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L L> üoäesgefakr. , .' .- Novellette von Frauz Markl. (Nachdruck verboten.) Im Sommer war es recht freundlich draußen in dem idyllisch gelegenen kleinen Häuschen, das den Rücken des Berges krönte. Hunderte pilgerten hinaus aus dem steinernen Häusermeer, um dort in dem hübschen schattigen Wirtshausgärtchen einige fröhliche Stunden zu verbringen. Aber im Winter, wenn tiefer Schnee auf den Wiesen lagerte, wurde es einsam. Wochenlang sah daS junge Gastwirtspaar, das da oben hauste, keinen Menschen. Nichts störte den Schlaf der Natur, als die heiseren Schreie der Krähen, die um das Haus kreisten. Drinnen aber war es traulich. Die jungen Eheleute fühlten nicht die Einsamkeit, die sie umgab; ihr junges Glück genügte ihnen vollauf. Sie wohnten ganz allein dort oben. Die Wirtschaft ruhte ja im Winter vollständig, und das wenige, was der Haushalt verlangte, besorgten sie allein. Einmal in der Woche fuhr der Mann zur Stadt, um die nötigen Einkäufe zu besorgen. Dann blieb die junge Frau allein zu Hause, bis der Gatte spät abends heim kam. An einem düsteren Dezembertage hatte er wieder die fast einer beschwerlichen Reise gleichende Fahrt zur Stadt angetreten. Der Wend war frühzeitig hereingebrochen. Kein Stern erleuchtete den mit schweren Wolken bedeckten Himmel. Vorsorglich hatte das junge Weibchen eine Laterne an das Fenster gestellt, um dem Heimkehrenden den Weg zu weisen. Nun harrte sie mit einem Buche in der Hand des Gatten. Sonst, wenn der Mann abwesend war, war sie stets ohne Sorge. Diesmal aber bemächtigte sich ihrer, ohne daß sie sich selbst darüber Rechenschaft zu geben wußte, eine eigentümliche Unruhe. Ungezählte Male blickte sie auf die Wanduhr, deren Zeiger nur mit bleierner Langsamkeit weiter schritten. Ihr Mann hatte vor kurzem eine größere Geldsumme erhalten, die als Rest des Kaufschillings für die Wirtschaft schon am nächsten Tage von dem früheren Eigentümer abgeholt werden sollte. War es dieses Geld, das ihr solche Unruhe machte? Zwar wußten nur wenige davon, aber . . . Ein leises Geräusch vor dem Hause schreckte sie auf. Sie trat zum Fenster und sah einen Schatten über den Hof huschen. Eine seltsame Angst befiel sie. Sollte das einsame Häuschen einen Einbrecher zu dem beschwerlichen Gange heraufgelockt haben? Das konnte doch nur dann sein, wenn jener von dem Gelbe wußte. Mit angehaltenem Atem lauschte sie. Alles war ruhig. Sie atmete erleichtert und wollte schon vom Fenster zurücktreten. Da wiederholte sich das Geräusch knapp unter dem Fenster. Ängstlich lugte sie hinab und sah zu ihrem Entsetzen eine dunkle Männergestalt, die langsam an der Mauer emporkletterte. Wie gelähmt vor Schreck kauerte sie sich in die Nische des Fensters. Immer näher und näher kam der Mann. Ratlos vor Entsetzen blickte sie um sich. Nirgends eine Waffe. Sie war dem Mord- buben wehrlos preisgegeben. Jetzt hatte der Einbrecher das Fenster erreicht. Mit einer Hand sich am Gesims festhaltend, preßte er mit der anderen ein Tuch an die Scheibe. Ein leises Knistern — die Scheibe war eingedrückt. Am ganzen Körper bebend, trat die Frau zurück. Noch einige Sekunden und der Mann war im Zimmer. Schon streckte er die Hand durch die Scheibe, um von innen den Riegel des Fensters zu öffnen. Da fiel ihr Blick auf einen langen, dreieckigen Nagel, der auf dem Tische lag. Wie von einer plötzlichen Ein gebung ergriffen, stürzte sie zum Tische, ergriff den Nagel und stieß ihn mit einer Kraft, wie sie nur die Todesangst verleiht, dem Manne in die Hand. Ein Schrei ertönte draußen und ein schwerer Körper fiel zu Boden. Als sie hinaussah, bemerkte sie den Mann, wie er die verwundete Hand drohend zum Fenster aufhob und dann eiligst in den Wald flüchtete. Sie war gerettet. Ms kurz darauf ihr Mann heimkehrte, fand er seine Frau ohnmächtig am Boden liegen. Der Frühling hielt schüchtern seinen Einzug im Lande. Hchon kamen die Städter an Sonntagen »u dem kleine» WirtShause hinaus, und auch an Wochentagen stellte sich hi« und da ein Tourist ein, um kurze Rast zu halten. Wieder einmal war der Gatte zur Stadt gefahren, um für den kommenden Sonntag Vorbereitungen zu treffen und das nötige Personal aufzunehmen. Die junge Frau weilte allein im Hause; die schaurige Episode im Winter hatte sie längst vergessen. Das HauS stand offen, da eine größere Touristengesellschaft im Gastzimmer weilte. Eben hatten diese ihre Zeche bezahlt und rüsteten zum Ausbruch. Da kam ein neuer Gast. Er bestellte ein Glas Wein und blieb ruhig sitzen, als die andern Gäste sich entfernten. Die Frau beschäftigte sich mit einer Näh arbeit. Plötzlich erhob sich der Mann, nahm fein Glas und bat, ob er an ihrem Tische Platz nehmen dürfe. Freundlich gestattete sie es. Er begann von gleichgültigen Dingen zu sprechen und sie antwortete kurz, ohne die Augen von ihrer Arbeit zu erheben. Da schwieg der Mann plötzlich und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Unwillkürlich blickte sie auf ihn. Was war das für ein seltsamer Blick, mit dem jener sie maß? Hohn und Grausamkeit sprühte aus diesen dunklen Augen. Und jetzt fiel ihr Blick auf die Hand des Mannes. Sie erbleichte und das Herz drohte ihr stille zu stehen. Eine tiefe, dreieckige Narbe, von einer Stichwunde herrührend, verunzierte diese Hand. Das Abenteuer jener Winternacht kam ihr in den Sinn, und blitzschnell durch zuckte sie der Gedanke: Der Mann, der neben ihr saß, war jener Einbrecher. Dieser schien sich cm ihrem Schreck zu weiden. Mit höhnischen Blicken betrachtete er sie. Und dann begann er mit heiserer Stimme zu sprechen: „Sie blicken auf meine Hand?" fragte er, „ja das war eine böse Wunde. Aber die Waffe, die sie verursachte, habe ich mir aufgehoben, und ich habe mir geschworen, sie dem einstigen Besitzer, ins Herz zu stoßen." Dabei zog er einen langen, mit ge ronnenem Blut bedeckten Nagel aus der Tasche. Sie er kannte ihn auf den ersten Blick, es war jener Nagel, Ler ihr damals Rettung gebracht hatte. Sollte er diesmal ihr Verderben sein? Am ganzen Körper bebend, stand sie auf und suchte zur Tür zu gelangen. Der Mann folgte, den Nagel in der Hand. Seine Augen waren rot unterlaufen, seine Zähne knirschten. Noch zwei Schritte und sie hatte die Tür erreicht. Aber wird er sie entkommen lassen? Der Mann ist ihr ganz nahe getreten. Mit wut verzerrtem Gesicht hebt er die Waffe. Da greift die Frau nach einem Salzfaß und schleudert ihm den Inhalt ins Gesicht. Mit einem wilden Fluch taumelt er zurück. Und schon ist sie zur Tür hinaus und eilt den Abhang hinab. Als sie sich umblickt, siebt sie ihn hinter sich laufen. Und nun beginnt eine furchtbare Jagd auf Tod und Leben. Sie eilt, so schnell sie kann, aber immer näher kommt der Verfolger. Schon hört sie seinen keuchenden Atem. Da schreit sie mit dem Aufgebot ihrer letzten Kräfte. Von fern wird der Ruf beantwortet. Sie hört Wagenrollen. An der Stimme erkennt sie ihren Gatten. Noch einmal ertönt ihr verzweifelter Ruf, dann stürzt st« erschöpft zu Boden. Der Verfolger stolpert über sie und fällt nieder. Aber er rafft sich sofort wieder auf und stürzt sich auf die Wehrlose. Sie sieht das Eisen über ihrem Kopf schweben. Da eilt auch schon ihr Gatte herbei. Mit einem Blick hat er die Situation erfaßt. Er stürzt sich auf den Mörder. Ein kurzer Kampf entspinnt sich. Doch die Kräfte des Verfolgers sind durch den Lauf erschöpft. Der Wirt bleibt Sieger. Mit einem einzigen Stockhieb betäubt er ihn und wenige Sekunden später hat er ihn mit dem rasch vom Pferde herab gerissenen Leitseil gefesselt. Zum zweitenmal war die junge Frau dem Tode in letzter Sekunde entgangen. Der Verbrecher war ein Knecht des früheren Besitzers der Wirtschaft. Er hatte erfahren, daß sein Herr nächsten Tag von dem Wirt das Geld holen werde und, mit der Hausgelegenheit vertraut, hatte er den Einbruch geplant. Die jahrelange Kerker haft, die über ihn verhängt wurde, sicherte das Ehepaar vor seinen ferneren Rachegelüsten. bemerkt