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w 2 DA? : Unterhaltungs-Beilage Nr. 69 zuw Hohenstem-Emstthaler Tageblatt ErsÄzeint vaocherrtlich zroeirnal. Druck und Verlag von I, Ruhr Nachfolger Or. Alban Irisch, Hohenstein-Lrnstthal. Leden gestorben Roman von R. G. von Zuttner. Q 8 « 3 l20. Fortsetzung.) Hertha war bei Krügerns wegwerfenden Worten zu- fammengezuckt; jetzt, da er pausierte, fragte sie hastig: „Sind Sie ein so genauer Kenner des Frauenherzens, Herr von Krügern?" „Ich? Gott bewahre, daß ich mir etwas ähnliches anmaße! Ich glaube, kein Mann kann behaupten, die Frauennatur zu kennen und ganz zu verstehen. Wie alle Urteile Vergleiche bedingen, können wir auch hier nur vergleichen; wir können nur aus uns selbst heraus auf die Frau schließen und uns fragen: wie hätten wir an ihrer Stelle gehandelt?" „Und da wäre der Vergleich zu Ihren Gunsten aus gefallen? Ist es noch nie vorgekommen, daß ein Mann ein armes Mädchen um einer sogenannten glänzenden Partie willen sitzen ließ?" „O gewiß. Der eine oder die eine besitzt eine inter essierte Natur, während —" „Kann es nickt auck noch andere Beweggründe geben? Muß immer nur Eigenliebe dabei sein?" „Ach ja! Es kann zuweilen auch Fälle geben, wo jemand sich zum besten der Seinen opfert, sein Glück hin wirft um des Glückes oder des sehnlichen Wunsches anderer willen." „Oder es kann so unselbständige Naturen geben, daß sie förmlich unter dem Willen anderer stehen, und diesen die Gestaltung ihres Schicksals überlassen." Sie sprach das mit einem Ausdruck solch schmerzlicher Erbitterung, daß Krüngern erstaunt aufblickte. Er mochte erraten haben, daß dies ungefähr ihr Fall sei, denn er sagte nach kurzem Zögern: „Auch das mag so hie und da sein. Ich maße mir, wie gesagt, kein Urteil an." „Und was geschah weiter?" „Nun, es erging uns nicht besser, wie den armen Freiländern. Eine Zeitlang setzten wir unseren Marsch unbehindert fort, und ich war schon geneigt, über jene österreichische Expedition ein strenges Urteil zu fällen, die hier, wie es schien, mit der größten Leichtigkeit einen Musterstaat hätte gründen können. Da mit einem Schlage wurde es anders. Eines Tages kam der Matrose Victorin in eiligster Hast ins Lager gestürmt. Er versah bei uns das Amt des Jäger- und Küchenmeisters, und war am frühen Morgen ausmarschiert, um uns mit frischen Wild vorräten zu versehen. Was war nun geschehen? Er hatte einen kleinen See entdeckt, in dess en Röhricht es von Wild enten wimmelte, so daß reichlich für unsere Tafel gesorgt war. Die beiden Begleiter, die er mitgenommen, um gingen ein wenig das Ufer, um das Wild aufzuscheuchen, und ihm zuzutreiben. Plötzlich rief der eine verzweifelt um Hilfe. Victorin rannte so schnell er konnte nach der Richtung, allein er sah nur noch, wie der Mann unter den Streichen mehrerer Wilden zu Boden sank. Aller dings hatte ein Schub die Wirkung, daß die schwarzen Teufel die Flucht ergriffen, aber sein Begleiter, einer unserer bravsten Burschen, war tot. Jetzt gab er dem andern das Signal, um hastig den Rückzug anzutreten. Keine Antwort. Da er den Mann nicht im Stich lassen (Nachdruck verboten.) wollte, suchte er das Ufer ab, bis er endlich auf dessen gräßlich zugerichtete Leiche stieß. Am selben Tage hatte unser Lager den ersten Überfall zu bestehen. Es war ein heißer Kampf, denn der Feind hatte eine gute Deckung Hinterm Busch, während wir auf offenem Terrain ihren Wurfgeschoßen ausgesetzt waren. Plötzlich sühlte ich mich mit Riesenkraft gepackt und wie ein Sack zu Boden geschleudert. Pach hatte dieses Athletenstückchen ausgeführt, und ich sollte sofort sehen warum. Hinter mir befand sich ein dickstämmiger Gummi baum, und dort vibrierte der Schaft eines Wurfspießes, der mich unfehlbar durchbohrt hätte. Wir zogen uns mit einem sehr fühlbaren Verluste aus der Geschichte, und am nächsten Tage war Pach bei einem beschleunigten Flußüber gang wieder mein guter Genius; ohne ihn wäre ich sicher ertrunken. Von da an folgte eine ganze Kette von Leiden. Der größte Teil unserer Träger machte sich eines Abends, nachdem wir uns zur Ruhe gelegt, aus dem Staube und nahm unsere wichtigsten Lebensmittel, sowie die Arzneien mit. Es wäre nun Wahnsinn gewesen, die Expedition unter solchen Verhältnissen fortzusetzen; wir mußten alle Kraft aufwenden, um so schnell als möglich wieder zur Meeresküste zu gelangen. Den Weg zurück zu nehmen, den wir gekommen, war undenkbar, da die verschiedenen wilden Stämme nun alarmiert waren. So mußten wir uns denn entschließen, die östliche Richtung einzuschlagen, wenn auch zu erwarten stand, daß wir in fiebergefährliche Sumpfniederungen geraten würden. Das war auch der Fall; immer mehr und mehr kamen wir in ein unweg sames Gebiet, wo wir ununterbrochen von einem Rasen stückchen auf das andere Hüpfen mußten, um nicht im Morast zu versinken, und immer trieb uns die Hoffnung vorwärts, endlich doch wieder auf festes Terrain zu ge langen. Als es Abend wurde und sich noch keine Spur vom erwarteten festen Boden zeigte, mußten wir uns wohl oder übel entschließen, auf einer kleinen Sumpfinsel, die durch Gestrüpp gebildet worden war, die Nacht zu verbringen. Hier brach nun bei unserm armen Victorin das so gefürchtete Fieber aus. Kein Chinin, um ihm die Krise zu erleichtern, kein Tropfen trinkbaren Wassers, um seinen brennenden Durst zu stillen. Was sollten wir tun? Ihn hier seinem Schicksal überlassen? Nimmermehr! Wir beschlossen, bei ihm auszuharren, selbst wenn es uns das Leben kosten sollte. Ein endlos langer Tag folgte der Nacht, und dann wieder eine Nacht. Am folgenden Morgen waren wir drei allein auf der Insel: der Nest unserer Begleitung hatte in schleuniger Flucht sein Hei! gesucht. Victorin lag im heftigen Delirium, und unsere Pein war um so größer, da wir ihm nicht die geringste Erleichterung verschaffen konnten. Zudem begannen wir selbst unsäglich zu leiden, da sich allmählich ein schrecklicher Durst einstellte, während wir sonderbarerweise kein Ver langen nach fester Nahrung verspürten. Es mußte nun etwas geschehen, wollten wir nicht unfehlbar zugrunde gehen, und wir verabredeten ani Abend, aus dem Ge-