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02-Zweites-Blatt Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 30.09.1913
- Titel
- 02-Zweites-Blatt
- Erscheinungsdatum
- 1913-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-19130930024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-1913093002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-1913093002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-09
- Tag 1913-09-30
-
Monat
1913-09
-
Jahr
1913
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Interesse finden müßten, den besten Er-olg. Bürgermeister Dv. Schwander-Straßburg hob in seiner Willkommrede die Arbeit der Stadt Stvaß- bürg aus dem Gebiet der' Bodenreform hervor. Ueber die Hälfte des Straßburger Gemeinde bodens sei im Besitz der Stadt. Für 11 Mil lionen Mark sei Boden im Erbbaurecht ver geben, Straßburg stehe in dieser Beziehung unter allen deutschen Städten an der Spitze. Der Präsident der Zweiten Kammer des Land tags, Dr. Ricklin, hieß die Versammelten im Namen des Landtags wilttoimmen, Professor Dr. Gaß im Namen des Bischofs von Straß burg und der katholischen Vereine. Universi tätsprofessor Dr. van Calker betonte als Ver treter des Strafrechts, daß 50 Proz. aller Ver brechen ihren Ursprung in den sozialen Mißstän den hätten. Das Wohnungselend stehe unter den Quellen des Verbrechens mit an erster Stelle. Bürgermeister Dr. Belian-Eilenburg als Vertreter des Reichsverbandes deutscher Städte hob die Bedeutung der Bodenreform für die Kommunalverwaltung hervor. Aus der weite ren Reihe der Begrüßungscnffprachen fei noch die des Pariser Professors Schweitzer hervor gehoben, der im Namen der französischen Boden reformer sprach. Der Bundesvorsitzende Da maschke gab dann einen wirkungsvollen Ueber blick über die Fortschritte der Bodenreformbe wegung im Laufe des letzten Jahres. Als zweites Referat folgte ein Vortrag von Prälat Werthmann über Wohnungsnot und Sittlichkeit. Auch er erblickte in der Bodenreform ein wirk sames Mittel zur sittlichen Hebung des Volkes. Ptt3 dem pusignve. Barthou in Spanten. Der französische Ministerpräsident B a r- thou ist in Begleitung des Madrider franzö sischen Botschafters Geoffray in San S e o a- st i a n eingetrosfen. Ein zahlreiches Publikum rief: „Es lebe Frankreich, es lebe Barthou!" Bei der Einweihung der französischen Schule erwiderte Ministerpräsident Barthou auf die Rede des Alkalden, der von der nahen V e r- bin.dung Spaniens mit Frank reich in Anknüpfung an die Rei'e Poincarees und Barthous gesprochen hatte, mit dem Aus druck der Genugtuung, daß der Alkalde die Ge danken und Hoffnungen ausgesprochen habe, die allen Franzosen teuer seien und denen er sich als Vertreter der französischen Regierung mit Stolz anschließe. Er glaube, ein nahes E i n- v e r st ä n d n i s Spaniens mir Frankreich sei leicht herbeizuführeu und werde die segensreich sten Folgen haben, aber es müsse bereits bei den kleinen Spaniern und Franzosen auf der Schulbank beginnen, um sich im Leben fortzusetzen. Barthou rühmte die Literatur und die Künste Spaniens, den Heroismus, mit wel chem die Spanier stets den Boden ihres Vater landes verteidigt hätten, ihre Würde und ihren Stolz, und fügte hinzu, der Präsident der fran ¬ zösischen Republik würde mit dem Ansehen, das ihm sowohl sein Amt als seine persönlichen Gaben erworben hätten, auf spanischem Boden die Gefühle Frankreichs für Spanien bestätigen. Ihm, dem Minister, stehe es nicht zu, der Ver- eiuigung zwischen Frankreich und Spanien einen bestimmten Namen zu geben. Er wisse nur, daß Frankreich alles ihm mögliche tun werde,, um dieses Einverständnis immer herzlicher, wär mer und enger zu gestalten. Diese Rede wurde mit großem, sich immer wiederholendem Beifall ausgenommen. Im wei teren Verlaufe des Tages nahm Barthou an einem Bankett teil, dem der spanische Minister des Auswärtigen Lopez Munos, der französische und die anderen Botschafter in Madrid bei wohnten. Die chinesische Genugtuung wegen des Nankinger Vorfalls. Das Reutersche Bureau meldet aus Nan king, 28. September: Um 3 Uhr nachmittags zogen 800 Mann von General C h a n g h- suens Truppen mit der Fahne der chinesifchen Republik vor das japanische Konsulat. Dort präsentierten sie das Gewehr und ihr Komman deur salutierte, während die japanischen Trup pen im Stillgestauden verharrten. Man hat allen Grund zu glauben, daß englischer Ein fluß es bei den Japanern durchsetzte, daß sie sich mit dieser Genugtuung zufrieden gasten, anstatt auf der Forderung zu verharren, daß General Changhsuen an der Spitze feiner Truppen um Entschuldigung bittet. Sächsisches Hohenstein-hrrnsttha!, 29. Cent. 19! 3 — Von einer Zündholzpreiser höhung nahm die in Berlin abgehaltene Ver sammlung des Vereins Demscher Zündholzfabri kanten A b st a n d, obwohl auch im jüngsten Betriebsjahr ein Rückgang des Absatzes um 10 000 Kisten zu konstatieren war. Dagegen be schloß man, beim Reichsschatzamte erneut wegen einer B e st e u e r u n g der Zündhölzer- satz mittel vorstellig zu werden. — Wie mitgeteilt wird, hat die Regierung einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, demzufolge die A msel n und Eichhörnchen für jagd bare Tiere erklärt und demgemäß wegge- sangen und veggeschossen werden dürfen. Die Regierung entspricht mit diesem Gesetzentwurf, der dem am 11. November zusammentretenden .Landtage sogleich nach seiner Einberufung zu- ^gehen wird, dringenden Wünschen, denen ver schiedene Abgeordnete währens der letzten Land- tagstagung Ausdruck gegeben haben. Sowohl die Amseln, als auch die Eichhörnchen hätten sich so stark vermehrt, daß sie zu einer Plage geworden seien und der Landwirtschaft schweren Schaden zufügten. Die Erhebungen, die die Regierung daraufhin anstellte, ergaben die Rich tigkeit jener Behauptungen und den Wunsch deshalb von Hildwein auf dem Bahnhof Kol- — Stollberg, 28. Sept. Vor dem Diszipli- narsenat für richterliche Beamte in Dresden hatte sich der Amtsrichter Dr. Theodor Eduard Walter Klöppel aus Stollberg wegen sittlicher Verfehlungen ;u verantworten. Der 1877 in Chemnitz geborene Angeklagte ist verheiratet, Vater, eines Kindes, war früher Amtsanwalt, dann Hilfsrichter beim Amts gericht Pirna. Seit Juli 1911 bekleidet er die Stellung eines Amtsrichters für Strafsachen beim Amtsgericht Stollberg. Als einzige Zeugin war die jetzt 15 Jahre alte Tochter eines Stollberger Ge schäftsmannes geladen. Auf Antrag des Vertreters der Anklage wurde die Oeffentlichkeit noch vor Ver lesung des Eiöffnungsbeschlusses wegen Gefährdung der Sittlichkeit ausgeschlossen. Nach Wiederherstel lung der Oeffentlichkeit verkündete der Vorsitzende, Oberlandesgcrichlspräsident Exz. Dr. Börner, folgen des Urteil: „Dem Anträge auf Dienstentlassung wird nicht stattgcgeben. Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last " — Markneukirchen, 28. Sept, lieber die Markneukirchner Mädchen heißt es in einem im nach gesetzlicher Abhilfe. Die Tierfreunde wer den freilich von diesem Vorgehen nichts wissen wollen. — Sicherem Vernehmen nach wird die Post- verwaltung bei der Einweihung des Völ kerschlachtdenkmals in Leipzig auf den« P o ft a m t e, das am 18. Oktober auf dem Festplatze eingerichtet wird, einen beson deren Stempel verwenden, der eine bild liche Wiedergabe des Völkerschlachtdenkmals ent hält. Alle Sammler von Postzeichen machen wir hierauf beizeiten aufmerksam. — Das Reichsgericht verwarf die Revision des Bürgerlichen Brauhauses in Pilsen gegen die Abweisung ihrer Klage auf Unterlassung der Bezeichnung Pilsener. Die deut schen Brauereien dürfen sonach die Be zeichnung Pilsener führen. — Im Königreich Sachsen wur den im Jahre 1912 34 445 Ochsen, 38 560 Bul len, 160 514 Kühe, 23 245 Jungrinder (über 3 Monate alt) 1 471 885 Schweine, 221 895 Schafe, 69 231 Ziegen, 15 459 Pferde und 4288 Hunde geschlachtet. Auffallend ist die letzte Zahi, denn im ganzen Deutschen Reiche betrug die Zahl der geschlachteten Hunde nur 8132. Seit 1909 ist fast in allen Schlachtvieharten ein Rückgang eingetreten, offenbar eine Folge der erhöhten Preise. Am 2. Dezember 1912 gab es in Sachsen 175 192 Pferde, 824 Maulesel und Esel, 702 049 Stück Rindvieh, 55 395 Schafe, 655 300 Schweine, 132 073 Ziegen, 3 099 895 Stück Federvieh, 88 545 Bienenstöcke. Soldaten sprach sich sehr abfällig über daS aufdring liche Gebaren der betreffenden Mädchen aus." (An derwärts soll'S, wie uns versichert wird, ähnlich ge wesen sein!) — Marienberg, 28. Sept. Aus Furcht vor Strafe erschoß sich mit seinem Dienstgewehr der Unteroffizi rschüler der 1. Kompagnie, Mann. — Johanngeorgenstadt, 28 Sept. Auf weiter Strecke blühen hier die Preißelbeeren zum zweitenmal. — Dresden, 28 Sept. Zu einer Berliner Meldung von einer beträchtlichen Defraudation durch einen Kassierer der Deutschen Bank Filiale Dresden bei einer ihrer Depostlenkassen wird von zuständiger Seite mitgeteilt, daß der betreffende Beamte zwar wegen des Verdachtes begangener Unregelmäßigkeiten sich in Untersuchungshaft befindet, daß indessen die schon einige Wochen zurückreichende, sehr eingehende Untersuchung bis jetzt noch keinerlei Anhalt für einen der Bank zugefügten Schaden erbracht hat. — Leipzig, 28 Sept. Polizeiamt und Amts- hauptmaunschaft Leipzig verbieten für den 18. Ok tober dieses Jahres den Fliegerverkehr mährend der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals am Festorte selber und im Umkreise von etwa einer Quadrat meile. Der Anlaß zu dem Verbote liegt in der ge rechtfertigten Befürchtung, daß das Umschwärmen des Denkmals während der Feststunde die Aufmerk samkeit von der Feier notwendig ablenken und diese stören muß, der unabsehbaren Folgen eines Flieger sturzes gar nicht zu gedenken. — Oschatz, 28. Sept. Ein aus dem hiesigen Gute beschäftigter Kroat hat aus Rache darüber, daß er einen Verweis erhalten hatte, einem Pferde seines Herrn die Zunge herausgerissen. — Radeberg, 28. Sept. Gestern vormittag ist in der Nähe von Ullersdorf, nahe bei der Schmiedeschenke, ein Militärflugzeug (Rnmplertaube) mit 2 Insassen abgestürzt. Der Führer, ein Ober leutnant, war sofort tot, der andere wurde schwer verletzt. Beide wurden im Automobil nach Dresden übergesührt. Die Namen der beiden Flieger sind noch nicht bekannt, da der Schwerverletzte nicht ver nehmungsfähig ist. Das Flugzeug wurde vollständig zertrümmert. Gerichtliches. 8 Straßburg, 28. Sept. Mildes Urteil. Die Strafkammer des Landgerichts Kolmar fällte in der Affäre des Lehrers Hikd- wein und des klerikalen Abgeordneten Notar Kübler das Urteil. Kubler hatte in einer Ple narsitzung des Landtages die Frau des Lehrers Hildwein beischuldigt, in intimen Beziehungen zu einem anderen Lehrer zu stehen. Er wurde hiesigen Blatt veröffentlichten „Eingesandt": Die —, letzte Einquartierung zeitigt neben den erfreulichen-mar mit der Hundepeitsche gezüchtigt, da Küh- Erscheinungen auch eine unerfreuliche: nämlich basier jede Satisfaktion ablehnte. Die Verhandlung anstößige Verhalten gewisser Mädchen. So wenig'ergab die völlige Unwahrheit der Behauptungen Selbstachtung vor sich selbst ist noch nie gesehen wor-! Kublers und wurde vom Gericht ausdrücklich an- den, wie sie so manche Mädchen zur Schau getragen ! erkannt, daß die Tat Hildweins durchaus ver hoben. Sie haben dadurch ein schlimmes Oüium stündlich sei. Weil er jedoch Kübler tatsächlich auf unsere Stadt geladen. Der größte Teil der'zweimal mit der Hundepeitsche ins Gesicht ge- M MS. Von El - Correi. Alles ist blau. Himmel und Wasser sind blau, und auch die Küsten verschwimmen im Blau der Ferne. Und durch diese blendende Bläue mit dem Goldglanz einer strahlenden Mittagsonne gleitet, ganz sacht und fest ohne daß die Wellen rau schen, das stille, weiße Schiff. So ein großes, weißes Schiff kann so still sein. Mit einer Ruhe, die wie selbstverständ liche Würde wirkt, durchfährt es die /weiten, tiefen Meere. Und die Delphine gucken hoch und wundern sich. Eine Schwalbe, die mit aus Genua kam und nicht in Afrika bleiben wollte, begleitet uns nach Griechenland, obwobl die zwei Katzen gie rig dem einsamen Vogelleben nachstellen. Das Schwölbchen aber fliegt auf den Mastkorb, und dorthin gelangen die Verfolger nicht. Ganz fein zwitschert er manchmal, der kleine emanzipierte Vogel, der ganz allein eine unzeitgemäße Mit telmeerreise macht, diesmal bequem aus einem Salondampfer des Norddeutschen Lloyds, an- staff, wie sonst, mittels eigener Propelleykraft. Auch die Masten knarren ganz sacht. Die Schiffsglocke zeigt die halben Stunden an — der Steuermann am Rad gähnt. Und der „Draht lose", der Markoni-Beamte, oben auf seiner kleinen Station, gähnt ebenfalls. Sonst schläft fast alles, was nicht wacht habend oder pflichtgemäß arbeitend ist, an Bord. Hingestreckt in den Stühlen, liegen die Passa giere gleich gemähten Garben und rösten mehr oder minder intensiv, dampfen und dünsten leise und schmoren sacht in der blauen, sonnendurch- goldeten Wärme. Manche haben ihre Liegestühle direkt in die brennende Sonne geschoben. Hingegossen ohne Sorg rind Arg bieten sich die Körper in weißen Sommerhiillen der vollen Sonnenglut dar, kaum, das; Mütze oder Schleier die Stirn be decken. Damen lassen sich zu Negerinnen bräu nen an Hals, Armen und Beinen, denn die Worstrümftte sind der machtvollen Sonne kein Hindernis. Die Wurf- und Wettspiele ruhen. Auch bier auf dem Spielplatz auf Hinterdeck stehen Stühle im Schatten der braünen Schlote. Zwei Herren, spielen Schach, eine alte Dame liest, ein junger Herr und eine junge Dame, die ein grünes Zipfelmützchen trägt, spielen weder Schach noch lesen sie. Dennoch sind sie sehr be- schäftigt: sie sehen einander an. Plötzlich betreten die Deckstewards die Szene. Jeder trägt zwei große silberne Kannen. Sie eröffnen das Kaffee- lind Tee-Büfett, das schon mit seinen zweimal hundert Tassen, seinen Karben voll Kakes, seinen riesigen Schüsseln mit frischem Kuchen auf dem Promenadendecks das gerade Schattenseite hat, bereit ist. Auch, die Musik erscheint und läßt sich in der Nähe des blauen Postkastens nieder. Sanft und in nig streichelt der Cellist sein Instrument. . . Die Schmorenden regen sich. Gebräunte Hände ziehen die Uhr aus der Westentasche. „Schon drei, Männchen?" fragt die ge linde transpirierende Gattin. „Hm — komm . . . Kaffee" . . . „Er kann 'n ja bringen !" Sie gähnt und wechselt die Lage der ausgestreckten Füße, so. daß mal der linke Florstrumpf nach oben, .Kommt. Männchen erhebt sich, reckt sich, als sei er, ganz zu Hause, nickt einem Herrn zu, der seine, gestillte Kaffeerasse vorbeibalanciert, brennt sich, eine Zigarette an und schlendert davon, der Kaffeetafel zu. Hier ist's schon rege. All das Schmorobst ist durstig. Man bedenke jedoch das Frühstück, das man verdauen muß. Das ist gar keine Klei-, nigkeit, damit innerlich fertig zu werden. Aber es ist Anstandssache, nicht viel vom Essen zu reden. Man tut allerseits sein Möglichstes — und mehr kann man nicht. Seht jene drei Gesellen — oder nein — seht sie lieber nicht. Laßt sie schlafen. Das Haupt ist zur Seite gesunken, der Mund leicht geöffnet, die Hände sind über den zufriedenen Magen gefaltet. Sie ruhen und träumen — fern von ihres Amtes Lasten, fern von Jus und Muß — sie ge nießen auf ihrer Erholunas- und Vergnügungs reise des Schlaraffenlandes Wonnen. Ob sie sich an das Menü des Lunchs hiel ten oder noch vorher das kalte Bü'ctt frequen tierten und die Liste a la carte nebenbei prak tisch durchprüften — vielleicht! Sie lächeln im Traum. Und ihr Lächeln schmeckt nach Lyoner Paste en Bellevue, nach Königsfifch Meuniere, nach gebratenem Masthuhn, nach Hammelkeule mit Chutney — nach Kaftaniew- schaumspeise — nach Gorgonzola. Laßt sie schlafen. — Eine Dame am Kaffeetisch lacht — lacht laut und kichernd. Sie lacht immer. Ein Herr mit Sperberblick trägt seinen Bauch voll Selbst bewußtsein ins Rauchzimmer; die Kavaliere umtänzeln, die Tassen in den Händen, die drei Bordsterne. Streng benommen sind es wirk lich nur drei. Sie sind hübsch und elegant und wirklich nur junge, muntere Mädchen. Sie sprechen Deutsch. Aber nicht alles an Bord spricht Deutsch. Da sind nicht nür Belgier, die ihre französische Sprache sprechen, da ist auch ein Herr, der I englisch spricht, obwohl es ihm schwer fällt. .Aber er fühlt sehr englisch und ist glücklich, dieses einmal zu betätigen. Die Dame an «seiner Seite spricht aus Prinzip nicht Deutsch. Sie ist Engländerin. Und man verstehe, daß ein echter, rechter deutscher Kavalier lieber stirbt, als daß er einer Engländerin, mag sie noch so strohdumm und unschön sein, seine auf opfernde, ausschließliche Galanterie vorenthält. Nur immer tapfer und rücksichtslos englich spre chen. Mai; wird da auch für einen Mister ge halten, zumal der deutsche Steward auch Eng lisch versteht. Wozu also deutsch reden als Deutch er? Neben mir freut sich ein Herr über seine Erlebnisse. „Nee, was mer für sei Geld alles zu seh'n kricht!" anerkennt er und besichtigt alle Postkar ten, die beweisen wo er überall war. „Aus der gastalischen Quelle Han; mer ooch getrunken, — wenn mer nu nich des Geiles der Bythia voll wer'n . . . Und was sie da für Zeigs noch offerierten? — So Lääderzucker" . . . „Traurig, dieses zertrümmerte Delphi", meint eine ältere Dame und kneift den Mund zu. „Wirklich eine Stätte der Vergangenheit!" „Morgen sin mer in Gorfu", meint der Herr. „Haben Sie nicht meinen Mann gesehen?" fragt eine dicke, lustige Dame, eine so recht von altem Gutsadel. „Es soll photographiert wer den!" Photographiert! Wann photographiert wer wen wo nicht? Jeder immer überall! Denn — bedenken wir's recht, seien wir einsichtsvoll und gestehen wir's mal mutig und unumwunden ein: ist die Drachenbaum-Allee von Algier, das Marabut-Grab in Kairuan, die Akropolis von Athen oder das Schiffsdeck nicht viel schöner mit Männchen oder Frauchen als ohne diese? Schön sind die stillen, friedlichen Nachmit tage an Bord, aber sie sind kurz. Man plau dert, denn die Gesellschaft ist groß, das Schiff geräumig genug, um niemals Zwang zu leiden. Man promeniert, guckt dieser oder jener Shuffle-- Partie zu, betrachtet von außen das Buch, das man so gern lesen möchte, wenn man „Zeit" hätte, sinkt nieder auf den Stuhl und lauscht der Stille, den verwehenden, frohen Stimmen, dem Anschlägen der Schifsshlocke, dem Pfeifen der Möwen — bis die Trompete ertönt . . . die Trompete, die diese bunte, große, durch die Planken des Schiffs zusammengehaltene Gesell schaft sanft und lieblich zu kommandieren weiß . . . Morgens schon holt sie mit heiter rücksichts dollen Melodien die Schläfer hinter den weiß- Wollenen Bettgardinen hervor. Sie ruft zum ersten Frühstück, dann zum Lunch. Ruff zum Einbooten und Ausbooten, ordnet Landausflüge und Picknicks, diese sanfte, klingende, nie ver sagende, manchmal nur ein bißchen nebenbeifah rende Trompete, diese Rüfstimme der fast un sichtbar wirkenden Reiseleitung. Auch wenn der Nachmittag sinkt, mahnt sie: „Das Diner ist nash — trara — ah." . . . Man raffte sich jedoch bereits auf. Die schmalen, teppichbelegten Korridore und Treppen des schwimmenden Hotels belebten sich. Man eilte zu den Baderäumen, wo weiße Wannen oas grüne Meerwasser bieten. Die Friseure haben zu tun, die Stewardessen eilen von Ka bine zu Kabine „Kleider zumachen". Die Ven tilatoren schwirren — täteretiih — schon ruft.die Trompete, frisch und anregend. Der große Speisesaal sieht festlich aus mit seinen blumengeschmückten Tischen. Das elek trische Licht flutet golden, aber durch die vielen kleinen, runden Kajütenfenster glüht der blaue Purpur des Abendhimmels. Die Herren in Smoking, die Damen in Abendtoilette zeigen sich jetzt als Leute der ele-, ganten Welt, die sie lind. Nur der Kapitän» und die Offiziere des Schiffs, der Ingenieur, und die Schiffsärzte sind in Uniform. Man ist laut und luftig wie bei einem Hochzeitsschmaus, während die Musik keinen modernen Walzev vermissen läßt. Den Kaffee nimmt man wieder auf Deck — vielleicht wird getanzt. Langsam sinkt big Nacht der küstenlosen Weite herab auf das große — das kleine weiße Schiff. Das Wiener Cafee, das Restaurant, die Schwemme und das Spielzimmer sehen fvohe Zecher. An der Re ling lehnen plaudernd die Flirtenden, die Hoch-, zeitsleutchen, die Freunde oder neuen Bekannt ten. Das Kielwasser leuchtet psiMphorblau, undi leise, leise, kaum fühlbar vibrieren die Schiffs-, flanken. Das Schwälbchen schläft oben auf einem Tau. Windverweht und müde eilt ein junges Frauchen achterbordwärts: „Haben Sie nicht meinen Mann ge'ehen?" Nein — man sah ihn nicht. Sie sucht. So oft ist er von ihrer Seite, fort — und wenn sie sich auch sonst gut untere hält mit dem hübschen Schiffsarzt — so ist man doch erst viechehu Tage verheiratet . . . Endlich findet sie ihn. Im Rauchzimmer^ Er betrachtet Negativs, die der Freund gemacht, hat. Schnell deckt er sie zu, als Frauchen er scheint. Man war doch in Tunis. Und braune, Araberinnen, Tänzerinnen . . . Die Nacht wandelt über das Meer mit schillernder Schleppe. Ein Schiff, erleuchtet und glänzend wie ein Feenhaus, gleitet iw weiter Ferne vorbei — kein Laut — kein Ton rings-, um. Die Sterne glühen. — Hinter den weißen Wollvorhängen schlafen, die Müden, aber am Horizont tauchen fahle. Küstenstriche auf. Die Insel der Phäaken er-, wartet den kommenden Tag ... -
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