage ,g,z. zum Hoheustein-Erustthaler Tageblatt ZTintsblcrtt. — —— Erscheint wöchentlich zroeinral. ———— Druck und Verlag von I. Ruhr Aachfolger Or. Alban Krisch, Hohenstein-Lrnstthal. Das Glück von OelmLnborlr Roman von Marie Walter. (5. Fortsetzung.) In momentaner Überraschung blieb er stehen, dann trat er mit einer Verbeugung auf Marga zu. »Gestatten Sie mir, mich Ihnen vorzustellen, Fräulein — Rühling, wenn ich mich nicht irre", sagte er in einem Ton, der Marga unangenehm berührte. „Mein Name ist Möller; ich habe die Ehre, Wallys Onkel und zugleich Gustavs Erzieher zu sein. Unser gemeinsamer Beruf dürfte uns zweifellos näher bringen, mein Fräulein." Marga verneigte sich stumm — sein Wesen mißfiel ihr, ohne daß sie sich erklären konnte, weshalb. »Sie haben wohl unser Raritätenkabinett besichtigt", schlug er ein leichtes Gespräch an. „Hat Wally Ihnen auch von dem „Glücksstein" des Hauses erzählt und Ihnen erklärt, auf welche Weise er verloren ging?" »Das kann man nicht erklären", fiel ihm Wally schroff ins Wort. »Niemand weiß, wie es zugegangen ist." „Und niemand wird es jemals wissen", ergänzte Möller spöttisch, „außer wenn das verlorene „Glück" zurückkehrt, und das werden wir beide, du und ich, wohl nicht erleben." „Ich glaube, du hast es getan, Onkel Rudolf!" stieß Wally mit solcher Heftigkeit hervor, daß Marga sie er schrocken ansah. „Du hast den Stein sicher gestohlen und versteckt, nur um Papa zu ärgern." Wieder stiegen dem leicht erregbaren Kinde die Tränen in die Augen. „Du wärest dazu imstande, denn du kümmerst dich wenig darum, was recht ist oder nicht?" „Wally, so darfst du nicht mit deinem Onkel reden!" wies Marga die kleine Anklägerin zurecht. „Ich bitte, meinen Zögling zu entschuldigen, Herr Möller." Dieser lachte kurz auf, indem er sich zum Gehen wandte, aber der böse Blick, den er aus seinen stechenden Augen auf Wally richtete, zeigte, daß ihre Worte ihn doch getroffen hatten. „Ich mache mir nichts aus der Nase weisheit meiner Nichte, Fräulein Rühling", sagte er, sich auf der Schwelle nochmals umdrohend, „beneide Sie aber nicht darum, dieselbe ertragen zu müssen." So endete der erste Tag, der Marga die Erkenntnis brachte, daß sie keine leichte Aufgabe übernommen hatte, weil ihre kleine Schülerin nicht nur einen eigenartigen Charakter besaß, sondern auch ein Mädchen war, das zwar physisch bereits sehr entwickelt zu sein schien, aber noch den vollen Mutwillen, die Unbesonnenheit und das unlogische Gebaren eines Kindes zeigte. Trotzdem hatte Marga sich bald in ihre neue Pflichten eingelebt, die ihr durch WallyS Folgsamkeit und die rücksichtsvolle Behandlung sowie das unbegrenzte Vertrauen von seiten Delmenhorsts sehr er leichtert wurden. Auch Gustav schloß sich der Erzieherin seiner Schwester gern an, soweit ihm dies von seinem Onkel gestattet wurde. Möller war der einzige im Hause, mit dem sich Margo matt befreunden konnte, zeigte er ihr doch offen seine Antipathie, indem er keine Gelegenheit versäumte, sie zu reizen und ihre Worte zu bekritteln. Er hatte augenscheinlich einen schlechten Einfluß auf seinen Neffen, denn Gustav entschlüpften zuweilen Äußerungen, aus denen Marga entnehmen konnte, Laß der Knab« an (Nachdruck verboten.) Orten und mit Personen verkehrte, die sein Vater nicht gebilligt hätte, und daß Möller nicht nur um diesen schädlichen Verkehr wußte, sondern ihn womöglich noch be günstigte. Dies beunruhigte Marga sehr. Sie hätte dem Frei herrn gern einen Wink gegeben, wagte es aber nicht, zu mal das Verhältnis zwischen Delmenhorst und seinem Sohn kein allzu freundliches war. Beide Kinder hegten eine ganz ungewöhnliche Scheu vor ihrem Vater, der ihnen zwar keine Strenge, aber auch kein wärmeres Gefühl zeigte, so daß sic ihn eigentlich mehr fürchteten als liebten. Während des Winters war der Freiherr oft vom Hause abwesend, und als der Somnier ins Land zog, schickte er Wally mit Marga und deren Tante nach Blankenese, während er selbst mit Gustav in die Schweiz reiste. Es war ein schöner Tag im Juli. Marga saß allein aus dem Balkon der Villa, denn Wally hatte sich mit Tante Regina zum Baden an den Strand begeben. Dir junge Erzieherin hielt ein Buch in der Hand, aber sie las nicht darin. Ihre Blick? schweiften in die Ferne, weithin über die unendliche Meeresfläche, auf der die Sonnen strahlen tanzten und leuchteten, daß die bläulich grünen Wogen schimmerten gleich flüssigem Gold. Marga über kam ein seltsames Gefühl, ein Gefühl, wie wir Menschen es empfinden beim Anblick großartiger Naturschönheit; ein Gefühl der Ehrfurcht, des Staunens vor den Wundern der Schöpfung, aber zugleich auch ein Gefühl unserer eigenen Schwäche, unserer Bedeutungslosigkeit in dem unermeß lichen Raum des Weltalls. Mitten in dieser Stimmung überraschte sie Delmen horst. Sie bemerkte ihn erst, als er dicht vor ihr stand und sie freundlich begrüßte. „Welch schönes Plätzcheu, welch herrlicher Blick aufs Meer!" sagte er bewundernd. „Sind Sie allein zu Hause, Fräulein Rühling? Wo ist Wally?" „Sie ging mit meiner Tante zum Baden an den Strand", entgegnete Marga, „wird aber bald zurück- kehren." Delmenhorst lehnte sich an das Balkongitter. „Ist Wally folgsam?" fragte er. »Sind Sie mit ihr zufrieden?" „Ja, sehr. Sie ist ein liebes, gutherziges Kind", er widerte Marga zu ihm aufschauend. Wie stattlich und vornehm er aussah, dachte sie. Sein Gesicht war von der Sonne gebräunt, seine Augen zeigten einen belebten Aus druck, und wenn er auch keinen Anspruch mehr auf Jugend machen konnte, so doch auf Gesundheit und kraftvoll« Männlichkeit. Marga bewunderte ihn mehr als jeden anderen; selbst Paul Santen, dessen Bild nahezu gänzlich m ihr verblaßt war, hatte ihr nicht ein solches Gefühl eingeflaßt. „Wie geht es Gustav?" fragte sie, daS entstandene Schwelgen unterbrechend. »Dank«, oizf Heffer. Sr tK m der Schweiz«! Luft