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rir 9,. Unterhaltungs-Beilage mZ. zum Hohenstem-EmWaler Tageblatt Aintsblcrtt. Erscheint wöchentlich zweirnnl. ———— Druck und Verlag von I. Nuhr Nachfolger Oc. Alban Arisch, Hohenftein-LrnMhal. Das Glück von Delmenhorst Roman von Marie Walter. (4. Fortsetzung.) „Wie können Sie daran zweifeln, nachdem Sie sie gesehen haben?" gab Nora zurück. „Ich will Ihnen auch noch etwas sagen. Als ich heute morgens, vom Schloß Achim kommend, in Hoya ansstieg und auf den Wagen wartete, der mich hierher bringen sollte, las ich in der Lokalzeitung eine Annonce, daß eine junge Dame in Französisch, Englisch und Musik Unterricht zu erteilen wünsche. Dies Inserat ist zweifellos von Fräulein Rühling aufgegeben." Delmenhorst dankte ihr für die Auskunft, und gleich am folgenden Vormittag ging er nach Hoya, um bei Professor Holbach, den er oberflächlich kannte, einen Besuch zu macheu. Es mar aber niemand zu Hause außer Marga, die niit einem Buch in der Hand auf der Veranda saß. Der Freiherr begab sich zu ihr, und nachdem er sein Bedauern ausgesprochen hatte, den Professor nicht getroffen zu haben, richtete er unvermittelt die Frage an Marga: „Ist es wahr, mein Fräulein, daß Sie Unterricht zu er teilen wünschen? Jemand erzählte es mir." „Ja, ich suche Schüler", erklärte Marga offen, „allein ich fürchte, hier in der kleinen Stadt werde ich keine be kommen, eher in Hamburg oder Hannover." „Vielleicht brauchen Sie nicht in so weite Ferne zu schweifen", bemerkte Delmenhorst in überredendem Ton, „es ließe sich wohl auch hier das Gewünschte finden. Sie sprechen englisch und französisch?" „Wie meine Muttersprache. Auch habe ich vorzüglichen Klavierunterricht genossen." „Das klingt ja vielversprechend", entgegnete Delmen horst, „und da Ihre übrige Ausbildung gewiß ebenfalls eine gediegene ist, so würde ich mich freuen, wenn Sie es übernehmen wollten, mein Töchterchen zu unter richten —" „Ihre Tochter?" wiederholte Marga überrascht. „Ist sie nicht schon zu erwachsen für mich? Ich wollte eigent lich nur jüngere Kinder —" „O, Sie werden sicher auch mit Willy mrechtkommen", fiel er rasch ein. „Sie ist ja etwas unbändig, aber das kommt, weil sie keine Mutter, keine ältere Schwester hat. Die Gouvernanten, die ich für sie engagierte, räumten meist sehr bald das Feld, weil Wally nicht ierueu und sich auch nicht fügen wollte. Die Damen verstanden es aber auch nicht, sich bei dem Kinde in Respekt zu setzen. In Ihrem Falle ist es anders: Wally hat eine große Zu neigung zu Ihnen gefaßt, und ich bin überzeugt, Sie werden es verstehen, sie zu leiten. Wenn Sie mir bei der Erziehung meines Töchterchens helfen wollten, Fräulein Rühling", schloß er, „würde ich Ihnen" — ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Züge — „fast ebenso dankbar sein, als für die Hilfeleistung am Fluß, die der Kleinen das Leben rettete." „Was in meinen schwachen Kräften steht", versicherte Marga, „wollte ich gern tun, wenn ich nicht befürchten müßte, daß Sie mir das Anerbieten nur auS dem Grunde machen, weil Sie vielleicht denken, mir den kleinen Dimit, (Nachdruck verboten.) den ich Ihnen geleistet habe, in dieser Weise lohnen zu müssen." Delmenhorst schüttelte den Kopf. „Nein, mem Fräulein, da sind Sie im Irrtum", sagte er freimütig. „Die Erziehung und das Wohl meines Kindes würde ich niemals einem Gefühl der Dankbarkeit opfern. Ich bat Sie, Wallys Unterricht zu übernehmen, weil ich glaube, daß Sie einen guten und heilsamen Einfluß auf sie aus zuüben vermögen. Werden Sie nun zustimmen?" Marga hatte jetzt nichts mehr eiuzuwendeu, und so verabredete Delmenhorst mit ihr, sie solle täglich die Zeit von zehn bis vier Uhr in seinem Hause verbringen, um Wally zu unterrichten. Bei schlechtem Wetter wollte er sie im Wagen holen und zurückbringen lassen. Da er ihr ! ein angemessenes Gehalt bewilligte, so konnte sie mit ihrer i Tante eine eigene kleine Wohnung beziehen, was sie um ! so mehr beglückte, als es ihr schon peinlich war, die Gast- ! frenndschast des Professors so lange in Anspruch ge- ! nommen zu haben. Sehr zufrieden mit dem Erfolg seiner Mission, verließ ! Delmenhorst das Halls, um bei dem schönen Wetter zu ! Fuß nach seinem Schloß znrückzukehren. Er bog in einen ! Weg ab, der neben der Landstraße her durch eine kleine Waldung führte. Gleich im Anfang derselben stieß er auf ! einen Mann, dessen Außeres — er hatte listige, unruhig ' blickende Allgen und einen verschlagenen Gesichtsausdruck — wenig anziehend war. „Wie? Du hier, Rudolf?" rief Delmenhorst über rascht aus, als er den Stiefbruder seiner verstorbenen ! Frau, Rudolf Möller, der seit Jahren bei ihm lebte, ge- j wahrte. „Wie kommst du hierher?" „Ganz zufällig", lautete die lässige Antwort. „Machte mal einen Spaziergang ohne bestimmtes Ziel." Das war eigentlich gelogen, denn er hatte den sehr bestimmten Zweck gehabt, seinem Schwager nachzuspüren und zu ergründen, was denselben nach Hoya, noch dazu in das Hans des Professors führte. Die beiden Männer schritten eine Weile schweigend nebeneinander her, dann bemerkte Delmenhorst: „Ich habe heute Fräulein Rühling, von der ich dir ja erzählte, als Erzieherin für Wally engagiert." „Hol' sie der Teufel!" fluchte Möller in sich hinein. ! Er haßte jede selbständige Handlung seines Schwagers, bei der dieser ihn nicht erst zu Rate zog, erhob aber, wie immer, so auch diesmal, keinen Widerspruch. 4. Kapitel. Wallys Begrüßung ihrer neuen Erzieherin war eine überaus warme. Sie umarmte Marga mit stürmischer Herzlichkeit und jubelte laut, eine so nette Gouvernante zu haben; die früheren seien entsetzlich streng und ganz unausstehlich gewesen. werde aber anch streng sein", erklärte Marga lächelnd. „Das können Sie ja gar nicht, Sie mit Ihren sanften