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Nr sö. Unterhaltungs-Beilage ,9<z. zum hohenslein-ErnsltWer Tageblatt Zlrntsblatt. — Lrefch sirrt rv§<chsrrtlich zrveirnal. — Druck und Verlag von I. Ruhr Nachfolger Or. Alban Krisch, tzohenstetn-Ernftthal. Wider den Strom Erzählung von Fritz bkowronnek. <6. Fortsetzung.) Der alte Herr war hinausgegangen, und gleich darauf hatte Haberland mit dem Unterricht begonnen. Er begann vorzutragen und erklärte den jungen Damen zunächst, welchem Zweck dieser Unterricht dienen sollte. Er sprach frei, so natürlich und ungezwungen, als wenn er schon jahrelang vom Katheder herab doziert hätte. Hin und wieder griff er nach der Kreide oder dem Kohlen stift, um auf einem Karton oder auf einer schwarzen Tafel seinen Vortrag zu illustrieren. Lena hatte die ganze Zeit in einer seltsamen Stimmung dagesessen. Ihr Herz klopfte so unruhig, daß sie es, wie man so zu sagen pflegt, bis zum Halse hinauf schlagen fühlte. Sie fürchtete sich vor dem Augenblick, wo sich ihr Auge mit dem des Lehrers treffen würde . . . Sie konnte doch nicht die ganze Stunde hindurch mit nieder geschlagenen Augen dasitzen! In Gedanken suchte sie sich selbst Mut einzusprecheu. Was war denn dabei, daß Herr Haberland den Unterricht leitete, ob er oder ein anderer, das blieb sich doch gleich . . . Mit energischem Ruck hob sie den Kopf. In dem selben Augenblick trafen sich beider Blicke, und flammend stieg in ihrem Antlitz wieder die verräterische Röte empor. Denn so kurz der Moment auch gewesen war, er hatte ihr das Aufleuchten in den Augen des jungen Mannes gezeigt, und es war ihr wie ein halb respektvolles, halb vertrau liches Grüßen erschienen. Nach Beendigung des Unterrichts trafen sie sich vor dem Akademiegebäude. Haberland hatte augenscheinlich auf sie gewartet, freudig schwang er seinen Hut und reichte ihr die Hand. „Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, mein ver ehrtes Fräulein, dann möchte ich Sie ein Stückchen be gleiten!" Lena nickte zustimmend, sie hatte ja wohl keinen Grund, die Begleitung abzulehnen. „Sie waren heute", so begann Haberland, „sichtlich überrascht, als Sie mich zu sehen bekamen." .Das kann ich nicht leugnen, ich hatte gedacht, Herr Steffeck selbst würde uns unterrichten . . ." „Ich bin ebenso überrascht gewesen, als ich Sie an Ihrem Platze sah, Sie stehen ja nicht auf der Liste, die mir Professor Steffeck übergeben hat!" „Ich habe mich erst in den letzten Tagen dazu ge- meldet. Aber wie kommen Sie dazu . . .?" Der junge Mann lachte laut auf: „Nicht wahr, mein Fräulein, ein etwas starker Gegensatz, einmal Tischler meister auf dem Oberhabergebirge und dann wieder »ur Abwechslung Lehrer an der Königlichen Kunst akademie!" Ernster fuhr er fort: „Ich habe den Zusammenhang mit meinen Lehrern niemals aufgegeben und besitze noch jetzt in der Akademie ein kleines Plätzchen, wo ich ab und »u einige Quadratmeter Leinwand mit Ol anstreiche. Da griff mich vorgestern der Direktor und setzte mir die Pistole auf die Brust. Ich weiß nicht, ob die Damen sich das gefallen lassen werden. Ich an Ihrer Stelle würde mir (Nachdruck verboten.) das Unterrichtsgeld ruhig zurückzahlen lassen, denn Sie wollten doch eigentlich von einem Akademiedirektor und nicht von einem Tischlermeister vom Haberberge unter richtet werden." Es war Lena, als ob die leise Ironie, die in feinen Worten lag, sie in allererster Linie anginge, und sie merkte auch sofort, woraus er zielte, denn er fuhr, als sie darauf nicht antwortete, fort: „Was werden Ihre Eltern dazu sagen, daß ich an Stefsecks Stelle getreten bin?" Mit übermütigem Tone fügte er hinzu: „Nicht als Akademiedirektor, nur bei diesem Unterricht." „Weshalb fragen Sie danach, Herr Häberl nrü?" „Wenn Sie es mir nicht übelnehmen, dann will ich ganz offen zu Ihnen sprechen. Ihre Frau Mama bat mir gleich in der ersten Stunde sehr deutlich zu verstehen ge geben, daß ich nicht in ihre Gesellschaftsklasse hir.emgehöre. Da wäre es mir peinlich, wenn sie jetzt ans den Gedanken kommen sollte, ich hätte diesen Weg eingeschlageu, um mich Ihnen zu nähern. Es war nichts weiter als ein glück licher Zufall." „Das weiß ich, Herr Haberland." „Ich danke Ihnen, mein Fräulein." Haberland brach kurz ab, er mochte fühlen, daß seiner Begleiterin diese Auseinandersetzung etwas peinlich war. Erst nach einer Weile kam das Gespräch wieder in Fluß, als Lena sragte, was er auf seiner Staffelei im Atelier gebäude stehen hätte. „Ach, nichts von Bedeutung, ich habe, wie mir scheint, zu wenig Farbenempfindung, um als Maler etwas leisten zu können, oder ich verstehe nur nicht mit Ol um- zugehen. Wenn sich einmal Gelegenheit bietet, will ich sie Ihnen zeigen. Haben Sie nicht auch gemalt? Di» jungen Damen von heute pflegen ja solche brotlosen Künste zu lernen." Lena lachte laut auf: „Sie haben richtig vermutet, ich habe zwei Jahre bei Herrn Hering, den Sie doch auch kennen werden. Unterricht gehabt. Wenn «sie sich vielleicht erinnern: das Fruchtstück, das Sie im Wohnzimmer gleich neben dem Fenster rechts angebracht haben, ist eins von meinen Kunstwerken." Unwillkürlich war er stehen geblieben und sah sie an, so daß sie auch Halt machen mußte. Sie fühlte, wie sie dabei errötete. „Ich erinnere mich wohl ... es ist mir durch seinen natürlichen Farbenton und die energische Pinselführung ausgefallen. Und jetzt kann ich Ihnen dasselbe sagen wie Sie damals zu mir: daß Sie vielleicht gut getan hätten, diese Begabung weiter auszubilden." Mit einem feinen Lächeln erwiderte das Mädchen: „Sie haben mir die Antwort leicht gemacht, Herr Haber land. Ich habe es auch vorgezcgen, mir eine sichere Existenz durch meiner Hände Arbe t zu schaffen. Ich habe zwar keine Schulden zu bezahlen, aber ich mußte darauf bedacht sein, meine Zukunft zu ückeru. Mein Vater ist noch nicht alt, aber seine Gesundheit ust