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war totenbleich und zu einer Bewegung nicht fähig, denn in seinen Gliedern lag es wie Blei. Das Haar sträubte sich ihm. und aus den angstverzerrten Blicken sprach das ganze, fürchterliche Entsetzen, das er über das soeben Er lauschte empfand. In seinem Hause, in dem er und seine Väter seit Jahrzehnten glücklich und zufrieden lebten, war heute ein greuliches Verbrechen, war ein Mord verabredet worden und das, Ivas die Unmenschen mit ihrem Opfer nach der Tat Vorhalten, war fast noch, ärger und scheußlicher als die Tat selbst. Und er, er hatte den verruchten Wan mit anhören müssen. Hans-Peter zitterte wie ein Espenlaub, als er nach langer Zeit endlich aus seiner Nische tauchte. Der Kopf war ihm schwer, uud im Magen war es ihm nicht gut. Also schenkte er sich ein Gläschen Enzian ein, das nahm die wirren und zerrütteten Gedanken wieder ein wenig zu sammen. Hans-Peter ging in der Stube auf und ab und mied ängstlich die Nähe jenes Platzes, an dem die beiden gesessen hatten. Wenn er in die Mitte des Zimmers kam, murrte mißtönend ein Brett des Fußbodens, das locker war, dann zuckte er erschreckt zusammen und schaute sich furchtsam um. Der zufriedene, glückliche Hans-Peter war plötzlich der bejammernswerteste Mensch geworden. Das furchtbare Geheimnis, das er mit Mock und Muck zu teilen ge zwungen war, drückte auf ihn wie eine Zentnerlast. Was sollte er tun? Zum Vorsteher gehen und ihm die Sache mitteilen? Dann würde aber wie ein unabwendbares Verhängnis für ewige Zeiten die Rache der beiden Gauner über ihm und seinem Hause schweben. Und, wenn er schwieg, ginge durch die ruchlose Hand der Mordbuben ein Mensch elendiglich zugrunde, und er hätte keine ruhige Stunde mehr. In seiner Macht war es gelegen, das zu verhindern, aber jede Minute mußte er dann für sein Leben zittern, und keine Nacht konnte er sicher sein, daß sie ihm nicht den roten Hahn aufs Dach setzten Hans-Peter stöhnte. Er war in einer mrchtbaren Lage. Trostlos schüttelte er den Kopf und sab und mußte keinen Ausweg. Erleichtert atmete er auf, als von der Straße lustiges Peitschenknallen ertönte und im nächsten Augenblicke in mehreren Zweispännern eine Hochzeit aus dem Nachbar dorfe bei der Krone vorfuhr. Mit der Bedienung der willkommenen Gäste beschäftigt, vergaß Hans-Peter seine Sorge und sein Leid. Es war schon dunkel, als die heitere Gesellschaft wieder ausbrach. Nun kam daS alte Elend von neuem über ihn. Sein Wissen, das ihm nie Kopf schmerzen bereitet hatte, war heute eine höllische Oual. Er verfluchte im Geheimen Mock und Muck, daß sie gerade auf den dämlichen Gedanken gekommen waren, ihre Tat in seinem Hause zu verabreden, und er verdammte seine Gewohnheit, in der Nische zu duseln, aber das alles half ihm nicht viel. Auf einmal gab sich der Kronenwirt einen energischen Ruck und ging zum Vorsteher, dem er das er lauschte Gespräch haarklein erzählte. Der horchte erstaunt auf, übersah aber rasch die L»ge. Er war ein energischer Mann und ließ den Gemeindepolizisten und einige Nacharn rufen, gab seinen Knechten einen Be fehl, und es war keine halbe Stunde vergangen, da ver sammelten sich beim Vorsteher ein Dutzend kräftige, mit allerlei altem Gewaffen, mit Sensen und Gabeln aus gerüstete Männer, die voll Mut, den Vorsteher und Len Polizisten an der Spitze, auszogen, die Mörder zu fangen. Hans-Peter folgte dem Trupp. Er hatte alle Furcht und Angst vergessen, und die Neugierde jagte ihm einen wohligen Schauer über den Rücken. Die Hütte, in der Mock und Muck hauste«, war bald erreicht und lautlos umstellt. Dann trat der Vorsteher an die Tür heran mrd klopfte. .Heda! Aufgemacht!"' Die Männer faßten ihre Waffen fester, jetzt und dann, so meinten sie, müsse sich die Tür öffnen, und sie würden den beiden Mördern gegenüberstehen. Aber alles blieb still. Noch einmal rief der Vorsteher. Nichts rührte sich. Da drückte er auf die Klinke. Die Tür ging auf, und Hans-Peter, obwohl er hinter den Männern stand, wich unwillkürlich einige Schritte zurück. Mit den mitgebrachten Laternen wurde in der Hütte ^erumgeleuchtet und der letzte Winkel untersucht. Die ^ütte war leer. .Wir kommen zu spät", sprach der Vorsteher, »die Untat können wir leider nicht mehr verhindern, aber auf passen wollen wir hier, um die beiden Lumpen, wenn sie mit ihrem Opfer heimkehren, um ihr schändliches Werk sortzusetzen, abzufangen." Die Laternen wurden sorgsam verdeckt, und die Männer verbargen sich im Gestrüpp rings um die Hütte. Hans- Peter, der um keinen Preis der Welt allein heimgegangen wäre, mußte aushalten und kauerte neben dem Vorsteher hinter einem Gebüsch auf dem Waldboden. Totenstille war ringsherum, und so vergingen die vor mitternächtlichen Stunden. Endlich tönten zwölf Schläge von der Kirche herüber. Mitternacht. Geisterstunde. Und wieder ganz unwillkürlich bekreuzten sich die Männer, und Hans-Peter murmelte irgendeinen alten, frommen Svruck um jeglichen Zauber zu bannen. Noch eine halbe Stunde verging, da wurde das Brechen von Zweigen im Walde vernehmbar. Im gleichen Augen blick kam der Mond, den bisher eine Wolke verdeckte, heraus „Achtung! Sie kommen!" flüsterte der VorMber, und I die Worte machten rasch die Runde. Im Scheine des Mondes sahen nun die atemlos der ! weiteren Dinge harrenden, gut versteckten Männer zwei dunkle Gestalten aus dem Walde treten, von denen die vordere einen schweren Sack über die Schulter trug. Es waren Mock und Muck, die sich katzengleich ihrer Hütte näberten. Als sie vor derselben angekommen, gellte ein Pfiff, im Gebüsch um die Hütte raschelte es, und ehe sich Block und Muck von ihrer Überraschung erholten, waren sie von einer Schar Männer umstellt und starrten ihnen ! Gewehrläufe, Sensen und Gabeln drohend entgegen. Der Vorsteher trat vor und rief: .Halt, im Namen des Gesetzes und des Königs, ihr Mörder, ihr seid ver- ! haftet. Rührt euch nicht, jede Gegenwehr ist nutzlos." „Hoho, Vorsteher", meinte erstaunt Muck, „was ist denn los? Mörder nennst du uns und verhaften willst du uns? Ein bißchen langsam, Mann, da müssen wir auch dabei sein." .Verruchtes Gesindel, man hat euch belauscht, als ihr eure Schandtat verabredetet. Einen Menschen wolltet ihr morden und — es widerstrebt mir, es zu sagen, sein Fett auskochen, um es der alten Hexe zu verkaufen. Können wir das eine nicht mehr ungeschehen machen, wollen wir doch die frevlertsche Leichenschändung verhindern und euch, gottlose Buben, der verdienten Strafe zuführen. Sack herunter und Hände her, damit wir euch fesseln können. Polizist, her mit den Stricken." Der Vorsteher hatte Ursache, über die Wirkung seiner Worte zu staunen. Mock und Muck brachen in schallendes, weithin gellendes Lachen aus. Die Hellen Tränen liefen ihnen über ihre Wangen, so lachten sie. Verblüfft starrten die Männer des Gesetzes auf die ! Mörder. Mock warf den Sack dem Vorsteher vor die ! Füße und höhnte: „Da habt ihr unser Opfer. Ihr könnt das Schmalz selber auslassen, es gibt eine gute Salbe für schwache Gehirne." Und wieder lachten die beiden, daß sie sich an die Hütte lehnen mußten. „Offne den Sack", befahl der Vorsteher dem Polizisten. Der zitterte am ganzen Leibe und stotterte kreidebleich: „Herr Vorsteher, halten zu Gnaden, ich würde den Anblick mein ganzes Leben nicht mehr los." Ein Knecht des Vorstehers war nicht so empfindlich und weniger furchtsam, öffnete den Sack, packte ihn am ! unteren Ende und schüttelte mit einem kräftigen Ruck den Inhalt heraus. Ein fetter, toter — Dachs kollerte vor die Männer i hin. Mock und Muck lachten, daß sie sich die Seiten j halten mußten. Und das mörderische Lachen schallte den Männern nach, als fie fluchend, wie begossene Pudel ins Dors zurückzogen. Ganz blöd trottete der Kronenwirt hinterdrein. Als er sich dann rasch und heimlich in sein Haus stehlen wollte, ries ihm der Vorsteher zürnend und geringschätzig nackn .Hans-Peter, du bist ein Schaf."