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HohensteitErnftthaler Tageblatt Amtsblatt * Nr. 199. Donnerstag, den 28 August 1913. Zweites Blatt. Mchlilches —8 Callenberg b. W., 28. August. Heute war es Herrn Pfarrer Lehmann vergönnt, sein 25jähriges Ehejubiläum im engeren Familienkreise zu feiern. Durch Gesangsdarbietuugen des Kirchm- und Schulchors am Vorabende, sowie durch zahl reiche Aufmerksamkeiten am Festtage wurde das Jubelpaar sichtlich erfreut. Kirchen- und Schul vorstand, sowie die Lehrerschaft der beiden seiner Seelsorge anvertrauten Gemeinden hatten sich zu sammengeschlossen, um dem Jubelpaare als Geschenk einen Teppich zu überreichen und ihm am Abend durch die Hermann Schubcrtsche Kapelle eine Serenade darbringen zu lassen. — Bräunsdorf, 28. August. Gestern kurz vor Mittag ereignete sich hier ein schwerer Un glücksfall. Der Mühlenbesitzer Schreiner aus Bräuus- dorf suhr Getreide ein, wobei sein bjähriger Sohn, der nebenher lief, unter den Wagen geriet. Die Räder gingen dem Knaben über den Leib, so daß der Tod sofort eintrat. — Plauen, 28. August. Der Schulknabe Fritz Meisel in Ellefeld i. V. befand sich mit seinem neunjährigen Bruder allein in der Wohnung seines Vaters, des Stickmaschinenbesitzers Meisel. Der neunjährige Meisel ließ sich von seinem Bruder das an der Wand hängende Teschin des Vaters geben. Nun beging der ältere Bruder die Fahr, lässigkeit, nach dem Zusammensetzen des Teschins auf seinen kleineren Bruder zu zielen. Der Schuß ging los, die Kugel drang dem Bruder in den Kopf und der Tod trat sofort ein. Der Vater wurde wegen Fahrlässigkeit zu 2 Wochen Gefängnis verurteilt. — Harthau b. Chemnitz, 28. August. Die Kleider des im 4. Lebensjahre stehenden Töch terchens des hiesigen Friseurs Püschmann, das dieser Tage im Freien spielte, gerieten auf noch unaufgeklärte Weise in Brand. Die Kleine hatte sich entweder aus einen achtlos weggew oofenen brennenden Zigarren- oder Zigarettenstummel ge setzt oder es war von einem Vorübergehenden ein noch brennendes Streichholz zur Seite ge worfen worden, das die Kleider des Kindes traf. Das brennende Kind lief der elterlichen Wohnung zu. Trotzdem der herbe teilende Vater die Flammen sofort erstickte, wobei er sich selbst schmerzhafte Brandwunden an den Händen zu zog, waren die Wunden des unglücklichen Kin des doch so schwere, daß cs nach zwei Tagen seinen qualvollen Leiden erlag. Leipzig, 28. August. Gleichzeitig mit der Enthüllung des Völkerschlachtdenkmats fin det bekanntlich auch die Enthüllung der in sei ner unmittelbaren Nähe ebenfalls auf dem Leip ziger Schlachl.se de gelegenen russischen Gedacht niskapelle statt. Kaiser Franz Josef hat mit seiner Vertretung beider Pölkerfchlachtdenkmals- feier und der Kapelleneinweihung Erzherzog Franz Ferdinand, den österreichischen Thronfol ger, betraut. An der Einweihung des Völker- schlacküdenkmals in Leipzig am 18. Oktober hat auf Befehl des Königs Friedrich August eine Abordnung der sächsischen Armee teilzunehmen. An der Spitze der Abordnung steht der Kriegs minister Generaloberst Freiherr v. Hausen. Ferner gehören ihr aktive, sowie zur Disposition stehende Generale der Armee an. An den Feier lichkeiten wird auch ein Deutscher teilnehmen, dessen Geburtsstunde schlug, als die Kanonen vor Leipzig donnerten. Es ist ein Sohn schwä bischer Erde, der Wagner Johann Martin Sae mann, der am 18. Oktober 1813 in Ostdorf, im württembergischen Schwarzwaldkreis, geboren ist. Dresden, 28. August. Im gegenwär tigen Zeitalter der kaiserlick>en und bundesfürst- lichcn Gnadenerlasse hat sich auch ein weichher ziger Sonnenstrahl über die Portemonnaies eini ger pensionierter Erekutivoeamten in Dresden ergossen, die von Rechts wegen verdonnert waren, für die Sünden eines verstorbenen höhe ren Offiziers, den sie zu hoch geschätzt hatten, zu bluten. Sie wunden entbunden, noch weitere Opfer für eine weit zurückliegende, aber jetzt zum endgültigen Ausgange gebrachte, 'beinahe unglaubliche Pensionsschwindelei zu bringen. Es handelte sich um den königlich preußischen Major z. D. v. S., der vor langen Jahren mit seiner Mutter, einer Oberften-Witwe, aus der Reichshauptstadt nach der sächsischen Resi denz übergesiedelt war. Beide bezogen aus der preußischen Kriegszahlamtskasse Pension, die der Herr Major, wie es ganz in der Ordnung ist, für sich und seine Mutter erhob. Dazu benötigte er auf den Ouittungeu des vorgeschriebencu Lcbensattestes. Er wandte sich an eine hiesige Behörde, wo er natürlich auf seine Angaben bin mit größter Bereitwilligkeit das Lebensattest samt Stempel erhielt. Für sich und seine Mut ter, die eine Pension von monatlich 300 Mark erhielt, erhob er nun fortgesetzt 29 Jahre lang die Pensionsbeiträge, ohne daß sich je eine Du ferenz ergeben häkle. Dann rückte der Herr Major zur großen Armee ab. Sein Tod wurde dem Kriegszahlamte prompt gemeldet. Als der: aber im Laufe des Jahres zur Recknunasieaung geschritten wurde, vermißte man die seit stü: Jahresfrist ausgebliebcne PensionSnunnna der Frau Oberst. Gleichzeitig wurde aber auw test gestellt, daß Frau verwitwete Oberst sick' iw. Alter von — 113 Jahren befinden mußte. Das erregte nun allerdings größte Venvunde'-mng, und somit grub man weiter in den Dokumenten herum und stellte fest, daß Frau verw. Oberst v. S. bereits seit 29 Jahren das Zeitliwe geseg net hatte. Ihr Herr Sohn, der Major z. D., hatte aber für diese Zeit, natürlich „aus Per sehen", die Pension seiner Mutter in der Ge samthöhc von 93 000 Mark erhoben. Tableau! Trotzdem lind alledem wurde über die unsau bere Sache das Tischtuch der christlichen Liebe ausgebreitet, und zwar mit dem Erfolg, daß die Oeffentlichkeit bis jetzt nichts davon erfahren hat. Aber das Kriegszahlamt zog den sächsi schen Staat heran, die entstandenen Verluste für das letzte Dezennium (weitere Belege waren nicht mehr vorhanden), zu decken, der wieder um seine leichtgläubigen Beamten verdonnerte, die verlorenen Beträge dergestalt zu ersetzen, daß jeder Beamte für jedes von ihm irrtümlich ausgestellte Lebensattest 300 Mark zu zahlen hatte. Diese Haftpflicht ist nun zur Freude der Beamten jetzt aufgehoben und damit die ganze leidige Angelegenheit ins Grab gesenkt worden. — Dresden, 27. August. Die Kosten der öffentlichen Beleuchtung sind in der hiesigen Stadt ganz bedeutend. Im letzten Jahre erforderte die öffentliche Beleuchtung einen Aufwand von 1154 000 Mark, dem nur Einnahmen von rund 84 000 Mark gegenüber standen. Diese Einnahmen setzen sich zu sammen aus den Entschädigungen für WarnungS- laternen, auS Einnahmen für Arbeiten auf fremde Rechnung und vermischte Einnahmen. — 50 000 Forellen sollen das Wasser der Talsperre von Malter bei Dresden, die im September oder Oktober einge weiht werden wird, bevölkern. Die Forellenzüchterei von Rudolf Linke in Tharandt Hal die Fischerei der beiden Talsperren von Malter und Klingenberg auf 12 Jahre gepachtet und wird dort eine Forellen- zückterei in größtem Maßstabe betreiben. .Halle a. S , 28. August. Das Städt- we - Löbejün bei Halle, die Heimat des Bal Orden-'.'wvonnstcn Löwe, ist gegenwärtig der Saxnwia;- von TumuliJcnen, die den Rektor des Sw.biwens wiederboll in schwere Gefahr rrawrew D e in den sogenannten freien Gewerk- 'wasten organisierten Arbeiter Löbejüns, vor- nebnü-.w Sieinbruws und Bauarbeiter, feier- len ibr Gewerkschastssesl, zu dem der Bürger meister eiiren llmzug gestalte: balle: abends gab es einen Lampionzug für die Kinder. Mit der Beteiligung der Kinder am Gewerkschaftsfest ivar aber der Rektor nicbt einverstanden und balle bei Strafandrohung das Fernbleiben der Schulkinder befohlen. Er führte seine Drohung gegenüber den Kindern, die trotz des Verbots mit ihren Eltern das Gewerksck)astsfest gefeiert hackten, aus, indem er sie empfindlich züchtigte. Wie ein Lausfeuer war die Kunde davon durch das Städtchen gedrungen. Der Arbeiter und ihrer Frauen bemächtigte sich eine große Er regung, und alsbald zog eine vielhundertköpsiiige Menschenmenge vor das Schulhaus, ein Teil drang in das Zimmer des Rektors ein, um ihn zur Rede zu stellen. Einem scharfen Wortwechsel folgte schnell ein Handgemenge. Schon war der Rektor aufs äußerste bedroht, als die Polizei eintvas, die, mit dem blanken Säbel vorgehend, ihn in seine Wohnung begleitete. Namentlich die Mütter taten sich bei der Attacke hervor und schimpften und bespien den Schulleiter. Abends, als der Rektor die Fortbildungsschule verließ, entstand der gleiche Tumult. Der Rektor konnte abermals nur unter polizeilicher Bedeckung in seine Wohnung gelangen. Die Angelegenheit wird für verschiedene der Beteiligten noch ein ernstes gerichtliches Nachspiel haben.