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ober i «L r 3 3 m rs. Unterhaltungs-Beilage ,s,z. zuw. Hohmstem-EmWaler Tageblatt Arrrtsblntt. — Lrsicheint rvöckerrtlicb zrosiTnat. ————^— Druck und Verlag von I- Ruhr Nachfolger vr. Alban Krisch, Hohenstein-rrnftthal. Mm Leven gestorden Roman von K. G. von Suttner. <26. Fortsetzung.) Nichts regte sich im Jnnenraum; die Gartenanlage vor dem Hause, die sonst so sorgfältig gepflegt gewesen, war verwildert und vernachlässigt: das Unkraut wucherte auf den Pfaden, so daß diese fast unsichtbar waren. Bei einzelnen Fenstern waren die Jalousien geöffnet, allein nie mand zeigte sich dort, kein Laut ließ sich vernehmen. Hertha blieb am Mauerpfeiler angelehnt und starrte ununterbrochen auf eins der Fenster hin, wie wenn, Gott weiß was, dort geschehen wäre. Lange stand sie so, den Blick immer auf jenen Punkt gerichtet, bis sie endlich aus ihrem Brüten erwachte. Was wollte sie hier? Mit welchem Rechte stierte sie da hinein, wo sie nichts mehr zu suchen hatte? Was hatte die Frau Frankenourgs mit den Insassen dieses Hauses gemein? Nichts! Nichts! Schon schickte sie sich an, ihrer Wege zu gehen, als ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit erregte. Die Eingangs tür war geöffnet worden, dann klappten zwei Riegel und der zweite Flügel ging auch zurück. Hierauf folgte ein Gepolter und gleich nachher erschien ein Rollstuhl, der ins Freie herausgeschoben wurde. In diesem Rollstuhl saß zu sammengesunken eine Gestalt, die Hertha nicht erkannte, — aber sie wußte dennoch, wer das war. Der Stuhl wurde von einem Burschen unter eine Baumgruppe geschoben, und nun trat eine weibliche Gestalt wankend aus dem Hause, die dieselbe Richtung einschlug. Der Bursche ging ins Haus zurück und schloß die Türen: Mutter und Sohn blieben allein. Hertha hatte sich an eine derGitterstangen angeklammert, aber trotzdem war sie dabei in die Knie gesunken. So blieb sie und starrte mit weitaufgerisseuen Augen hin. Nichts entging ihren Blicken, sie sah, wie die alte Frau dem Kranken eine Decke hinaufzog und sie fest um ihn herumlegte, wie sie ihm dann mit der Hand über die Wanze fuhr, wie sie sich mühsam bückte, um auch seine Füße einzuhüllen, und wie sie schließlich einen kleinen Klappstuhl aufmachte, um sich an seiner Seite niederzulassen. Hertha rührte sich nicht von der Stelle, sie verschlang mit den Blicken alles, was dort vorging, und nur ein Wunsch erfüllte ihr ganzes Innere: dort mit Hand an legen, ihn pflegen, ihm Erleichterung bringen zu dürfen. Aber das durfte sie nicht: gerade ihr, einzig und allein ihr ivar das Überschreiten dieser Schwelle untersagt. Jeder sonst durfte hinein, der Arzt, der ihn behandelte, der Bursche, der seinen Rollstuhl schob, selbst jenes armselige Weib, das vom Austragen der Eier und der Milch seine erbärmliche Existenz fristete. >sie aber, sie hatte das Recht, dort zu sein, für immer verwirkt, denn sie war es gewesen, die über jene beiden Menschen das schwere Unheil gebracht hatte. Lange blieb sie, wo sie war. Daun wurden wieder die Türflügel geöffnet, der Stuhl wurde in Bewegung gesetzt, um jedoch diesmal auf einem kleinen Umweg ins Haus gebracht zu werden. So kam denn der traurige Zug näher heran, und Hertha konnte nun deutlich sehen, welche Verheerung die schreckliche Krankheit angerichtet hatte. War dieser Schatten wirklich Erich? War es (Nachdruck verbot: a.) möglich, daß sich ein Meysch in Kürze so veränderte? Sein Haar war weiß geworden, die Augen lagen matt nnd teilnahmslos in den Höhlen, in die Wangen hatten sich förmliche Löcher gebohrt und bei jeder unsanften Bewegung knickte die Gestalt kraftlos zusammen. Sie mußte an sich halten, um nickt einen Jammerschrei aus zustoßen, um nicht in lautes Wehklagen auszubrechen. Der Zug ging langsam an ihr vorüber, da vernahm ihr scharfes Ohr die mehr hingehauchten, als gesprochenen Worte: „Noch ein wenig — hinaus in die Allee ... So gut — der — Heuduft!" und ehe sie recht verstand, was geschah, rollte der Stuhl zum Gitter heraus, nahe an der Stelle vorbei, wo sie kauerte. Sie hoffte, ungesehen zu bleiben, aber der Bursche, der den Wagen schob, wendete zufällig den Kopf herüber und sagte laut vernehmlich zur alten Frau: Da schaut wer herein!" Verwundert blieb die Baronin stehen, während Erich fragte: „Wo schaut jemand?" Der Befragte wies mit der Hand hin: „Dort", und Erichs müder Blick folgte der Richtung. Jetzt hielt Hertha nicht mehr an sich; sie raffte sich auf und stürmte auf die alte Frau zu, der sie sich zu Füßen warf. „Lassen Sie mir eine Gnade! Lassen Sie mich ihn mitpflegen, — ihn warten, — ihm dienen wie eine —" sie stockte, denn die gebrochene Gestalt der Greisin hatte sich plötzlich gerade aufgerichtet, und mit gebieterischer Gebärde wies sie in die Ferne: „Fort, — Mörderin!" Erich hatte nicht begriffen, was da mit einer Fremden vorging. Auch Hertha war nicht mehr die Hertha von damals, auch an ihr hatten Herzeleid und Jammer ge- zehrt. „Wer ist das?" fragte er leise. Da wandte sie ihm mit flehendem Ausdruck das Gesicht zu, und er erkannte sie. Krampfhaft suchte er sich mit den Händen an den Armlehnen aufzurichten, doch d« Kraft reichte nicht hin; aber in seinem Gesicht zeigte ftch jetzt ein Zug der Erbitterung, und heiser kam über seine Lippen der Befehl: „Fort! . . . Fort!" Ein Jammerruf war die Antwort, so schmerzlich, so erschütternd, daß ihm ein Schauer durch den Körper ging — dann raffte sie sich auf und hastete davon, blindlings ins Weite hinaus, bis sie am Waldesrande zusammen brach . . . * * * Auf seinen letzten Brief an Frankenburg erhielt der Graf zur Antwort, daß es vorläufig überflüssig sei, weiter zu korrespondieren, denn wenn es zu einer Scheidung kommen sollte, müßten ohnehin alle Angelegenheiten ge schäftsmäßig und von Gerichtswegen geordnet werden. Nach Empfang dieses Briefes ließ der Graf seine Tochter auf sein Zimmer bitten. »Weißt du, Hertha", begann er, „ich bin zwar, wie