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AM tM Ami. Koman von H. Courths-Mahler. 5l§ liltachdruck verboten.) Anni verneigte sich vor ihr und dem Ba ron und eilte dann die Treppe hinauf. Lächelnd sahen Frau von Saßneck und Ba ron Hochberg Anni nach. Dann wandle sich der Baron an seine Cousine. „Du wirst iroh sein, Elisa, wenn diese Festtage hinter Dir liegen. Ich habe Dir sehr viel Mühe aufladen müssen." Sie schüttelte den Kopf. „Darüber mache Dir keine Sorge. Es ist ganz gut, wenn man wieder einmal alle Kräfte anspannen mutz. Man weitz doch dann, wie weit inan noch leistungsfähig ist. Im übrigen habe ich Dir gern einen Gefallen getan. Und es freut mich, wenn das Fest weiter so gut ver läuft. Du wirst nach allem Trubel die Einsam keit doppelt empfinden, wenn alle Gäfte abgereist sind und auch Marianne nicht mehr bei Dir ist. Am schlimmsten wird Dir das Weihnachtsfest erscheinen." Der Baron strich sich über die Stirn. „Vielleicht hast Du recht, Elisa. Obgleich ich die Einsamkeit liebe, Weihnachten wird mir Marianne doch fehlen. Ich habe mir auch schon überlegr, ob ich Dich nicht bitten soll, mich zum Weihnachtsfest nach Satzneck einzuladen. Ich hätte grotze Lust, diese Einladung anzunehmen." Frau von Satzneck fatzte schnell seine Hand. „Es gilt! Ich lade Dich hiermit feierlichst ein. Wirst Du hier abkommen können?" „Gewitz, die Bescherung der Leute ist schon in den letzten Jahren durch den Inspektor und die Haushälterin geleitet worden, da wir die letzten Winter nicht daheim waren aus Eckarts berge. Es wird mich hier niemand vermissen. Ich hätte doch nur einsam auf meinem Zimmer gesessen. Und da sehe ich nicht ein, warum ich es mir in Satzneck nicht wohl sein lassen soll. Ich denke mir den Weihnachtsabend in Deinem gemütlichen Salon recht behaglich. Unter dem Tannenbaum wird uns Anni Sundheim ihre schönen Lieder zur Laute singen — Du glaubst nicht, wie ich mich danach sehne, sie wieder sin gen zu hören. Mir ist, als könnte mir dies liebe, schöne Geschöpf mit ihren Liedern das Herz wieder ganz gesund machen." Frau von Satzneck drückte ihm die Hand. „Also abgemacht, wir erwarten Dich in Satzneck." Sie trennten sich mit frohem Lächeln. Das Festprogramm entwickelte sich nun in vorgesehner Weise. Es kam niemand mehr so recht zur Ruhe bis zu der großen Festtafel. Dann folgte der Aufbruch des neuvermähl ten jungen Paares. Mariannes Abschied von ihrem Vater war kurz und freundlich. Aber auf beiden Saiten wurde bei der Trennung kein großer Schmerz empfunden. Das junge Paar fuhr mit strahlen den Gesichtern davon. Fred Bergen war glück lich, sein junges Weib nun erst einmal für sich allein zu haben. Die Hochzeitsgäste tafelten inzwischen ruhig weiter. Norbert satz weit von Anni getrennt. Tante Elisabeth hatte es einzurichten gewutzt, datz er die Komtesse Hohenegg zur Tischdame hatte. Er merkte sehr wohl die Absicht, suchte sich aber da mit abzufinden und unterhielt sich, so gut es ging, mit der jungen Dame. Aber zwischen Tafelaufsätzen und Blumenarrangements hin durch sah er zuweilen ein goldbraunes Köpf chen auftauchen, und einigemale gelang es ihm, den schönen, klaren Veilchenaugen zu begegnen, die er so sehr liebte. Anni sah in der neuen Festtoilette so blendend schön und holdselig aus, datz viele Blicke bewundernd auf ihr ruhten. In allem Glanz und in aller Pracht zog sich ihr Herz ost schmerzlich zusammen, wenn sie Norbert an der Seite der Komtesse sitzen sah und Tante Elisabeths forschende Blicke auffing, die diese nach Norbert und der Komtesse hin übersandte, als wolle sie prüfen, ob Norbert sich für die junge Dame zu erwärmen begann. Und sie sehnte sich weit weg, nach den sttt- ben behaglichen Zimmern in Schloß Satzneck, ,nach den trauten friedlichen Stunden, die ihre Seele mit Glück füllten. Norbert hatte Tante Elisabeths Ankündi gung, daß Baron Hochberg Weihnachten in Saßneck verleben würde, ohne Unruhe aufge- nommen. Hielt er sich doch an Annis Worte, die ihn von aller Eifersucht befreit hatten. Nach herzlichem Abschied von dem Baron reiste Frau von Saßneck mit ihrem Neffen und Anni von Eckartsberge ab. Alle anderen Gäste hatten das Haus bereits verlassen. Es fehlten nur noch reichlich zwei Wochen bis Weihnachten. Norbert hatte sich vorgenommen, das Weih nachtsfest erst noch vorbei zu lassen und erst nach Neujahr mit Anni zu sprechen und daun seine Tante mit seinen Zukunstsplänen bekannt zu machen. Bis dahin hoffte er, mit sich selbst und mit dem, was er für die Zukunft ins Auge fassen mußte, im klaren zu sein. Ohne Kämpfe würde das alles nicht abge hen und er wollte sich für diese Kämpfe stärken in den friedlichen Tagen, die jetzt vor ihm la gen. Für das Weihnachtsfest hatten er und die beiden Damen noch mancherlei zu tun. Für eine Menge Menschen mutzte gesorgt werden. Grohe Weihnachtsbäckerei war an der Tages ordnung. Anni und Frau von Saßneck hatten für die Leute Geschenke cinzukausen und alles mit Namen zu bezeichnen, damit am Weihnachts- -ag das Aufbauen der Geschenke im großen Saal schnell vonstatten ging. Zu ihren Fahrten nach der Stadt benutzten sie jetzt den Schlitten, da herrliche Bahn war. Zuweilen fuhr Norbert die Damen selbst. Man sah dann auch meistens mit nach der Villa des jungen Paares, wo nun die letzte Hand ange legt wurde. Die neuengagierte Dienerschaft wav schon anwesend, und der Baron hatte Frau von Saßneck gebeten, ab und zu nach dem Rechten zu seben. Es war ein lauschiges und mit al- em Komfort ausgeftattetes Heim, welches das junge Paar erwartete nach der Mckkehr von der Hochzeitsreise. Die ganze Garnison interessierte sich dafür. Die jüngeren, unverheirateten Offi ziere putzten und schmückten an ihren Wohnun gen herum, um nicht zu sehr hinter Marianne von Bergen zurückstehen zu müssen. Anni kam gar nicht dazu, Grillen zu fan gen. In ihren wenigen Mußestunden arbeitete sie eifrig an einer kunstvollen und mühsamen Handarbeit, mit der sie Tante Elisabeth be schenken wollte. Norbert Saßneck aber suchte schon im ge heimen allerlei Verbindungen für später anzu knüpfen, denn er mußte daran denken, sich eine Lebensstellung zu erringen, die es ihm ermög lichte, für Anni und sich ein sorgenfreies Leben zu schaffen. Persönlich besaß er kein nennens wertes Vermögen, nur das, was er in den letz ten Jahren von seinem Einkommen gespart hatte. Ein Notpfennig war das immerhin, aber darauf wollte er nicht angewiesen bleiben. Trotzdem er nun für die Zukunft keine glänzenden Ausfichten hatte, nun er doch von einer inneren Freudigkeit durchdrungen, seit er den Entschluß gefaßt hatte, lieber auf das Ma jorat als auf Anni zu verzichten. Er vermochte nun ganz ruhig seine, Zeit abzuwarten und malte sich in leuchtenden Bildern aus, wie Anni wohl seine Erklärungen aufnehmen würde. Er fühlte sich innerlich ganz eins mit ihr, trotzdem noch kein Wort von Liebe zwischen ihnen gesprochen worden war. Norbert hatte auch schon den Gedanken erwogen, ob es für ihn nicht möglich sei, die Leitung und Direktion von Saßneck in den Händen zu behalten, auch wenn es nach seiner Heirat dem Staate zusiel. Es ließen sich da vielleicht günstige Verhandlun gen abschließen. Nur an Tante Elisabeth dachte er mit Un behagen. Wie sie das alles aufnehmen würde, wußte er. Und es schmerzte ihn, ihr Kummer bereiten zu müssen. Es tröstete ihn nur, datz ihr auf alle Fälle das Witwenhäuschen mit allen darauf ruhenden Gerechtsamen erhalten blieb. Anni war innerlich sehr froh, daß Norbert ihr gegenüber so ruhig und heiter schien. Sie atmete wieder freier und hoffte von neuem, daß es ihr erspart bleiben würde, Saßneck zu verlassen. Keine Ahnung kam ihr von dem, was Norbert vorhatte. Tante Elisabeth sondierte Norbert zuweilen über seine Ansichten über die Komtesse Hol^enegg. Sie plante, daß Marianne diese junge Dame später nir einige Zeit zu! sich einladen svllte, damit ihr Norbert näherkvmmen konnte. Norbert wich ihren Frager aus. Er wollte das Heiratsthema vorläufig nicht mehr erörtert wissen. Weihnachten kam so schnell! heran. Am Tage vor dem Feste traf Baron Höchberg pünkt lich ein. Und am Weihnachtsabend vereinigte die vier gleichgestimmten Menschen, nachdem die Leute zu ihrem Rechte gekommen waren, eine stimmungsvolle Feier. Im Grunde war es, als ob diese Feier sich nur um Anni drehte. Drei Menschen hatten ge wetteifert, ihr etivas zuliebe zu tun, und alle drei hatten die höchste Freude an Annis strah lenden Augen. Sie wurde so reich beschenkt, daß sie ganz fassungslos vor den aufgebauten Herrlichkeiten stand. Freilich bedrückte sie der Gedanke nicht wenig, daß sie sich nicht im gleichen Maße re vanchieren konnte, aber man machte ihr die An nahme leicht. Norbert und Baron Hochberg hat ten jeder nur ein kleines Etui auf Annis Plqtz gelegt, während Frau von Satzneck ausgebaut hatte, was nur ein junges Mädchenherz erfreuen kann. Aber der Inhalt dieser Etuis war nicht minder kostbar. Baron Hochberg schenkte Anni an einer goldenen Kette ein wundervoll gearbeitetes Me daillon mit einem schönen, tiefblauen Saphir in der Miite. In diesem Medaillon befand sich aus der einen Seite eine etwas verblaßte Wieder gabe des Bildchens, das er selbst in seinem Me daillon trug und auf der anderen Sette ihr ei genes Bildnis, wie sie als Thekla ausgenommen worden war. Bei dieser Gelegenheit erfuhr nun auch Nor bert Saßneck, weshalb Baron Hochberg für An ni eine so ausfallende Neigung an den Tag ge legt hatte. Und nun war ihm der letzte Sto chel aus der Brust genommen. Anni war sehr gerührt über das sinnige Geschenk, und Nähert dachte, gleich dem Baron, wie herrlich es wäre, wenn Anni wirklich dessen Tochter gewesen wäre. Dann wären ihm alle Kämpfe erspart geblieben. (Fortsetzung folgt.)