Volltext Seite (XML)
Nr. 7s. Unterhaltungs-Beilage ,9,3. zum hohenstem-Ernstthaler Tageblatt Arntsblatt. Erscheint wöchentlich zrveirncrl. >— Druck und Verlag von I. Nuhr Nachfolger vr. Alban Krisch, tzohenstein-Lrnstthal. Am Leben gestorben Roman von R. L. von Suttner. <26. Fortsetzung.) „Oh, lieber Freund", nahm Erick das Wort, „da ur teilst du nicht ganz unbefangen." „Erich! So hast du an unseren Lagerfeuern nicht gesprochen. Ist seither etwas vorgefallen, was dir das Recht gibt, heute so ganz anders zu urteilen?" Erich zuckte zusammen. „Wie meinst du das? Wie kommst du dazu, Frau von Frankenburg in Beziehung zu jenen Gesprächen zu bringen?" Krügern legte dem Kranken die Hand auf den Arm. „Deine Mutter sagte vorhin, ich sei dein einziger Freund, ob der einzige, weiß ich nicht, wohl aber bin ich mir bewußt, dir ein ehrlicher, wirklicher Freund zu sein. Ist es da recht, Erich, daß du mich auf einen falschen Weg Mren willst?" „So hat sie dir alles gesagt?" „Aus einer Handlung ist mir plötzlich alles klar ge worden." „Aus einer Handlung? Doch nicht etwa aus ihrer Scheidung?" fragte Erich in wegwerfendem Tone. „Nein, sie hat mehr getan, um mir die Schuppen von den Augen zu nehmen. Sie wollte deinetwegen in den Tod gehen", und Krügern erzählte nun in raschen Worten die ganze Episode, die sich auf jener Nordland fahrt abgespielt hatte. „Du wirst mir jetzt zugeben, lieber Freund, daß ich allen Grund habe, der Dame, deren Gastfreundschaft ich genieße, meine volle Achtung und Teilnahme entgegenzubringen." Erich saß mit gesenktem Blick da, in seiner Miene spielte sich eine große Erregung ab, der er jedoch in Worten keinen Ausdruck gab. Auch der bittere Zug im Gesicht der alten Frau hatte sich gemildert, und sie war die erste, die das Schweigen brach: „Mein Gott", sagte sie mit bebender Stimme, „wie hätte doch alles anders werden können! Es war, wie wenn ein böser Geist über uns gewaltet hätte, der die Bestimmung hatte, alles ins Ver derben zu reißen." „Das war eben jener — verfluchte Frankenburg!" kam es wutzitternd zwischen Erichs Lippen hervor. „Er hat sich da in unseren stillen Frieden hineingedrängt. Er, dieser plumpe Protz mit seinen Millionen, die er den elenden Frohnarbeitern herausgepreßt hat. . . Ach, hätte ich damals dem ersten Impuls gefolgt! Hätte ich den Wicht vor meine Pistole —" „Ich glaube, du tust auch ihm unrecht", fiel Krügern beschwichtigend ein. „Nicht dem einzelnen darf man in solchen Fällen die Schuld auflegen, sondern dem unseligen Verhängnis, das manchmal in unser Leben einen Riß bringt, welcher nicht mehr auszubessern ist. Ein unglück licher Zufall hat dir den Mann in den Weg gestellt. Kann man es ihm verübeln, daß er an einem schönen Mädchen aus angesehenen Hause Gefallen fand? Nein, ebensowenig, wie man es ihm nachtragen kann, daß er das Glück hatte, Millionen auszulesen. Oft gibt es so kleine Ursachen, die große Folgen mit sich bringen, daß man sich sagt: Ist es möglich? Aus dieser nichts« bedeutenden, aus dieser geringfügigen Sache ist so Folgen sNachdruck verboten.) schweres hervorgegangen? Ja, oft hätte man diese kleine Ursache beseitigen können, allein sie schien einem zu gering zu einer solchen Anstrengung. Der einzelne verschwindet da, und wir können dann nie mit Recht sagen: Dieser oder jene hat dis Schuld, denn es haben noch viele un günstige Umstände mitspielen müssen, die außerhalb der Macht der einzelnen lagen, um die Katastrophe herbei zuführen." „Du sprichst eben als einer, der nicht unmittelbar be teiligt war", warf Erich ein. „Allerdings kann ich mit ruhigerem Blute urteilen. Ich kann aber auch deine Erregung verstehen, so lange sie dis des gerechten Zornes ist. Ich weiß nicht, ob es gut ist, Erich, jetzt bei dieser Sache zu bleiben, es mag dir das unerträglich sein. Aber anderseits glauhe ich wieder, es ist gut, Klarheit hineinzubringen. Wenn du mit Ruhe darüber Nachdenken kannst, so wird es dir Erleichterung verschaffen." „Lassen wir das Thema jetzt wenigstens, ich will sehen, wie ich darüber denken kann." „Du sollst überhaupt nicht zuviel sprechen, mein Kind", mahnte die Mutter. „Du weißt, der Doktor hat anempfohlen, alles zu vermeiden, was ermüdet und auf regt." Krügern erzählte nun dem Freunde, wie er von Afrika durch eine Trauerbotschaft aus der Heimat ab berufen worden war; sein Vater war bald einem zweiten Schlaganfalle erlegen, und er hatte sich außer Dienst stellen lassen, um die Verwaltung des bedeutenden Gutes in die Hand zu nehmen. Alle seine Nachfragen nach Erich waren die längste Zeit vergeblich geblieben, bis er endlich erfuhr, daß er aus dem Krankenhause entlassen worden sei. „Wie hast du aber gewußt, daß ich hierher zurück gekehrt bin?" frug Erich. „Das erfuhr ich nicht von dort, sondern aus Gamlitz." „Ah, — aus Gamlitz." Die Sonne war hinter den Bäumen verschwunden, und der Bursche kam heraus, um seinen Gebieter hinein zurollen. Das war für Krügern das Zeichen, aufzubrechen. Man wollte ihn zurückhalten, aber er lehnte mit dem Versprechen ab, morgen wieder zu kommen. Als er nach Gamlitz zurückkam, erwartete ihn unten Hertha in sichtlicher Spannung. „Wie geht es drüben?" fragte sie. „Ich kann nicht urteilen, da ich ihn heute zum ersten Male in semer erschreckend veränderten Gestalt gesehen habe. Aber er war ziemlich lebhaft und gesprächig. . . . Auch von Ihnen war die Rede." -^nd noch immer in derselben bitteren Weise?" »Anfangs ja, doch später weniger. . . Ich habe mir eme Indiskretion zuschulden kommen lassen, — verzeihen Sie. Aber diesmal kann ich den Spruch „der Zweck hrulgt die Mittel" im guten Linne anwenden. Es war