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Nr. s>. Unterhaltungs-Beilaze W,z. «UNI Hohenstem-EmMaler Tageblatt 2lnrtsblcrtt. Erscheint wöchentlich zweinral. — Druck und Verlag von I. Ruhr Rachfolger Dr. Alban Arisch, tzohenstein-Lrnstthal. Wider den Strom Erzählung von Fritz Skowronnek. ft Fortsetzung.) „Ich denke, Vater, daß Hans doch selbst die größte Schuld trägt." „Ja, mein Kind, und doch ist er in gewisser Beziehung zu entschuldigen, er hatte sich von klein aus in einen An- ' schauungskreis hineingelebt. . ." „Der von der Mutter stammt." Der alte Herr nickte einigemal bestätigend mit dem Kopfe: „Ja, Lena, das ist leider wahr, aber man muß alles verstehen lernen, ehe man urteilt, «sie, deine Mutter, ist aus einem adligen Hause, in dem mit Recht ein etwas großartiger Zuschnitt der Lebensführung herrschte. Sie hat als Mädchen nie die Beschränkungen kennen gelernt, die ein geringes Einkommen dem Menschen auferlsgt. Als dann die Katastrophe in der Familie eintrat und nach Großvaters plötzlichem Tode der alte Besitz verkauft werden mußte, um alle Verbindlichkeiten zu decken, da stellte sie mir anheim, unser Verlöbnis zu lösen. Sie fürchtete, ich hätte mich nur um die reiche Erbin be- worben." „Nein, Vater, das war doch nicht wahr!" „Nein, mein Kind, ich hatte mich nur aus Liebe nm deiner Mutter Hand beworben, und das schrieb ich ihr auch. — Wir haben dann noch vier Jahre gewartet, bis ich meine feste Stellung erhielt. Mit dem größten Teil ihres kleinen Vermögens bezahlten wir meine Schulden, die ich als Student und als Referendar hatte machen müssen, und richteten uns so bescheiden ein, wie es unsern Verhältnissen zukam. Und Mutter verstand es, mit dem geringen Gehalt hauszuhalten. Glaub mir, mein Kind, es sind viele schöne und glückliche Jahre gewesen, die ich mit Mutter zusammen verlebt habe. Ich habe nie etwas vermißt, wonach ich Verlangen trug. Mit der Zeit wurde dann das Gehalt größer, wir lebten sehr behaglich, da ist denn der Ehrgeiz ihrer Familie wieder in ihr er wacht." Mit einem feinen Lächeln fügte er hinzu: „Mit mir war ja kein Staat zu machen; mir war nun einmal nicht gegeben, aus der Reihe zu treten und durch irgendwelche unlauteren Mittel über meine Vordermänner hinweg- zuspringen. Da vereinigten sich alle ihre Wünsche auf den Sohn." „Ja, Vater, Hans ist immer Mutters Liebling ge wesen." „Kind, das darfst du nicht sagen! Sie hat dich ganz entschieden ebenso lieb, wie den Hans, und nach ihrer Meinung wäre ein reicher Graf oder ein Minister für dich als Mann gerade gut genug." Jetzt lachte Lena laut auf: „Ja, Vater, das glaube ich wohl, daß Mutter so denkt!" „Siehst du, mein Kind, das wollte ich dir eben sagen, damit du Mutter nicht falsch beurteilst. Sie kann eben aus den Anschauungen, die ihr das Elternhaus mitgegeben hat, nicht heraus und ist entsetzt bei dem Gedanken, daß du einmal in die Lage kommen könntest, dir dein Brot selber zu verdienen. Und es verwundet ihren Stolz, «s (Nachdruck verboten.) tut ihr web, daß du vielleicht später einmal bei fremden Leuten dein Brot suchen mußt." „Das ist ja aber gar nicht nötig, lieber Vater!" „Wie meinst du das, mein Kind? Ich verstehe dich nicht." „Ich meine, Vater, daß ich etwas lernen könnte, womit ich mich ganz bequem ernähren kann, ohne irgend einem Menschen dienstbar zu sein. Ich will es dir sagen, Vater, was ich meine. Da hat man eine ganz neue Methode erfunden, Wandteppiche und ähnliche Sachen her zustellen; es soll eine uralte Kunst sein, die man jetzt wieder aufgrfunden hat, und eine Reihe von Künstlern hat moderne Muster dazu gezeichnet . . . Die Sachen werden jetzt viel gekauft, und wer das Geschick dazu hat, kann sich selbst neue originelle Muster entwerfen." „Woher weißt du das, mein Kind?" „Ich will es dir nur gestehen, lieber Vater, ich bin schon dort gewesen. Im Gewerbemuseum erteilt eine Dame Unterricht, und ich wollte dich schon lange bitten, ob ich nicht den nächsten Kursus besuchen darf. Ich habe ja Talent zum Zeichnen, das weißt du, und etwas Handgeschicklichkeit besitze ich auch, vielleicht gelingt es mir . . ." Der Rat zog sein Töchterchen zu sich heran und streichelte ihm die Backen, die im Eifer der Rede erglüht waren. „Ich bin damit vollkommen einverstanden." „Aber die Mutter?" „Das laß meine Sorge sein, Kind. Ich glaube, sie wird sich darein fügen, wenn es ihr auch schwer fallen wird. Du hast mir damit eine große Freude bereitet und eine schwere Last von der Seele genommen. Und nun geh zur Mutter und sei recht lieb und freundlich zu ihr." 4. Kapitel. Frau Rätin hatte die Mitteilung ihres Mannes, daß Lena einen Kursus in Musterzeichnen und in Gobelin weberei besuchen würde, ohne Widerspruch hingenommen. Sie hatte es ruhig zugegeben, als der Rat ihr aus- eiuandersrtzte, daß es sich um eine künstlerische Betätigung handle, bei der Lena völlig unabhängig bleiben würde, und hatte nur die Bedingung gestellt, daß die Tochter mit der praktischen Ausübung ihrer Kunst warten sollte, -bis der Vater Pension genommen. Damit war auch der Rat einverstanden, denn er hielt es nicht für nötig, seiner Frau zu sagen, daß Lena nach Beendigung des ersten Kursus bei ihrer Lehrerin, die ihr Talent im Komponieren von Entwürfen hoch einschätzte, weiter arbeitete und dafür be reits ein ganz anständiges Honorar erhielt. Lena empfand es wie eine Beeinträchtigung ihres Glückes, daß sie, auf Anraten des Vaters, der Mutter nichts davon sagen durste. Der Rat war im Winter förmlich aufgelebt. Er hatte sich kurz nach Weihnachten sechs Wochen Urlaub geben lassen und sich unter der sorg samen Pflege von Frau und Tochter sichtlich erholt. Das meiste dazu trug wohl das Bewußtsein bei, daß sein Kind.