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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 20.08.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-191308204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19130820
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19130820
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-08
- Tag 1913-08-20
-
Monat
1913-08
-
Jahr
1913
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 20.08.1913
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len in Verbindung stehen und bereits alle Vor bereitungen für die geplante Tat getroffen haben. Der Bürgerkrieg im Ulster-Gebiet. In Londonderry wiederholten sich in der Nacht zum Montag die Kämpfe zwi schen Nationalisten und Unionisten, obwohl Militär und Polizei bereit standen; in einigen abgelegenen Straßen wurden die Läden ge plündert und ein Angriff auf zwei katholische Klöster ausgeführt. An verschiedenen Stellen kam es zwischen Polizei und Militär einer- und der Menge anderseits zu Zusammenstößen, wobei zahlreiche Personen verwundet wurden. Amerika und die Nichtbetettigung Deutschlands an der Weltausstellung in San Franzisko. Die amerikanische Presse bringt die Nach richt von der Nichtbeteiligung Deutschlands an der San Franziskoer Panamakanal-Ausstellung 1915 ohne Kommentar, da sie nach der Ableh nung Englands erwartet worden war. Es herrscht in Newyork die Ansicht vor, daß die Gründ e, die in Deutschland für die Nicht beteiligung geltend gemacht werden, st i ch h a l- t i g sind, da San Franzisko als Ausstellungs ort schlecht gewählt und auch der nationale Charakter von Anfang an allzu stark betont worden ist. Mexiko lenkt ein. Der mexikanische Minister des Auswärtigen hat in Washington mitgeteilt, daß seine Regie rung die ihr von dem Sondergesandten des Präsidenten Wilson John Lind gemachten Vorschläge eingehend prüfen und in einigen Tagen beantworten werde. U SEkl MMNU.Ü Sonntag abend 8 Uhr fand in der gewal tigen Festhalle in Metz die öffentliche Begrü- tzungsversammlung statt, die von mehreren Tau send Personen besucht war. Nach musikalischen Vorträgen nahm der Vorsitzende des Lokalko mitees Oberlehrer Professor Kintzinger das Wort zu seiner Begrüßungsansprache. Nach einem Hoch auf Papst Pius den Zehnten und Kaiser Wilhelm den Zweiten gab der Präsident des Katholikentages Fürst Löwenstein solgendes, aus Homburg v. d. H. datierte Antw orttele gram m des Kaisers bekannt, dessen Ver lesung die Versammlung stehend anhörte: „Ich ersuche Ew. Durchlaucht, der unter Ihren: Prä sidium tagenden Generalversammlung der Katho liken Deutschlands sür den Ausdruck treuer An hänglichkeit an Kaiser und Reich und die mir gewidmeten freundlichen Wünsche meinen Dank auszusprechen." Hierauf begrüßte der Bürger meister von Metz Dr. Foret den Katholiken tag. Namens der österreichischen Katholiken über brachte deren Grütze Reichsratsmitglied Frei herr v. Fuchs (Wien). Nach verschiedenen an deren Begrüssungsansprachen, zum Teil von Red nern aus dem Auslande, wurde die Versamm lung geschlossen. In der Arbeiterversammlung in der Fest halle dankte Graf zu D r o st e - V i s ch e r i n g der Arbeiterschaft, die von allen Seiten herbei geeilt sei, nm ihren Glauben öffentlich zu be kennen, und die damit dem Heiligen Vater und der ganzen katholischen Welt eine grohe Freude bereitet habe. Redner erinnerte an die kon- stantinische Jubelfeier. Durch Konstantin fei die Kirche von den Fesseln des Heidentums be freit worden. Man werde noch in den nächsten Tagen Gelegenheit haben, für die Freiheit der Kirche einzutreten. In erster Linie werde man heute die Schulfrage erörtern und dabei ver langen, daß die Schule konfessionell bleibe und der Einfluß der Kirche auf die Schule gesichert werde. Weiter erheben wir immer wieder die Forderung: Wir wollen unsere Jesu iten wieder haben! (demonstrativer, anhaltender Beifall) und die Ordensfrauen vom heiligen Herzen Jesu und die Lazaristen dazu. Daraus brachte Bischof Ben zier feinerseits seinen Dank sür die Huldigung zum Ausdruck. Die Versammlung antwortete mit einem Hoch auf den Kirchenfürsten. Inder Arbeiterversammlung in der Clemens- Kirche sprach Bischof Ko rum (Trier). Er führte u. a. aus, er kenne die Abneigung der katholischen Arbeiterschaft gegen revolutionäre Ideen, und ermahnte seine treuen Diözesanen, auf dem durch die Enzyklika des Papstes gewie senen Wege auszuharren. Wenn er gegen die falschen Lehren aufgetreten sei, sei das sein Recht als Seclenhirt gewesen. Gestern vormittag sand u. a. auch die zweite geschlossene Versammlung statt. Gras Droste-Mschering erstattete den Bericht des Ge neralkomitees. Die Zahl der ständigen Mitglie der der Katholikentage betrage jetzt 5900. Dann wurden zunächst dieienigen Anträge beraten, de ren Verweisung an die Ausschüsse fiir unnötig erachtet wurde. Zur römischen Frage wurde ohne Debatte unter brausenden Bravorufen eine Resolution gutgeheitzen, die den: Papste Treue und Gehorsam gelobt, die Bedrängnis der Kirche beklagr, gegen die sortdauernde Be einträchtigung der Freiheit des Papstes Ein spruch erhebt und den Peterspfennig empfiehlt; ebenso eine Resolution, die nachdrücklich die v o l l st ä n d i g e Aushebung desReichs- gefetzes gegen die Jesuiten und verwandte Orden verlangt. Kl« WIMM HW. Vor einen: Berliner Militärgericht wurde zum zweitenmal ein Prozeß verhandelt, in den: es zu interessanten Erörterungen iiber Abstam mung und Rasse kam. Auf der Anklagebank des Oberkriegsgerichts des Gardekorps saß der Ser geant Sobeja von der achten Kompagnie des 2. Garderegiments zu Fuß, ein Herer o- a b k ö m m l i n g. Er war wegen Mitzhand lung und vorschriftswidriger Behandlung ei nes Untergebenen angeklagt. Die Angelegenheit hatte schon einmal das Kriegsgericht beschäftigt und schon damals war die erstaunliche Tatsache zur Sprache gekommen, daß die deutsche Re gierung zwar in den Kolonien niemals einen Ne ger oder eine,: Negerabkömmling zum Vorgesetz ten eines Weißen designiert, daß dagegen in Deutschland selbst dieser Grundsatz nicht auf rechterhalten wird. Es wurde schon gelegentlich der Verhandlung vor dem Kriegsgericht darauf hingewiesen, daß in zwei deutschen Regimentern Neger als Musiker angeftellt und Vorgesetzte der Mannschaften seien. Die Angelegenheit des Ser geanten Sobeja, dessen Großvater ein Herero- neger war, ist um so peinlicher, als er sich schon öfter Mißhandlungen Untergebener zuschulden kommen ließ. In der gestrigen Verhandlung vor dem Oberkriegsgericht wurde ebenso wie vor dem Kriegsgericht zugunsten des Angeklagten als Entschuldigung geltend gemacht, daß er als Ne gerbastard, als Abkömmling der Hereros, von, leidenschaftlicherer Natur sei, als wir dies in Deutschland gewohnt seien. Dieser Entschuldigung der Vergeben des Ange klagten wurde schon seinerzeit von verschiedenen Seiten enrgegengehalten, daß deutsche Sol daten nicht dazu da seien, um den Leiden schaften und dem Jähzorn eines He- rerobastards ausgeliefert zu wer den, und daß die Zahl der Mißhandlungen durch Vorgesetzte in der deutschen Armee nicht noch durch die Ausschreitungen von Negerab kömmlingen vermehrt werden dürfe. In dem zur Verhandlung stehenden Fall handelte es sich um folgendes: Sobeja hatte einen Untergebe nen an der Brust gefaßt, ihn geschüttelt und ihn gegen ein Bett gestoßen. Außerdem versetzte er ihm einen Fußtritt gegen den Oberschenkel. Der Vertreter der Anklage beantragte vierzehn Tage Mitkelarrest. Das Oberkriegsgericht erkannte auf drei Tage Mittelarrest. Dies milde Urteil ist u n v e r st än d- l i ch. Ein Farbiger, der sich die grobe Miß handlung eines Deutschen, der seiner Militär pflicht genügt, zuschulden kommen läßt, wird mit drei Tagen Mtttelarrest bestraft. Solche gnädigen Strafen müßen in diesem afrikanischen Wicht ja geradezu die Lust erwecken, seiner „grö- ßeren Leidenschaftlichkeit" weiterhin Ausdruck zu geben und die Mißhandlung weißer Untergebe ner fortzusetzen. Hier muß man auf die Eng länder Hinweisen, bei denen ein solches Vor kommnis für den Schuldigen mit der unweiger lichen und sofortigen V e r st o ß u n g aus dem Heere und Lande gesühnt worden wäre. Leider hat man sich bei uns noch immer nicht zu der Erkenntnis durchgerungen, daß einen: Farbigen gegenüber radikaler versahrcn werden mutz, als gegen Angehörige des eigenen Landes, dessen Herren wir gottlob noch sind. Sie Sulm-MWe. Aus dem Uankeelande, wo so viel Hei teres und Ungewöhnliches geschieht, melden die Blätter etwas ganz besonders Heiteres und Un gewöhnliches. Schauplatz der Handlung ist die idyllische Stadt Alba n y in: Staate New york, Sitz der gesetzgebenden Körperschaft des Staates, die in: „Kapitol" tagt. In diesen: Kapitol thront zugleich der oberste Beamte des Staates, der G o u v e r n e u r , mit seinen nächsten Assistenten. Das sind zurzeit Wil liam Sulzer, Gouverneur, Martin H. Glynn, Vize-Gouverneur (in Amerika heißt er „Lieutenant-Governor") und des Gouverneurs Sekretär Chester C. Platt. Aber Mr. Sulzer versteht sein schönes Amt augenblicklich nicht mit der Freudigkeit, die er früher an den Tag legten Denn inan hat ihn ausgefordert, sein schönes Aml n i c d e r z u t e g e n, weil er der Unterschlag u n g von staatlichen Gel dern, des Meineids und noch verschiedener anderer, eines Gouverneurs etwas unwürdiger Dinge angeklagt ist. Mr. Sulzer hat jedoch keine besondere Eile, sein schönes Amt nieder zulegen und aus dem stolzen Kapitol zu schei den. Gouverneur des mächtigsten und bedeutend sten Staates der Union zu sein (sie nennen ihn den „Empire State", um seine ganz besondere Herrlichkeit vor Augen zu führen) — das will etwas sagen ! Vor allem für Mr. Sulzer, der von Hause ein ganz einfacher, von Bildung nicht übermäßig beschwerter Mann ist, ein Selbstgemachter nach den: Herzen des ameri kanischen Volkes, von den: das Volk erzähl: : „Da seht diesen Sulzer, wie der es aus nichts zu etwas gebracht hat. Ja — das ist eben nur in unseren: glorreichen Lande der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, möglich! Hurra für die Sterne und Streifen!" Und er fühlte die Wonne ganz, Liebling des Volks zu sein — schon damals, als er als Repräsentant des Volkes im Kongreß zu Washington saß, und dann erst reckst, als das Volk seinen Liebling mit dem höchsten Amte in: Staate Newyork betraute. Das war dock) mal wieder ein echter, unverfälschter Volks- manu, der da im Kapitol saß! Der Demokra- tismus sah ihm ja aus den Aevmellöchern her aus- Dem Laternenanstecker schüttelte er die Hand. Den Droschkenkutscher nannte er Billy oder Freddy oder so ähnlich. Ach, und erst seine Frau, die liebe Mrs>. Sulzer! Sie bedankte sich für die Titulierung Frau Gouverneur. Sie war Mrs. Sulzer — nichts weiter. Früher Kran kenschwester — denkt euch! Allem Mumpitz ab hold. Die mahlte auch in: Kapitol sicherlich morgens den Kafsee sür ihren Billy und zog eigenhändig die grünen Bohnen zum Abend essen ab. Wahrhaftig — die idealen Zeiten der Väter der Republik waren zurückgekehrt oder der ersten Präsidenten, wie des unvergleichlichen Jefferson, der fremde Gesandte in Hemds ärmeln empfing. Hoffentlich hatte Billy in Akiany bereits gleich altehrwürdige Sitten ein geführt, oder er hatte wenigstens die Füße auf seinen: Schreibtisch, wenn irgendein Fremder ihn besuchte. Und dieser schlichte Erzdemokrat und Volks mann batte einen glänzenden militärischen Stab in funkelnden Uniformen, mit einem General adjutanten an der Spitze, und dieser Stab um gab ihn bei allen amtlichen Funktionen (wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt). Eigentlich war dieser glitzernde blendende Stab ia etwas Undemokratisches — aber wunder hübsch sah doch der Billy mit dem Stab aus. Ein Skandal, daß der Billy ein so lumpiges Gehalt erhielt: schofle 10 000 Dollar das Jahr. So viel bekam ja auch der Staatsanwalt, und die anderen hohen Beamten der Staatsverwal tung bekamen nickst viel weniger — so 8000, 7000, 6000 Dollar. Aber wozu zahlt der gute Onkel Sam seinen Lieblingen im Amte die Lumpengehälter? Weil er ganz genau weiß, sie stecken sich nebenbei mit dem Dreifachen die Taschen voll (wenn sie smart sind) und mit den: Zehnfachen (wenn sie sehr smart sind). Nur muß der Liebling das verstehen — selbst verständlich! Billy Sulzer hat es nickst verstanden, denn er hat sich fassen lassen. Wer hätte das von Billy je gedacht! Und nun versteckt er sich noch gar hinter seine liebe Frau und läßt sie er klären, die langen Finger in der fatalen Ge schichte säßen an ihrer Hand. Pfui — wie unamerikanisch! Das tut kein richtiger Ameri kaner. Wer hätte das von Billy je gedacht! Und anstatt nun schleunigst sich unsichtbar zu machen, Gras über die üble Sache wachsen zu lassen (das in Amerika so wundervoll rasch wächst), klebt er in: Kapitol fest und regiert ruhig weiter, mit einer Leibgarde von hand festen Polizisten, während sein Vize, der Glynn, in einem anderen Zimmer sitzt und ebensalls regiert und den Billy als nickst vorhanden be trachtet. Wer Hätte das von dem Liebling des Volkes je gedacht. Sschlilchrs. Hohenstein-Ernstthal, 19. August 1918. Wettervoraussage der König!. Sächs. Lander- Wetterwarte zu Dresden. Kür Mittwoch: Westliche Winde, Abnahme der Bewölkung, Temperatur wenig geändert, keine erheblichen Niederschläge. AM IM Ami. Stoman von H. Courths-Mahler. 501 (Nachdruck verboten.) Norbert hatte Anni sofort entdeckt und be merkte ihre fluchtähnliche Gebärde. Das warnte ihn und machte ihn fähig, ihr ganz ruhig zu begegnen. Er durfte sie jetzt in keiner Weile mehr beirren, um sie nicht zu guälcn. Schnell war er an ihrer Seite. „Guten Morgen, Fräulein Sundheim! Auch schon aus einem Spaziergang begriffen?" fragte er scheinbar heiter und unbefangen. Sie atmete verstohlen auf und die Angst verlor sich aus ihrem Blick. „Ja, ich hatte Sehnsucht nach srischer Lust. Gesten: und vorgestern bin ich nicht ins Freie gekommen. Und da Tante Elisabeth noch schlief, habe ich mir eigenmächtig Urlaub genommen." „Und nun wollten Sie eben, wie ich be merkte, umkehrcn. Tas ist schön, so können wir den Rückweg gemeinsam antreten." Anni wäre zwar nun lieber noch weiter gegangen, um diesem gemeinsamen Rückweg zu entgehen, aber da er ihr Umwenden gesehen hatte, konnte sie nichts tun, als sich fügen." „Ja — ich muß nun wieder hinaufgehen", sagte sie halblaut. Er schritt elastisch neben ihr her. „Ein herrlicher Tag wird heute. Marianne mutz doch da oben gut angeschrieben fein, datz ihr die Sonne so hell in den Brautkranz lacht", begann er ein leises Gespräch. Anni strich sich einige widerspenstige Löck chen aus der Stirn. „Baronetz Marianne war gesten: sehr, sehr liebenswürdig zu nur." „Ja, sie hat sich sehr zu ihrem Vorteil ver ändert, das habe ich ihr gestern abend auch ge sagt. Es srcut mich, das; sie es auch Ihnen gegenüber getan hat. Sie war zuweilen recht unartig zu Ihnen." Anni lächelte. „Ach, das war wohl nicht so schlimm ge meint. Wenn man vom Glück verwöhnt ist, achtet man nicht so sehr auf sich selbst. Das weiß ich von mir. Als ich noch im Hause mei ¬ nes Adoptivvaters in Glück und Glanz lebte, dachte ich auch recht wenig über mich nach. Das habe ich erst gelernt, als schlimme Zeiten ka men." „Trotzdem bin ich fest überzeugt, datz Sie niemals unleidlich und unliebenswürdig waren, wie es Marianne oft war." Sie errötete. „Ich weitz es nicht." „Aber ich! Ich kann nur gar nicht vorstel len, daß Sie jemals anders waren als jetzt. Alles an Ihnen ist so klar, so bestimmt und ausgeglichen." Nun wurde sie wieder unruhig. „Ach — wir wollen nicht mehr von nur sprechen, ich bin ein sehr uninteressantes Ge sprächsthema", sagte sie mit einem Versuch, zu scherzen. E r empfand ihre heimliche Unruhe und lenkte ab. " „Werden Sie mit Tante Elisabeth schon mor gen mit nach Satzneck zurückkehren? Ich habe mit Tante noch nicht darüber gesprochen." „Soviel ich weiß, will doch Tante Elisa beth erst übermorgen abreisen." „Dann werde ich auch so lange bleiben. Ich möchte nicht allein zurückkehren." „Tante Elisabeth sollte auf Wunsch des Ba rons noch länger hier bleiben. Aber da Weih nachten vor der Türe steht, glaubte sie in Satz neck nötig zu sein." „Jawohl — sehr nötig. Ich kann sie nicht entbehren und —" Er wollte hinzufügen: „Und Sie auch nicht", aber er hielt diese Worte zurück und fragte lä chelnd: „Haben Sie sich gesten: gut unterhalten?" „Ich danke, sehr gut." „Und wie gefällt Ihnen Eckartsberge?" „Es ist ein wunderschöner, alter Herrensitz. So trutzig steht es auf dem Felsen, wie — ja — wie eine Raubritterburg aus vergangenen Zetten." Er lächelte. „Wer weiß, ob die ehemaligen Besitzer nicht echte Raubritter waren." „Da dies der Vergangenheit angehört, ist nur die Romantik übrig geblieben. Ist es nicht ein seltsamer Gedanke, daß dieser Weg schon vor Jahrhunderten denkende und fühlende Men- schen bergauf, bergab geführt Hal? Mancher hat wohl sein Leid und seine Freude darüber ge tragen." „Ja, vielleicht ist Liebe und Leid oft hier nebeneinander geschritten. Und wenn man denlt^ wie die Menschen damals nach ganz anderen Satzungen lebten, die ihnen ihr Tun vorschrie ben, so fragt man sich, ob es sich lohnt, sol chen vergänglichen Satzungen Macht über sich einzuräumen. Ist es nicht töricht, wenn man sich menschlichen Satzungen beugt? Müßte man nicht viel besser nur seine Gefühle, die Gott doch selbst in unsere Herzen legte, zum Richter über sich selbst einsetzen?" Anni sah mit ernsten Augen zu ihn: aus. „Unsere Gefühle würden uns oft irrefüh ren. Jeder würde die Welt nur aus seinem Gesichtswinkel betrachten. Und wir würden die Sklaven jeder Regung werden und die Zügel über uns verlieren. Das wäre noch viel schlim mer. „Müssen", ist oft hart — aber „alles dür fen" wäre unser Verderben." Er blickte sie sinnend an. Dann richtete er sich straff empor. „Im allgemeinen mögen Sie recht haben. Aber cs gibt Ausnahmen. Doch wollen wir uns nicht weiter in solche philosophische Betrach tungen verlieren. Dazu ist der Morgen zu schön. Sehen Sie — da geht die Sonne in strahlender Majestät hinter den Bergen aus! Und mir scheint, dies herrliche Schauspiel hat noch mehr Leuts aus den Federn getrieben. Da bekommen wir Gesellschaft." Einige Herren und Damen waren aus dem Sch-lotzportal gchrg-en und kamen ihnen^ entge gen. Sie wollten auch einen kurzen Spazier gang machen und forderten Norbert und Anni auf, noch einmal mit umzukehren. Anni bedauerte, da sie von Frau von Saß- neck erwartet würde. Norbert wurde aber ins Schleptatt genommen. Einige junge Damen, darunter die Komtesse Hohenegg, umringten ihn und er mußte umkehren. Er verabschiedete sich also von Anni. Diese schritt nun vollends den Berg hinan. Am Por tal angelangt, blickte sie noch einmal zurück. Und da sah sie, daß die ganze Gesellschaft eine über mütige Schneeballschlacht eröffnet hatte. Fri sches, jubelndes Lachen scholl zu ihr empor. Sie sah Norberts hohe Gestalt zwischen den jungen Damen, die ihn arg bedrängten. Er wich ihnen geschickt aus und lachte gutmütig, wenn die weißen Geschosse an ihn: vorübcrstreiften. „Tort ist er in seinem Kreise — und ich stehe abseits auf seinen: Wege", dachte sie weh mütig. Seufzend ging sie ins Schloß. In der großen Eingangshalle, deren Decke stark gewölbt und reich mit vergoldetem Stuck und Malerei geschmückt war, begegnete ihr Ba ron Hochberg. Er begrüßte sie, wie immer, mit strahlenden Augen und gütigen Worten. Sie erzählte ihm, datz sie bis ans Dorf hin unter gegangen war und daß die Sonne wun dervoll hinter Eckartsberge aufgegangen sei. Während sie ihm das berichtete, kam Frau von Satzneck die Treppe herab. „Da ist ja die kleine Ausreißerin", sagte sie lächelnd. „Sie sind böse, Tante Elisabeth, daß ifch ausgegangen bin?" Frau von Satzneck machte ein gar strenges Gesicht. „Furchtbar böse. Wie konnten Sie nur wa gen, ohne meine ganz spezielle Erlaubnis frische Luft zu schöpfen?" Anni lachte. „Ach, wenn Sie schelten wollen, Tante Eli sabeth, dann dürfen Sie nicht so liebe Augen machen." „So, so — also Sie glauben meinem Zorn nicht recht?" „Nein — gar nicht." Die alte Dame lachte nun leise und strei chelte Annis frische Wangen. „Da soll einer schelten, wenn er so blühende Wangen und so klare Augen sieht. Nun aber schnell hinauf und ein festliches Gewand ange legt. Nachher habe ich noch allerlei kleine Auf träge sür Sie, liebes Kind." (Fortsetzung folgt.)
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