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eingeschriebenen Brief aus Hamburg. Es war ein längeres Schreiben, in dem sich Frankenburg an seinen „hoch verehrten" Schwiegervater, der ein Mann von Ein sicht war, wandte und iHv bat, ihm rückhaltlos seine Ansicht mitzuteilen. Er erzählte ihm die ganze Leidens geschichte seiner Ebe, in der er übrigens seine Rolle ehrlicherweise nicht beschönigte, immerhin aber die Haupt schuld darauf verlegte, daß beide Teile einen unüberlegten Schritt gemacht hatten. Eine Kette von Mißverständnissen hatte noch dazu beigetragen, das Verhältnis in einem Maße zu trüben, daß er annehmen mußte, die Rückkehr Herthas ins Vaterhaus sei ihr eine Befreiung gewesen. Wie sollte sich nun das ganze in der Zukunft gestalten? Das Gesetz sprach ihm das Recht zu, die eheliche Gemein schaft zu verlangen, — sein Gefühl hingegen sagte ihm, Hertha werde vorziehen zu bleiben, wo sie augenblicklich war. Hier konnte die väterliche Weisheit des Grafen am besten das Richtige finden, und daher bat er ihn um seinen Rat. Zum Schluffe ging der Schreiber auf ein anderes Thema über, nämlich auf das Steckenpferd des Grafen. Er anerkannte dessen Bestrebungen auf einem Gebiete, das eine Hauptarterie des Staatskörpers war und das noch vieler Verbesserungen bedurfte. Erst in der jüngsten Zeit hatte er sich überzeugen können, wie man in Deutschland Physik und Chemie in den Dienst Ler Landwirtschaft stellte. Er bäte nun um Mitteilung, welcher Art die Erfindung war, an der der Forscher arbeite. Denn er war geneigt, dem Grafen insofern die Hand zu bieten, daß er ihm einen Betrag von etwa zwanzigtausend Mark zur Ver fügung stellte. Der Graf war über diesen Brief so verblüfft, daß er eine Weile fassungslos dasaß. Der Teil, der Hertha be traf, hatte ihn viel weniger erregt, als Ler Schluß, wo der Mann, der bisher so zugeknöpft gewesen, plötzlich freiwillig die Schnur des Geldbeutels auseinanderzog. Er las wiederholt die Stelle, und je mehr er sie sich einprägte, um so geneigter fühlte er sich, zuzugeben, daß Frankenburg im Grrmde genommen Loch ein vernünftiger Mensch war. Dem Sprichwort gemäß, man solle das Eisen schmieden, solange es warm war, machte er sich nach längerem Nachdenken an die Antwort. Endlich konnte er sich einem verständnisvollen Wesen gegenüber aussprechen, und das mußte gründlich geschehen. So flog denn die Feder übers Papier und die Seiten füllten sich mit einem eingehenden Artikel über das Flüssigmachen der Elektrizität, eine Erfindung, mit Ler die Welt zu er obern war. „Wenn die Sache, wie ich zuversichtlich glaube, gelingt", versicherte er, „so werde ich Ihre zwanzig tausend Mark vermehren wie den Sand im Meer. Es gibt dan nicht genug Banken auf der Erde, um unsere Milliarden anzulegen." Der Brief nahm nach und nach den Umfang einer Broschüre an, und als der Graf Frankenburgs Schreiben noch einmal überflog, entdeckte er, daß da eigentlich von einer andern Sache viel mehr die Rede war, als von der, welche er nun mit einer ganz besonderen Ausführlichkeit besprochen hatte. Zudem schien Frankenburg einen großen Wert darauf zu legen, die Meinung des Schwiegervaters zu erfahren, — ja, er verlangte direkt einen guten Rat in dieser heiklen Sache. Da blieb wohl nichts anderes übrig, als mit Hertba darüber Rücksprache zu nehmen. Sie selbst mußte wohl am besten wissen, wie sie eigentlich die Zukunft vor sich sah. Nach dem Essen, als man wieder im Laboratorium saß, sagte er nach einigem befangenen Räuspern! „Liebe Hertha, ich muß doch einmal eine Frage berühren, über die ich bisher Stillschweigen beobachtet habe . . . Hm, na ja, — eigentlich geht sie mich nichts an, sie — sie ist sozu sagen dein Privateigentum . . . Duweißt, hm, hm, — ich hin ja überhaupt nicht gefragt worden." „Ich weiß, was du meinst. Wiederholt wollte ich mit dir über diese Angelegenheit sprechen; dann verschob ich die Sache von einem Tage zum andern. Nun, da du an gefangen, will ich fortseben. Also kurz heraus, Papa, ich habe nicht mehr die Absicht, ins Haus meines Gatten zurückzukehren." Der Graf schlug die Hände zusammen. „Ja aber, Kind! . . . Freilich, wenn du nach meinem Gefühl fragst, so werd' ich dir jederzeit sagen, daß ich froh bin, dich hier zu haben, und je länger du bleibst, um so lieber wird es mir sein. . . Aber anderseits, — hm, vergiß nicht, daß dein Mann auf dich ein Recht hat." „Ein Recht?" unterbrach sie erregt. „Bin ich seine Sklavin?" „Siehst du, liebe Hertha, vom gesetzlichen Standpunkt aus ist-die Frau allerdings weniger frei als der Mann. Er kann sie schließlich verlassen und wird schlimmstenfalls zu den Kosten ihres Unterhalts verurteilt; sie aber, sie muß, wenn er darauf besteht, in sein Haus zurückkommen; ja, er kann das sogar mit Gewalt —" „Niemand wird froher sein, als er, wenn ich nicht mehr bei ihm einziehe." „Glaubst du? Ich weiß nicht, ob du dich nicht irrst." „Du weißt also Bestimmteres?" Der Befragte schwieg verlegen. „Ah, jetzt verstehe ich, er hat dir geschrieben." „Nun ja, er hat mir geschrieben." „Und willst du mir nicht den Brief zu les-n geben?" „Wozu das, Kind. Ich versichere dich, er benimmt sich vollkommen korrekt; er möchte nur überhaupt wissen, wie er daran ist, er — er —" „Bitte, gib mir den Brief. Er handelt ja doch über meine Person ohne Zweifel, und da möchte ich mir endlich auch das Recht herausnehmen, ein Wort mitzusprechen. Weißt du, was der Grund meines ganzen Unglücks war? Daß ich immer über mich verfügen ließ, daß ich ein willen loses Geschöpf war, dessen Schicksal jederzeit andere in die Hand nahmen." „Aber Hertha!" „Ja, ja!" rief sie erregt. „So war es, und so hat er mich gekauft, — mich gekauft, sag' ich dir, um Ver bindungen in Kreisen zu gewinnen, von denen er bisher ausgeschlossen war. Die Spekulation ist eben nicht nach Wunsch ausgefallen, und daher die große Enttäuschung, die Last, die er an mir erworben hat. O, wenn ich an Liese schrecklichen Zeiten zurückdenke! Es waren goldene Sklavenketten, aber sie haben mich wie glühendes Eisen gebrannt. . . Und jetzt, jetzt glaubt er, daß er mich mit Gewalt wieder —" „Davon ist ja keine Rede, Hertha. Er streift nur die Frage, er will —" „So gib den Brief!" rief sie ungeduldig. Ich habe ein Recht zu wissen, was er schreibt." „Wenn du durchaus willst, da —" und er reichte ihr Frankenburgs Schreiben hin. Hertha überflog den Brief, dann schleuderte sie ihn mit verächtlicher Gebärde auf den Tisch. „Auf seine Phrasen gehe ich nicht weiter ein, ob er sich oder mir oder dem Zufall die Schuld an allem beimißt, ist mir gleichgültig. Eins geht aber für mich aus dem Briefe deutlich hervor: er möchte frei werden; verstehst du? Er. Und um dich als Vermittler, oder wie ichs nennen soll, zu gewinnen, will er dir einen Lohn von zwanzigtausend Mark hinwerfen. Aber er kann es billiger haben." Sie zog den Ehwing vom Finger und hielt ihn dem Vater bin: „Da, du -annst ihm dieses Zeichen der Lösung senden, es tostet Nichte, gar nichts." „Hertha, du regst dich da wieder auf, ohne daß ein rechter Grund vorliegt." „Das nennst du keinen Grund, wenn er dir, dem Grafen Hagenau, ein Trinkgeld verspricht, falls du ihn nach Wunsch bedienst?" „Verlangt er einen andern Dienst von mir, als einen Rat?" „Warte nur, das wird schon noch kommen! Du weißt nicht, was ich weiß. Aber ich spreche nicht weiter darüber; es wird sich ja in der Folge zeigen, ob ich recht habe oder nicht. Nur um eins bitte ich dich, erniedrige dich nicht vor ihm. Sieh, ich gebe ihm alles zurück, was ich von ihm habe, nichts will ich besitzen, an dem sein Geid haftet — aber auch du darfst nichts von ihn; nehmen. Er will dich für eine Sache dienstbar machen, die er umsonst haben kann und die er haben soll." (Fortsetzung folgt.)