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Damit legte sie ein Goldstück auf den Tisch. Der junge Mann verbeugte sich höflich, fügte aber hinzu: „Gnädige Frau bringen mich in eine schlimme Lage. Ich bin Ihnen behilflich gewesen, aber nur unter Ler Voraussetzung, Ihnen damit eine Gefälligkeit zu er weisen." „Das war ein Irrtum, Herr Haberland! Die Voraus setzung, unter der ich Ihre Dienste in Anspruch nahm, war durchaus geschäftlicher Art, und da wir gesellschaft lich in keiner Beziehung stehen, so ist es mir nicht möglich, Gefälligkeiten irgendwelcher Art von Ihnen entgegenzu nehmen." Haberland hatte diese schroffe Zurückweisung sehr wohl verstanden, er wurde bleich, und das Blut strömte ihm vor Erregung zum Herzen, aber er bezwang sich und ent gegnete mit ruhiger Höflichkeit: „Gnädige Frau haben wohl die Sache nicht ganz richtig aufgefaßt. Ich hielt mich als Hauswirt verpflichtet, Ihnen beim Umzug be hilflich zu sein. Wir sind dadurch beiderseits in eine etwas peinliche Situation geraten, da ich mir eine Arbeit, die ich freiwillig geleistet habe, nicht bezahlen lassen kann. Aber gestatten Sie, daß ich Ihnen einen Ausweg vor schlage. Darf ich diesen kleinen Betrag dem Armenrat dieses Bezirkes überweisen?" „Es ist mir völlig gleichgültig, was Sie mit Ihrem Arbeitslohn anfangen." Die Worte sollten schroff und verletzend klingen, aber sie erreichten ihren Zweck nicht. Herr Haberland dankte kurz für die Einwilligung zu der von ihm vorgeschlagenen Verwendung des Geldes, geleitete die Frau Rätin zur Tür und verabschiedete sich dort von ihr mit einer respekt vollen Verbeugung. Dann aber reckte er die beiden Arme mit den geballten Fäusten hoch empor. „Wie mir scheint, Frau Rätin, wollen Sie den Hand werker in seine Schranken zurückweisen! Es war ja eine Dummheit von mir, daß ich mich gestern den Leuten aufdrängte. Für die Zukunft* wollen wir vorsichtiger sein . " 7. Kapitel. Frau Rätin Miltaler war ziemlich verstimmt in ihre Wohnung zurückgekehrt. Sie glaubte wohl, ihren Zweck erreicht zu tzaben, aber in der Sache selbst war sie doch unterlegen. Das schlimmste aber war, daß ihr Mann ganz offen gegen sie Partei nahm. Er meinte ganz ruhig, als sie ihm den Vorfall berichtete: „Liebe Ammeli, du mußt dich schon daran gewöhnen, daß auch andere Menschen fein fühlig sind und sich eine aus gutem Herzen erwiesene Ge fälligkeit nicht bezahlen lassen wollen. Herr Haberland wird ja jetzt wohl jede Annäherung an uns vermeiden, und das tut mir leid, denn er ist wirklich ein ganz prächtiger und lieber Mensch, und wir vergeben uns gar nichts, wenn wir mit der gebotenen Zurückhaltung mit ihm ver kehren. Das wird sich übrigens auch nicht vermeiden lassen, wenn man Jahr und Tag in einem Hause zu sammenwohnt." Die Rätin zuckte die Achseln: „Ich für mein Teil werde diesen Verkehr, wie du es nennst, auf die nicht zu vermeidenden Begegnungen in Hof und Garten be schränken." Frau Miltaler handelte sehr genau nach diesem Grund satz. Sie mied sogar den Besuch der Laube, weil eines Tages die alte Frau Haberland ihr einen großen Strauß frischer Blumen gebracht und dabei in ihrer zutunlichen Weise zu plaudern angefangen hatte. Der Rat und Lena dachten ganz anders darüber. Ihnen war die weinumrankte Laube, in der nian auch bei Regenwetter sitzen und arbeiten konnte, das liebste Plätzchen im Hause geworden. Der Rat hatte sich von der Bibliothek Bücher geholt und studierte eifrig, Lena saß bei ihm und zeichnete. Sie empfanden es beide pein lich, daß die Mutter sich so absonderte und allein oben in ihrem Zimmer saß. Es war wie ein Riß, der durch die Familie ging. Der Rat konnte und wollte in diesem Punkte seiner Frau nicht recht geben, denn sie handelte nach seiner An sicht unrichtig. Er war jeden Tag im Garten unten, trat auch manches Mal in die Werkstatt ein und sah Herrn Haberland zu, wie er eifrig das Schnitzmesser handhabte. Mit der alten Frau, die jeden Morgen im Garten arbeitete und sich dann mit dem Strickstrumpf in ihre Laube setzte, führte er lange Gespräche. Sie hatte ihm er zählt, wie sie als junges Mädchen den Brennereileiter des Gutes, auf dem sie geboren und auferzog«n war, ge heiratet hatte. Zu derselben Zeit, als ihr Franz geboren wurde, hatte sich auch auf dem Schloß der Klapperstorch eingestellt und der Gutsherrin, der Baronin von Braun, einen kleinen Jungen gebracht. Auf die Bitte der Herr schaft hatte sie den jungen Sprößling des Schlosses an ihre Brust genommen, und so war er der Milchbruder ihres Franz geworden. Die beiden Kinder wuchsen mit einander auf, und als der kleine Kurt von Braun einen Hauslehrer bekam, da war es ganz natürlich, daß sein Milchbruder an dem Unterricht teilnahm. Mit vierzehn Jahren wurden beide auf das Gymnasium der nächsten Stadt gebracht. Der Gutssohn verließ es mit dem Primanerzeugnis, um in das Heer einzutreten, und Franz ging zu derselben Zeit auf die Kunstakademie nach Königsberg, um unter des alten Direktors Steffeck Leitung sich zu einem tüchtigen Künstler heranzubilden. Baron von Braun sorgte eben für ihn, wie für einen Sohn und erfüllte ihm gern den Wunsch, die Künstlerlaufbahn einzuschlagen, da er an die Begabung des Knaben, die sich schon früh geäußert hatte, grobe Hoffnungen knüpfte. In Königsberg hatte Franz, auf den Rat seines Lehrers, eine richtige Lehrlingszeit in einer großen Möbeltischlerei durchgemacht und sich dann ganz der Herstellung von künstlerisch ausgestatteten Möbel stücken zugewandt. Sein Beschützer hatte diesen Entschluß durchaus gebilligt und ihm das erforderliche Kapital vor gestreckt, um sich selbständig zu machen. Die Milchbrüder waren noch jetzt innig befreundet, und wenn Kurt, der als Leutnant bei den fünften Ulanen in Düsseldorf stand, im Herbst auf Urlaub kam, dann mußte Franz jedesmal auf einige Wochen nach Liebenwalde, wo die Freunde dann mit Jagen und Fischen einige vergnügte Wochen zu brachten. In diesem Jahre, so meinte die alte Frau, würde ihr Sohn sich nicht mehr für die ganze Zeit hier losmachen können, aber einen Besuch für acht Tage hätte er in Lieben walde doch wieder zusagen müssen. Der Nat hatte, was er erfuhr, getreulich seiner Frau berichtet. Die hatte nur die Achseln gezuckt und gemeint, es sei ja ganz nett, daß der junge Tischlermeister eine solche Erziehung genossen habe, aber das ginge sie nichts an. Mit deutlicher Schärfe fuhr sie fort: „Ich begreife gar nicht, weshalb du ein so großes Interesse an dem jungen Mann nimmst. Er kann uns doch vollkommen gleichgültig sein, oder? . . ." Sie brach schnell ab, als fürchte sie zuviel zu sagen. Der Nat hatte auf ihre Worte fein gelächelt. „Ich weiß, Ammeli, was du meinst, aber nicht auszusprechen wagst." „Und du scheinst diese Möglichkeit nicht für aus geschlossen zu halten?" „Nein, liebe Ammeli. Ich würde es durchaus für kein Unglück ansehen, aber ich glaube, du siehst Gespenster. Herr Haberland hat sich in allen diesen Wochen uns gegen- üöer so vollständig zurückgehalten, daß ich nicht annehmen kann, er wünsche sich Lena zu nähern." „So, meinst du? Ich bin anderer Meinung. Das sagte mir die Geflissenheit, mit der er uns seine Gefällig keiten aufdrängte." „Nein, Ammeli, da bist du auf dem falschen Wege. Er hatte es gar nicht nötig, uns durch eine Gefälligkeit zu verpflichten, wir sind ihm schon verpflichtet." „Ich möchte wissen, weshalb." „Nun . . . Herr Haberland ist es gewesen, der Lena im vorigen Herbst gegen die Belästigung eines ungezogenen Menschen beschützte." Mit einem Ruck richtete sich Frau Miltaler aus dem Sessel auf. „Wer hat dir das gesagt?" „Lena sagte es mir, gleich an dem Tage, als wir zum erstenmal die Wohnung besichtigten." „Und das erfahre ich erst jetzt? Ihr habt es mir ab sichtlich verschwiegen!" „Ja, liebe Frau, das haben wir getan, Lu hättest wo möglich Bedenken gehabt." „Sehr richtig, Miltaler, ich hätte die Wohnung unter keinen Umständen gemietet." (Fortsetzung folgt.)