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03-Drittes-Blatt Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 17.08.1913
- Titel
- 03-Drittes-Blatt
- Erscheinungsdatum
- 1913-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-19130817030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-1913081703
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-1913081703
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-08
- Tag 1913-08-17
-
Monat
1913-08
-
Jahr
1913
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schlechten Organisation das Unglück, des öfte ren in Gebiete zu kommen, die schon einer sei ner Kollegen abgegrast hatte. Dessen Kunden hatten nun inzwischen gemerkt, daß sie übers Ohr gehauen worden, und vergalten es ihm mit Prügeln oder mindestens dem obliga ten „Hinauswurf". So rasch sei das oft ge gangen, das; er nicht einmal seine Sachen habe wieder zusammenpacken können. Einmal habe ein von einem anderen Reisenden derselben Fir ma betrogener Bauer sogar aus ihn geschossen. Wie sehr das Gericht die Geschäftsprinzipien dieser Firma (die gegen 30 Reisende in allen Gegenden Deutschlands unterhält) , mißbilligte, zeigte sich daraus, daß der Angeklagte von der Anklage wegen Untreue sreigefprochen wursde, obwohl er für gegen 200 Mk. Waren versetzt und das Geld für sich verbraucht hatte. Das Gericht billigte ihm zu, daß er in einer Not lage gewesen sei; er habe unter solchen Umstän den in der Tat nicht aus ehrliche Weise seinen Unterhalt verdienen können! — Das Verschneiden der Gläser mit Ueberlaufbier ist eine Nah rungsmittelfälschung. So hat die Ferienstrafkammer B des Landgerichts Leipzig in einem für die Gastwirte interessanten Falle entschieden. Angeklagt wegen Vergehens gegen die Bestimmungen des Gesetzes über den öffent lichen Verkehr mit Nahrungsmitteln war ein Kellner G., der zur Zeit der letzten Aprilmesse aushilfsweise in einem Leipziger Restaurant beschäftigt war. In der Nacht auf den 5. April machte ein Beamter der Wohlfahrtspolizei, der dienstlich in dem Lokale anwesend war, die Be obachtung, daß der Kellner, der das Bier selbst einlietz, wenn der Wirt anderweitig zu tun hatte, in ein leeres Glas einen Teil des Ueber- lausbieres aus dem Ausfangglase hineingotz, dann das Glas unter den Hahn hielt, voll lau sen ließ und das so verschnittene Bier einem Gaste vorfetzte. Der Beamte erstattete Anzeige und die Folge war die Anklage wegen Nah- rungsmittelfälschung. Der angeklagte Kellner bestritt, Ueberlaufbier verbraucht zu haben, er habe von einer solchen Handlungsweise ja auch nicht den kleinsten Vorteil gehabt; allerdings habe er solche Gläser, die gleich nach dem An stecken eines frischen Fasses durch den starken Druck zu viel Schaum bekommen hätten, stehen lassen, bis der Schaum sich gesetzt hatte, dann habe er sie gefüllt und den Gästen gebracht. Der Sachverständige Professor Dr. Hertel, Direktor der chemischen Untevsuchungsanstalt für Nah rungsmittel der Universität Leipzig, erklärte, daß das Ueberlaufbier unbedingt als ein minderwertiges Bier angesehen werden müsse; es habe fast alle Kohlensäure verloren, also einen für Bier wichtigen Bestand teil, und dann sei es auch verunreinigt, indem es iiber den Rand des Glases und außen an dem Glase heruntergeflossen sei. Besonders an Gläsern, die nicht vor jedem Füllen durch Was ser gezogen werden, wie zum Beispiel an den sogenannten Stammgläsern, befinden sich stets Unsauberkeiten, herrührend von den Lippen und Händen der Trinkenden, die in das frische Bier der verschnittenen Gläser mit Hineinkommen. Aber nicht nur das Verschneiden mit dem Uebe» laufbiere verstößt gegen die Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes, sondern auch das Ver brauchen des aus dem Schau nie der ersten Glä ser sich setzenden Bieres, denn auch dieses Bier hat seine Kohlensäure verloren. Auf Grund der Beweisaufnahme erfolgte die Verurteilung des Angeklagten, doch ließ das Gedicht in Be rücksichtigung der ganzen Sachlage Milde wal ten und erkannte auf eine Geldstrafe von fünf Mark oder einen Tag Gefängnis. — Die Zählung der Schweine bestände, die am 2. Juni 1913 erfolgte, hatte nachstehendes Ergebnis: In der Kreis hauptmannschaft Bautzen wurden zusammen 88 974 Schweine, in der Kreishauptmannschaft Chemnitz 58 804, in der Kreishauptmann schaft Dresden 217 621, in der Kreishaupt mannschaft Leipzig 246 151 und in der Krris- hauptmannschaft Zwickau 50 608 Tiere gezählt. Für das ganze Königreich stellte sich die Zahl auf 662 158, gegen 657 026 bei der Zählung am 2. Dezember 1912. Erfreulich ist die Tat sache, daß der Schweinebestand im Königreiche Sachsen sich wieder zu heben beginnt, besonders erfreulich ist die Zunahme der Jung tiere, die erwarten läßt, daß in kurzer Zeit eine größere Zahl schlachtreifer Tiere zur Verfügung stehen wird. — OclSnih (Erzg.), 15. Aug. Wie ver lautet, werden ca. 1200 Knappen aus dem hie sigen Bergrevier am 1. September vor dem König in ihrer kleidsamen Tracht paradieren. Der Huldigungsakt findet bekanntlich am „Rats keller zu Oelsnitz i. E. statt. — Obcrsrohna, 15. August. Aus Anlaß des Königsbesuchs am 2. September hat der Gemeinderal beschlossen, eine Pistung von 5000 Mark zu begründen. Die Stiftung soll den Namen König Friedrich August-Stiftung führen und es sollen die Zinsen in erster Linie zur Bekämpfung der Schwindsucht dienen. Für die Ausschmückung des Ortes wurde weiter ein Berechnungsgeld bewilligt. — Glauchau, 15. August. Als ein Eier händler ein Schock seiner Ware in der Lung witzstraße in einen Verkaufsladen bringen wollte, karambolierte er mit einem Radfahrer, so daß der Korb zur Erde fiel und die Eier auf das Trottoir kollerten. Die gelbe Masse lief in das Schnittgerinne und vereinigte sich dort mit dem Straßenschmutz, so daß nur wenig zu retten Ivar. Der Radfahrer fuhr unerkannt davon und der Geschädigte brauchte für den Spott nicht zu sorgen. — Mühlgrün bei Auerbach, 15. August. Beim Spielen mit einem geladenen Jagdge wehr hat hier, der 13jährige Schüler Albin Klipp hahn seinen 10jährigen Bruder erschossen. — Plauen i. V., 15. Aug. Anläßlich seines 25jährigen Geschäftsjubiläums hat der Fabrikbesitzer Karl Hermann Waldenfels, In haber der hiesigen Stickgarnzwirnerei und Garn- Handlung C. A. Walsenfels, seinen Angestellten 25 000 Matt gestiftet, deren Zinsen, wenn sie nicht für außerordentliche Unterstützungen be nötigt werden, zu Ferienbeihilfen verwendet wer den sollen. Erst vor kurzem hat der Jubilar 50 000 Mark der Arbeiterschaft seiner beiden in Sobauenstein (Oberfranken) und Lemnitzer Ham mer (Reuß) gelegenen Baumwollzwirnereien ge stiftet. — In der Knorrschen Erbschaftsange legenheit, die weit über die Grenzen des Deut schen Reiches hinaus Aufsehen erregt hat, wer den zurzeit von einem beauftragten Beamten die Wette der Knorrschen Grundstücke festgestellt. Eine Erklärung des Kaisers, ob er die Erb schaft antritt, liegt, soviel dem „Vogtl. Anz." bekannt ist, noch nicht vor. Wie nicht anders zu erwarten war, versuchen ganz unbeteiligte Personen durch Einreichung von Gesuchen, die teils nach Berlin, teils an die Witwe gerichtet werden, etwas von der Erbschaft zu erlangen. Der eine hat durch jahrelanges Prozessieren viel Geld verloren, der andere braucht notwendig einige Tausend Mark ustv. Alle solche Ein gaben haben aber, wie bestimmt zu erwarten, gar keine Aussicht auf Erfüllung. Schade also um. die Arbeit und das verwendete Porto! — In das hiesige Krankenhaus wurde vor einiger Zeit das 16 Jahre alte Dienstmädchen Puchta aus Oelsnitz i. V. eingeliefert. Das Mädchdn war bereits vorher in dem Oelsuitzer Kranken haus untergebracht, wurde aber infolge seines schweren Krankheitsfalles (epidemische Genick starre) nach hier überwiesen, wo es heute ver starb. — Chemnitz, 15. August. Die Strumpf fabrik Hermann Schiel in Chemnitz hat ihre Zahlungen eingestellt und strebt einen außerge richtlichen Vergleich an. — Naunhof, 15. August. Einer amt lichen Bekanntmachung zufolge ist das Leitungs wasser durch Eisen und Blei verunreinigt. Wäh rend Krankheitsfälle bei Kindern bisher weniger beobachtet sind, leider eine größere Zahl Er wachsener seit Wochen und Monaten an mehr oder weniger heftigen Bleikoliken, manche Kranke hüten schon seit Wochen das Bett. Die Ursache der Verunreinigung wird darin gesucht, daß das an und für sich gute Leitungswasser innerhalb der Hausanschlüsse durch Stagnieren und Er wärmen Blei in sich aufnimmt. Es scheint daher notwendig zu sein, daß nicht nur eine bessere Durchspülung und Reinigung der Lei tungen, sondern eine Untersuchung der Blei rohre selbst stattfindet. Auffallend ist die Tat sache, daß seit etwa vier Wochen die Pferde der Handelsleute usw. das abgestandene Wasser instinktiv verweigern. — Grostcnhain, 15. August. Vor eini gen Tagen wurde die Gutsbesitzersehesrau Pröschkc in Kroppen bei Ortrand beim Vieh füttern von einer Kuh mit den Hörnern am Unterleibe so schwer verletzt, daß sie in das Krankenhaus zu Lauchhammer eingeliefert wer den mußte, wo die Bedauernswerte ihren Ver letzungen erlegen ist. Leipzig, 15. August. Das Luftschiff „Sachsen" ist nach einer Rundfahrt über der Stadt uni 11)^ Uhr vor der Halle gelandet. Die „Sachsen" war am frühen Morgen iw Ham- bürg ausgestiegen. — Heute abend gegen 7 Uhr unternahm auf dem Lindenthaler Flugplatz der Flieger Rümpler einen Uebungsslug. Als Passa gier begleitete ihn der 35jährige Diplom-Inge nieur Rütgers aus Aachen. Bei der Landung erfaßte ein heftiger Windstoß das Flugzeug und warf es aus einer Höhe von 10 Metern herab. Der Aufprall war so heftig, daß die Flutz- maschine zertrümmert wurde. Während der Flieger Rümpler mit einigen Hautabschürfun gen und Verstauchungen davon kam, wurde der Ingenieur so schwer verletzt, daß er kurz da nach starb. — Dresden, 15. August. „Die Schul bänke sind noch nicht trocken!" hieß es gestern früh in einer hiesigen Volksschule zur nicht ge ringen Freude der Schüler. „Kommt am Mon tag wieder!" Das ließen sich die Jungens nicht zweimal sagen, und stolz darauf, nunmehr mit den „höheren" Schülern auf gleiche Stufe gestellt worden zu sein, zogen sie wieder ab, um noch drei Ferientage in goldener Freiheit zu ge nießen. — Dresden, 15. Aug. Prinz Rupprecht von Bayern traf heute nachmittag von Jüter bog kommend hier ein und wird morgen vom König in Schloß Moritzburg empfangen. Dev Prinz gedenkt am Montag die auf dem Trup penübungsplatz Königsbrück weilenden beiden preußischen Infanterie-Regimenter in seiner Eigenschaft als Inspekteur der 4. Armeeinspek tion zu besichtigen. — Bautzen, 15. .August. Die Rotlauf seuche, die bereits unter den Pferden der 2. und 5. Batterie des hiesigen Artillerie-Regi ments Nr. 28 herrscht, ist nun auch unter den Pferden der 3. und 4. Batterie des Regiments ausgebrochen. Infolgedessen ist die Beteiligung dieses Regiments an den diesjährigen Manövern ernstlich in Frage gestellt. — Zittau, 15. August. Von einem Duell, das bei Kleinschönau stattgefunden haben soll weiß die „Reichend. Ztg." folgendes zu melden: In Kleinschönau fand ein Pistolenduell zwi schen dem Gutsbesitzer Schare, der unweit Dres den große Besitzungen hat, und einem Prager Reserveleutnant statt. Bei dem zweiten Kugel- Wechsel wurde der Gutsbesitzer am rechten Arm schwer verletzt. Anlaß zu dem Zweikampfe gaben die Beziehungen, welche der Reserveoffi zier zur Gattin Schares unterhalten haben soll, die bereits vor zwei Jahren zu einem Duell führten. — Weißenberg (Lausitz), 15. August. Hier war das Wohnhaus nebst angrenzender Werkstätte des Büchsenmachermeisters Regmann infolge Essendefektes vollständig niedergebrannt. Während des Brandes war Regmann in seinem zweiten Geschäft in Beuthen (Oberschlesien). Als R. hierher zurückkehtte, brach er beim Anblick seines in Asche liegenden Besitztums bewußtlos zusammen und ist noch am gleichen Abend einem Schlaganfall erlegen. we kleine Will. Roman von H. Courths-Mahler. 48j ^Nachdruck verboten.> Sie zitterte in seinen Armen und verlor die Kraft, weiter zu tanzen. „Nicht weiter — ich bitte — und kein Wort mehr", flehte sie, außer sich vor Angst und Un ruhe." Da zog er ihren Arm durch den seinen und führte sie in ein stilles Nebenzimmer. Sie folgte ihm willenlos, wie gebannt an feiner Seite. Als sie allein waren, blieb er vor ihr ste hen. „Nur noch einige Worte gestatten Sie mir — ich flehe Sie an. Ich muß eine Frage an Sie richten, wenn ich ruhig bleiben soll." Sie war in einen Sessel gesunken und krampfte die Hände zusammen. „Fragen Sie", stammelte sie ergeben. Er holte tief Atem. „Werden Sie Baron Hochbergs Ha!nd an nehmen, wenn er sic Ihnen bietet?" stieß er her vor, kaum fähig, sich zu meistern. Sie hob ihr bleiches Gesicht und sah ihn an mit einem wehen Bltck. „Sie befinden sich in einem Irrtum, Herr von Saßneck, wenn Sie annehmen, daß Baron Hochberg jemals etwas derartiges tun würde. Er beehn mich mit einer rein väterlichen Zu neigung, weil ich jemand ähnlich sehe, der ihm sehr lieb und teuer war. Ich bin ihm sehr dankbar und verehre ihn als einen edlen, gü tigen Mann. Etwas anderes wird nie — nie mals zwischen uns sein — niemals." Er atmete auf, wie von einer drückenden Last befreit. „Und Sie kehren nach Saßneck zurück, ja? Es ist eine Unruhe in mir, als kämen Sie nicht mehr zurück in mein Haus. Tagen Sie mir, daß Sie es tun, geben Sie mir Ihr Wort", flehte er und sah sie mit heißen Augen an. Die Musik klang schmeichelnd zu ihnen her über. Anni war zumute, als tanzten die Lich ter um sie her im tollen Wirbel. Ihre Augen feuchteten sich in hilfloser Verwirrung. „Wo soll ich hingehen — wenn nicht nach Saßneck? Ich habe keine andere Heimat. Und ich bin so gerne dort. Ich bitte Sie flehentlich, Herr von Saßneck, versperren Sie mir nicht selbst den Weg dahin", sagte sie zitternd und außer sich vor Unruhe. Da trat er einen Schritt von ihr zurück. „Nein — o nein — das will ich nicht tun. Verzeihen Sie meine Erregung, suchen Sie zu vergessen. Aber — ich hätte ja diese Lage hier nicht ertragen können mit der Angst, daß — daß — ach Anni — Sie können ja nicht wissen, wie es in mir aussieht." Anni erhob sich und richtete sich gewaltsam auf. Ihr Gesicht war sehr bleich und zuckle er regt. „Ich bitte — lassen Sie auch in den Saal- zurückkehren — ich möchte Tante Elisabeth auf- suck;en, und ich bitte Sie, zu bedenken, daß ich nichts hören darf und will, als was Sie mir in Tante Elisabeths Gegenwart sagen können." Er verneigte sich stumm und bot ihr seinen Arm. Instinktiv suchte Anni Schutz vor sich selbst und vor Norbert bei Tante Elisabeth. Sie fühlte, daß er über die Maßen erregt und un ruhig war. Frau von Saßneck war von allen Seiten in Anspruch genommen. Aber es siel ihr doch auf, daß Anni sehr bleich aussah. „Kindchen, was ist Ihnen? Sind Sie nicht wohl?" fragte sie besorgt. „Nur ein wenig Kopfweh, Tante Elisabeth." „Ja, ja, es war in diesen Tagen zu viel Trubel — mir geht es ebenso. Aber das geht vorüber, in Saßneck schlafen wir uns dann erst einmal gründhich aus. Und Sie sind noch so jung und sollen Freude haben an dergleichen Vergnügen." „Es ist ja auch wunderschön hier — und das Kopfweh geht schon wieder vorüber", er widerte Anni lächelnd. Frau von Saßneck nickte. „Ich war sehr stolz auf mein Pflegeröchter- chen", sagte sie lächelnd. „Entzückend haben Sie als Thekla ausgesehen. Kind, was sind mir für Komplimente über Ihre Schönheit und An mut gemacht worden. Es ist gut, daß Sie das nicht alles gehört haben, sonst werden Sie mir eitel." „O nein, Tante Elisabeth. Was kann ich für mein Aussehen?" „Diesen Standpunkt lobe ich mir. Aber ich muß selbst sagen — bisher habe ich noch gar nicht gewußt, wie schön Sie eigentlich sind. In ihrem schwarzen Kleidchen kam das gar nicht so zur Geltung. Nun — werden Sie immerhin ein wenig rot — Sie sahen mir ohnedies zu blaß aus." So plauderte Frau von Saßneck und lachte iiber Annis Verlegenheit. Anni küßte ihr die Hand und dabei dachte sie: „Was würde diese gütige Frau sagen, wenn sie wüßte, was Norbett Saßneck zu mir ge sprochen hat? Was würde sie tun, wenn sie wüßte, wie er sich in Unruhe verzehrt und wie ich ihm im Herzen gegenüberstehe?" Und während Frau von Saßneck schon wie der mit einer weißhaarigen alten Dame, einer Exzellenz, plauderte, beantwortete sie sich diese Fragen selbst mit einem tiefen Seufzer. „Sie müßte mich sofort aus Saßneck Hin ¬ ausweisen — auch wenn es ihr selbst hart an käme. Sie dürfte nicht anders handeln." Ein wenig unsicher und bedrückt stand sie hinter Frau von Saßneck. Am liebsten hätte sie sich in die Einsamkeit ihres Zimmer geflüch- ret. Was sollte sie hier unter all den fröhlichen Menschen? Ob sie Tante Elisabeth um Erlaub ins bat, sich zurückziehen zu dürfen? Aber diese würde erschrecken und an ein ernstes Unwohlsein bei ihr glauben. Leise seuf zend wollte sie sich in eine der tiefen Fenster nischen zurückziehen, aber da kam Kurt von Ber gen auf sie zu und bat um einen Tanz. Und er sagte ihr so viel Schmeichelhaftes in seinem ehrlichen Enthusiasmus, daß sie ganz verwirrt wurde. Ohne es zu wollen, flog sie nun aus einem Arm in den andern. Sie kam gar nicht mehr zur Besinnung. Das schöne Mädchen mit seinen graziösen Bewegungen war als Tänzerin sehr begehrt. Auch Norbert ranzte wähl- und guallos alle Damen durch, um nicht aufzufallen — aber seine Blicke suchten immer die eine, einzige, nach der sein Herz in heißem Verlangen schlug. So lange hatte er sich selbst gebändigt, um sie nicht zu erschrecken. Jetzt, da er sich selbst eine Mög lichkeit zu schaffen gedachte, sich mit ihr zu ver einen, jetzt wollten seine heißen Gefühle den Damm durchbrechen, den er sich selbst aus Ver nunftsgründen gebaut hatte. Auch Mattanne bolte er zu einem Walzer. Das Brautpaar be teiligte sich fleißig am Tanze. Marianne sah Norbert mitleidig spöttisch an. „Was sagst Du zu dem Erfolg, den Fräu lein Sundheim als Thekla hatte? Alle Welt ist entzückt von ihr und Papa zerfließt in Rührung, wenn er sie nur ansieht", sagte sie zu ihm. Aber die Eifersucht auf den Baron war aus Norberts Herzen geschwunden. Annis entschie denes „Niemals" hatte ihn über diesen Punkt beruhigt. An ihr Wort hielt er sich, wie an ein Evangelium. So vermochte er Marianne ruhig zu ant worten: „Dein Pater empfindet, was jeder empfin den muß, der Fräulein Sundheim begegnet — daß sie ein selten wertvoller und liebenswerter! Mensch ist, dessen äußere Schönheit nur noch durch ihre edlen Eigenschaften übertroffen wer den kann." Marianne konnte es, wie die meisten Frau en, schlecht vertragen, wenn man ihr die Schön heit und Portrefflichkeit einer anderen pries. Sie machte ein mokantes Gesicht. „Mein Gott — Du wirst doch nicht näch stens lyrische Gedichte machen auf Fräulein Sundheims innere und äußere Schönheit?" Er zog die Stirn zusammen. „Dazu habe ich leider kein Talent", sagte er kurz. Sie sah ihn von der Seite an. „Eigentlich ist es sehr erbaulich für mich, daß man mir von allen Seiten und in den höchsten Tönen dieses Fräulein Sundheim preist." Er mutzte lachen. „Das ist Dir unangenehm. Aber Du kannst Dich beruhigen, Du siehst heute ganz entzückend aus und ich höre von allen Seiten, datz man Fred Bergen glühend beneidet." „Ach, jetzt willst Du mich auf den Sand setzen mit einem banalen Kompliment." „Nein, ich will, genau wie in bezug auf Fräulein Sundheim, nur Tatsachen konstatieren. Und es freut mich aufrichtig, Dir sagen zu können, das; ich Dich seit Deiner Verl-obung sehr vorteilhaft verändert finde — autzen und innen." Sie blickte ihn unsicher an. Das gab ih rem sonst so hochmütigen Gesicht einen weiche ren Ausdruck. „Ist das Dein Ernst?" fragte sie. „Ja, Marianne — ganz ehrlich — ich finde Dich ganz reizend." Sie schmollte ein wenig. „So ein Kompliment hast Du mir früher nie gemacht." „Zu unserem beiderseitigen Heil, Marianne. Ich wollte Deine Laune, Herrin von Saßneck zu werden, nicht unterstützen, deshalb stellte ich mich Dir schrofser gegenüber als mir ums Herz war. Und nun sag selbst, Marianne, bist Du nun nicht viel glücklicher mit Deinem prächti gen Fred, der Dich auf Händen tragen wird, als Du es je hättest mit mir werden kön nen?" Sie sah ihn eine Weile schweigend an. „Nun, hab ich nicht recht, Baroneß Ka price?" fragte er lächelnd. Da mußte sie lachen. „Baroneß Kaprice? Das klingt niedlich — schade, daß mir dieser Titel nur noch bis morgen gehören wird." „So nenne Dich von morgen ab Frau Ka price, wenn auch die Baroneß vergeht — die Kapricen werden bleiben." „Aber nur im bescheidenen Maßstabe, so daß ich Fred nicht langweilig werde, denn Du weißt, er liebt sogar meine Kapricen." „Da sie zu Dir gehören, wie der April zu den iibrigen Monaten, ist das verständlich. Und wir beide wollen nun Frieden schließen — für immer, ja?" (Fortsetzung folgt.)
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