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fügungsrecht über wett mehr gehabt. Nein, Hertha, ob wohl Sie eine sehr schlechte Meinung von mir haben, so dürfen Sie nicht auch hier gleich das Schlimmste annehmen. Lassen Sie uns einmal ohne Voreingenommenheit mit einander reden, hören Sie mich mit etwas gutem Willen an, ja? Also: der Gedanke dieser Sicherstellung ist mir nach reiflicher Überlegung gekommen. Ein gewisses Etwas sagte mir: vielleicht wird diese Verbindung nicht von Dauer sein, du kennst sie nicht, — sie kennt dich nicht, — wie also soll man wissen, wie alles enden wird. Wenn gut, um so besser, wenn schlecht, bist du ihr doch etwas schuldig für das, was sie aufgibt." „Für das, was ich aufgab!" rief sie schmerzlich. „Und Sie glaubten, daß das mit Geld aufzuwiegen war! . . . Ach, und doch! Hätten Sie sich mir damals als Freund genähert, — hätten Sie mir gesagt: Ich bin ein reicher Mann, — Sie sind ein armes Mädchen, ich glaube be merkt zu haben, wohin Ihre Träume gehen, — nehmen Sie diesen Bettag von einem Freunde, der Ihnen gern mehr geworden wäre, — und werden Sie glücklich! . . . Ach! wie edel hätten Sie damals gehandelt, wie hätte ich Ihnen auf den Knien gedankt!" rief sie, in bitterliches Schluchzen ausbrechend. „So handelt ein Mann nicht", versetzte er ruhig. „Aber jetzt —" „Jetzt weise ich es zurück! Wie ich Ihnen geschrieben, so will ich es auch halten, ich gebe Sie frei, ohne daß Sie mir einen Loskauf hinzuwerfen brauchen. Jetzt, Herr von Frankenburg, kommt Ihre Freundschaft zu spät." „Dann bekachten Sie es einfach als geschäftliche Ver pflichtung meinerseits. Ihre Mutter hat das bindende Dokument von mir in Empfang genommen." „Meine Mutter? ... Oh!" Hertha griff sich an die Stirn. „Also in aller Form eine geschäftliche Abmachung. Nun, ich erkläre sie heute für null und nichtig! . . . Übrigens wird sich das Papier wohl finden, wenn es nicht schon mein Vater —" „Ihr Vater besitzt es nicht." „Woher wissen Sie das?" „Weil er mir geschrieben hat." „So sind also auch von dieser Seite, und jetzt, vor kurzem, derlei geschäftliche Verhandlungen geführt worden! Ja, bin ich denn wirklich eine Ware, um die andere immer handeln, wie um das nächstbeste Objekt?" „Beruhigen Sie sich", beschwichtigte Frankenburg betteten. „Es wurde gar nicht gehandelt, sondern ich habe Ihren Vater einfach gefragt, ob sich ein ähnliches Papier vorfand, und er hat mit nein geantwortet." „Gut", sie schritt zum Schreibtisch und schrieb hastig ein paar Zeilen nieder, dann reichte sie dem anderen das Papier. „Hier zu meiner und zu Ihrer Beruhigung meine schriftliche Annullierung jenes Dokumentes, falls es sich noch vorfände." Ein jähes Rot färbte Frankenburg Wangen, dann zerriß er mit entrüsteter Gebärde das Papier in kleine Stückchen und warf diese vor ihr hin: „Sie haben kein Recht, mich zu beleidigen. Sie haben kein Recht, mich über eine Sache beruhigen zu wollen, über die ich nicht beunruhigt bin. Ich glaube, dazu habe ich Ihnen doch nie einen Anlaß gegeben. Ich bin Gott sei Dank! keiner von jener Krämersorte, die um ein solches Dokument zittern. Ich sehe, es geht nicht, daß wir uns in freundlicher Stimmung trennen, Sie wollen es nicht, und Ihr Wille geschehe. Leben Sie wohl." ^Leben Sie wohl." Sie zögerte eine Sekunde, dann bot sie ihm die Hand: „Nein, warum sollen wir in Groll scheiden. Leben Sie wohl. Ich überlasse es Ihnen, das, was zwischen uns ausgemacht ist, zu beschleunigen. Wir brauchen beide unsere Freiheit." Er ging nach dem Zimmer des Grafen, der er schrocken emporfuhr, als er den Besucher erkannte. „Sie, Frankenburg?" „Jawohl, ich bin es. Ich hab' gesehen, daß die Sache brieflich zu keinem Resultat führt, und so hab' ich mich denn aufgesetzt, um alles persönlich in Ordnung zu bringen. Ich war gerad' bei der Hertha —" „Bei der Hertha, so! Na ja, dann kann ich mirs schon denken", murmelte der Graf resigniert. „Wir sind vollkommen einig geworden." Der andere erwiderte nichts, sondern zuckte nur mit den Achseln. „Denken Sie sich, die Hertha hat von dem Papier gar nichts gewußt. Das ist doch merkwürdig." „Ich finde da nichts merkwürdiges daran." „Natürlich hab' ich ihr erklärt, daß im mein Ver sprechen aufrecht halte — aber sie will durchaus nichts davon wissen. Sie erklärt entschieden, nichts von mir zu nehmen. „Na ja, die Hertba hat halt schon so eigene Ideen!" platzte der Graf bitter los. „Sie ist auch eine, die nie auf morgen denkt." Frankenburg lächelte vor sich hin; allerdings, dieser Mann, der dachte immer zu weit in die Ferne hinaus, in jene Ferne, wo nichts greifbare Gestalt hat, sondern nur in phantastischen Formen in den Wolken hängt. Er brach endlich das Schweigen: „Wissen Sie, lieber Schwieger — lieber Herr Graf, ich halte gern mein Wort und fühl' es durchaus nicht als Befreiung, wenn man mich davon entbindet. Wir werden das einfach anders machen. Wie mir scheint, hat Ihre Tochter die Absicht, sich hier niederzulassen. Gut. Ich kann mir recht wohl denken, das Ihnen das teilweise eine Erleichterung und teilweise eine Last sein wird. Die hunderttausend Gulden hab' ich einmal für so einen Fall bestimmt, dabei bleibt's und noch mehr. . ." Der Graf atmete hoch auf, und sein erwartungsvoller Blick hing an Frankenburgs Lippen. „Das Zweckmäßigste ist also", fuhr der andere fort, „ich lege den Betrag in der Weise in einer Bank an, daß Ihnen jährlich die Interessen zufallen, aus denen Sie auch das Notwendige für Ihre Tochter bestreiten werden. Sollten Sie Ihre Tochter überleben, so geht die Summe in Ihr freies Eigentum, wie eine Erbschaft auf Sie über. Tritt das Umgekehrte ein, na dann steht der Betrag natürlich jederzeit der Hertha zur Verfügung. Der Betrag nämlich von einer halben Million Gulden." Der Graf erhob sich, schritt auf Frankenburg zu und legte ihm feierlich die Hand auf die Schulter: „Ich hab immer gesagt, daß Sie ein anständiger Mensch sind, Alois. Das kann ich heute nur wiederholen. Ich denke, Ihr Vorschlag ist so vernünftig und dabei so zartfühlend, daß ich nur von ganzem Herzen ja dazu sagen kann." (Fortsetzung folgt.) Vurcks Okr. Novelle von Helene Lang-Anton. (Nachdruck verboten.) Sie klappte das Buch zu und verteilte die korrigierten Hefte zum letztenmal vor den Ferien. Dann noch einige Worte der Ermahnung, gute Wünsche, und die Kinder waren entlassen. Sie reichte den herandrängenden kleinen Mädchen die Hände, aber sie sprach kein Wort. Ihre vor Aufregung zitternde Stimme hätte ihre Freude verraten können, die größer war, als die der laut davonstürmenden jubelnden Kinder. „Die großen Ferien" waren für die Vielgeplagte das selbe Zauberwort wie für die lärmende Kinderschar. Nicht vom frühen Morgen bis zum späten Abend die Ausübung des sich immer gleich bleibenden Frondienstes! Sie hatte sich das Leben anders gedacht. Wohin hatten ihre Hoffnungen, ihre Phantasie sie nicht getragen? Was wollte sie nicht alles erreichen, erringen, erkämpfen? Sie fühlte Mut, Kraft, Fähigkeiten in sich; und wieviel war davon in diesen kleinlichen, traurigen Sorgen umS tägliche Brot übrig geblieben? Ja, wenn sie hätte das Oberlehrerinnen-Examen machen oder gar studieren können! Aber dazu hatte es nicht gelangt, und schweren Herzens mußte sie alle hochfliegenden Pläne aufgeben. Heute war es überwunden, wenigstens fühlte sie das Zucken des müde gewordenen Herzens nicht mehr so sehr. Sie hatte sich mit dem Leben abgefuuden und nahm es hin, wie es war. Aber wie atmete sie befreit auf, wenn die groben Ferien kamen; gleich den Schulkindern sehnte sie sich danach, und ihre Freude und Aufregung waren nicht ge ringer. Und hatte sie bis jetzt auch weiter nichts davon gehabt, als daß sie frei war, den ganzen Tag tun und lassen konnte, was sie wollte, es war doch ein anderes Leben. Schon das süße Nichtstun, grübeln und sinnen zu