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Arntsvlcrtt. Zweites Blatt. Dienstag, den 21. Oktober 1913. Nr. 245. M WM MkWkllW. Als die Feier zur Weihe des Völkerschlacht- denkmals ihren Anfang nahm, spannte sich ein vollkommen klarer Himmel über den Festplatz, und die Helle Sonne vergoldete den rotgrauen Steinkolotz des Denkmals. Vom Mirstenzelt herauf donnerten die Klänge des Präsentier marsches der Ehrenkompagnie. Der Kaiser und der König von Sachsen waren vor gefahren. Brausende Hurrarufe klangen ihnen entgegen. Der Kaiser schritt mit dem König die Front der Ehrenkompagnie ab und begrüßte die versammelten Bundesfiirsten und die Bürger meister der drei freien Städte. In feierlichem Zuge nahten dann die Fürsten, gefolgt von einer glänzenden Suite, dem Denkmal, um den Teich herum an den Studenten vorbei, deren Fahnen sich senkten, und schritten die große Mittvltreppe herauf, während die Glocken läu teten und die Posaunen von der oberen, kleine ren Plattform dasGralsmotiv 10 erklingen ließen. Nachdem die Fürsten unter dem Kaiserzett Auf stellung genommen hatten, setzte gemeinsamer Gesang der versammelten Tausende ein, und von Posaunen und Kesselpauken begleitet, stieg das Niederländische Dankgebet zum Himmel. Dann trat tiefe Stille ein, nur die Kirchenglocken hall len leise herüber. Kammerrat Thieme be stieg die Rednertribüne und hielt folgende Weiherede: Euere Königliche Majestät, deutsche Brüder, deutsche Schwestern! Wir treten im Beten vor Gott den Ge lösende Tat forderte: Die Befreiung vom schmählichen Joche der Fremdherrschaft! Deut sche für Deutsche! Und der Tag kam! In dumpfem Ringen wogt der Kamps mo natelang von der Saale zur Oder und wieder zurück. In atemloser Spannung harren die Gu ten des Sieges der Freiheit und des Rechts. In gewaltiger Sammlung der Kräfte führt Leipzigs große Ebene die Entscheidungsschlacht herauf. Das Schickfal ganz Europas steht auf dem Spiele. Heiß wütet der Männerstreit auf blutiger Bahn. Napoleons Stern erbleicht und in strahlendem Glanze steigt die Oktobersonne herauf, kündet Europas und Deutschlands Unab hängigkeit und Freiheit. An der früheren Ouandtschen Tabaksmühle, da driiben, da, wo jetzt der einfache Stein steht mit der Inschrift: „Der Herr ist der rechte Kriegsmann! Herr ist sein Name!" dort mußte Napoleon sich für besiegt erkennen und den Rück zug anordnen, den deutschen Boden verlassen, nm ihn nie wieder zu betreten. So lange rollet der Zeiten Rad, So lange scheinet der Sonne Strahl, So lange die Ströme zum Meere reisen, Wird noch der späteste Enkel preisen: Die Leipziger Schlacht! So ist es und so wird es bleiben! Der Kampfplatz rings um Leipzig ist eine geweihte Stätte, ein Heiligtum des gesamten sichtbare Zeichen der Dankbarkeit gegen Gott und unsere Heldenväter für unsere Freiheit und unser nationales Sein! Gewalttger Zeiten gewaltiges Zeichen! — den gefallenen Helden ein Ehren mal, — dem deutschen Volke ein Ruhmesmal, — kommenden Geschlechtern ein Mahnzeichen! — hoch und her, wie die Taten der Mütter und Väter, die Gut und Blut einsetzten für die Rettung des Vaterlandes. Am Schlachtenbild verkörpert Michael die siegreiche Erhebung des deutschen Volkes. Stumm trauern in der Krypta die in Stein gemeißelten Krieger um die im Kampfe gefal lenen Helden und halten die Totenwacht. Im Ruhmesmal offenbaren sinnbildliche Gestalten die hehren Eigenschaften des deutschen Volkes, die zur gewaltigen Erhebung und zum Siege führten: Opserwilligkeit, sTaftferlie.it, Glaubens stärke und deutsche Volkskraft. Hoch darüber wölbt sich das Mahnzeichen mit den 12 Rie sengestalten, Hüter der Freiheit und Stützen oes Reiches zugleich. So hat das deutsche Volk sein Denkmal für die Befreiung aus großer Not sich selbst zur Ehre errichtet. Nicht nur zur bloßen Feier einer flüchti gen Stunde der Erinnerung sind wir hier ver sammelt: Nein! Dies Denkmal soll des deut schen Volkes Jubelfeiertat sein, berufen, durch Jahrhunderte fortwirkend, deutschem Sinn und Geist zu dienen. Was ist alle äußere Ver herrlichung, wenn nicht aus dem Andenken an der Väter Taten immer wieder neue Begeisterung in den Enkeln erwacht?! Was einst Ernst Mo ritz Arndt sagte, muß Wahrheit für alle Zukunft bleiben: Das Völterschlachtdenkmal muß die Jrminsul des deutschen Voltes sein, wohin der am. 18. Oktober jedes Jahres seine Schritte und auf denen sich später als sicheren Grundsteinen Ehrenmal deutscher zum und der Gott, treu und fest zu sein in der Liebe angestammten Fürstenhause, zum Kaiser zum Reich. Dazu verhelfe uns der Gott, mit unseren Vätern war! Amen!" seine Gedanken lenkt, daß alle daran erinnert werden, daß sie Brüder eines Stammes und einer Liebe sind und daß sie Hinfort deutsche Liebe und Treue nächst Gott als das heiligste und höchste zu achten und zu lieben haben. Ein gedenk dieser Mahnung weihe ich dieses Denkmal den Manen der großen Zeit, daß die Väter in den Söhnen lebeu! Und so legen wir als treue Söhne des Vaterlandes heute am Hundertjah restage der Völkerschlacht im Geiste der Väter aufs neue das heilige Gelöbnis ab: Treu und fest zu fein im Glauben an den allmächtigen rechten! Sinn und Gemüt bewegt die Stimme Denkmal, ein lebendiges di» anderen Stämme den preußischen Fahnen zu, zu schwer lastete noch die harte Faust des Er oberers auf allen Landen jenseits der Elbe bis Weltgeschichte, des Weltenlenkers. Denn heute vor hundert Jahren erbrausten um diese Stunde über dies Blachseld die Donner des Weltgerichts. Wir treten im Beten vor Gott den Ge rechten, die deutschen Fürsten und das Deutsche Volk, innig verbunden durch das Band gegen seitiger Liebe und Treue. Wir beugen in De mut unsere Knie vor dem Allmächtigen, der vor hundert Jahren die Waffen der Verbündeten segnete und ihnen den Sieg verlieh im Kampfe um die Freiheit des heitzgeliebien Vaterlandes. Gott war gerecht, Gott war mit uns, Gott macht uns frei! Er erleuchtete die Herzen der Deut schen, er führte die Scharen zur Erhebung und zum Siege, ihm sei die Ehre! Unvergänglich steht da oben die Inschrift: Gott mit uns! Als die große Armee in Rußland geschla gen, in elenden Resten, in Lumpen gehüllt, am Ende des Jahres 1812 über die preußischen Grenzen ging — als Preußens König am 17. März 1818 den Aufruf an sein Volk erließ: da wurde der teutonische Geist wieder lebendig, da begann die gewaltige, alle Gemüter erfassende Erhebung. Erst in einzelnen srommen und starken Männern, denen die Ehre und die Freiheit ihres Volkes höher stand, als ihr Le ben, dann in den Massen, denen sie durch ihre zündenden Reden das Gewissen schärften, durch ihr Vorbild wieder Mut und Hoffen gaben. Hell aus dem Norden brach der Freiheit Lichte Das kleine ausgesogene, aber vom Geiste höch ster sittlicher Kraft erfüllte Preußen entzündete die mächtigsten Opferslammen, und mit gren zenloser Begeisterung steht das Volk aus, bricht der Sturm los. Vom Throne bis zur Hütte er wacht ein Wille, ein Gefühl der reinsten Hin gabe an die Pflichten des heiligen Krieges: Mit Gott für König und Vaterland! Die Begeisterung fand erhebenden Wider- tMll in allen deutschen Gauen. Das deujffcho Volk wußte, mit der Erhebung Preußens han delt es sich um Sein oder Nichtsein, um die Zukunft Deutschlands. ' Nicht in gewaltiger! Heerhaufen strömten Auf die Weiherede antwortete König Friedrich August von Sachsen mit folgenden Worten: „Die von hoher patrio tischer Begeisterung getragenen Worte, die Sie, Herr Thieme, in Vertretung des Deutschen Patriotenbundes soeben an Mich gerichtet haben, haben uns Deutsche tief bewegt. Sie unter stützen den gewaltigen Eindruck des mächtigen Denkmals, das durch die freie Opserbereitschaft deutscher Männer hier errichtet worden ist als ein Zeichen deutscher Ktast und Einigkeit. Wie dieses Denkmal uns erinnert an blutige Kämpfe und an den Heldentod vieler braver Soldaten, die vor 100 Jahren auf diesem Schlachtfeld fie len, wie es uns weiter mahnt an Gottes gnä dige und wunderbare Führung, der unserem Volke nach langem Ringen und Sehnen eine herrliche Einheit schuf, so möge es nach weite ren 100 ja nach 1000 Jahren noch späteren ur Enthüllung des Völkerschlacht-Denkmals bei Leipzig. Kaiser Wilhelm, König August von Sachsen und Geh. Hofrat Thieme auf dem Festplatz vor dem Denkmal. Freiheit erringen zu Helsen; und ich, Euer Lch- rer, habe es nicht nur gebilligt, sondern selbst meinen Hörsaal geschlossen, um mit Euch sür denselben hohen Zweck zu kämpfen". In Halle, Jena, Göttingen regt sich der gleiche Freiheits drang, und freudig eilen Deutschlands treue .Söhne auf den Kriegsschauplatz. Jetzt oder nie mußte der Tag kommen, der gebieterisch die er Danrbarkeit. Deutschland vergißt seine Helden nicht. Aber was in der Seele sorgsam geborgen liegt, verlangt nach einem gewaltigen, sichtba ren Wahrzeichen. Einmal muß es urkräftig zum Ausdruck, zur Gestaltung gelangen und sollte es einhundert Jahre währen. Nie stirbt ein gro ßer menschlicher Gedanke! Wohlan! Hier steht der zu Stein gewordene Wille des Volkes, das deutschen Volkes geworden, geheiligt durch die dargebrachten Opfer an Gut und Leben für die Freiheit des Vaterlandes, geheiligt, weil hier unsere Heldenväter die knechtenden Bande des Eroberers zertrümmerten, hier die so lange er sehnte Freiheit im harten Kampfe des Leibes und der Seele wiedetgewannen, um wieder ein einzig Volk von Brüdern zu werden. Hier unter dem Donner der Kanonen sind das deut sche Volksbewußtsein und das deutsche Volkstum von neuem geboren werden, die hohen Güter, sagt Wilhelm der Große, die heute die deut schen Stämme je länger und desto inniger verbinden. Dem Werden des deutschen Reiches ging ein Werden des deutschen Volkes voraus, und hier ist die Geburtsstätte, heute der Ge burtstag! Hundert Jahre sind ins Meer der Vergan genheit dahingeflossen, vieles ins Meer der Ver- gangenheit gesenkt worden, doch das Andenken an die Leipziger Schlacht und an die Helden der Befreiungskriege blieb bestehen. In den Herzen des Volkes erwuchs ihnen ein dauerndes an den Rhein, oon den Alpen bis zur Nord-! das neue deutsche Reich begründen konnte. Die und Ostsee. Aber es kam die Blüte der Na- Befreiungskriege begannen die- Fäden zu knüpfen, tion: Offiziere der Rheinbundstaaten, die es als ein Gebot der Ehre betrachteten, als Deutsche äuf deutscher Seite zu kämpfen, es kam die deut sche Jugend, Deutschlands Zukunft! In Lützows Freikorps sammelte sie sich, entflammt durch den von Körner in Leipzig verfaßten Aufruf. Jahn und Friesen führen die Turner, die Professoren die Studenten als Freiwillige dem Heere zu. Professor Krug, der Rektor der Universität Leip zig, ist mit den Leipziger Studenten einer der ersten, die dem errichteten Banner der freiwilli gen Sachsen beitreten: „Viele von Euch, teure Jünglinge", spricht er, „haben schon das Buch mit dem Schwerte vertauscht, um Deutschlands Geschlechtern von dem heutigen Tage Kunde geben, möge es ihnen erzählen, wie in dieser Stunde Deutsche und Russen, Oesterreicher, Un garn und Schweden ihre Kniee in Verehrung beugen vor Gott, dem allmächtigen Lenker der Weltgeschichte, und zu ihm beten, daß er uns den Frieden erhalte zum Wohle unse res deutschen Volkes, zum Wohle auch der Staaten und Fürsten, die Mir die große Freude bereitet haben, Meiner Einladung zu folgen, und bei diesem Feste durch Mitglieder ihres Haufes und durch Abordnungen ihrer tap eren Heere vertreten sind. In diesem Sinne beglück wünsche Ich den Deutschen Patriotenbund zu dem wohlgelungenen Werke und nehme das Denkmal unter Meinen Königlichen Schutz." Bravorufe folgten der Rede des Königs. Der gemeinsame Gesang des Chorals „Nun dan ket alle Gott" schloß die eigentliche Weihefeier. Unter Heilrufen nahten die Eilboten und überreichten ihre Urkunden. Nunmehr, es war etwa 12 Uhr, schritten die Fürsten zur Besichtigung des Denkmals- i n n e r n, voran der Kaiser niit dem König von Sachsen, es folgten der österreichische Thron folger und der russifche Großfürst Kyrill, so dann der Prinzregent von Bayern, der Köniz von Württemberg und die anderen Bundesfür sten. Nach der Besichtigung des Denkmals ver ließen die Fürstlichkeiten unter dem ,von fern herüberklingenden Salut der Geschütze das Denk mal, schritten unter Vortritt des Kaisers rechts um den Teich herum, während alle Anwesenden das Lied „Deutschland, Deutschland über alles" anstimmten und begaben sich zu den am Ein gang der Umvallung bereitstehenden Wagen. Um 12 Uhr 15 Minuten erfolgte die Abfahrt zuni Schwarzenberg-Denkmal, wo sich bereits die gesamten österreichischen Generäle und Offiziere sowie die Musikkapelle des Infan terie-Regiments Nr. 37 und eine Abordnung des Schwarzenberg-UIanen-Regiments eingefun den hatten. Kurz darauf erfchien der Kaiser mit dem König von Sachsen, sowie den übri gen Bundesfürsten. Die Familie Schwarzen berg war durch 5 Mitglieder vertreten. Der junge Fürst zu Schwarzenberg hielt eine Ansprache und dann legte Erzherzog Franz Ferdinand einen Kranz am Denk mal nieder, währenddessen die Musik die öster reichische Nationalhymne spielte. Auch der Kai ser ließ einen Kranz niederlegen. Damit war die Feier beendet und der Kaiser, die Bundes fürsten und die fürstlichen Gäste nahmen an einem Tedeum in der russischen Gedächtnis- kirche teil. Von dort begaben sie sich, überall von einer unübersehbaren Menschenmenge stürmisch um- jubelt, nach dem Neuen Rathause. Hier wurden die Fürsten vom Oberbürgermeister Dr. D i t t- r i ch das imposante Treppenhaus hinaufgeführt und in der Wandelhalle, deren Galerie mit Damen Her Stadt besetzt war, von ihm feier lich begrüßt. Der Oberbürgermeister richtete da bei an König Friedrich August eine Ansprache. Der Kaiser und der König von Sachsen be gaben sich in den Festfaal des Rathauses, wo gegen 2 Uhr ein Frühstück begann, das vom Rate der Stadt gegeben wurde. Bei dem Fest- mahl im Gewandhaus brachte König Friedrich August folgenden Trink spruch aus: „Euere Majestäten, Kaiserlichen und König Uchen Hoheiten, Durchlauchtigste Fürsten, alle die lieben Freunde und Bundesgenossen, die hier an dieser Tafel vereinigt ,md. bitte Ich Meinen tiefgefühltesten Dank mfür entgegenzu nehmen, daß Sie Meiner Eirwdung ge olgt sind. Hundert Jahre sind chmte verflossen, seit dem auf Leipzigs Gefilden jene große Völker schlacht geschlagen worden ist, die einen Mark stein in der Geschichte der hier vertretenen Völ ker bildet. Hochragend blickt das Denkmal heute auf uns herab, zu dessen Weihe Sie Mir die Ehre und Freude Ihres Erscheinens schenken. Indem Ich Sie, die deutschen Fürsten und Ver treter freier Städte, an Ihrer Spitze den Deut schen Kaiser, Sie, die Vertreter außerdeultscher Souveräne, deren Vorfahren an der großen Völkerschlacht vor hundert Jahren teilgenommen haben, begrüße, gedenke Ich der ruhmreichen Taten, die vor hundert Jahren von deutschen, österreichisch-ungarischen, russischen und schwedi schen Truppen au' diesem Schlachtfelde voll bracht worden sind. Damals ein blutiges Rin gen, Kämpfe und Shlachtgetümmel, Not und Elend, Darniederliegen von Handel und Wan del, der entscheidende Wendepunkt für die heran- brcchende, noch im Dunkel der Zukunft liegende Neuzeit. Heute aber wach hundert Jahren weit tragender politischer Entwicklung und Umgestal tung an gleicher Stelle, als nunmehr einer Stätte ungestört fortschreitender Kultur und blühenden Gewerbfleißes, ein Zw'ammenströmen der Nachkommen jener Kämpfer der großen Völkerschlacht von Leipzig von nah und fern zu einem Fest des Friedens. Vereint sind wir zu einer Feier der Erinnerung an die damali gen heißen Kämpfe, an die damals in diesen